Sämtliche Leidenschaften - Franz Schuh - E-Book

Sämtliche Leidenschaften E-Book

Franz Schuh

4,6

Beschreibung

"Ich will hier nur eines erzählen, nämlich wie ich Lili, die mich natürlich auch verlassen hat, eines Tages kennenlernte." Der Erzähler – er heißt wie der Autor Franz Schuh – ist Mitte sechzig, ein Künstler in Wien, der eher schlecht als recht von seiner Kunst leben kann. Deshalb verdingt er sich als Frühstückskoch im Café Formanek. Als er eines Morgens aus dem Haus stürzt, gerät er unversehens in eine große Menschenmenge, zwischen Polizeiautos und -sirenen – die Dreharbeiten zu einer "Tatort"-Folge. Aus dieser Situation rettet ihn die Filmstudentin Lili Fichte. Zwischen den beiden entsteht eine Freundschaft, bei ihm wohl mehr. Franz Schuhs Buch ist ein großartiges Porträt des Ich-Erzählers als armer Hund, wobei der arme Hund gar nicht unglücklich ist.

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Seitenzahl: 291

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Zsolnay E-Book

Franz Schuh

Sämtliche Leidenschaften

Paul Zsolnay Verlag

ISBN 978-3-552-05709-8

Alle Rechte vorbehalten

© Paul Zsolnay Verlag Wien 2014

Umschlag: Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich, unter Verwendung eins Fotos von © Markus Krottendorfer

Satz: Eva Kaltenbrunner-Dorfinger, Wien

Unser gesamtes lieferbares Programm und viele andere Informationen

finden Sie unter www.hanser-literaturverlage.de

Erfahren Sie mehr über uns und unsere Autoren auf www.facebook.com/ZsolnayDeuticke

Datenkonvertierung E-Book: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Ich hab’ mich verändert, indem ich mich abgeschafft habe und doch nicht abgeschafft habe.Da sehen Sie, dass auf der Welt nichts wegkommt.

Wolfgang Neuss

Ich glaube (sagte ich, auf dem Floß unruhig auf und ab gehend. Der Fluss dagegen war ruhig, nicht eine Welle war zu sehen. Es war ein heißer Sommertag, und auf der anderen Seite des Ufers war die Wiese von der Sonne grell beleuchtet. Auf das Floß fiel um diese Tageszeit noch der Schatten des Waldes) –, ich glaube, wer etwas von der Individualität hält, von der Individualität der Menschen (davon, dass Menschen dadurch wichtig sind, dass sie als Einzelne vorkommen), muss notgedrungenermaßen auch etwas vom Tod halten. Es gibt ja die Möglichkeit – diese Chance ist jedem Einzelnen eingeräumt –, den Tod zu hassen und zu sagen: Der Tod nimmt all diesen Versuchen, am Leben gewesen zu sein, die Kraft und am Ende auch den Sinn. Es ist … irgendwie … (ich setzte mich an den Rand des Floßes, die Füße baumelten im Wasser, das Wasser war eiskalt), durch den Tod, durch den Tod erfolgt eine Nichtigkeitserklärung an alle menschlichen, einzelnen Unternehmungen. Ja, die Gattung lebt weiter und ist anscheinend auf viele Individuen angewiesen, aber des Einzelnen bedarf die Gattung um ihrer selbst nicht (unbedingt). Vielleicht manche Einzelne, die der Gattung außerbiologisch einen historischen Sinn gegeben haben; sie existieren dann weiter im Gedächtnis, sie konstituieren zusammen mit einigen Lebenden einen menschlichen Zusammenhang ganz unsicherer Natur: die Menschheit, die Kultur.

Angesichts des Todes verschwindet der Einzelne auch aus dem Leben der Gattung – und die Gattung tut weiter wie bisher, als ob ich nicht gewesen wär. Die Frage nach dem Tod, vor allem die nach dem eigenen Tod, ist eine Variante der Eitelkeit oder, vielleicht besser, sie ist ein Endpunkt der Eitelkeit: Man ist unversöhnlich mit dem eigenen Nicht-Sein, das man gar nicht denken kann. Aber Denken ist nicht alles: Ich zum Beispiel (sagte ich unter der Sonne) habe den Sinn für die Negation körperlich und geistig eingebaut. Vernichtet zu sein ist mir vertraut, ich spüre durch das Dickicht des Daseins hindurch das Ende (von Jugend an), und ich glaube auch, dass der Tod der anderen, von dem man lernen und den man ganz und gar unegoistisch leidend erleben kann, irgendwann erst recht zurückschlägt in die eitle Unversöhnlichkeit mit dem eigenen Nicht-Sein: Ihr Wegsein macht einem das eigene Wegsein vor. Sowas wie eine Gattung plaudert ständig aus, dass alle zu ihr gehören, dass bloß du und du und auch du (und auch ich) im Einzelnen für ihren Bestand gar nicht nötig sind. Unnötige Einzelexemplare, denen eh nichts anderes übrigbleibt als die Zugehörigkeit zu ihrer Gattung, die am Ende mehr oder wenig höhnisch signalisiert, auf euch kann man verzichten, ihr seid ersatzlos zu streichen.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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