Satzinterpretationsstrategien mehr- und einsprachiger Kinder im Deutschen - Jana Gamper - E-Book

Satzinterpretationsstrategien mehr- und einsprachiger Kinder im Deutschen E-Book

Jana Gamper

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Beschreibung

Die Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, wie Kinder mit unterschiedlichen Herkunftssprachen (Russisch, Niederländisch) im Vergleich zu einsprachig aufwachsenden deutschsprachigen Kindern semantische Rollenrelationen im Satz bestimmen. Im Fokus steht die Frage, welchen Stellenwert die Abfolge nominaler Konstituenten, einzelne Kasusmarker sowie die Belebtheit für die Bestimmung semantischer Rollen einnehmen. Die ermittelten Interpretationsstrategien werden im Sinne eines sprachentwicklungssequentiellen Ansatzes diskutiert.

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Seitenzahl: 455

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Jana Gamper

Satzinterpretationsstrategien mehr- und einsprachiger Kinder im Deutschen

Herausgegeben von Cristina Flores (Braga), Tanja Kupisch (Konstanz), Jürgen M. Meisel (Hamburg/Calgary), Esther Rinke (Frankfurt am Main)

A. Francke Verlag Tübingen

 

 

© 2016 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen www.francke.de • [email protected]

 

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

E-Book-Produktion: pagina GmbH, Tübingen

Inhalt

DankAbkürzungsverzeichnis1 Einleitung1.1 Ziele und Fragestellungen1.2 Aufbau2 Kasusmarker, Wortstellung und semantische Relationen – eine kontrastive Perspektive2.1 Funktionalistische Ansätze: Theoretische Prämissen2.2 Form-Funktions-Relationen im Deutschen, Niederländischen und Russischen2.3 Form-Funktions-Relationen in transitiven Sätzen – die kognitive Sicht2.4 Synkretismen im Kasusparadigma – Zur besonderen Rolle der Belebtheit2.5 Vorläufige Zusammenfassung3 mappings in der Satzverarbeitung und in der sprachlichen Entwicklung3.1 Funktionen in Formen – das Competition Model3.2 Cue-Transfer in mehrsprachigen Bedingungen3.3 Belebtheit, Satzschema und Kasusmarker im Erwerb – Mehr- und einsprachige Perspektiven3.4 Emergente mapping-Systeme: Zusammenfassung und Implikationen für die Satzverarbeitung4 Cue strength bei mehr- und einsprachigen Kindern – Vorannahmen und empirisches Design4.1 Experimentelles Testdesign4.2 Probanden4.3 Durchführung5 Ergebnisse5.1 Haupteffekte5.2 Vom Satzschema zur Kasusmorphologie: Indikatoren für eine cue-Hierarchie5.2.1 Exkurs: Belebtheitskontrast als cue?5.2.2 Zur Rolle einzelner Artikelformen bei der Verarbeitung kanonischer Sätze5.3 Gruppenspezifische Verarbeitungsstrategien5.3.1 Die Rolle der Erstsprache5.3.2 Die Rolle des Sprachstands im Deutschen5.3.3 Auf dem Weg zur morphologischen Strategie – ein Überblick5.4 Individuelle Verarbeitungsstrategien5.5 Ergebniszusammenfassung6 cue strength im Kontrast: Ergebnisdiskussion und Methodenkritik6.1 Was wissen mehr- und einsprachige Kinder über Formen und Funktionen?6.2 Sukzessive cue strength-Modifikation: Parallelen zwischen Rezeption und Produktion6.3 Zur Rolle der Erstsprache bei mehrsprachigen Kindern6.4 Verarbeitungsstrategien der monolingual deutschen Kinder – Versuch einer Methodenkritik7 AusblickLiteraturAnhangI.1 Testsätze des Typs SVO ohne transparenten morphologischen cue (= ohne maskuline NP)I.2 Testsätze des Typs SVO mit eindeutigem morphologischen cue (= mit maskuliner NP als N1)I.3 Testsätze des Typs SVO mit transparentem morphologischen cue (= mit overter Kasusmarkierung bei N2)I.4 Testsätze des Typs OVS mit transparenter N1 (= den oder dem)I.5 Testsätze des Typs OVS mit halbtransparenter N1 (= derDAT)I.6 Testsätze des Typs OVS mit intransparenter N1 (= dasAKK oder dieAKK)

Dank

Die Anfertigung und Fertigstellung meiner Dissertation wäre ohne die Unterstützung von zahlreichen Personen kaum denkbar gewesen. Einigen von ihnen möchte ich an dieser Stelle meinen Dank aussprechen.

Meinen beiden Betreuern Prof. Dr. Klaus-Michael Köpcke und Dr. Andreas Bittner gilt mein ganz besonderer Dank. Die Zeit, Energie und Geduld, die sie in die Besprechungen und Diskussionen meiner Dissertation investiert haben, haben entscheidend zu ihrer Entstehung beigetragen. Ich habe durch die intensive Betreuung ungeheuer viel gelernt und danke den beiden, dass sie mir meinen Weg in die Sprachwissenschaft auf ihre ganz eigene Weise geebnet haben. Ebenso danke ich meinem Zweitgutachter Prof. Dr. Brian MacWhinney für die Möglichkeit, einen Teil der Arbeit an der Carnegie Mellon University schreiben zu dürfen sowie für seinen wertvollen Input und seine Ideen.

Den an der empirischen Erhebung beteiligten Schulleiterinnen und Schulleitern, Lehrerinnen und Lehrern, den Eltern und ganz besonders den Kindern danke ich sehr für ihre Teilnahme.

 

Ich hatte das große Glück, Mitglied des Promotionskollegs Empirical and Applied Linguistics der Universität Münster zu sein. Der Austausch mit den Lehrenden sowie den anderen Promovierenden, ihre kritischen Nachfragen sowie ihr Feedback haben meine Arbeit stets ein Stück vorangebracht. Ich habe sehr von meiner Mitgliedschaft im Kolleg profitiert und möchte die fünf Jahre nicht missen. Besonders meine Mitpromovenden Verena Wecker, Anja Binanzer, Elisa Franz, Marc Schutzeichel und Valentina Cristante haben mich stets unterstützt – dafür danke ich ihnen. Prof. Dr. Jens Bölte danke ich für die Unterstützung in statistischen Fragen.

Katrin Thelen möchte ich für die vielen Stunden in der Bibliothek, endlose Gespräche über die Welt der cues und allen voran die Freundschaft, die aus all dem entstanden ist, danken.

Die vier gemeinsamen Bürojahre während der Dissertationsphase und die vielen erhellenden Gespräche, die mich mit Sabina De Carlo auch außerhalb der Bürowände verbinden, haben mich in vielerlei Hinsicht geprägt. Danke dafür.

Kathrin Weber danke ich fürs Zuhören, Diskutieren, Unterstützen und Motivieren innerhalb und außerhalb unserer Dissertationswelten.

Mein besonderer Dank gilt Alisa Blachut, die mit kritischem Blick und viel Geduld und Akribie die Arbeit Korrektur gelesen und es stets geschafft hat, mir mit freundschaftlichem Rat und einem offenen Ohr zur Seite zu stehen.

Ebenso möchte ich meiner Familie, vor allem meiner Mutter, meinem Stiefvater und meinen Großeltern dafür danken, dass sie mich immer motiviert haben und immer hinter mir stehen.

Mein größter Dank gilt Dir, Stefan. Danke fürs an meiner Seite sein.

Abkürzungsverzeichnis

AG

Agens

AKK

Akkusativ

CM

Competition Model

DAT

Dativ

DET

Determinierer

FEM

Femininum

L1

Erstsprache

L1NL

Erstsprache Niederländisch

L1 R

Erstsprache Russisch

L2

Zweitsprache

MASK

Maskulinum

monolingual D

monolingual Deutsch

N+

maximale Nominalphrase

N>N

zwei aufeinanderfolgende nominale Konstituenten

N1

erste nominale Konstituente

N1-Strategie

Strategie, die erste von zwei nominalen Konstituenten als Agens auszuwählen

N2

zweite nominale Konstituente

NEUT

Neutrum

NOM

Nominativ

NP

Nominalphrase

NVN

nominale Konstituente - Verb - nominale Konstituente

OS-Satz

Satz, in dem das Objekt vor dem Subjekt realisiert wird

PAT

Patiens

REZ

Rezipiens

S>O

Abfolge Subjekt vor Objekt

SO-Satz

Satz, in dem das Subjekt vor dem Objekt realisiert wird

SpSt

Sprachstand

SVO

Subjekt - Verb - Objekt

1Einleitung

„Die Esel wollten natürlich alle Kinder streicheln“ – am 20.11.2011 druckte der Lüdinghausener Kreiskurier1 diese ungewöhnlich anmutende Meldung ab. Auf den ersten Blick scheint es, als würden die Kinder von den Eseln gestreichelt werden. Beim nochmaligen Lesen wird diese erste Interpretation des Satzes jedoch vermutlich von den meisten Sprechern2 des Deutschen revidiert, sodass die Esel zu den Gestreichelten und die Kinder zu den Streichelnden werden. Obwohl diese Reinterpretation ohne weiteres vorgenommen werden kann, stellt sich die Frage, wodurch die anfängliche Ambiguität überhaupt entsteht und wie sie schließlich aufgelöst werden kann. Die erste Lesart des Satzes kann zustande kommen, weil Sprecher annehmen, dass das erstgenannte Argument des Verbs streicheln der Handlungsträger (Agens) und das zweitgenannte das Objekt (Patiens) sei. Man kann sich bei der Satzinterpretation also auf die Reihenfolge der Konstituenten und damit auf die Wortstellung stützen. Untermauert wird diese Satzinterpretation durch die Tatsache, dass beide Nominalphrasen im Plural realisiert werden und die Verbform in Hinblick auf Kongruenzrelationen keine der beiden Phrasen eindeutig als agentivisch favorisiert.

Syntaktische Ambiguitäten kommen im täglichen Sprachgebrauch in unzähligen Ausprägungen vor. Neben den ‚streichelnden Eseln‘ finden sich zum Beispiel Meldungen wie Zwei Autos beschädigten Unbekannte in der Nacht von Samstag auf Sonntag3 oder Elterngeld: Nur jedes fünfte Kind wickelt Papa.4 Jeder dieser Sätze ist uneindeutig und ermöglicht bei der Bestimmung des Subjekts zwei Lesarten. Während die streichelnden Esel und das wickelnde Kind vermutlich aufgrund des Weltwissens, dass Esel nicht streicheln können und Kinder ihre Eltern eher nicht wickeln, als Agens entfallen, ist es im zweiten Beispiel die Unbelebtheit der Autos, die diese als Aktanten ausschließt. Die Beispiele zeigen, dass Sprecher Sätze nach komplexen Prinzipien analysieren müssen, wenn sie bestimmen wollen, wer Handlungsträger und wer nur von der Handlung betroffen ist.

Nicht umsonst nennt Kako (2006: 1) Sätze „miniature plays“, die stets die Information enthalten, wer was tut und mit wem was geschieht. Die sprachliche Oberfläche dient uns neben dem Weltwissen dabei als Orientierungspunkt, um zu erfassen, wer die Aktanten innerhalb der Satzszene sind und in welcher Relation sie zueinander stehen, das heißt welche Rolle sie im Stück spielen. Unterschiedliche Formen werden dabei dazu verwendet, die Rollen der beteiligten Handlungsaktanten anzuzeigen. Formal-grammatische Mittel haben folglich eine Kodierungsfunktion. Aufgabe der Sprecher ist es, den oberflächensprachlichen Kode zu entschlüsseln, um an den Inhalt, im vorliegenden Fall die semantischen Relationen, zu gelangen. Der Handlungs- und Satzrahmen wird dabei von der Verbbedeutung bestimmt; den an der Handlung beteiligten Aktanten müssen in einem zweiten Schritt spezifische Rollen zugewiesen werden. So wäre bei der Kombination der Lexeme schenken, Mädchen, Junge und Blume zunächst nur klar, dass auf die Handlung des Schenkens sowie auf drei an der Handlung beteiligte Aktanten (Mädchen, Junge, Blume) referiert wird. Wer jedoch welche Rolle spielt, wird erst durch die Hinzunahme grammatischer Mittel deutlich. So kann beispielsweise entweder das Mädchen (Das Mädchen schenkt dem Jungen eine Blume) oder der Junge (Dem Mädchen schenkt der Junge eine Blume) zum Schenkenden werden.

Im Deutschen lässt sich anhand der Kasusmarkierung am Artikel meist eindeutig erkennen, wer welche Rolle in einer Handlung einnimmt. Wie die obigen Beispiele jedoch deutlich machen, sind Kasusmarker nicht immer eindeutig (zum Beispiel im Plural) oder nicht immer verfügbar, sodass der Sprecher andere Informationen hinzuziehen muss, mittels derer semantische Relationen im Satz determiniert werden können. Für den Fall, dass keine morphologischen Marker verfügbar sind, ist besonders die syntaktische Position der Aktanten relevant – diese grammatische Information ist nämlich in jedem Fall verfügbar. Weitere grammatische Mittel können die Subjekt-Verb-Kongruenz sein (zum Beispiel Die Kinder sieht der Mann) sowie besonders die Prosodie und der Kontext. Auf semantischer und damit nicht-grammatischer Ebene spielt auch die Belebtheit der Aktanten eine Rolle. Kasusmarker, Abfolge im Satz, Belebtheitskontraste, Prosodie und Kongruenzrealtionen fungieren damit als potentielle cues für semantische Relationen. Die grammatischen und semantischen Indikatoren sind hierarchisch zunächst gleich gewichtet. Wen der Sprecher in einem Satz wie Die Esel wollten natürlich alle Kinder streicheln als Agens auswählt, hängt schließlich von der sprecherspezifischen Gewichtung dieser cues, der sogenannten cue strength ab. Das Spezifikum des Deutschen besteht dabei darin, dass unterschiedliche cues ein und dieselbe Funktion erfüllen können. Allein der Sprecher entscheidet darüber, welche Kodierungsform die ausschlaggebende ist.

Aus den bisherigen Überlegungen lässt sich folgern, dass sprachliche Mittel mehr oder weniger eindeutige Funktionen erfüllen, mithilfe derer Sprachverständnis überhaupt ermöglicht und so die primäre Funktion von Sprache – nämlich die Kommunikation – gesichert werden kann. Diese funktionale Sicht auf grammatische und semantische Mittel wirft im Kontext eines auf sprachliche Entwicklung bezogenen Zugangs die Frage auf, wie Kinder Wissen über Formen und ihre Funktionen erlangen. Aus einer kognitiv-funktionalen und gebrauchsbasierten Perspektive, die den Grundstein dieser Arbeit bildet, heißt das, dass Kinder im Zuge ihrer sprachlichen Entwicklung vor der Aufgabe stehen, Form-Funktions-Paare zu finden, diese zu systematisieren, zu verstehen und letztlich selbst zu gebrauchen. Konkret bedeutet das, dass sie mittels spezifischer kognitiver Fertigkeiten den sprachlichen Input in Hinblick auf cues durchsuchen, um adäquate formalsprachliche Kodierungsmöglichkeiten aufzufinden, die eine Satzinterpretation und -produktion sicherstellen. Besonders bei der Satzverarbeitung dienen diese cues als Anhaltspunkte, mit deren Hilfe semantische Relationen identifiziert werden. Das Ziel im Sinne einer erfolgreichen, auf automatisierte Satzverarbeitung hin ausgerichteten sprachlichen Entwicklung besteht darin, mappings zwischen Formen und ihren Funktionen aufzubauen und so zu validen Form-Funktions-Paaren zu gelangen. Dies ist im Deutschen besonders deshalb eine potentielle Hürde, da eben keine Eins-zu-Eins-, sondern eine Viele-zu-Eins-Relation besteht (das heißt viele cues für eine Funktion). Kombiniert mit der These, dass die Gewichtung der einzelnen cues sprecherspezifisch variieren kann, schließt sich in Bezug auf sprachliche Entwicklungsprozesse die Frage an, ob Kinder zu unterschiedlichen Zeitpunkten spezifische Kodierungsmöglichkeiten als Indikatoren für semantische Rollen präferieren und ob sich die Präferenz im Laufe ihrer Entwicklung verändert sowie wovon diese Veränderung abhängig sein kann. Sprachentwicklung wird im Rahmen dieser Arbeit folglich als emergenter, im kontinuierlichen Wandel befindlicher Prozess einer Umgewichtung der cue strength verstanden, der von unterschiedlichen sprachspezifischen sowie lernerbedingten Faktoren abhängig sein kann.

Die lernerbedingten Faktoren, die im Zuge dieser Arbeit im Fokus stehen sollen, beziehen neben der sprachlichen Entwicklung vor allem die Mehr- und Einsprachigkeit von Sprechern ein. So müssen Kinder, die neben dem Deutschen eine weitere Sprache sprechen, in mehreren Systemen valide Form-Funktions-Relationen ausbilden. Eine innersprachliche Varianz wird damit um eine sprachkontrastive Varianz ergänzt. Während beispielsweise das Deutsche über Kasusmarker verfügt, haben andere germanische Sprachen wie das Niederländische einen starken Flexionsabbau erfahren. Da morphologische Marker als Indikatoren für semantische Rollen kaum verfügbar sind, lässt sich im Niederländischen die Rolle der Aktanten ausschließlich an der Abfolge der Konstituenten bestimmen. Andere indogermanische, insbesondere slawische Sprachen wie das Russische sind vom Flexionsabbau weniger betroffen, sodass Kasusmarker in fast allen Satzkontexten zuverlässige Indikatoren für semantische Relationen sind. Auf formal-sprachlicher Ebene stehen sich also die Wortstellung und die Kasusmarkierung als zwei maximal unterschiedliche Kodierungsmöglichkeiten dichotom gegenüber, die im Niederländischen respektive Russischen jeweils hochvalide cues für semantische Relationen im transitiven Satz darstellen. Im Gegensatz zum Deutschen dominieren hierbei also zwar maximal unterschiedliche, jedoch eindeutige cues die Kodiereung semantischer Relationen. In Bezug auf mehrsprachige Sprecher (Russisch-Deutsch sowie Niederländisch-Deutsch) stellt sich somit die Frgae, ob die validen cues der jeweiligen Ausgangssprachen (L1) den Verarbeitungs- und Interpretationprozess in der Zielsprache Deutsch (L2) beeinflussen. Unterschiedliche Ausgangssprachen, so die übergeordnete Hypothese der Arbeit, führen zu unterschiedlichen Gewichtungen von cues und somit zu divergierenden Interpretationsstrategien in der L2 Deutsch.

1.1Ziele und Fragestellungen

Im Fokus der vorliegenden Arbeit stehen vier Fragestellungen. Erstens soll geklärt werden, welche grammatischen und semantischen cues (Wortstellung, Kasusmarker, Belebtheit) mehr- sowie einsprachige Kinder des Deutschen im Grundschulalter nutzen, um semantische Relationen in transitiven Sätzen zu determinieren. Geklärt werden soll dabei auch, ob und in welche Relation die genannten Mittel zueinander gesetzt werden und welche unterschiedlichen Strategien Kinder nutzen, um Sätze zu interpretieren. Zweitens soll ermittelt werden, ob sich die Gewichtung dieser Mittel verändert und wovon eine potentielle cue strength-Modifikation abhängig ist. Drittens – und dies ist zugleich auch die wichtigste Fragestellung – soll geklärt werden, ob typologisch divergierende Ausgangssprachen die Gewichtung von cues in der L2 beeinflussen beziehungsweise determinieren. Ein weiteres zentrales Ziel der Arbeit ist es, zu überprüfen, ob und welche spezifischen Artikelformen des Deutschen mit spezifischen Informationen verknüpft werden. Die Annahme hierbei ist, dass einzelne Artikelformen prototypische Funktionen erfüllen. Die Modifikation der cue strength könnte dabei ein Resultat dieser auf einzelne Artikelformen im Kasusparadigma bezogenen Form-Funktions-Relationen sein.

Die Beantwortung der Fragen erfolgt auf der Basis eines empirischen experimentellen Designs, in dem grammatische (Wortstellung, Kasusmarker) und semantische (Belebtheit) cues koalieren und konkurrieren. Methodisch orientiert sich das Testdesign an den Prinzipien des Competition Models (CM), was deshalb ausgewählt wurde, weil es neben grundlegenden funktionalsprachlichen Prinzipien auch kognitive Mechanismen bei der Sprachverarbeitung und der sprachlichen Entwicklung berücksichtigt und darüber hinaus ermöglicht, einzelne cues und ihre Relevanz für Satzverarbeitungsstrategien systematisch zu überprüfen. Das Modell umfasst die These, dass sprachliche Formen um die Kennzeichnung semantischer Relationen konkurrieren können. Das entwickelte Testdesign orientiert sich an dieser Konkurrenzthese und schafft Satzkontexte, in denen die drei Variablen Wortstellung, Kasusmarker und Belebtheit sowohl zugunsten einer spezifischen semantischen Rolle in transitiven Bedingungen koalieren als auch konkurrieren. Die systematische Korrelation dieser Bedingungen ermöglicht es, gruppen- und sprecherspezifische cue strengths zu erfassen.

Das Testdesign ist als forced choice-Aufgabe konzipiert, bei der die Probanden in transitiven Sätzen ein Agens auswählen mussten. Zu den Probanden gehörten Kinder im Alter von durchschnittlich 9;6 Jahren, die sich in Hinblick auf ihr sprachliches Profil unterschieden. Zwei Gruppen waren mehrsprachig, wobei bei einer die Ausgangssprache Niederländisch und bei der anderen Russisch war. Die dritte Gruppe bildeten gleichaltrige monolingual deutschsprachige Kinder. Hinzu kam eine vierte monolinguale Gruppe, die aus erwachsenen Sprechern des Deutschen bestand. Die beiden monolingualen Testgruppen dienten als Kontrollgruppen. Um auch potentielle entwicklungsbedingte Effekte abzudecken, wurden die drei Kindergruppen in Hinblick auf den Sprachstand im Deutschen gematcht. Bei der Auswertung der Testergebnisse wurden damit neben grammatischen und semantischen auch unterschiedliche lernerspezifische Variablen berücksichtigt.

Theoretisch ist die Arbeit in der kognitiv-funktionalen und gebrauchsbasierten Linguistik sowie einer konstruktivistisch-empirischen Sprachentwicklungssperspektive verankert. Die aufgeworfenen Fragestellungen werden deshalb vor dem Hintergrund der Grundannahmen verhandelt, dass sprachliches Wissen im Allgemeinen und cue strength im Besonderen im Sinne eines emergenzorientierten Ansatzes kontinuierlich modifiziert wird. Die Gewichtung von cues bildet dabei eine lernerspezifische kognitive Repräsentation der jeweiligen Form-Funktions-Relationen ab. Die Arbeit setzt deshalb an der Schnittstelle zwischen Satzverarbeitungsstrategien und sprachlicher Emergenz an.1

Die empirische Aufarbeitung form-funktionsspezifischen Wissens im Deutschen möchte somit eine relativ große Forschungslücke in Bezug auf mehrsprachige sowie insbesondere kindliche Sprecher schließen. Die bisherigen Erkenntnisse zu cue strength bei der Satzinterpretation beziehen sich nämlich vor allem auf einsprachige Sprecher und zeigen, dass die Gewichtung von cues einem kontinuierlichen Modifikationsprozess unterliegt. Mehrsprachig aufwachsende Kinder sowie damit einhergehende potentielle mapping-Transferphänomene im Deutschen standen bisher nicht im Fokus. Damit soll erfasst werden, welche Strategien Kinder mit unterschiedlichen sprachlichen Profilen bei der Satzinterpretation im Deutschen gebrauchen.

1.2Aufbau

Die Arbeit ist in einen theoretischen und einen empirischen Teil gegliedert. In ersterem werden zunächst in Kapitel 2 die beiden im Fokus stehenden grammatischen Mittel Wortstellung und Kasusmarker in Hinblick auf ihr Vorkommen und ihre Funktion als Kodierungsformen für semantische Relationen in den drei relevanten Sprachen (Deutsch, Russisch und Niederländisch) erläutert. Eingebettet ist die Diskussion der grammatischen Formen in eine funktionalistische Sicht auf Sprachgebrauch und -entwicklung. Dieser grundlegenden Gegenstandsanalyse folgt in Kapitel 3 die Darstellung der cue strength von Wortstellung, Kasusmarkern und Belebtheit bei der Satzverarbeitung bei ein- und mehrsprachigen Sprechern. Im Zuge dieses Forschungsüberblicks wird auch das Competition Model erläutert und eingeordnet. Ergänzt ist der Überblick um Erkenntnisse zum Erwerb transitiver Satzschemata und Kasusmarker im Deutschen.

Die theoretische und methodische Beleuchtung sprachentwicklungsrelevanter Fragestellungen mündet schließlich in den zweiten Teil der Arbeit, der die Empirie umfasst. Dazu werden zunächst in Kapitel 4 die Fragestellungen, das experimentelle Testdesign sowie die der Arbeit zugrundeliegenden Hypothesen vorgestellt. Kapitel 5 enthält schließlich die Ergebnisdarstellung und -analyse. Die Arbeit schließt mit einer Ergebnisdiskussion (Kapitel 6) sowie einem Ausblick (Kapitel 7).

2Kasusmarker, Wortstellung und semantische Relationen – eine kontrastive Perspektive

Sprachen bedienen sich unterschiedlicher Kodierungsmechanismen zum ‚Verpacken‘ (mapping) semantischer Relationen. Für mehr- und einsprachige Sprecher bedeutet dies, dass sie die einzelsprachlichen Kodes identifizieren und lernen müssen. Daran anknüpfend stellt sich die Frage, ob mehrsprachige Kinder L1-spezifische Kodes (oder cues, s. Kapitel 3) auf die Satzverarbeitung in der L2 Deutsch übertragen. Bevor also erläutert werden kann, welche cues für welche Lerner im Deutschen wann besonders wichtig sind und ob tatsächlich die Existenz eines mapping-Transfers plausibel ist, muss geklärt werden, über welche Kodierungsformen die für die vorliegende Untersuchung relevanten Sprachen überhaupt verfügen. Im Folgenden wird deshalb skizziert, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede das Deutsche, das Niederländische und das Russiche hinsichtlich der Kodierung semantischer Relationen aufweisen. Die Gegenstandsbeschreibung erfolgt hierbei im Sinne des funktionalen Prinzips. Zum besseren Verständnis geht der Gegenstandsbeschreibung zunächst die Erläuterung von Grundannahmen der funktionalen Linguistik voran.

2.1Funktionalistische Ansätze: Theoretische Prämissen

Die Annahme, dass Formen und Funktionen in einer interdependenten Beziehung zueinander stehen und dass formale Strukturen funktional motiviert sind, bildet die Basis funktional-linguistischer Ansätze. Die funktionale Linguistik geht davon aus, dass „Sprache nicht isoliert, sondern nur in Beziehung zu ihrer Rolle in der zwischenmenschlichen Kommunikation erforscht werden kann“ (Smirnova/Mortelmans 2010: 13, vgl. auch Bischoff/Jany 2013). Die Analyse sprachlicher Strukturen erfolgt dabei stets in Hinblick auf die Funktionen, die sprachliche Mittel und Formen kommunikativ und kognitiv erfüllen. Die Betrachtung sprachlicher Systematiken als Abbildung kommunikativer Absichten sowie semantischer Konzepte ist der Ausgangspunkt jeglicher funktional motivierter Beschreibungskonventionen.

Die Grundidee der funktionalen Linguistik geht auf die Prager Schule der 20er Jahre zurück. Das funktionalistische Credo – „functions are embodied in structures“ (Tomasello 1998: xvi) – impliziert, dass Sprecher in Kommunikationssituationen vor der Herausforderung stehen, komplexe kommunikative Einheiten in ein lineares sprachliches System zu ‚verpacken‘. Grammatische Strukturen dienen also dieser ‚Verpackung‘ (vgl. Daneš 1987) und strukturieren die verbale Interaktion zwischen Sprecher und Hörer. Langacker (1998: 1) fasst die Funktionen sprachlicher Systeme mit den Begriffen semiological function und interactive function zusammen. Einerseits können durch den Gebrauch sprachlicher Mittel Gedanken und Konzepte symbolisiert werden, andererseits stellen diese Mittel Kommunikation überhaupt erst sicher. Die daraus resultierende Abbildung von Form auf Inhalt und Inhalt auf Form wird im Rahmen funktionalistischer Ansätze und Modelle als mapping (auch direct mapping beziehungsweise form-function mapping) bezeichnet. Die Verknüpfung zwischen sprachlicher Form und außersprachlichem Inhalt ist dabei genuin symbolisch. Die konkrete äußere Form ist Bates/MacWhinney (1989: 18) zufolge zwar arbiträr, ihre funktionale Motivation ist von dieser rein formalen Arbitrarität jedoch nicht betroffen. Sprachgebrauch, -verarbeitung und -lernen muss deshalb als ein kontinuierliches Ent- und Verpacken beziehungsweise Denotieren und Konnotieren von Formen und Funktionen verstanden werden.

Problematisch bei einer funktionalistischen Betrachtung von Sprache ist zunächst die fehlende theoretische Basis. Es existiert keine einheitliche zugrunde liegende funktionalistische Theorie, vielmehr stehen unterschiedliche Ansätze mehr oder weniger lose nebeneinander, die funktionalistische Annahmen teilen. Ausgehend von einer grundlegenden funktionalen Perspektive auf Sprachgebrauch können unterschiedliche theoretische Positionen ausgemacht werden, die den Funktionsbegriff auf unterschiedliche sprachliche Ebenen anwenden. Eine dieser Positionen ist die Funktionale Grammatik von Dik (Dik 21997). Das primäre Ziel Diks ist es, grammatische Regularitäten auf semantischer, phonologischer, morphologischer und syntaktischer Ebene mit pragmatischen Regularitäten im Sprachgebrauch zu verknüpfen. Diks Grundannahme ist dabei, dass die Pragmatik die hierarchiehöchste Ebene sei: „the basic requirement of the functional paradigm is that linguistic expressions should be described and explained in terms of the general framework provided by the pragmatic system of verbal interaction“ (Dik 21997: 4). Das grammatische Regelsystem ist vor dem Hintergrund dieser Prämisse deshalb auch ein Resultat beziehungsweise eine Abbildung pragmatischer Faktoren. Bezogen auf die Struktur von Sätzen folgert Dik unter anderem, dass Konstituentenabfolgen ein Mittel für den Ausdruck spezifischer Relationen seien (vgl. ebd.: 392f.). Eine Veränderung der Konstituentenfolge ist deshalb auch Resultat eines kontextuell und pragmatisch gebundenen Relationsausdrucks. Wenn es also darum gehen soll, den Sprecher und sein Sprachverhalten zu untersuchen, müsse das primäre Ziel zunächst die Analyse pragmatischer Faktoren und erst danach die systematische Betrachtung der sprachlichen Oberfläche sein (vgl. auch Smirnova/Mortelmans 2010: 18). Während Diks Ansatz als umfassender Versuch betrachtet werden kann, alle sprachlichen Ebenen zu integrieren, beziehen sich andere Ansätze auf spezifische Sprachbereiche. Tyler (2010) differenziert dazu zwischen systemisch-funktionalen Ansätzen, zu denen vor allem Halliday/Matthiesen (32004) zu zählen sind, dem Diskursfunktionalismus (vor allem Givón 1995) und kognitiven Ansätzen, zu denen neben der Kognitiven Grammatik (Langacker 1987, 1991, 2008) vor allem die Konstruktionsgrammatik (Croft 2001, Fillmore/Kay/O’Connor 1988, Goldberg 1995) gehört. Trotz ihres gemeinsamen funktionalen Blicks auf Sprache, wenden die jeweiligen theoretischen Ansätze den Terminus der Funktion auf unterschiedliche Aspekte von Sprache an. So steht im von Halliday geprägten systemisch-funktionalen Ansatz die situationsbedingte Kommunikationsabsicht und auf analytischer Ebene die Systematisierung kontextspezifischer sprachlicher Mittel im Fokus. Bekannt geworden ist dieser Zugang durch die Register- und Stilforschung. Betrachtet werden dabei zum Beispiel situationsbedingte soziale Relationen zwischen Gesprächspartnern, deren Strukturen sich jeweils auch an der sprachlichen Oberfläche abbilden.

Tyler (2010) zufolge ist auch der von Givón geprägte diskursanalytische Funktionalismus eng an das Ziel angelehnt, Sprachgebrauch aus einer situationsspezifischen Perspektive auszuleuchten. Givóns Erweiterung im Vergleich zu Halliday bestehe jedoch darin, kognitive Prozesse und mental repräsentierte Konzepte in die Analyse sprachlicher Strukturen einzubeziehen (ebd.). Während beispielsweise der Halliday’sche Ansatz untersucht, an welchen Stellen im Diskurs welche syntaktischen Thema-Rhema-Strukturen vorkommen, versucht der Givón’sche Ansatz zu beantworten, wie spezifische syntaktische Strukturen anhand kognitiver Prinzipien erklärt werden können. Zentral ist in diesem Zusammenhang der von Givón gebrauchte Begriff der Ikonizität beziehungsweise Meta-Ikonizität (Givón 1995: 58f.). Gemeint ist damit, dass sich zum Beispiel spezifische Handlungsabläufe in einer entsprechenden syntaktischen Struktur abbilden. Givón nimmt eine natürliche, jedoch nicht zwingende Korrelation zwischen Inhalt und Ausdruck an und geht dabei von einer Isomorphie zwischen Form und Inhalt aus. Im Zentrum seiner Untersuchungen stehen transitive syntaktische Strukturen, die er als Abbildung eines kausal-linearen Handlungsverlaufs betrachtet (s. auch Kapitel 2.3). Im Blick steht ein kanonisches Handlungsmuster, in dem ein belebtes Individuum auf ein Gegenüber oder ein Objekt einwirkt. Die kausale Relation, die so entsteht, bildet sich schließlich syntaktisch so ab, dass der Handlungsträger in der linearen Satzstruktur zuerst und der von der Handlung Betroffene darauffolgend genannt wird. Eine kausale Handlungskette des Typs ‚Handlungsträger → von der Handlung Betroffener‘ mündet schließlich in einem Satz des Typs Nomen – Verb – Nomen (NVN) oder Nomen – Nomen – Verb (NNV). Die syntaktische Struktur ist somit die ikonische Abbildung abstrahierter Handlungsmuster, die wiederum kognitiv abstrakt repräsentiert sind.

Givóns Analysen zu syntaktischen Mustern sowie zu Thema-Rhema-Strukturen bilden unter anderem die Grundlage für kognitiv basierte funktionale Ansätze. Eine der zentralen Grammatiktheorien, die die Givón’schen Überlegungen systematisch weiterentwickelt, ist die Konstruktionsgrammatik (Fillmore 1988, Fillmore/Kay/O’Connor 1988, Goldberg 1995). Konstruktionen sind dabei Form-Inhalts-Paare, deren Gesamtdeutung nicht auf der Basis einzelner Komponenten abgeleitet werden kann (vgl. Goldberg 1995: 4). Die syntaktischen Muster, auf die sich die Analysen von Fillmore sowie Goldberg beziehen, zeichnen sich durch einzelsprachlich konventionalisierte interne und externe Eigenschaften (vgl. Fillmore 1988: 36) aus. Das erwähnte syntaktische Muster (NVN) wäre solch ein Form-Inhalts-Paar mit spezifischen externen und internen Merkmalen, das als transitive Konstruktion eingestuft wird. Diese transitive Konstruktion zeichnet sich im Deutschen durch eine kontextuell bedingte Konstituentenabfolge aus und kann dabei zwischen NVN, NNV oder VNN variieren. In kanonischen Bedingungen verweist die erste NP (N1) auf den Handlungsträger und die zweite (N2) auf einen von der Handlung betroffenen Aktanten. Die syntaktische Struktur kodiert damit unabhängig vom ‚Füllmaterial‘, das heißt von spezifischen Lexemen, einen spezifischen Handlungsrahmen. Die Konstruktionsgrammtik legt damit wie auch andere Ansätze den Fokus auf den Zusammenhang spezifischer semantischer Relationen und ihrer ‚Sichtbarkeit‘ in syntaktischen sowie morphologischen und phonologischen Mustern und betrachtet diese Muster als Kernbestandteil einzelsprachlicher Grammatiken.

Die Konstruktionsgrammatik orientiert sich insofern an Prinzipien der Kognitiven Grammatik, als sie annimmt, dass Sprecher über spezifische kognitive Fähigkeiten verfügen, die es ihnen ermöglichen, Sprache als System zu erlernen, zu gebrauchen und zu verändern. Insbesondere für den Spracherwerb gilt dabei, dass mithilfe dieser Fähigkeiten der sprachliche Input gewissermaßen nach wiederkehrenden bedeutungstragenden Mustern analysiert wird. Das Finden und Verwenden dieser Muster bildet dann auch die Basis für die sprachliche Entwicklung. Zu diesen Fähigkeiten gehören vor allem die Kategorienbildung, Klassifikation, Analogiebildung und Abstraktion (vgl. Langacker 2000a), die domänenübergreifend arbeiten und in jedem Bereich des Wissenserwerbs und damit auch – jedoch nicht nur – beim Sprachlernen und Sprachverwenden zum Einsatz kommen. Regularitäten (und damit auch Konstruktionen) im grammatischen System wären im Sinne der Kognitiven Grammatik das Resultat von Kategorisierungs- und Analogisierungsverfahren. Die kognitive Kategorienbildung bildet sich entsprechend an der sprachlichen Oberfläche und damit im Sprachgebrauch ab. Das Vorhandensein abstrakter Einheiten wie der oben beschriebenen Konstruktionen ist Resultat dieser Kategorien- und Analogiebildung und mündet in abstrakte Muster, die nicht nur Sprachverarbeitung und -produktion, sondern sprachliche Entwicklungsprozesse steuern. Linguistische Analysen verfolgen im Kontext der Kognitiven Grammatik damit das Ziel, Muster aufzufinden und davon ausgehend Rückschlüsse auf kognitive Strukturen und Mechanismen zu ziehen.

Funktionalistische Ansätze teilen weiterhin die Annahme, dass grammatische Charakteristika von Sprache auf Interaktion, also dem Sprachgebrauch, fußen und rücken somit den Sprecher und seinen Umgang mit sprachlichen Strukturen ins Zentrum ihrer Analyse. Die empirisch basierte Hinwendung zum Sprecher mündet schließlich in die sogenannten usage-based models (vgl. Barlow/Kemmer 2000, Bybee/Hopper 2001), die auf der Basis einer sprachgebrauchsbasierten Analyse Aussagen zu unterschiedlichen Untersuchungsfeldern der Linguistik (zum Beispiel Spracherwerb oder Sprachwandel) machen wollen. Die gebrauchsbasierte Komponente ist im Kontext der funktionalen Linguistik essentiell, wobei die zum Einsatz kommende Methode zur Identifikation gebrauchsspezifischer Effekte auf das sprachliche System und auf sprachliches Wissen vom konkreten funktionalistischen Ansatz abhängig sein kann. So liegt es zum Beispiel nahe, Registervarianz und im Register verwendete sprachliche Mittel auf der Basis natürlicher Interaktion zu analysieren. Geht es hingegen um die Frage, wie spezifische grammatische Muster kognitiv repräsentiert sind, eignen sich Elizitationsverfahren oder experimentelle Methoden, die zum Beispiel Aufschluss darüber geben, mit welchen Inhalten einzelne grammatische Formen verknüpft werden. Funktionalistische Ansätze bringen folglich drei primäre Komponenten mit sich. Sie verbinden formalsprachliche Charakteristika mit kommunikativen und kognitiven Funktionen, sie sind sprecher- und damit gebrauchsorientiert und sie haben den Anspruch, ihre Erkenntnisse empirisch zu fundieren.

 

Der Begriff Funktion ist insgesamt relativ ambig und nicht klar definiert. Daneš (1987: 4) führt diesen Umstand auf das Versäumnis zurück, im Laufe der Begründung des funktionalistischen Prinzips Funktion als Terminus klar abzugrenzen. Dies führte schließlich dazu, dass unterschiedliche sprachliche Ebenen funktional motiviert sein können. So kann der Gebrauch bestimmter Lexeme oder syntaktischer Muster funktional in einer spezifischen Interaktionssituation sein. Ein Sprecher würde zum Beispiel in einer informellen Interaktionssituation mit Freunden andere sprachliche Mittel gebrauchen als in einem öffentlich-formellen oder institutionellen Gespräch (zum Beispiel bei einem Vortrag vor einem Fachpublikum). Gleichzeitig haben die Hinweise zu konstruktionsgrammatischen Ansätzen gezeigt, dass sprachliche Einheiten für sich, das heißt losgelöst von jeglicher situations- und interaktionsbedingter Kontextgebundenheit, funktional sein können. Hierbei ist also nicht eine vermeintliche kommunikative Absicht, sondern die Funktion der grammatischen Struktur als Indikator für einen spezifischen Inhalt ausschlaggebend. Mehrgan (2012: 39) differenziert deshalb zwischen einer strukturellen und einer pragmatischen Funktion. Nichols (1984: 98) verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass allen funktionalistischen Ansätzen die Prämisse zugrunde liegt, eine Brücke zwischen formalen Beschreibungsebenen und der Kommunikation zu schlagen: „It aims at closing the gap between the study of language and the study of communication, […]. It tries to give grammar a direct material grounding in the communicative situation.“ Da diese Verknüpfung wiederum unterschiedlichen Zugängen unterliegt, findet man divergierende Auffassungen zum Funktionsbegriff.

Generell wird angenommen, dass kommunikative Funktionen und Absichten universal sein können, die konkrete formale Realisierung sich jedoch von Sprache zu Sprache unterscheidet. In Bezug auf die Gegenstände dieser Arbeit bedeutet das, dass semantische Relationen für jede Sprache relevant sind. Wenn Handlungen verbalisiert werden, enthalten sie unabhängig von der Einzelsprache Rollen wie Agens, Patiens, Thema, Rezipiens oder Instrument. Die einzelsprachliche Kodierung der Funktion kann jedoch divergieren. Die formalen Realisierungsoptionen schöpfen dabei aus dem der Einzelsprache zugrunde liegenden Formeninventar, wodurch einzelsprachlich konventionalisierte Form-Funktions-Paare entstehen. Charakteristisch ist dabei in den meisten Fällen das mapping problem. Nur in wenigen Sprachen kann einer Form genau eine Funktion zugeordnet werden. So ist zum Beispiel die Verfügbarkeit von genau einer Kasusform zur Markierung von exakt einer semantischen Rolle in agglutinierenden Sprachen wie dem Türkischen zu finden (zum Beispiel -a/-e im Dativ, -da/-de im Lokativ).1 Ein ähnlich striktes Muster findet sich in flexionsfreien und damit isolierenden Sprachen, die semantische Relationen im Satz ausschließlich durch die Abfolge der Konstituenten kennzeichnen. Liegt solch eine Eins-zu-Eins-Relation vor, spricht man vom one-to-one mapping. In den meisten flektierenden Sprachen wird hingegen eine Form zur Markierung mehrerer Funktionen gebraucht. So ist im Deutschen der Artikel die nicht nur Genus- und Kasusmarker im Femininum, sondern wird sowohl im Nominativ als auch im Akkusativ gebraucht (DienomFrau sieht den Mann vs. Den Mann sieht dieakkFrau). Hinzu kommt, dass die in allen Genera im Nominativ und Akkusativ Plural verwendet wird (DienomMänner/Kinder/Frauen sehen den Mann vs. Der Mann sieht dieakkMänner/Frauen/Kinder). Aus funktionaler Perspektive heißt das, dass die Artikelform die multifunktional ist, da sie sowohl Singularität als auch Pluralität anzeigt und darüber hinaus verschiedene Kasus und damit semantische Rollen kennzeichnen kann. Da der Idealfall des one-to-one mappings sehr selten oder sprachenspezifisch auftritt, sind one-to-many mappings (das heißt eine Form erfüllt mehrere Funktionen) oder many-to-one mappings (unterschiedliche nebeneinander stehende Formen können jeweils dieselbe Funktion erfüllen) in vielen Sprachen gängig.2 Bates/MacWhinney erklären dieses mapping problem mit der Tatsache, dass es eine Vielzahl außersprachlicher pragmatischer und semantischer Funktionen gibt, diesen aber nur ein begrenzter Pool sprachlicher Formen gegenübersteht. Sie folgern deshalb: „[W]e can view the mapping problem as a competition for channel access among these diverse pragmatic and semantic functions” (1987a: 215). Der Terminus channel access entspricht in diesem Zusammenhang der Annahme, dass Sprecher komplexe und multidimensionale Inhalte in ein relativ striktes lineares sprachliches System bringen müssen. Der Sprecher hat somit die Aufgabe, die Funktionsvarianz zu erkennen und zu entscheiden, welche Funktion die Form im spezifischen Gebrauchsmoment erfüllt. Kommunikationsprozesse zwingen den Sprecher dabei stets dazu, Funktionen in ‚geeignete‘ Formen zu verpacken („mapping of function onto form“), während Hörer diese Formen wiederum dekodieren müssen, um den Inhalt herauszufiltern („mapping of form onto function“; Bates/MacWhinney 1989: 51).

 

Sprachliche Entwicklung (insbesondere die kindliche) wird im Sinne eines funktionalistischen Ansatzes als Erwerb von form-function mappings betrachtet. Funktionalistische Ansätze nehmen an – basierend auf einer gebrauchsorientierten Grundhypothese –, dass die von Sprechern (oder allgemeiner: von Interaktionspartnern) verwendeten Kodierungsmöglichkeiten eine zentrale Rolle im kindlichen Erwerbsprozess spielen (vgl. Tomlin 1990: 160f.). Spracherwerb ist in diesem Sinne dann erfolgreich, wenn Lerner die einzelsprachlichen Form-Funktions-Paare mühelos en- und dekodieren können. Lerner stehen vor der Aufgabe, passende Formen zum Ausdruck konkreter Inhalte und Konzepte aus dem Input zu filtern und sie in angemessener Weise, das heißt für den Kommunikationspartner verständlich zu gebrauchen. Kommunikative Funktionen und semantische Konzepte bestimmen dabei in Abhängigkeit von der kognitiven Entwicklung des Lerners den Erwerbsprozess und die Erwerbsverläufe, sodass Erwerbsprozesse zunächst „meaning-driven“ sind:

[C]ommunicative functions can drive the learner in a rather special way, by directing attention to regularities in the linguistic environment. The child is scanning the input for ways to convey interests and needs, trying to extract information that will help in predicting the behavior and attitudes of other people. (Bates/MacWhinney 1989: 31)

Kindliche Lerner mit einer uneingeschränkten physiologischen Entwicklung sind nicht nur in der Lage, sprachliche Laute als Möglichkeit der Kommunikation zu erkennen. Sie können (baiserend auf dem Ausbau semantischer Konzepte und kommunikativer Funktionen) in einem nächsten Schritt mittels konkreter kognitiver Fertigkeiten (Kategorisierung, Klassifizierung, Analogiebildung, Abstraktion) den sprachlichen Input analysieren und systematisieren. Lerner können in einer bestimmten Erwerbsphase spezifische Lexeme einzelnen Objekten zuordnen und im weiteren Erwerbsverlauf auch grammatische Strukturen als Ausdrucksmöglichkeiten für komplexere Konzepte nutzen. Funktionalistische Ansätze nehmen dabei an, dass das Suchen nach Formen eng mit der kognitiven Ausbildung dieser Konzepte verknüpft ist, was als zentrale Vorläuferfertigkeit betrachtet werden muss. Erst wenn ein Kind beispielsweise verstanden hat, dass belebte, meist menschliche Wesen in der Lage sind, unbelebte Objekte zu bewegen und ihren Zustand zu verändern, entsteht ein Konzept von Transitivität. Wenn dieses Grundverständnis kognitiv verankert ist, kann der Lerner den sprachlichen Input nach passenden Verpackungsmöglichkeiten durchsuchen und das Konzept verbalisieren (vgl. Mandler 1992, 2012). Im Rahmen des funktionalen Spracherwerbs wird diese Voraussetzung als functional readiness bezeichnet (vgl. Bates/MacWhinney 1987b, MacWhinney 1987b, 1988). Das Konzept der functional readiness ist stark angelehnt an die Annahme, dass Funktionen sprachungebunden und damit quasi funktional-semantische Universalien seien. Tomlin zufolge (1990: 165) ist es deshalb notwendig, diese zunächst systematisch zu erfassen, bevor untersucht werden könne, wie sie den Erwerb passender sprachlicher Kodierungsmöglichkeiten steuern.

Der Zugang über die functional readiness fragt danach, welche Konzepte ausgebildet sein müssen, damit sprachliche Mittel zur Realisierung dieser Konzepte überhaupt erst gebraucht werden können. Der Zugang über die Form fragt hingegen danach, mit welchen semantischen Konzepten spezifische sprachliche Formen verknüpft werden. Eine Fragestellung wäre in diesem Zusammenhang zum Beispiel, ob Kinder eine NVN-Konstruktion mit einer kausalen semantischen Relation zwischen zwei Aktanten verbinden. Ebenso kann danach gefragt werden, mit welchen semantischen Rollen Sprecher eine morphologische Artikelform wie die oder dem verknüpfen. Beide Zugänge gehen von der kognitiven Repräsentation von Form-Funktions-Relationen aus. Die Zielrichtung ist im ersten Fall das mapping von Form auf semantische Konzepte, im zweiten hingegen das mapping von semantischen Konzepten auf Form(en). Letzteres steht im Fokus dieser Arbeit.

Dass Lerner nicht nur über funktionales Wissen verfügen müssen, um sprachliche Mittel zu entdecken und zu gebrauchen, sondern dass die sprachliche Form an sich, das heißt losgelöst von kommunikativen Absichten und semantischen Konzepten, den Erwerbsprozess beeinflussen kann, ist wahrscheinlich. So kann davon ausgegangen werden, dass Lerner Strukturen und Konstruktionen wahrnehmen und abspeichern, ohne diese in Hinblick auf ihre Funktion zu analysieren. Denkbar wäre dazu folgendes Szenario: Ein Lerner könnte im Input ein Lexem wie Mann in unterschiedlichen syntaktischen Kontexten in NPs wie der Mann, aber auch dem Mann oder den Mann antreffen. Je häufiger das Item Mann also in unterschiedlichen Rollen und damit mit unterschiedlichen Kasusmarkern gebraucht wird, desto wahrscheinlicher wird es, dass ein Lerner ein Flexionsparadigma für dieses spezifische Lexem ausbildet. In diesem Paradigma würden die Artikelformen der, den und dem als potentiell zugehörige Bestandteile des Lexems Mann gespeichert, ohne dass dem Lerner klar sein muss, dass die jeweiligen Artikelformen als Indikatoren für divergierende Rollen verwendet werden. Das mapping zwischen den identifizierten Formen und ihrer Funktion als Marker für semantische Rollen könnte dann in einem nächsten Schritt erfolgen. Wenn Lerner also versuchen, Sprache in Hinblick auf ihren funktionalen Gehalt zu analysieren, so müssten auch identifizierte formale Regelmäßigkeiten und paradigmatische Charakteristika hinsichtlich ihrer Funktion ‚abgeklopft‘ werden, ohne dass das zugehörige Konzept vollständig ausgebildet sein muss. Bates/MacWhinney (1989: 31) fassen die Interdependenz zwischen funktionalen Voraussetzungen und formal-grammatischem Wissen so zusammen, dass beide Ebenen das Erlernen von mappings steuern: „[T]he important issue is not whether learning is driven by form or by function. The answer to this question is that it is driven in both ways“. Genau diese Interdependenz formaler und funktionaler Prinzipien ist in der These, Spracherwerb sei Erwerb von form-function mappings repräsentiert.

Das Nebeneinander funktionaler und formaler Prinzipien ist sowohl für ein- als auch für mehrsprachige Erwerbsbedingungen relevant. In beiden Kontexten ist das primäre Ziel die Beherrschung eines grammatischen Systems als Notwendigkeit für eine erfolgreiche Kommunikation. Dieser grundsätzliche Ansatz ermöglicht es, auch im L2-Erwerb ermergente Lernerstrukturen vor dem Hintergrund einer kommunikativen Notwendigkeit zu erklären. Tomlin (1990: 172) folgert, dass „the interplay between functional linguistic codings and more general communicative principles“ unabhängig von der Erwerbsbedingung systematisch erfasst werden könne. Auch Mehrgan (2012: 39) stellt heraus, dass funktionalistisch ausgerichtete Erwerbsforschung im Bereich des L2-Erwerbs daran interessiert sei herauszuarbeiten, inwiefern „meaning-making efforts on the part of learners are a driving force in an ongoing second language development, which interact with the development of formal grammatical systems“. Auch im L2-Erwerb ist deshalb die Frage essentiell, wie form-function mappings entstehen. L2-Studien müssen sich deshalb damit befassen, welche Funktionen Lerner mit welchen Formen verknüpfen und wie sie formal realisiert werden (vgl. Mehrgan 2012). Letz­teres bezeichnet Bardovi-Harlig (22015: 55) als „concept-oriented approach“, was heißt, dass das zu versprachlichende Konzept (zum Beispiel semantische Relationen) als Anstoß zum Erwerb formalsprachlicher Formen dient. Ein entscheidender Unterschied zwischen L1- und L2-Erwerbsprozessen ist hierbei die Rolle der functional readiness. Während Kinder im L1-Erwerb zunächst basale funktionale Kategorien ausbilden müssen, sind diese im später einsetzenden L2-Erwerb bereits vorhanden. Die Erwerbsaufgabe besteht dann ‚nur‘ noch darin, neue Kodierungsmöglichkeiten zum Ausdruck bereits ausgebildeter semantischer Konzepte zu finden. Während im L1-Erwerb überhaupt erst Form-Funktions-Paare ausgebildet werden müssen, gilt es im L2-Erwerb neue Paare zu etablieren (vgl. dazu auch Bardovi-Harlig 22015, Mehrgan 2012, Saville-Troike/McClure/Fritz 1984).

 

Funktional ausgerichtete erwerbstheoretische Fragestellungen orientieren sich nicht nur an den Prinzipien des form-function mappings, sondern greifen auch die aus der funktionalen Linguistik hervorgegangenen gebrauchsbasierten Ansätze und kognitiven Prinzipien auf. Beides findet sich im Konzept der emergent language. Der Terminus der emergent grammar geht auf Hopper (1987:142) zurück, der das Emergenzprinzip folgendermaßen definiert:

[S]tructure, or regularity, comes out of discourse and is shaped by discourse as much as it shapes discourse in an on-going process. Grammar is hence not to be understood as a pre-requisite for discourse, a prior possession attributable in identical form to both speaker and hearer. Its forms are not fixed templates but are negotiable in face-to-face interaction in ways that reflect the individual speaker’s past experience of these forms, and their assessment of the present context, including especially their interlocutors, whose experiences and assessments may be quite different.

Aus der Definition geht vor allem hervor, dass Regularitäten im grammatischen System nicht ‚voreingestellt‘ sind, sondern regelrecht verhandelt werden können. Die Nutzung spezifischer Muster ist entsprechend davon abhängig, in welchem Kontext diese gebraucht werden und welches Wissen der Sprachbenutzer mit ihnen verknüpft. Hoppers zunächst vage erscheinende Definition fasst grundlegende funktionalistische Vorannahmen zusammen. So ist die Emergenzthese keinesfalls so zu verstehen, dass Sprecher in spezifischen Interaktionssituationen die lineare grammatische Struktur immer wieder neu aushandeln müssten. Vielmehr geht aus dem Zitat hervor, dass die Verwendung einzelner Strukturen kontextgebunden sein muss und die an der Interaktion Beteiligten spezifisches Wissen über die Funktionen der gebrauchten Strukturen mitbringen müssen, um Inhalte kommunizierbar und verstehbar zu machen. Grammatik entsteht also in und durch Interaktion und ist damit quasi doppelt gebrauchsbasiert.

Für den Spracherwerb ist hier besonders der Aufbau grammatischen Wissens aus dem Gebrauch heraus entscheidend. Erwerbstheoretische Ansätze gehen zwar davon aus, dass Erwerbsprozesse systematisch, jedoch nicht linear verlaufen (vgl. Ellis/Larsen-Freeman 2006: 562). Die fehlende Linearität und daraus resultierende Variabilität im Erwerbsverlauf ist wiederum eine direkte Abbildung eines emergenten, das heißt schrittweisen Aufbaus eines lernerspezifischen grammatischen Wissens. Vorausgesetzt wird hierbei, dass die ausgebildete Systematik auf interaktionalen Erfahrungen und damit auf einem spezifischen sprachlichen Input basiert. Die gebrauchsbasierte Orientierung gepaart mit kognitiven Fertigkeiten, die Erwerb überhaupt erst ermöglichen, fasst Tomasello (2005: 41) folgendermaßen zusammen:

In this process [i.e. the grammatical development, JG] children do two things simultaneously. First, they extract from utterances and expressions such small things as words, morphemes, and phrases by identifying the communicative job these elements are doing in the utterance or expression as a whole. Second, they see patterns across utterances, or parts of utterances, with “similar” structure and function, which enables them to create more or less abstract categories and constructions. These are the two faces of grammar: smaller elements and larger patterns.

Tomasello stellt hier drei zentrale Komponenten heraus: Spracherwerb ist zunächst als Grammatikerwerb zu verstehen, der wiederum funktional motiviert ist. Welche grammatischen Muster und Strukturen wiederum welche Bedeutungen transportieren, wird aus der Interaktion mit unterschiedlichen Gesprächspartnern abgeleitet. Die Extraktion von Form-Funktions-Relationen ist, so lässt sich folgern, gebunden an Gebrauch. Damit überhaupt etwas aus dem die Lerner umgebenden Sprachgebrauch extrahiert werden kann, werden Äußerungen nach spezifischen Kriterien systematisch analysiert. Lerner sind dabei auf der Suche nach Mustern (patterns) und Regelmäßigkeiten, die sie wiederum nur auffinden können, indem sie einzelne Strukturen zu größeren Einheiten bündeln (das heißt Kategorien bilden) und diese Einheiten letztlich zu größeren, bedeutungstragenden Mustern beziehungsweise Schemata abstrahieren. Dabei muss ergänzt werden, dass Lernern nicht nur die erwähnten kognitiven Fertigkeiten der Kategorisierung, Analogiebildung und Abstrahierung zum Auffinden von Mustern zur Verfügung stehen, sondern dass diese durch implizites statistisches Lernen determiniert werden. Kidd (2012: 172) definiert dieses „as the largely or wholly unconscious process of inducing structure from input following exposure to repeated exemplars“. Dass Lerner also überhaupt Muster entdecken können, wird durch die grundlegende kognitive Fertigkeit der statistischen Analyse von Input ermöglicht. In Bezug auf die Ausbildung von Form-Funktions-Paaren heißt das, dass Lerner analysieren, wie oft eine spezifische grammatische Struktur als zuverlässiger Indikator für den Ausdruck spezifischer Inhalte verwendet wird. Frequenz und Reliabilität von Mustern spielen deshalb eine zentrale Rolle im Erwerb. Spracherwerb im Sinne eines emergenten Prozesses würde in diesem Zusammenhang bedeuten, dass Lerner Schritt für Schritt ein grammatisches System aufbauen. Diese Annahme ist zugleich das Credo einer konstruktivistischen Sicht auf Spracherwerb: „Language structure […] is constructed by the child, either in the context of pragmatically elaborate communicative contexts […] or as an extension of conceptual understanding, which is the logical precursor to language“ (Hollich et al. 2000: 149). Aus konstruktivistischer Perspektive ist dieser Gedanke so zu verstehen, dass Lerner sich auf zweierlei Art und Weise entwickeln. Ihre kommunikativen Kontexte und damit Bedürfnisse werden genauso stetig ausgebaut wie ihr konzeptuell-semantisches Wissen, das wiederum den Ausbau des sprachlichen Repertoires erfordert. Vereinfacht lässt sich sagen: Entwickelt sich ein Lerner, entwickelt sich auch seine Sprache. Entwicklung heißt wiederum Veränderung, sodass Spracherwerb im Sinne der Emergenzthese eine kontinuierliche und systematische Weiterentwicklung formal-funktionaler mappings bedeutet.

 

Zusammenfassend lässt sich folgern, dass ein funktional motivierter Blick auf Grammatik stets ein Zusammenspiel zwischen pragmatischen und semantischen Faktoren und ihrer Abbildung auf formalsprachliche Strukturen annimmt. Erweitert um die kognitive Sicht sind dabei sowohl semantische Konzepte als auch die jeweilige sprachliche Struktur mental repräsentierte er Einheiten, die in einem symbolischen Verhältnis stehen. Die Beherrschung einzelsprachlicher Form-Funktions-Paare ist aus einer Erwerbsperspektive das primäre Erwerbsziel. Aufbauend auf spezifischen kognitiven Mechanismen wie Kategorien- und abstrakter Musterbildung sowie implizit-statistischem Lernen wird Sprechern das Auffinden grammatischer Muster ermöglicht. Im Erwerbsprozess verändern sich mit dem Ausbau kommunikativer Bedürfnisse und semantischer Konzepte (die wiederum vor allem im L1-Erwerb von der kognitiven Entwicklung abhängig sind) die Verknüpfungen zwischen Formen und Funktionen. Je mehr Informationen ein Lerner erhält, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass bestehende Verknüpfungen zwischen grammatischen Formen und ihren jeweiligen Funktionen modifiziert und erweitert werden.

Die Fragestellungen der Arbeit lassen sich vor dem Hintergrund dieser Grundannahmen nun weiter spezifizieren. In erster Linie soll es darum gehen, Form-Funktions-Paare bei Lernern mit unterschiedlichen sprachlichen Vorerfahrungen und damit mit variierenden mappings zu identifizieren. Mit Blick auf den Givón’schen Ikonizitätsbegriff soll ermittelt werden, ob Lerner syntaktische Muster sowie andere formalsprachliche Mittel (hier: Kasusmarker) mit konkreten semantischen Konzepten verbinden. Die Existenz mehrerer Kodierungsmöglichkeiten für eine Funktion ist Resultat des many-to-one-mappings, wodurch eine potentielle Konkurrenz zwischen syntaktischem Muster und Kasusform hervorgerufen wird. Mit Blick auf die Annahmen der emergenten Grammatik, die davon ausgeht, dass Lerner im Zuge ihrer sprachlichen Entwicklung ein grammatisches System schrittweise und systematisch konstruieren, sollte dieser Umstand dazu führen, dass sich die Verknüpfung zwischen Formen und ihren potentiellen Funktionen sukzessive verändert. Ziel der Arbeit ist es deshalb herauszufinden, welche mappings mehrsprachige Sprecher in der L2 Deutsch aufbauen und inwiefern sich diese mappings (insbesondere unter dem Einfluss der jeweiligen Ausgangssprache) von denen einsprachiger Sprecher unterscheiden. Weiterhin soll geklärt werden, ob und wie sich diese Form-Funktions-Paare im Kontext der Emergenzthese verändern. Die Veränderung, so die übergeordnete These, bildet letztlich den Weg zum Erwerbsziel ab, der (unabhängig von der Ein- respektive Mehrsprachigkeit von Sprechern) darin besteht, Kasusmarker im Deutschen als zuverlässige Indikatoren für semantische Relationen in transitiven Sätzen zu nutzen.

2.2Form-Funktions-Relationen im Deutschen, Niederländischen und Russischen

Um herausarbeiten zu können, welche sprachlichen Mittel in den hier untersuchten Sprachen als Indikatoren für semantische Relationen fungieren, werden im Folgenden die dem Deutschen, Niederländischen und Russischen zugrundeliegenden Kodierungsprinzipien skizziert. Die Gegenstandsbeschreibung bezieht sich dabei ausschließlich auf aktivische transitive Aussagesätze, bestehend aus zwei Nominalphrasen sowie einem finiten Verb. Vorausgesetzt wird hierbei, dass solche Strukturen eine kausale Relation zwischen einem Agens und einem Nicht-Agens umfassen (vgl. Givón 1995). Bevor die Relation zwischen Inhalt und Form genauer betrachtet wird, steht zunächst die oberflächensprachliche Struktur im Fokus.

In der Einleitung wurde bereits erwähnt, dass das Niederländische und Russische von zwei maximal unterschiedlichen Möglichkeiten zur Kennzeichnung semantischer Relationen im Satz Gebrauch machen, nämlich der Wortstellung und den Kasusmarkern. Im Deutschen finden sich aus unterschiedlichen Gründen beide Kodierungsformen. Was die drei Sprachen verbindet, ist eine einheitliche Basiswortstellung.

Die in der Greenberg’schen (1963) Tradition stehenden Bemühungen, Erkenntnisse zu Wortstellungsvariabilitäten und -regularitäten systematisch weiterzuentwickeln, mündeten in die Diskussion, warum spezifische Wortstellungsmuster häufiger vorkommen als andere. Van Everbroeck (2003) zeigt in diesem Zusammenhang, dass sich in den meisten (bekannten) Sprachen spezifische Basiswortstellungsmuster ausmachen lassen, die letztlich auf drei dominante Strukturen eingrenzbar sind. So haben 51 % der untersuchten Sprachen der Welt die Basisabfolge Subjekt-Objekt-Verb (SOV), 23 % SVO und 11 % VSO. VOS kommt in nur 8 % der Sprachen vor, die übrigen Varianten (OSV, VOS) liegen bei unter 1 % und sind damit als Einzelfälle einzustufen. Auch Hawkins (1983) und Tomlin (1986) verweisen darauf, dass die meisten Sprachen auf die Abfolge SOV, SVO und VSO einzugrenzen sind, wobei Tomlin die Muster SOV und SVO als äquivalent betrachtet. Lässt man die Position des Verbs außen vor, zeigt sich, dass in der überwiegenden Mehrheit der Sprachen der Welt die Basiswortstellung Subjekt vor Objekt (S>O) dominiert. Dryer (2013) zufolge ist diese Abfolge die dominanteste Struktur in den meisten bisher untersuchten Sprachen (über 80 %). Die Abfolge von S>O stellt letztlich eine sprachübergreifende universelle Tendenz dar. Der umgekehrte Fall (O>S) ist zumindest in der Basiswortstellung deutlich seltener anzutreffen.

Die Frage ist, nach welchen Kriterien einer Sprache ein Basiswortstellungstyp zugewiesen wird. Zu den wichtigsten Kriterien, die in diesem Zusammenhang diskutiert werden, gehören die Vorkommenshäufigkeit (Dryer 1995, Hawkins 1983, Tomlin 1986), die pragmatische Neutralität (Pullum 1977; vgl. für einen Überblick auch Mithun 1992) sowie die Interaktion zwischen Satzstruktur und Satzprosodie (Höhle 1982) und besonders auch die Diskussion um Thema-Rhema- beziehungsweise Fokus-Topik-Relationen (Reis 1993). Pragmatische Neutralität meint in Pullums Sinn den Gebrauch einer Struktur, deren Auftreten in einem kontextfreien Rahmen, also diskursinitial wahrscheinlich ist (vgl. Pullum 1977: 266). Ohne an dieser Stelle im Detail auf die diesen Kriterien anhaftenden Diskussionen eingehen zu wollen, lässt sich Basiswortstellung als eine in einer Einzelsprache am häufigsten vorkommende pragmatisch sowie prosodisch unmarkierte (oder ‚neutrale‘) Struktur definieren. Dass Vorkommenshäufigkeit überhaupt als definitorisches Kriterium angewendet wird, weist zugleich darauf hin, dass der Gebrauch anderer Strukturen möglich, jedoch besonders deshalb selten ist, weil er an kontextuelle Faktoren gebunden ist.

Die funktionale Sicht auf die sprachübergreifende Tendenz, S vor O zu realisieren,1 umfasst unterschiedliche Erklärungen. Die Kognitive Grammatik argumentiert dabei im Sinne des Givón’schen Ikonizitätsprinzipis und nimmt an, dass ein (meist belebtes) Agens in der Regel als Handlungsausführender auf ein (meist unbelebtes) Patiens einwirkt. Diese kausale Relation (AGENS→PATIENS) bildet aus einer kognitiv-funktionalen Perspektive eine kanonische Handlungsstruktur ab (Funktion), die auf der sprachlichen Oberfläche in eine spezifische syntaktische Struktur übergeht (Form). Das Subjekt/Agens (N1 im SO-Satz) wird im Satz zuerst realisiert, das Objekt/Patiens (N2 im SO-Satz) danach. Eine kausale Handlungsstruktur (AGENS→PATIENS) mündet also in eine spezifische Abfolge nominaler Konstituenten (S → O; vgl. dazu Comrie 1981, Croft 1991, Langacker 1991, s. auch Kapitel 2.3). Aus funktionaler Perspektive hätte die syntaktische Position der beiden Aktanten also die Funktion, ihre semantische und kausale Relation abzubilden. Losgelöst von ihren grammatischen Funktionen als Subjekt und Objekt, lässt sich schließen, dass eine neutrale Abfolge zweier nominaler Konstituenten (N>N) an sich bedeutungstragend ist. Die Abkürzung N>N wird im Folgenden deshalb als abstrahierte Form einer kanonischen Satzstruktur mit einer neutralen Abfolge von AGENS > NICHT-AGENS und damit als kanonischer SO-Satz verstanden.

Croft (1988: 173) zufolge haben neben der Konstituentenabfolge auch Kasus- oder Kongruenzmarker die primäre Funktion, „a relation between two entities“ auszudrücken. Daraus folgt, dass analog zum syntaktischen Muster auch bei den Kasusmarkern spezifische Verknüpfungen zwischen der Form (Kasusmarkierung) und dem Inhalt (semantische Rolle) hergestellt werden können. Ein Agens ist in der Regel morphologisch unmarkiert, ein Patiens oder Rezipiens hingegen markiert.2 Sowohl im Russischen als auch im Deutschen wird der Nominativ zur Kennzeichnung des Agens, der Akkusativ zur Kennzeichnung des Patiens und der Dativ als Marker für ein Rezipiens gebraucht (s. zum Beispiel Abraham 32013 sowie Zifonun/Hoffman/Strecker 1997 für das Deutsche). Demnach lässt sich eine Dichotomie zwischen dem morphologisch unmarkierten Agens und allen anderen nicht-agentivischen, jedoch morphologisch markierten Rollen ziehen (neben dem Patiens und dem Rezipiens wären hier auch das Instrument, der Locus und weitere nicht-agentivische Aktanten zu nennen).3 Die semantische Dichotomie zwischen Agens und Nicht-Agens mündet so in die formale Dichotomie [+/- MORPHOLOGISCH MARKIERT]. Croft (1988: 174) folgert daraus:

Case marking is a complement of the strategy of simple juxtaposition of the related constituents, in which the hearer must infer the relation that holds between the two. Simple juxtaposition is only possible when the relation between the two terms is obvious enough for the hearer to easily infer it. Otherwise, the relation must be more explicitly represented in the utterance, and case marking is the strategy for doing so.

Kasusmarker dienen also dem Hörer dazu, die semantischen Relationen zwischen unterschiedlichen Aktanten zu determinieren und sind somit nichts anderes als eine formale Explizitmachung semantischer Relationen.

Zentral ist in diesem Zusammenhang die Rolle der Verben. Im Sinne eines valenzgrammatischen und framesemantischen Ansatzes (vgl. Busse 2012, Fillmore 1968, 1977) übernehmen Verben in Sätzen die Rolle des Regisseurs. Oder um Kakos (2006) Sicht auf Sätze als „miniature plays“ nochmals aufzugreifen: Sätze umfassen spezifische Handlungsrahmen, in denen unterschiedliche Mitspieler verschiedene Rollen einnehmen. Das Verb legt dabei fest, welche Rollen zu vergeben sind. Ein von Fillmore häufig gebrauchtes Beispiel ist das der kommerziellen Transaktion. So würde das Verb kaufen unterschiedliche an der Kaufhandlung beteiligte Aktanten umfassen, nämlich den Käufer, den Verkäufer, die Ware sowie zum Kauf der Ware benötigte Mittel (vgl. Fillmore 1977). Folgt man Fillmores Überlegungen, würde das Verb kaufen diese Handlung und an ihr teilnehmende Mitspieler kognitiv evozieren, weil der Sprecher über verstehens- und wissensrelevante Schemata4(Frames) verfügt, das heißt auf der Basis seiner Erfahrungen weiß, wie eine Kaufsituation abläuft und wer daran beteiligt ist. Die Verbbedeutung bestimmt, wer im satzinternen Miniaturstück mitspielen darf. Das Verb eröffnet ein Spektrum an Leerstellen (slots), die gefüllt werden können, jedoch nicht müssen.5 Ein Verb wie kaufen enthält zum Beispiel die Leerstellen [KÄUFER] und [GEKAUFTES]. In der Valenzgrammatik ist das Prinzip der Leerstelle vergleichbar mit der Wertigkeit des Verbs, das heißt mit der Anzahl der Bindungsstellen, die ein Verb mitbringt. Die slots müssen vom Sprecher mit auf die spezifische Handlung angepassten fillern ausgefüllt werden. Die Mitspieler müssen also konkret benannt werden (zum Beispiel Der Mann kauft eine Hose). Im Prinzip lässt sich unter Berücksichtigung mapping-bezogener und valenzgrammatischer Prinzipien ein zweiphasiger Prozess bei der Konstruktion von Sätzen annehmen. Die Nutzung eines spezifischen Verbs macht es erforderlich, an der Handlung beteiligte Aktanten überhaupt zu benennen. Mithilfe der grammatischen Mittel Wortstellung und Kasusmarker wird in einem weiteren Schritt spezifiziert, welcher Aktant welche Rolle im Handlungsrahmen einnimmt. So sind für die Leerstellen des Verbs kaufen die filler ‚Mann‘, ‚Hose‘ und ‚Tochter‘ denkbar. Innerhalb des Handlungsrahmens kaufen muss mithilfe formaler Mittel deutlich werden, in welchem Verhältnis Mann, Tochter und Hose stehen und wer von ihnen agentivisch ist (Der Mann kauft der Tochter eine Hose vs. Die Tochter kauft dem Mann eine Hose).

Im Kontext eines vom Verb evozierten Handlungsrahmens sind Wortstellung und Kasusmarker als zwei Möglichkeiten zu betrachten, um ein und dieselbe Funktion sprachlich abzubilden. Im Deutschen, Russischen und Niederländischen haben sie eine jeweils unterschiedlich hohe Validität, was bedeutet, dass sie in transitiven Sätzen kontextunabhängig als zuverlässige Indikatoren für semantische Relationen fungieren. So wäre die Wortfolge dann ein valider Indikator, wenn anhand der linearen Abfolge der nominalen Konstitutenten im Großteil der Fälle die vom Verb regierten Rollen ermittelt werden können. Kasusmarker sind wiederum dann valide Indikatoren, wenn unabhängig von der syntaktischen Position der Konstituenten anhand der morphologischen Markierung auf ihre semantische Rolle im Satz geschlossen werden kann. So ist es im Deutschen mehr als unwahrscheinlich, dass eine NP des Typs dem Kind ein Agens kennzeichnet, da die Artikelform dem ein valider Indikator für Nicht-Agentivität und so in Hinblick auf diese Funktion transparent ist. Daneben finden sich im Deutschen Formen wie die Frau. Die Artikelform die ist uneindeutig, weil sie sowohl als Agens- als auch als Patiensmarker fungiert (zum Beispiel Die Frauagsieht den Mann vs. Der Mann sieht die Fraupat). Ohne die Einbettung in einen syntaktischen Zusammenhang ist es auf der Basis der isolierten NP