Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Sie erzählen von Freundschaften und Tierliebe, von wundersamen Träumen und seltsamen Kreaturen und von spannenden und berührenden Erlebnissen.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 133
Veröffentlichungsjahr: 2018
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Hallo, ihr Leseratten!
Nun haben wir es endlich geschafft, unser zweites Buch mit Geschichten zu füllen. Die Kinder der Schreibwerkstatt im Alter von 8 bis 13 Jahren, wünschen sich, dass ihre erfundenen, fantastischen aber auch wahren Geschichten eure Leselust wecken. Vielleicht möchte manch einer von euch dann selbst zur Feder greifen und eine Geschichte schreiben. Unsere Welt ist bunt und voller wunderbarer Ereignisse. In spannenden Geschichten kann man sie ausmalen und festhalten. Versucht es einmal!
Heidi Anders-Donner
Wünsche und Träume
Familienurlaub
Manchmal kommt es anders
Das Medaillon
Schulgeschichten
Ende gut – Alles gut
Die zwei Entdecker
Eine neue Freundschaft
Der Fremde
Der verhexte Montag
Ehrlich währt am Längsten
Pechvogel
Der Lügenprotz
Vertane Zeit
Neugier
Märchen und Fantasie
Gretas Traum
Das Logbuch von Kapitän Stark
Der kleine Held
Spannende und bewegende Geschichten
Gefährlicher Mut
Die Überraschung
Leichtsinn
Die Lauscher im Wald
Tiergeschichten
Liebe auf den ersten Blick
Glück im Unglück
Hundeangst
Glückssträhne
Das Pferdemädchen
Kriminelle Sachen
Mein erster Fall
Im letzten Moment
Die diebische Elster
In meiner Familie geht es meistens sehr gerecht zu. Bevor wir zum Beispiel in den Urlaub fahren, beraten wir gemeinsam, was wir dieses Mal unternehmen wollen. Jeder darf seinen Wunsch vortragen; Papa, Mama, meine Schwester Elisa und natürlich ich selbst. Am Ende entscheiden wir uns für den Vorschlag, der allen am besten gefällt.
Nun war es wieder einmal so weit. Aber dieses Mal hatten wir kurz vor den Winterferien immer noch keinen Plan.
„Heute, Abend müssen wir unbedingt besprechen, wie wir unseren Winterurlaub gestalten wollen“, rief uns mein Vater am Morgen beim Verlassen der Wohnung zu.
„Es wird höchste Zeit, Kinder. Papa hat Recht. In einer Woche beginnen die Ferien“, sagte meine Mutti.
Nach dem Abendbrot blieben wir also noch eine Weile in der Küche sitzen.
„Na, dann schießt mal los mit euren Vorschlägen“, eröffnete Papa die Gesprächsrunde. „Wer hat eine Idee?“
Wir machten alle nachdenkliche Mienen, aber keiner sagte etwas. Als erster wollte ich jedoch meinen Wunsch noch nicht verraten.
„Gut, dann fange ich eben an“, fuhr er fort.
„Ich würde gerne mit euch eine interessante Reise durch verschiedene Museen machen.“
Und dann zählte er sie alle mit einer wahren Begeisterung auf: Militärmuseum, Hygienemuseum, Verkehrsmuseum ... . Wir sahen ihn entgeistert an.
„Das ist doch kein Urlaub, Jürgen“, gab Mama zu bedenken. „Fünf Tage lang nur durch Museen tigern?“
Elisa und ich gaben ihr Recht. Was hatte er sich da bloß ausgedacht.
Plötzlich schauten alle drei auf mich. Aha, jetzt war ich an der Reihe.
„Ich habe mir etwas ganz anderes überlegt. Wir könnten für einige Tage in die Berge fahren. Und jeder überlegt sich vorher, welche Angst er überwinden will.“
„Das musst du uns schon etwas ausführlicher erklären“, forderte Papa mich auf.
Mama und Elisa nickten.
„Na ja“, fing ich an. „Papa, der Sportmuffel, könnte endlich Ski-Unterricht nehmen.
Mama wollte als junges Mädchen so gerne sicher auf Schlittschuhen stehen, hat sich aber nie getraut.
Mein Schwesterlein Elisa ist jetzt alt genug, um vielleicht allein mit einem Schlitten den Berg hinunter zu sausen, ohne zu heulen.
Und ich würde mir Mühe geben, endlich ohne Schiss in den Hosen mit dem Snowboard über den Hang zu preschen. Bisher haben wir uns alle immer davor gedrückt. Stimmt doch, oder?“
„Deine Idee ist wirklich toll, Nicki“, sagte Mama anerkennend. „Du meinst wirklich, dass wir es schaffen, in der kurzen Zeit unsere Ängste zu überwinden?“ Papa schaute noch ein wenig ungläubig aus der Wäsche.
„Ja, ja, so machen wir das. Ich bin schon ein großes Mädchen“, sagte meine 6-jährige Schwester und sprang begeistert vom Stuhl hoch.
Ich hatte das Gefühl, dass mein Vorschlag der Knaller war.
Aber plötzlich maulte Elisa.
„Ich mache alles mit. Aber nur, wenn Oma und Opa dabei sind.“
Am nächsten Tag berichteten wir den Großeltern von unserem Plan. Die freuten sich riesig. Sie waren noch nie zuvor im Winter in den Bergen gewesen.
Papa buchte eine günstige Pension für die ganze Großfamilie. Dann wurden die Koffer gepackt. Nun stand unserem Ziel nichts mehr im Wege.
Eine Woche später saßen wir am Urlaubsort zusammen beim Frühstück und machten einen Plan für die kommenden Sport-Aktiv-Tage. Jeder wollte sein Vorhaben verwirklichen. Oma und Opa nahmen Elisa unter ihre Fittiche, denn auch sie wollte ihr Wunschziel erreichen.
Am Abend des ersten Trainingstages saßen wir nach dem Duschen ziemlich abgekämpft beim Abendessen. Mama hatte sich sehr vorsichtig auf den Stuhl gesetzt, denn ihr tat der Hintern weh. Schließlich steht man ja anfangs noch ziemlich wackelig auf den Schlittschuhen und landet des Öfteren auf dem Allerwertesten.
Ich hatte bei den ersten Übungen auf dem Snowboard mehrmals den Berg geknutscht und dabei meine rechte Hand ein wenig gestaucht.
„Skifahren ist gar nicht so leicht, wie es aussieht“, gestand Papa und deutete auf seine blauen Flecken am Schienbein.
Elisa tat so, als ob sie das alles gar nicht interessierte. Opa zwinkerte ihr zu.
„Stellt euch vor, eure Kleine ist heute mit uns in der Seilbahn auf den Berg gefahren. Sie hatte überhaupt keine Angst.“
„Und morgen versuchen wir es mit dem Schlitten bergab, stimmt`s, Elisa?“ Oma streichelte meiner Schwester die Wange. An den folgenden schönen Wintertagen machten alle Familienmitglieder gute Fortschritte.
So kam es, dass die Abendbrotrunde nach der dritten Übungseinheit viel ausgelassener war.
Papa berichtete, wie viel Spaß es ihm inzwischen macht, auf den Brettern zu stehen, wenn der Skilehrer ihn auch ab und zu noch ermahnen muss.
„Eistanz auf Schlittschuhen kriege ich natürlich bestimmt noch nicht hin. Aber heute habe ich mich nur ein einziges Mal aufs Eis gelegt“, erzählte Mama lachend.
„Und was ist mit dir, Nicki“, fragte Opa.
„Ich bin ganz zufrieden mit mir“, antwortete ich. „Außer einer kleinen Rutschpartie über eine vereiste Stelle, bin ich ansonsten immer gut unten angekommen.“
„Ich bin wieder zuletzt dran“, meckerte Elisa.
„Nun erzähl doch lieber, was wir heute erlebt haben“, ermunterte Oma die Enkeltochter.
„Ich fahre den Zwergenberg auf dem Schlitten ganz alleine runter, ohne zu heulen, ätsch! Und morgen zeige ich euch, wie das geht.“
Wir sahen sie mit erstaunten Gesichtern an.
Am Ende des Urlaubs war die ganze Familie rundherum glücklich.
Alle hatten etwas Neues ausprobiert und dabei ihre Ängste besiegt. Und jedem von uns hat es riesigen Spaß gemacht.
Zu Hause angekommen, fassten wir sogleich einen Entschluss. Wir werden unseren nächsten Winterurlaub unbedingt wieder in den Bergen verbringen.
Gelangweilt blickte ich aus dem Fenster, in welchem ich mein Gesicht beobachten konnte. Ich war momentan traurig und genervt. Meine Mutter, mit mir als einzige Tochter komplett überfordert, hatte mich spontan auf einem Reiterhof – Internat angemeldet und fuhr mich gerade dorthin. Diskutieren hatte überhaupt nichts gebracht. Die Ferien hätte ich sehr gerne anders nutzen wollen. Das hatte ich mir am Ende der 7. Klasse vorgenommen.
Mein Problem war nicht, dass ich Pferde nicht mochte. Ich fühlte mich überrumpelt und bevormundet. Sie wollte nicht wahrhaben, dass ich kein Interesse an ihrem Vorschlag hatte.
Dies aber war kein Grund für sie, mit mir darüber zu sprechen.
Ich schnappte meine Kopfhörer und hörte eine ganze Zeit lang meine Lieblingslieder, alles, was mich in irgendeiner Weise auf andere Gedanken brachte.
„Samira, wir sind da“, drang die Stimme meiner Mutter gedämpft an mein Ohr, da ich immer noch die Kopfhörer trug. Ich stieg aus dem Auto, setzte meinen Rucksack auf und nahm den kleinen Koffer vom Rücksitz.
Ein Mädchen, welches eine Reithose, Reitstiefel und dazu ein feines Jackett anhatte, kam auf mich zu.
„Du musst Samira sein, stimmt das? Ich bin Sarah. Wir beide teilen uns ein Zimmer“, sagte sie freundlich und reichte mir die Hand.
Ich nickte kurz und erwiderte ihre Begrüßung.
„Komm, ich zeig dir alles.“
Meine Mutter stieg ins Auto und fuhr davon.
Sarah ging voran. Zuerst brachten wir mein Gepäck auf unser Zimmer. Dann zeigte sie mir die Cafeteria, die Reithalle und zu guter Letzt den Stall.
„Und das ist Candy.“ Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht.
Sie lief zu einem Schimmel und umarmte ihn.
Ich hatte meine Hände die ganze Zeit in den Hosentaschen vergraben, weil ich nicht wusste, wohin damit. Doch dann nahm ich sie heraus, um sanft über Candys Nüstern zu streicheln. Sarah erklärte mir, dass Candy ihr Pflegepferd sei, und sie hätte sogar eine Vermutung, welches Pferd man mir zuteilen würde. Das wollte sie jedoch nicht verraten. Mir war es völlig egal, ob ich es heute oder morgen erfahren würde. Nach dem Essen saßen wir noch eine Weile in unserem kleinen Zimmer. Sarah vertiefte sich in ein Buch, während ich darüber nachdachte, was meine Freundinnen Klara und Tina jetzt gerade ohne mich unternehmen würden.
Ein schriller, ohrenbetäubender Krach holte mich aus dem Land der Träume. Ich beschloss zum wiederholten Male, dass mein Wecker irgendwann die Bekanntschaft mit der Wand machen würde.
„Samira wach doch auf“, rief Sarah und rüttelte an meiner Schulter.
„Bist du denn gar nicht aufgeregt?“, fragte sie.
„Warum weckst du mich mitten in der Nacht“, nuschelte ich verschlafen in mein Kissen.
„Es ist 6 Uhr.“ Sie lachte.
Ich hob meinen Kopf und war überrascht, dass sie sich schon angezogen hatte. Langsam quälte ich mich aus dem Bett heraus.
„Aus welchem Grund sollte ich eigentlich aufgeregt sein?“ fragte ich, während ich mich in meine Reithose zwängte.
„Heute wird dir ein Pferd zugeteilt.“
Sarah schien das mehr zu bewegen als mich.
Bald darauf standen wir im Stall. Ich sah zum ersten Mal mein Pflegepferd, ein sehr schönes Tier. Es hieß -Luna-, war schwarz und hatte hübsche weiße Flecken.
Der Tag verging schnell und verlief eigentlich ganz gut.
„Endlich raus aus den Klamotten,“ sagte ich erleichtert, als ich aus dem Badezimmer kam. Die Reithose, die mir meine Mutter gekauft hatte, war nicht gerade bequem und das Jackett dazu war absolut nicht mein Geschmack. Eher stand ich auf die schwarzen zerrissenen Jeans und der blauen Hoodie, die ich jetzt trug.
„Samira, kann ich dich mal etwas fragen?“, wollte Sarah wissen.
„Klar, was gibt`s denn?“, antwortete ich und ließ mich aufs Bett fallen.
„Warum bist du eigentlich hier? Ich meine, offensichtlich bist du nicht aus freien Stücken gekommen. Ich habe heute den ganzen Tag mit dir verbracht und festgestellt, dass du Talent hast, mit Pferden umzugehen. Und Luna scheint dich auch zu mögen.“
Ich atmete tief durch, bevor ich antwortete.
„Weißt du, Sarah, als ich klein war, habe ich mit dem Reiten angefangen, hab das auch 4 bis 5 Jahre sehr gerne gemacht, bis wir umgezogen sind. Dort in der Nähe gab es keinen guten Reiterhof. Ich verlor dadurch die Lust für mein einziges Hobby. Und von da an hatte ich mit meiner Mutter immer Streit. Um mein Interesse am Reiten wieder zu wecken, hat sie mich nun hier angemeldet.“
„Und wofür interessierst du dich wirklich?“, wollte Sarah wissen.
„Für Musik und Gesang“, antwortete ich spontan. Damit war das Gespräch erst einmal zu Ende.
Am Nachmittag machten wir einen kleinen Bummel durch die Stadt. Ich blickte durch ein Schaufenster und sah mich nach neuen Kopfhörern um, da meine alten wahrscheinlich bald den Geist aufgeben würden.
„Samira, komm mal her“, rief Sarah.
„Schau dir an, was da steht. Wäre das nicht was für dich?“
Sie deutete auf ein Poster mit einer Einladung zu einem
Talente - Wettbewerb.
Ich las und zögerte, weil ich mir bei solch einem Wettbewerb keine Chancen ausmalte. Doch dann holte ich einen Zettel und einen Stift aus der Tasche und schrieb mir alle Infos dazu auf. Wer weiß, wofür es gut sein könnte. Ich hatte ja schließlich nichts zu verlieren.
Den Tag darauf, hatten wir auf dem Pferdehof weniger Unterricht, also viel freie Zeit. Ich lag auf meinem Bett und hörte Musik, während Sarah an ihrem Schreibtisch saß und online nach einer neuen Reitgerte suchte.
Da dachte ich an den Zettel, griff in meine Hosentasche und nahm das zerknüllte Papier heraus.
„Ich mache mit“, sagte ich entschlossen, formte das Papier zu einer Kugel und zielte auf Sarahs Kopf. Sie lachte.
„Mensch, das ist doch toll. Was willst du denn singen?“
Das war eine gute Frage.
„Ich muss es mir noch überlegen“, gestand ich.
Am Abend hatte ich mich entschieden.
Zwei Wochen lang nutzte ich nun jede freie Minute, den ausgewählten Song zu lernen. Sarah unterstützte mich. Sie hörte zu, bewertete meinen Vortrag und freute sich, dass ich immer besser wurde. In ihr hatte ich eine echte Freundin gefunden. Plötzlich flogen die Tage nur so dahin.
Dann war es endlich soweit. Sarah und ich standen hinter dem Vorhang und ich klammerte mich an ihren Arm. Das Lampenfieber hatte mich gepackt.
„Sarah, ich habe Angst“, jammerte ich.
„Ganz locker bleiben. Du hast eine tolle Stimme und hast den Song gut und sicher drauf. Du kannst gar nichts falsch machen“, munterte sie mich auf.
Ich nickte und wurde kurz darauf auf die Bühne gebeten.
„Viel Glück, Sami“, rief Sarah mir hinterher.
Ich holte noch einmal tief Luft, da stand ich auch schon im Scheinwerferlicht. Plötzlich hatte ich meine Angst vergessen und sang drauflos, ohne einen Patzer. Auch meine leichte Erkältung merkte man überhaupt nicht. Ich hatte sogar ein gutes Gefühl, als ich nach dem Vortrag hinter den Vorhang huschte.
Dann mussten die Teilnehmer auf die Auswertung warten. Alle waren ziemlich aufgeregt. Als ich endlich an der Reihe war, stand Sarah an meiner Seite.
Die JURY hatte meinen Gesang mit 9 Punkten bewertet. Zehn konnte man bestenfalls erreichen. Ich jubelte laut. Das war der Hammer.
„Dein Lied ist ja auch wunderschön und du hast es mit viel Gefühl und fast wie ein Profi vorgetragen“, schwärmte Sarah und drückte mich ganz fest.
„Es ist mein Lieblingslied geworden.“ Sie hatte sogar kleine Freudentränen in den Augen.
Nach dem Wettbewerb kam ein Jurymitglied auf mich zu und meinte, dass ich es mit meiner Stimme sehr weit bringen könnte und ich sollte mich in musikalischer Richtung weiter entwickeln. Das klang berauschend in meinen Ohren.
Was wird wohl meine Mutter sagen, wenn ich ihr davon erzähle, dachte ich bei mir.
„Deine Mutter wird sicher stolz auf dich sein, wenn sie von deinem Erfolg erfährt“, sagte Sarah voller Überzeugung, als hätte sie eben meine Gedanken gelesen.
Wir schlenderten Arm in Arm durch das Städtchen, zurück auf den Reiterhof. Dort gab es ein großes „Hallo“ und einen stürmischen Empfang für mich. Sarah hatte den anderen Pferdemädchen mit einer SMS auf dem Handy die Nachricht von meinem gelungenen Auftritt mitgeteilt. Alle waren neugierig und wollten genau wissen, was da gelaufen war. Zum Schluss bettelten sie so lange, bis ich mich erweichen ließ. Und dann sang ich mich mit meinem Liebeslied in ihre Herzen.
Die Tage auf dem Reiterhof werde ich nie vergessen. Die Erfahrungen mit Luna, die schönen Stunden mit meiner neuen Freundin Sarah.
Nie hätte ich gedacht, dass manchmal alles ganz anders kommen kann.
Sally wohnte in einem Heim für Kinder, einem Waisenhaus. Sie stand vor ihrem Spiegel, beschaute das Medaillon am Lederband und wickelte es sich um ihr Handgelenk. Dann betrachtete sie es, in Gedanken versunken, erneut.
Es war ein wunderschönes Medaillon von ihrer Großmutter, die gerade erst vor wenigen Wochen gestorben war. Nun hatte Sally niemanden mehr, der für sie sorgen konnte. Also musste sie in dieses fremde Zuhause ziehen.
Eine Träne lief ihr über die Wange. Ihre geliebte Großmutter war nun für immer fort. Plötzlich wurde sie durch das aufgeregte, laute Trillern von Charlie, ihrem Wellensittich, aus ihren Gedanken gerissen. Er schien zu spüren, dass sie sehr traurig war und schaute sie mit seinen schwarzen Äuglein fragend an.
Glücklich war Sally nicht, dass sie hier leben sollte, aber es gab ja keine andere Lösung. Vielleicht würde sie sich schon bald ein wenig an ihre neue Umgebung gewöhnen. Die Wände in ihrem Zimmer waren jedenfalls schön bunt. Und dieses Haus hatte etwas Magisches an sich.
Draußen, vor dem großen Fenster, waberten heute dicke Nebelschwaden umher.