Samtpfoten und Kratzbürsten - Birga Dexel - E-Book

Samtpfoten und Kratzbürsten E-Book

Birga Dexel

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  • Herausgeber: Kosmos
  • Kategorie: Lebensstil
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2013
Beschreibung

Minka reißt die Tapeten runter, Morle prügelt sich mit seinem Katzenkumpel und Kalle verfehlt das Katzenklo. Was steckt dahinter? Birga Dexel lässt den Leser die Welt mit Katzenaugen sehen. Sie veranschaulicht anhand zahlreicher Fallbeispiele nicht nur, warum sich die Tiere entsprechend verhalten, was sie dabei fühlen und warum sie keinen anderen Ausweg sehen, sondern zeigt auch katzengerechte Lösungsmöglichkeiten für eine glückliche Beziehung zwischen Mensch und Katze auf. Denn schwierige Probleme im Zusammenleben sind durch ein katzengerechtes Umfeld und regelmäßiges Training lösbar. Der Ratgeber für alle Katzenfreunde – lebendig, emotional und unterhaltsam.

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Seitenzahl: 280

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Ich widme dieses Buch meiner wunderbaren Großmutter Emmy und meinem geliebten Kater. Ihr beide werdet immer ein Teil von mir sein.

Katzen sind meine Leidenschaft

Viele meiner schönsten Kindheitserinnerungen haben mit Tieren, genauer gesagt mit Katzen und Pferden zu tun. Meine Großmutter legte die Liebe zu Katzen buchstäblich in meine Hände, als sie mir als kleinem Mädchen bei meinen wöchentlichen Besuchen Katzenwelpen brachte und mich aufforderte, sie ganz sanft zu berühren, um sie nicht zu verschrecken. Später haben wir in gemeinsamen konspirativen Aktionen auf dem Hof meiner Großeltern die neugeborenen Kätzchen vor den todbringenden Absichten meines Opas versteckt. Dieser brachte es nur fertig, die Kätzchen zu töten, solange ihre Augen noch geschlossen waren. Nur die Mutterkatze, meine Oma und ich wussten, wo die Kleinen versteckt waren, und wir arbeiteten gemeinsam daran, meinen Großvater hinters Licht zu führen. Das gelang uns in den allermeisten Fällen auch, sodass die Katzenpopulation auf dem Hof meiner Großeltern zu einer kleinen Kolonie heranwuchs. Die Katzenmama wusste genau, wann die gefährliche Zeit vorüber war; nach ein paar Wochen sah man sie munter mit ihren Kätzchen im Gefolge über das Gelände laufen. Leider ist es auf dem Lande heutzutage zum Teil immer noch verpönt, frei laufende Katzen zu kastrieren, und so werden jedes Jahr aufs Neue unzählige kleine Kätzchen, die gerade erst das Licht der Welt erblickt haben, grausam getötet.

Meine Liebe zu Katzen und zu Pferden ist erhalten geblieben. Frühe Erfahrungen prägen nachhaltig, uns Menschen ebenso wie Katzen. Darauf werde ich noch ausführlich eingehen. Katzen haben mich privat und später auch beruflich durch mein Leben begleitet und ich kann mir, wie sicherlich viele unter Ihnen, ein Leben ohne diese wunderbaren Wesen nicht vorstellen.

Nach meinem Abitur verwirklichte ich mir einen Jugendtraum und arbeitete ein Jahr lang als Reitbegleitung auf einem irischen Connemara-Ponyhof in der Grafschaft Mayo. Nach einem weiteren Jahr als Jugendbotschafterin für Deutschland im Rahmen des internationalen Kulturaustauschprogramms „Up with People“ studierte ich mit dem Schwerpunkt Internationale Dienste in Berlin und Brighton, Großbritannien. Mein akademisches Spezialgebiet waren internationale Abkommen zum Schutz vom Aussterben bedrohter Tier- und Pflanzenarten wie beispielsweise das Washingtoner Artenschutzübereinkommen (WA; auf Englisch: CITES).

Arbeiten für bedrohte Tierarten

Internationale Umweltabkommen wurden auch die Schwerpunkte meiner Tätigkeit im Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) und für eine vom wissenschaftlichen Beirat für Globale Umweltfragen der Bundesregierung (WBGU) beauftragte Studie.

Während eines Aufenthalts bei dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) in Nairobi bekam ich Kontakt zu führenden kenianischen Artenschützern wie dem bekannten Elefantenforscher Ian Douglas-Hamilton und seiner Familie. Diese Zeit sollte mein weiteres Leben entscheidend bestimmen. Sieben Jahre arbeitete ich danach in London als Campaignerin und entwickelte Strategien und Projekte zum Schutz bedrohter Tierarten bei der internationalen Artenschutzorganisation Environmental Investigation Agency (EIA). Neben der Lobbyarbeit für gefährdete Tiere war meine Hauptaufgabe, Informationen über den illegalen Handel mit bedrohten Arten wie Walen, Papageien, Nashörnern und Tigern sowie über die Machenschaften von Tierhändlern zu sammeln und an die entsprechenden nationalen Behörden und internationalen Institutionen weiterzugeben. Das geschah auch mithilfe kriminalistischer Methoden wie versteckten Kameras. Ich recherchierte, wie diese Märkte strukturiert und welche Akteure darin verstrickt waren.

Undercover unterwegs für Nashörner

Meinen ersten Undercover-Einsatz hatte ich ebenfalls in London, als wir planten, einen Verkäufer von illegalem Rhinozeroshorn zu überführen. EIA hatte den Tipp durch einen Informanten erhalten, dass ein leitender Angestellter eines traditionsreichen Londoner Unternehmens einen Käufer für Rhinohorn suchte. Es wird in der Traditionellen Chinesischen Medizin als fiebersenkendes Mittel und nicht wie allgemein gemutmaßt als Aphrodisiakum eingesetzt.

Meine in Undercovereinsätzen erfahrenen Kollegen waren der Meinung, dass es helfen würde, wenn ich an dem Einsatz teilnehme. Ich gab mich als Schweizer Ehefrau aus, die ihren englischen Gatten, der beruflich häufig in China unterwegs war, auf einer Geschäftsreise nach London begleitete. Unser Informant setzte sich mit dem Verkäufer in Verbindung und vereinbarte mit ihm ein Treffen in dessen Londoner Geschäftsräumen. Zuerst wurde ich in einer Londoner Edelboutique mit Designerkleidung und bei einem Juwelier mit wertvollem Schmuck ausgestattet, da wir glaubwürdig erscheinen mussten. Beide Geschäfte hatten uns schon vorher bei ähnlichen Aktionen unterstützt und waren auch diesmal gern bereit, ihre Ware für die gute Sache an uns auszuleihen. Zudem wurde eine Handtasche mit einer versteckten Kamera präpariert, denn meine Aufgabe bestand darin, die gelangweilte Ehefrau zu mimen und zu filmen, während „mein Mann“ den Verkäufer in ein Gespräch verwickelte, um möglichst viele verwertbare Informationen zu erhalten. Wir fuhren von unserem Nobelhotel, in das wir eingecheckt hatten, in geborgter Luxuslimousine zum vereinbarten Treffpunkt. Dort wurden wir sehr freundlich empfangen und erhielten eine VIP-Tour durch das Unternehmen. Danach führte man uns in den Sitzungssaal des Vorstands, der mit martialischen Waffen, Säbeln und Jagdtrophäen ausstaffiert war. Beim obligatorischen Five o’Clock Tea kam das Gespräch auf die Vorzüge des Lebens in Zürich im Gegensatz zu London. Ich bemerkte, wie mein Kollege leicht anfing zu schwitzen, konnte aber dank vieler Besuche bei Freunden in der Schweiz überzeugend über die Vorteile diverser Züricher Wohnviertel und Schweizer Skigebiete berichten. Schließlich mahnte ich, dass wir für den Abend Theaterkarten hätten und ich mich vorher noch frisch machen müsse, deswegen sollten wir doch zum Geschäftlichen kommen. Gesagt, getan. Der Unterhändler ließ uns wissen, er sei im Besitz eines Rhinozeroshorns von stattlicher Größe, das er an Chinesen verkaufen wolle. Dabei brauche er die Unterstützung „meines Mannes“ als Vermittler. Er zeigte uns das Horn und fragte, wie schnell wir potenzielle Käufer finden könnten. Wir versprachen, uns in den nächsten Tagen bei ihm zu melden. Er ahnte nicht, dass dieser Kontakt wohl anders ausfallen würde als von ihm erhofft.

Im Büro kontrollierten wir die Qualität der Videoaufzeichnungen und kontaktierten umgehend die zuständigen Londoner Behörden, die den Mann am nächsten Tag aufsuchten. Da ein bekanntes Unternehmen involviert war, machte der Fall in England einige Schlagzeilen. Die britische Öffentlichkeit war schockiert, dass ein derartiger illegaler Handel nicht irgendwo in Fernost vonstattenging, sondern direkt vor der eigenen Haustür.

Nashörner sind heute aufgrund der ungebremsten Wilderei in ihren afrikanischen Ursprungsgebieten bedrohter als je zuvor. Kostete das wertvolle Horn noch zur Zeit unserer Aktion circa vierhundertfünfzig bis sechshundertfünfzig US-Dollar pro Kilo, so ist es mit fünfundsechzigtausend US-Dollar im Jahr 2012 schon das Hundertfache. Je bedrohter die Art, desto höher der Preis. Ein Horn wiegt drei bis fünf Kilogramm. Keine guten Nachrichten für diese faszinierenden Dickhäuter, zu denen ich während meiner Zeit in Kenia näheren Kontakt haben durfte.

Wir präsentierten die Ergebnisse der Undercover-Aktionen auf internationalen Tagungen und setzten uns für einen verstärkten legislativen Schutz und eine verbesserte Durchsetzung der vorhandenen Gesetze ein. Diese Arbeit erforderte eine Menge Fingerspitzengefühl, denn ich musste die unterschiedlichsten Menschen von unseren Zielen überzeugen. Das hatte wenig Aussicht auf Erfolg, wenn ich ihnen die Pistole auf die Brust setzte. Diese Möglichkeit gab es ohnehin nur, wenn wir illegale Aktionen gefilmt hatten. Prinzipiell war ich jedoch darauf angewiesen, mit der Macht der Worte zu überzeugen. Das schulte meine Fähigkeit, mit vielen verschiedenen Menschen, (auch) aus den unterschiedlichsten Kulturkreisen, zu arbeiten. Diese Erfahrung kam mir später in meiner therapeutischen Arbeit mit Katzen und vor allem mit deren Haltern sehr zugute.

Eine gelungene Kommunikation ist in meiner Arbeit enorm wichtig. Das lateinische Wort „communicare“ bedeutet „teilen, teilnehmen lassen, vereinigen“. Und genau darum geht es. Ich möchte Katzenhalter an meinem Wissen teilhaben lassen.

Schutz der Schneeleoparden

Meine Arbeit bei der EIA führte dazu, dass ich vom Naturschutzbund Deutschland (NABU) engagiert wurde, ein Projekt zum Schutz der vom Aussterben bedrohten Schneeleoparden in der zentralasiatischen ehemaligen Sowjetrepublik Kirgisistan zu initiieren. Ich koordinierte es in Zusammenarbeit mit Mitarbeitern vor Ort neun Jahre lang. Für meine Arbeit wurde ich 2004 mit dem Umweltpreis „Trophée de Femmes“ der Yves Rocher-Stiftung in Paris ausgezeichnet.

Als wir mit diesem Projekt begannen, waren durch den Zusammenbruch der Sowjetunion auch alle dort zuvor bestehenden und gut funktionierenden Schutzstrukturen für bedrohte Tiere kollabiert. Ranger wurden nicht mehr bezahlt, und die brutale Wilderei dezimierte die Populationen bedrohter Arten in atemberaubendem Tempo. In Kirgisistan war es traditionell lediglich hohen Würdenträgern vorbehalten, die kostbaren Schneeleopardenfelle zu besonderen Anlässen zu tragen oder in ihren Jurten, den Filzzelten der Sommernomaden, als Blickfang aufzuhängen.

Schneeleopardenfelle sind eine begehrte Ware; die Tiere leben zumeist in Höhenlagen von dreitausend bis fünftausendvierhundert Metern und entwickeln so ein dickes, wunderbar weiches Fell. Entsprechend hohe Preise werden auf den internationalen Märkten gezahlt – trotz aller Verbote, denn die Art steht kurz vor dem Aussterben. Obwohl sie über ein Terrain von über zwei Millionen Quadratkilometern in den Hochgebirgsregionen von zwölf asiatischen Ländern verbreitet sind, leben nach neuesten Schätzungen des International Snow Leopard Trusts (ISLT) mittlerweile nur noch viertausendfünfhundert bis sechstausend Schneeleoparden in freier Wildbahn.

Durch mein Studium und meine anschließenden Tätigkeiten hatte ich ausreichend Erfahrungen gesammelt, um einen bilateralen Vertrag zwischen dem NABU als Nichtregierungsorganisation (NRO) und dem kirgisischen Umweltministerium mit auszuhandeln. Als Teil des Vertragswerks wurde eine Wildhütereinheit, die Gruppa Bars, aufgebaut, deren Mitglieder ich mithilfe von einheimischen Mitarbeitern auswählte und die zum größten Teil vom NABU finanziert wurden. Bars ist das russische Wort für Schneeleopard. Dieses Abkommen war eine Novität, die zeigt, wie verzweifelt die Lage in Kirgisistan war, denn de facto übernahm eine NRO die Finanzierung staatlicher Aufgaben.

Auch im Rahmen des Schneeleopardenpojektes mussten wir mit Undercover-Methoden arbeiten, um illegale Tierhändler zu überführen. In der kirgisischen Hauptstadt Bischkek ging das Gerücht um, ein Händler habe mehrere „frische“ Schneeleopardenfelle zu verkaufen. Gruppa Bars bat mich, als Käuferin aufzutreten, da die einzelnen Mitglieder vor Ort schon zu bekannt waren. Ein deutscher Kollege und ich spielten in Bischkek bei einem Treffen im besten Hotel am Platz ein kaufkräftiges deutsches Ehepaar, das unbedingt Schneeleopardenfelle für einen Pelzmantel kaufen wollte. Für einen solchen Mantel braucht man die Felle von bis zu sechzehn Schneeleoparden. Welch ein Irrsinn!

Es ist für mich unverständlich und schwer auszuhalten, wie gewissenlos und gefühllos Menschen zuweilen mit Tieren umgehen. Auch die vom Aussterben bedrohten Arten werden nicht verschont. Illegaler Handel wird kaum geahndet. Nur wenn man Händler auf frischer Tat ertappt und Beweise sichert, gibt es die Möglichkeit, sie auch wirklich dingfest zu machen. Solche Aktionen sind riskant, da sich neben Kleinhändlern auch diverse kriminelle Organisationen auf diese Sparte spezialisiert haben. Im illegalen Handel mit geschützten Tieren und deren Produkten sind riesige Gewinne zu erzielen. Gleichzeitig besteht für die Täter, die sonst eher in kriminellen Geschäftszweigen wie Drogen-, Waffen- und Menschenhandel aktiv sind, ein deutlich geringeres Risiko, da Strafandrohung und -verfolgung im Vergleich unwesentlich ausfallen.

Mir war sehr bewusst, dass wir es mit Schwerstkriminellen zu tun hatten, die sicherlich nicht zimperlich handeln würden. Von meiner lokalen Rangereinheit war ich schon darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass man in diesem Geschäft auch vor Mord nicht zurückschreckte. Die einzelnen Mitglieder der Gruppa Bars waren Profis. Sie waren aufgrund ihrer Qualifikationen und früheren Tätigkeiten – als Spezialisten des ehemaligen russischen Geheimdienstes, des Militärs und des Personenschutzes – ausgewählt worden. Ich vertraute ihrer Lageeinschätzung und hielt mein Risiko für vertretbar, weil ich wusste, dass ich mich auf sie verlassen konnte. Am Telefon sagte ich meinem besorgten Partner in Deutschland, dass ich ihn liebe, und schlüpfte in meine neue gefährliche Rolle. Resultat unserer glücklicherweise erfolgreichen Aktion waren ein über seine Festnahme äußerst überraschter Händler und drei konfiszierte Felle.

Dshamilja war meine erste Schneeleopardin

Die erste noch lebende Schneeleopardin, die durch Gruppa Bars konfisziert wurde, war Dshamilja, ein junges Tier, das Teile seiner Vorderpfote in einem mit scharfen Zacken ausgestatteten Fangeisen verloren hatte und in einem erbärmlichen Zustand war. Als Gruppa Bars Dshamilja konfiszierte, hatte sie bereits ein paar Wochen in einer kleinen Kiste schwer verletzt in ihrem Blut und ihren Exkrementen liegend mehr tot als lebendig ausgeharrt. Die Händler, die das Tier möglichst gewinnbringend verkaufen wollten, waren unvorsichtig geworden, als sie sahen, dass es nicht mehr lange leben würde, und so kam die Nachricht von einem jungen Schneeleoparden, der in einem Hinterhof in der kirgisischen Hauptstadt Bischkek gehalten wurde, auch der Wildhütereinheit zu Ohren. Nach erfolgreicher Festnahme der Verbrecher und gleichzeitiger Konfiszierung des Jungtiers hatten wir mit dem nächsten drängenden Problem zu tun, denn es gab vor Ort weit und breit keinen Wildtierveterinär und keine adäquaten Unterbringungsmöglichkeiten, die Lage war wirklich sehr ernst und prekär.

Ich erhielt den Anruf mit der Nachricht von dem verletzten Schneeleoparden an einem frühen Morgen im Dezember 2001. Weihnachten stand vor der Tür, und uns war klar, dass wir alles tun mussten, um das Leben des jungen Irbis, wie man Schneeleoparden auch nennt, zu retten. Die Schneeleopardin wurde notdürftig in einem provisorischen Gehege auf dem Hof eines deutschen Mitarbeiters des Centrums für internationale Migration und Entwicklung (CIM) untergebracht. Dort konnte Dshamilja nicht gesund werden. Unsere einzige Möglichkeit war, sie schnell nach Europa auszufliegen, hier zu behandeln und in das Europäische Erhaltungszuchtprogramm der Zoos (EEP) einzugliedern. Der Zuchtbuchführer und Kurator des Zoos von Helsinki, Leif Blomqvist, sowie Christer Larsson von der schwedischen Nordens Ark, mit dem ich schon früher zusammengearbeitet hatte, waren mir dabei eine unermessliche Hilfe und psychologische Stütze. Ich telefonierte über Stunden mit deutschen Behörden, Politikern und Zoos, um den überlebenswichtigen Platz und die benötigten Ein- und Ausfuhrdokumente für Dshamilja rechtzeitig zu erhalten, bevor sich alle Entscheidungsträger in den Weihnachtsurlaub verabschiedeten. Der Wildtierveterinär Dr. Boer flog schließlich nach Kirgisistan, versorgte die Schneeleopardin notdürftig und brachte sie tatsächlich in der Kabine einer Maschine der Kyrgyzstan Airlines von Bischkek nach Hannover.

Wer seine Hauskatze schon einmal im Flugzeug transportiert hat, weiß um die anstrengenden Prozeduren und den Papierkram vor dem Flug. Kyrgyzstan Airlines war entgegen unseren Befürchtungen sehr pragmatisch und entgegenkommend: Im hinteren Teil der Maschine wurde ein Sitz herausmontiert und die riesige Transportkiste hineingestellt. In der Kabine drehte der Pilot die Temperatur herunter, da Schneeleoparden es gern deutlich kälter als wir Menschen haben. Alle weiteren Fluggäste zeigten großes Verständnis für die Maßnahme, nachdem der Pilot sie per Bordlautsprecher über den ungewöhnlichen Passagier infomiert hatte. Natürlich wollten alle einen Blick von Dshamilja erhaschen und so blieb die Schlange vor den Bordtoiletten, in der Nähe sich Dshamiljas Box befand, während der gesamten Flugdauer konstant lang. Derweil warteten wir angespannt am Flughafen Hannover, umgeben von politischen Würdenträgern wie dem damaligen kirgisischen Botschafter, der Staatssekretärin im Umweltministerium und der Presse, auf Dshamiljas Ankunft. Ein erfahrener Raubtierpfleger aus dem Wildpark Lüneburger Heide nahm die Schneeleopardin in Empfang und päppelte sie liebevoll auf. Ihr endgültiges Zuhause fand sie im Züricher Zoo, der ein weltweites Renommee in der Haltung von Schneeleoparden hat. Dort geht es ihr mittlerweile so gut, dass sie uns schon mehrfach mit Nachwuchs beglückt hat.

Dshamilja war das erste lebende Tier, das Gruppa Bars konfiszierte, andere sollten später folgen. Mit ihrer Ankunft wurde uns schlagartig bewusst, dass wir nicht nur die Felle getöteter Tiere einziehen würden, sondern auch die medizinische Versorgung von geretteten Wildtieren übernehmen mussten. Eine Wildtierauffangstation in den Bergen Kirgisistans musste her; sie konnte schließlich auch dank vieler Spenden errichtet werden. So wurden weitere konfiszierte Schneeleoparden und Greifvögel sicher untergebracht.

Seit unserem ersten Zusammentreffen war ich von der jungen Irbisdame Dshamilja fasziniert, war es doch auch mein erster leibhaftiger Kontakt mit einem aus der Wildnis stammenden Schneeleoparden. Ich fuhr wieder und wieder in den Wildpark Lüneburger Heide, Dshamiljas erster temporärer Station, und später in den Züricher Zoo, um sie zu besuchen, und lernte so viel wie möglich über diese einzigartige Art. Die Erkenntnisse, die wir unterdessen mithilfe der Gruppa Bars und dem Team vor Ort über Schneeleoparden sammelten, nutzten wir – in enger Zusammenarbeit mit internatio-nalen Schwergewichten der Schneeleoszene wie dem ISLT und der IUCN Cat Specialist Group – für Aufklärungskampagnen über den prekären Status der Art in ihrem gesamten Verbreitungsraum und zu verstärkten internationalen Schutzbemühungen.

Von der Wildkatze zur Hauskatze

Schon der französische Schriftsteller Victor Hugo war der Meinung, Gott habe die Katze erschaffen, damit der Mensch einen Tiger zum Streicheln hat. Der bekannte Verhaltensforscher und „Katzenpapst“ Professor Paul Leyhausen stellte fest, dass Katzen sich nicht sehr weit von ihren wild lebenden Verwandten wegentwickelt haben und „verhaltensmäßig eng miteinander verwandt sind. Aus diesem Grund ist die Kenntnis des Verhaltens zum Beispiel des Löwen durchaus relevant für das Verständnis der Hauskatze – und umgekehrt.“ Während meiner wochenlangen Aufenthalte in der eigens für konfiszierte Wildtiere gebauten Auffangstation im kirgisischen Biosphärenreservat Issyk-Kul saß ich damals tagelang vor dem Gehege, das wir für die drei jungen Schneeleoparden gebaut hatten, und beobachtete ihr Verhalten, das noch weitgehend unbeeinflusst von Menschen war, Und doch konnte ich diese Verwandtschaftsverhältnisse bei meinen Beobachtungen leibhaftig miterleben. So erinnerten mich die in Eis und Schnee lebenden Großkatzen, übrigens eine eigene Gattung (Uncia uncia) unter den Großkatzen, in ihrem Verhalten an vieles, was ich zu Hause mit meinen Stubentigern erlebte. Daraufhin begann ich, parallel zu der Arbeit für das Projekt zum Schutz der Schneeleoparden, mich auch intensiv in die Verhaltensbiologie von Hauskatzen einzuarbeiten. Und da meine Katzenbegeisterung allgemein bekannt war, fragten mich auch bald immer mehr Menschen um Rat.

In Sachen moderner Haustierhaltung hat Großbritannien die Nase vorn

Meine Studienzeit und die langjährige Arbeit in England haben einen wichtigen Grundstein für meinen späteren Werdegang gelegt. In Großbritannien steht man generell dem Tierschutz und artgerechter Haustierhaltung viel offener gegenüber als bei uns, und im alltäglichen Umgang mit Haustieren sind uns die Briten teilweise voraus. Ich habe die britische Bevölkerung als sehr tierlieb kennen- und schätzen gelernt. Das Interesse an Fragen zu moderner Haustierhaltung sowie Wildtierschutz ist allgemein groß, und die Katzentherapie konnte sich auf der Insel viel früher als auf dem Kontinent etablieren. In England ist die therapeutische Arbeit mit Katzen mittlerweile ganz normal. Bei spezifischen Problemen geht man heute zum Tiertherapeuten oder wird vom Tierarzt an einen solchen weiterverwiesen. Als ich zurück nach Deutschland kam, war ich erstaunt, dass die Verhaltensberatung für Katzen von Katzenhaltern hierzulande nur sehr wenig in Anspruch genommen wurde.

In Großbritannien war ich auch mit Bachblüten in Berührung gekommen, zu einer Zeit, als diese ganzheitliche Methode in Deutschland noch weitgehend unbekannt war. Damals wie heute setzt man dort Bachblüten ganz selbstverständlich therapeutisch ein. In Deutschland empfand ich es bei meiner Rückkehr als sehr bedauerlich, wie skeptisch und kritisch man hier solchen Ansätzen gegenüberstand. Das hat sich inzwischen glücklicherweise geändert.

Leben in einer großen Londoner Katzen-WG

In London lebte ich mit elf Freigängerkatzen in einer Wohngemeinschaft, eine Zeit, an die ich mich gern erinnere. Ein Teil des so großen Mehrkatzenhaushalts zu sein war spannend und half mir genauer zu verstehen, wie Katzen miteinander kommunizieren und in welcher Art und Weise sie ein Leben in einer größeren Gruppe regeln.

Die Katzengesellschaft half mir ein wenig darüber hinweg, dass ich meine geliebte Katze Gina in Deutschland zurücklassen musste, da ich sie nicht den damals noch strikten und qualvollen Quarantänebedingungen aussetzen wollte. Sechs Monate Quarantäne für Tiere, die mit uns sonst so eng zusammenleben, waren für mich einfach unvorstellbar. Zu den Erfahrungen in meiner Katzen-WG kam ein großes Informationsangebot in England zu Katzenthemen, das ich eifrig genutzt habe. Rückblickend hat mir diese Zeit den Weg vorgezeichnet, den ich später einschlagen sollte.

Tierkommunikation ist Teil unseres biologischen Erbes

Erlebnisse mit meinen Katzen und den Schneeleoparden haben mich zu Penelope Smith in die USA geführt, bei der ich schließlich zur professionellen Tierkommunikatorin ausgebildet wurde, eine Ausbildung, die mich befugt, nach ihrer Methode zu unterrichten. Penelope setzt sich mit der Tierkommunikation (animal communication) auf eine mir damals noch nicht bekannte Art und Weise auseinander. Von ihr habe ich gelernt, mich in ein Tier einzufühlen. Das setzt die Erkenntnis voraus, dass wir mit unserem tierischen Gegenüber in einem ständigen energetischen Austausch stehen, das heißt, wir können wahrnehmen, was unsere Katze fühlt, und dementsprechend handeln, und umgekehrt reagiert unsere Katze auf unsere Stimmungen und Gefühle. Dies kann so weit gehen, dass manche Katzen mit ihrem „problematischen“ Verhalten die Themen ihrer Menschen spiegeln wie im Fall der im Lauf dieses Buches vorgestellten Burmesen Sita und Shiva, die die Eheprobleme ihrer Menschen stellvertretend austrugen und sichtbar machten.

Konkret beschreibt Tierkommunikation die Verständigung zwischen Mensch und Tier. Sie ist eine Methode, mit der wir die Perspektive wechseln und erspüren können, wie es dem Gegenüber, also unserer Katze geht und was sie braucht. Tierkommunikation bedeutet weniger, durch Beobachtung der Körpersprache die Absichten der Katze abzulesen, sondern vielmehr, sich in ihr Wesen einzufühlen, also tatsächlich einen Perspektivwechsel vorzunehmen. Diese Ausbildung hat mir geholfen, meine Intuition und innere Stimme zu schärfen, die ich jetzt in der täglichen Praxis einsetze.

Tierkommunikation ist eine gewaltfreie und tierfreundliche Methode. Sie wird auch als „Interspezies-Kommunikation“ bezeichnet, da es sich um die Kommunikation zwischen unterschiedlichen Arten handelt. Mit Tieren zu kommunizieren heißt Artgrenzen zu überwinden, ein Bedürfnis, das sehr viele Menschen teilen und immer mehr Menschen erlernen wollen. Dazu bedarf es intensiven Trainings und großes Einfühlungsvermögen, erst dann lässt sich die Perspektive von Tieren einnehmen und können essenzielle Erkenntnisse gewonnen und Informationen ausgetauscht werden. Diese intuitiven Fähigkeiten sind nicht übersinnlicher Natur, sondern Teil unseres biologischen Erbes, das wir mit vielen anderen Arten teilen und das sich reanimieren und trainieren lässt. Fühlt das Tier sich verstanden, können sich daraus völlig neue Möglichkeiten für die Lösung von Problemen zwischen Mensch und Tier ergeben.

Zwischen Mensch und Katze vermitteln

Ein für den Menschen problematisches Katzenverhalten hat, wenn es nicht durch gesundheitliche Faktoren, falsche Haltung und/oder fehlende Beschäftigung ausgelöst wurde, viel mit der inneren Einstellung des Halters zu tun. Etliche der Probleme lösen sich schon dadurch, dass der Mensch sich öffnet und eine andere Sichtweise auf seinen Katzenfreund und das Problem einnimmt. In meinen Beratungen geht es mir darum, das Beziehungsgeflecht zwischen Mensch und Katze deutlich zu machen und den Halter anzuregen und anzuleiten, aus der menschlichen Perspektive in die der Katze zu schlüpfen.

Wenn wir das aus unserer Sicht „Fehlverhalten“ von Katzen interpretieren, stülpen wir ihnen meistens menschliche Deutungen über. Daraus ergeben sich oft grundlegende Missverständnisse. Wenn Katze und Mensch zudem in einer Wohnung auf engstem Raum zusammenleben und die Katze keine Möglichkeit hat, beim Freigang einen Teil ihres normalen Verhaltensrepertoires auszuleben, besteht die Gefahr einer Verstärkung des unerwünschten Verhaltens.

Als Therapeutin sehe ich meine Aufgabe darin, zwischen Mensch und Tier zu vermitteln, den Haltern die Sprache und Gefühlswelt ihrer Katze verständlich zu machen und sie so ein Stück weit in die Welt der Tiere eintauchen zu lassen. Ich möchte Halter motivieren, sich aktiv mit ihren Katzen auseinanderzusetzen; ich will ihnen zeigen, was in den Katzen steckt und wozu sie fähig sind. Eine wesentliche Voraussetzung dafür ist, dass der Mensch bereit ist, sich auf dieses Abenteuer einzulassen, und nicht erwartet, dass die Katze nach seinen Maßstäben zu funktionieren hat.

Mitunter werden während der therapeutischen Arbeit mit der Katze auch Probleme des Halters thematisiert, und das kann bei vielen Menschen tief liegende Gefühle zutage fördern. Es ist nicht immer leicht, damit umzugehen. Das Spektrum reicht von Vermeidungsverhalten und Selbstvorwürfen bis hin zu Aggressionen gegen das Tier. Die Erwartungshaltung ist häufig sehr hoch, viele hoffen, dass ich als Katzenexpertin das manchmal schon seit Jahren bestehende oder schwelende Problem möglichst rasch und ohne große Anstrengungen und Kosten lösen kann. Manchmal wird auch ganz einfach erwartet, die Katze möge sich endlich ohne Wenn und Aber an die Lebensbedingungen ihres Menschen anpassen.

Was passiert, wenn die Katze nicht funktioniert und nicht den Erwartungen entspricht? Wenn die Katze andere Bedürfnisse als der Mensch hat? Wenn sie zum Beispiel Rückzug und Ruhe wünscht, statt zu kuscheln oder auf den Arm genommen oder herumgetragen zu werden, kann es schwierig werden. Meine Arbeit hat viel mit dem Verstehen der Gefühlslage der betreffenden Menschen und Katzen zu tun. Letzteres ist für einige Menschen befremdlich, weil sie immer noch glauben, dass Katzen rein instinkt- oder triebgesteuert sind.

Katzen- und Medienfrau

Angefangen hat meine Arbeit als Hauskatzenexpertin für das Fernsehen mit der Sendung „Doc & Co.“ auf Tier TV, einem eigenen privaten Tiersender, den es heute leider nicht mehr gibt. In der Sendung saßen ein Tierarzt und mehrere Tiertherapeuten. Ich war die Katzenspezialistin. Die Livesendung lief mehrmals in der Woche, es riefen Menschen an, die ihre Probleme schilderten und sich beraten ließen.

Danach folgten Dreharbeiten mit Ralf Lindermann für die Internetinformations- und Videoplattform „Lindermanns Tierwelt“, dann Stern TV, das Haustiermagazin „hundkatzemaus“ und schließlich meine eigene Sendung „Katzenjammer“.

Schon das Schneeleopardenprojekt hat mich den Umgang mit den Medien gelehrt. Ein Film und etliche kürzere Beiträge für verschiedene deutsche und Schweizer Sender haben das Projekt bekannt gemacht. Die Dreharbeiten in Kirgisistan habe ich jedes Mal begleitet. Das Fernsehen war beim Schneeleo-Projekt mein wichtigstes Transportmedium für Aufklärung und Information, um eine interessierte Öffentlichkeit über die Bedrohung der Schneeleoparden zu alarmieren. Die wunderschönen Tiere leben in unwirtlichen Hochgebirgsregionen Zentralasiens. Das ist weit weg und wir brauchten Bilder, um in den westlichen Ländern begreiflich zu machen, wie Schneeleoparden und andere bedrohte Arten um ihr Überleben kämpfen. Schon damals war mir bewusst, wie wichtig das Medium Fernsehen ist, um Botschaften im Interesse der Tiere in die Öffentlichkeit zu tragen. Bilder bleiben bei uns Menschen – wir sind stark visuell geprägte Wesen – am eindrücklichsten in den Köpfen hängen. Außerdem ist das Fernsehen eine hervorragende Möglichkeit für mich, Katzenhalter zu erreichen, mit denen ich sonst wahrscheinlich nicht ins Gespräch käme. Einerseits ist es noch weitgehend unbekannt, dass es möglich ist, Veränderungen im Verhalten von Katzen mittels therapeutischer Maßnahmen zu erzielen. Andererseits trauen sich auch viele Menschen nicht, eine Verhaltensberatung für sich und ihr Tier in Anspruch zu nehmen. Es ist bei Weitem noch nicht so selbstverständlich, zu einer Katzentherapeutin zu gehen, wie etwa für Hundebesitzer, sich in einer Hundeschule Hilfe zu holen. Ein weiterer Grund ist die Angst vor den Reaktionen der Mitmenschen. Viele sind immer noch der Meinung, um Katzen sollte man nicht zu viel Aufhebens machen. Wird der Leidensdruck jedoch unerträglich, ist die Verhaltensberatung oft der letzte Ausweg.

Viele der Klienten in meiner Praxis kommen aus der Stadt, sie sind neuen Strömungen gegenüber aufgeschlossen. Mit dem Fernsehen erreiche ich auch Menschen, die nicht in den urbanen Zentren leben. Fernsehen ist für mich ein unschätzbares Medium, Wissen über Katzen weiterzugeben und darauf aufmerksam zu machen, dass sich im Umgang mit und bei der Haltung von unseren Stubentigern einiges ändern muss. Es gibt bereits schon viel zu viele verhaltensauffällige Tiere, wie man im Fachjargon sagt.

Als ich in England für die Artenschutzorganisation EIA gearbeitet habe, legten wir großen Wert auf Öffentlichkeitsarbeit; ich lernte dabei, Interviews zu geben und die Medien direkt anzusprechen. Schon damals habe ich gemerkt, dass mir diese Form der Kommunikation für meine Themen liegt und großen Spaß macht. Heute hilft mir das Medium Fernsehen in meinem Beruf, viele Menschen zu erreichen und Tieren zu helfen.

Warum tun sich Katzenhalter schwer damit, Hilfe zu suchen?

Viele Menschen mit verhaltensauffälligen Katzen denken, sie stünden mit ihren Problemen ganz allein da; sie wissen gar nicht, dass es Therapiemöglichkeiten gibt. Zudem schämen sich Katzenhalter häufig für ihre verhaltensauffälligen Katzen und deren Probleme; beispielsweise fällt es ihnen schwer zuzugeben, wie unsauber ihre Katze ist oder dass sie im ganzen Haus Markierungen absetzt. Diese Probleme eignen sich ja auch nicht gerade als Gesprächsthema beim Abendessen in geselliger Runde. Zudem können Katzenliebhaber nicht wie Hundehalter auf den Hundeplatz gehen und dort mit einem Trainer und ihrem Tier auf neutralem Boden unter Gleichgesinnten arbeiten. Katzenhalter suchen in ihrer Verzweiflung eher anonymen Rat im Internet. Es bedurfte erst des Mediums Fernsehen, damit eine breite Öffentlichkeit von Therapien und Trainingsmöglichkeiten erfuhr. Und Dank sei auch denjenigen Haltern, die zuerst den Schritt in die Öffentlichkeit wagten.

Ich gehe entweder persönlich zu den Katzenhaltern oder lasse mir bei Telefonberatungen Videos und Fotos schicken. Zudem muss jeder Katzenhalter vor einer Beratung einen sehr ausführlichen Fragebogen ausfüllen. Ich muss verstehen, wie eine Katze lebt, und dafür ist es unabdingbar, mir auch sehr private Bereiche anzuschauen und zum Teil unangenehme Details abzufragen, damit ich Mensch und Tier helfen kann. Das verlangt viel Feingefühl und selbstverständlich werden alle Informationen dabei von mir und meinen Mitarbeitern vertraulich behandelt. Aber wenn ich mir von der problematischen Situation kein klares Bild machen kann, ist es schwierig, eine dauerhafte Lösung zu finden. Ich muss immer wieder nachfragen und von allen Seiten auf das Problem schauen. Einige Fälle, bei denen es manchmal überhaupt nicht voranzugehen schien, ließen sich erst (detektivisch) lösen, als ich eine mir noch fehlende, aber zentrale Information erhielt. Das war zum Beispiel im Fall von der Katze Sunny so, von der hier später noch die Rede sein wird.

Katzentherapien beinhalten deshalb auch intensive Gespräche mit den Katzenhaltern und es bedarf einer geglückten Kommunikation zwischen mir und ihnen. Wenn ich dem Menschen nicht vermitteln kann, wie er seiner Katze helfen kann, hilft eine wie auch immer geartete Therapie nichts, denn nur der Mensch kann sein Verhalten und das Lebensumfeld der Katze ändern.

Die Arbeit mit Katzen ist mir ein Herzensanliegen und ich wünsche mir nichts mehr, als die Lebensbedingungen von möglichst vielen Katzen verbessern zu können, damit mehr Stubentiger ein glückliches, artgemäßes Katzenleben leben können. Die Arbeit mit Katzen berührt mich emotional tief, und ich fühle mich privilegiert, dass ich meine Leidenschaft zum Beruf machen konnte. Ich könnte mir keinen passenderen Beruf vorstellen.

Verhaltensprobleme bei Katzen nehmen zu

Die Lebensrealität der Katzen hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Hatten die Tiere früher auf den Höfen die Aufgabe, Nager zu dezimieren, und konnten dafür im Gegenzug frei und selbstbestimmt in einem relativ gesicherten Revier leben, so wohnen sie heute – angepasst an den Tagesablauf ihrer Halter – in der Regel im Haus, viele ohne Freigang. Seit den Fünfzigerjahren gibt es Katzenstreu und Katzentoiletten auf dem Markt. Die Menschen leben verstärkt in Städten oder im städtischen Umfeld. Als Folge werden auch immer mehr Stubentiger ausschließlich in Wohnungen gehalten. In den USA leben achtzig Prozent aller Katzen in Wohnungen, für Deutschland gibt es keine mir bekannten Daten. Die Katze gilt als das ideale Tier für berufstätige Singles, da sie vermeintlich pflegeleichter und weniger zeitintensiv als ein Hund sei; es herrscht der Irrglaube, Katzen beschäftigten sich weitgehend selbst. Drei viertel aller alleinstehenden Katzenhalter sind berufstätig und leben in der Regel in kleineren Wohnungen. Für die meisten Katzen bedeutet dies einen beschränkten Lebensraum und wenig Zeit mit ihrer menschlichen Bezugsperson.

Mit den veränderten Lebensbedingungen treten vermehrt Verhaltensprobleme auf. Je ungünstiger und artfremder die Lebenssituation einer Katze ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie verhaltensauffällig wird.

Aber auch bei Freigängern scheint die Zahl der Verhaltensprobleme zuzunehmen, da die Katzenpopulation in Wohngebieten immer dichter wird und den Tieren immer höhere Anpassungsleistungen abverlangt.

Katzen wollen gefordert werden

Sind die Rahmenbedingungen für die Katzenhaltung nicht ideal, muss der Katzenhalter kreativ werden. Bei einer kleinen Wohnung gibt es viele Lösungen für eine Gestaltung der Wohnung, die sich den Bedürfnissen des Tieres anpasst. Ist das Tier viele Stunden allein, muss sich der Halter eventuell abends um anregende geistige und körperliche Beschäftigung für sein Tier bemühen. Das erfordert Zeit. Mittlerweile wissen wir genügend über die Auslöser von Verhaltensproblemen, um vorbeugend zu handeln sowie bei Schwierigkeiten gezielt und erfolgreich therapieren zu können.

Ich möchte mit diesem Buch dazu ermutigen, sich bei Problemen aktiv mit den Katzen auseinanderzusetzen und mit ihnen zu arbeiten – sie zu fördern und zu fordern. Dies bedeutet nicht Dressur oder gar Unterordnung, sondern dient der Katze, die Rahmenbedingungen des Lebens mit ihrem Menschen zu akzeptieren und innerhalb dieses Rahmens glücklicher zu leben. Es gibt zudem schwierige, aber notwendige Zumutungen, wie den Tierarztbesuch oder den Transport im Katzenkorb, die man den Katzen erleichtern kann, indem man sie darauf vorbereitet und gegebenenfalls, wie den Katzenkorbtransport, vorher mit ihnen übt.

Das Training mit Katzen basiert immer auf positiver Verstärkung von erwünschtem Verhalten. Als Katzenhalter muss ich Wege finden, meiner Katze zu zeigen, was ich von ihr möchte. Es ist ein Mythos, dass Katzen nicht trainierbar sind. Neben den Tauben gehören sie laut dem Biologen und Katzenspezialisten Dr. Dennis Turner von der Universität Zürich zu den domestizierten Tieren, die am schnellsten lernen. Trainierte Hauskatzen sind ausgeglichener und glücklicher, weil sie die Welt der Menschen eher verstehen und sich in ihr besser zurechtfinden.

Dieses Buch ist kein Nachschlagewerk, in dem man unter einem Stichwort erfährt, wie man beispielsweise am besten gegen Unsauberkeit vorgeht. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass jeder Fall einzigartig ist. Was der einen Katze hilft, funktioniert bei der anderen gegebenenfalls überhaupt nicht. Jede Auffälligkeit einer Katze muss für sich betrachtet und auf ihre besonderen Bedingungen hin analysiert werden, damit sich ein auf die spezielle Mensch-Tier-Beziehung zugeschnittener Therapieplan erstellen lässt.

Groß wie Klein

Es ist wichtig zu verstehen, was Katzen in ihrem innersten Wesen ausmacht. Dazu ist es hilfreich, sich die Verwandtschaftsverhältnisse unserer Stubentiger genauer anzuschauen. Hauskatzen und ihre wild lebenden Verwandten der Groß- und Kleinkatzenarten sind eng miteinander verwandt, egal ob man es mit einem Luchs, einem Leoparden oder einer Falbkatze zu tun hat, die Urahnin der Hauskatze. Der Hund hat sich nach jüngsten Forschungsergebnissen von John Bradshaw von der anthrozoologischen Abteilung der englischen University of Bristol im Zuge der Domestizierung vom Wolf relativ weit wegentwickelt; Katzen hingegen sind physiologisch und verhaltenstechnisch noch nahe bei der wild lebenden Verwandtschaft. Die Katzenforscher sind sich einig, dass alle Katzenarten trotz ihrer Unterschiede viele Gemeinsamkeiten aufweisen, ob es nun Löwen oder Hauskatzen sind.

Laut Leyhausen ist „die Familie der Felidae nicht einfach ein Zweig des Stammbaums, der sich in den einzelnen Gattungen und Arten weiterverzweigt, sondern sie ist gewissermaßen als Büschel vom Stamm gewachsen“.

Jeder Katzenhalter sollte sich diesen Aspekt vor Augen führen, denn daraus ergeben sich spezifische Anforderungen für die Gestaltung einer artgerechten Lebensumgebung und einer artgerechten Beschäftigung für unsere Katzen, worauf ich im Laufe des Buches immer wieder zu sprechen kommen werde.