Schon immer hab ich ihn geliebt - Gitta Holm - E-Book

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Gitta Holm

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Beschreibung

Nun gibt es eine exklusive Sonderausgabe – Fürstenkrone Classic In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkrone" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit. »Ich denke nicht daran, Isabel zu heiraten«, sagte Joachim Erkert heftig. Wütend starrte er seinen Vater an. »Ich weiß, du bist es gewohnt, Menschen wie Figuren auf einem Schachbrett zu bewegen, aber ich bin keine Schachfigur.« »So habe ich es ja auch gar nicht gemeint, Joachim«, beschwichtigte Wilhelm Erkert. Mit einer müden Bewegung strich er durch seine angegrauten dunkelblonden Haare. »Ich war immer der Meinung, du liebst Isa­bel. Immerhin bist du jetzt achtundzwanzig, es wird Zeit…« Isabel Komtesse Steinfels, ein hübsches junges Mädchen mit dunklen, im Nacken durch eine Spange zusammengehaltenen Haaren und braunen Augen, schloß die Salontür hinter sich. Es war ein wunderschöner Frühlingstag, und sie wollte ihn auf der Terrasse vor dem Haus genießen. Plötzlich hörte sie ihren Namen. Instinktiv blieb sie stehen. Joachim und sein Vater stritten sich. Die Stimmen kamen aus dem Arbeitszimmer des Bankiers, dessen Tür nur angelehnt war. An und für sich haßte es Isabel zu lauschen, aber hier schien es sich um sie zu handeln, und es war ihr unmöglich, einfach weiterzugehen. »Natürlich habe ich Isabel gern, aber ebenso, wie man eine Schwester liebt«, erwiderte Joachim Erkert seinem Vater. Wie er, hatte er grüne Augen und dunkelblonde Haare. Er sah sehr gut aus.

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Leseprobe: Lass die anderen reden

Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit.

Fürstenkrone Classic – 28 –

Schon immer hab ich ihn geliebt

Gitta Holm

»Ich denke nicht daran, Isabel zu heiraten«, sagte Joachim Erkert heftig. Wütend starrte er seinen Vater an. »Ich weiß, du bist es gewohnt, Menschen wie Figuren auf einem Schachbrett zu bewegen, aber ich bin keine Schachfigur.«

»So habe ich es ja auch gar nicht gemeint, Joachim«, beschwichtigte Wilhelm Erkert. Mit einer müden Bewegung strich er durch seine angegrauten dunkelblonden Haare. »Ich war immer der Meinung, du liebst Isa­bel. Immerhin bist du jetzt achtundzwanzig, es wird Zeit…«

Isabel Komtesse Steinfels, ein hübsches junges Mädchen mit dunklen, im Nacken durch eine Spange zusammengehaltenen Haaren und braunen Augen, schloß die Salontür hinter sich. Es war ein wunderschöner Frühlingstag, und sie wollte ihn auf der Terrasse vor dem Haus genießen. Plötzlich hörte sie ihren Namen. Instinktiv blieb sie stehen. Joachim und sein Vater stritten sich. Die Stimmen kamen aus dem Arbeitszimmer des Bankiers, dessen Tür nur angelehnt war. An und für sich haßte es Isabel zu lauschen, aber hier schien es sich um sie zu handeln, und es war ihr unmöglich, einfach weiterzugehen.

»Natürlich habe ich Isabel gern, aber ebenso, wie man eine Schwester liebt«, erwiderte Joachim Erkert seinem Vater. Wie er, hatte er grüne Augen und dunkelblonde Haare. Er sah sehr gut aus. Wenn er durch die Bank seines Vaters ging, blickten ihm gewöhnlich sämtliche weiblichen Angestellten nach.

Wilhelm Erkert zündete sich ungeduldig ein Zigarillo an. »Die Hauptsache ist doch, daß du Isabel liebhast! Ich habe mir von jeher gewünscht, daß ihr eines Tages heiratet, und ich weiß, es wäre auch der Wunsch meines alten Freundes Graf Steinfels gewesen.«

»Dein Freund ist seit zehn Jahren tot, Vater«, entgegnete Joachim. »Als er starb, war Isabel elf. Ich kann mir nicht denken, daß Graf Steinfels schon zu diesem Zeitpunkt an eine zukünftige Ehe zwischen mir und seiner Tochter dachte.«

»Und doch hat er es getan!« trumpfte der Bankier auf. »Kurz vor seinem Tod haben wir einmal über dich und Isabel gesprochen. Es war an deinem achtzehnten Geburtstag. Wir freuten uns beide darüber, wie nett du mit Isabel zurechtkamst. Ihr beide wart unzertrennlich.«

»Weil sie schon damals eine kleine Schwester für mich war«, sagte Joachim. »Nie habe ich daran gedacht, etwas anderes in ihr zu sehen. Ich…«

Isabel kam es vor, als würde der Boden ihren Füßen entzogen. Am ganzen Körper zitternd, lehnte sie sich an eine Rosenholzvitrine. Unwillkürlich verkrampften sich ihre Finger ineinander. Jeder Blutstropfen war aus ihrem Gesicht gewichen.

Es war schrecklich für sie, dieses Gespräch anzuhören, aber sie brachte es nicht fertig, den Salon zu verlassen. Solange sie zurückdenken konnte, liebte sie Joachim. Sie hatte darauf gewartet, daß er ihr über kurz oder lang einen Heiratsantrag machen würde, und nun mußte sie erfahren, daß sie nicht mehr als eine kleine Schwester für ihn war.

»… Joachim, es wäre mein größter Wunsch, daß du Isabel heiratest«, klang die Stimme ihres Pflegevaters wieder an ihr Ohr. »Ich habe bis heute eine Menge Geduld bewiesen, aber auch die hat einmal ein Ende.«

»Du kannst mich nicht zwingen, Vater«, widersprach der junge Mann erbost.

»Falls du daran denkst, mich zu enterben, wenn ich mich nicht deinen Wünschen füge, bitte, tu es! Ich habe eine gute Ausbildung als Bankkaufmann hinter mir. Ich würde in jeder Bank eine Anstellung finden.«

»Es dürfte wohl ein kleiner Unterschied sein, ob du der Juniorchef einer Bank bist oder ob du in ihr nur angestellt bist«, bemerkte Wilhelm Erkert sarkastisch. »Du bist es gewohnt, aus dem vollen zu schöpfen, du würdest es gar nicht schaffen, mit dem durchschnittlichen Gehalt eines Bankkaufmannes auszukommen.«

»Es käme auf einen Versuch an!« trumpfte Joachim auf. »Es ist nicht gesagt, daß…« Er runzelte die Stirn. »Was war das?« Lauschend wandte er den Kopf zur Salontür.

»Ich habe nichts gehört«, sagte Wilhelm Erkert und streifte die Asche von seinem Zigarillo.

»Aber ich!« Mit wenigen Schritten war Joachim an der Tür. »Sie ist nur angelehnt«, stieß er entsetzt hervor und schaute in den angrenzenden Salon. Sein Blick fiel auf eine auf dem Parkett liegende Spange. Er hob sie auf.

»Was ist denn?« fragte der Bankier ungeduldig.

Er wollte das Gespräch mit seinem Sohn zu einem Abschluß bringen, um dann zu einem Geschäftsfreund zu fahren. Obwohl es Samstag war, hatte er noch eine Menge zu tun.

»Ich habe eine von Isabels Spangen gefunden«, sagte Joachim. »Sie lag neben der Vitrine auf dem Parkett.«

»Sie wird sie irgendwann verloren haben.« Wilhelm Erkert zuckte die Achseln.

»Es fragt sich nur, wann!« Joachim kehrte zum Schreibtisch seines Vaters zurück und legte die Spange vor ihn auf die Schreibtischplatte. »Hoffentlich hat Isabel nicht gehört, über was wir gesprochen haben«, meinte er besorgt. Um nichts in der Welt wollte er sie kränken. Seit Jahren versuchte er, allen Kummer von ihr fernzuhalten.

»Isabel lauscht nicht!« Wilhelm Erkert griff nach der braunen Spange und drehte sie in den Händen. »Sie war vorhin bei mir, um mit mir die Gästeliste für den nächsten Samstag durchzugehen. Sie wird das Ding verloren haben, als sie aus dem Zimmer ging.« Aber noch während er das sagte, fiel ihm ein, daß Isabel nicht durch den Salon sein Zimmer verlassen hatte, sondern durch die Tür zur Halle.

»Ich will ja nicht sagen, daß Isabel absichtlich gelauscht hat, aber sie wird ihren Namen gehört haben und ist stehengeblieben.« Bestürzt dachte Joachim daran, was er alles zu seinem Vater gesagt hatte. Verdammt! dachte er. »Ich werde nach ihr sehen!« Ohne eine Antwort abzuwarten, verließ er das Arbeitszimmer.

Lautlos eilte der junge Mann die mit einem roten Läufer bespannte Treppe in den ersten Stock hinauf. Er klopfte an Isabels Zimmertür. Als keine Reaktion erfolgte, drückte er die Türklinke hinunter und blickte ins Zimmer. Es war leer!

»Marlies, wissen Sie, wo Komtesse Isabel ist?« fragte er das Hausmädchen, das damit beschäftigt war, das Schlafzimmer seines Vaters aufzuräumen.

»Das gnädige Fräulein ist im Garten!« Marlies Krüger wies aus dem Fenster. »Ich habe es gerade gesehen, als ich das Staubtuch ausgeschwenkt habe.«

Joachim eilte ans Fenster und blickte hinaus. Tatsächlich, Isabel war dabei, die Rosen zu beschneiden. Eigentlich hatten sie einen Gärtner, der sich um alles kümmerte, aber um die Rosen kümmerte sich Isabel meist selbst. Sekundenlang fühlte er eine ungeheure Erleichterung, doch dann sagte er sich, daß Isabel bestimmt nicht vorgehabt hatte, im Garten zu arbeiten. Sie trug ein helles Kostüm!

Kopfschüttelnd schaute Marlies dem jungen Mann nach, als er sie im Vorbeigehen streifte. Wenig später hörte sie, wie er die Treppe hinuntereilte.

*

Komtesse Isabel steckte die Gartenschere in das Körbchen und fuhr sich mit der Hand über die Augen. Sie hatte sich vorgenommen, nicht zu weinen, aber die Tränen kamen ganz von selbst. Sie dachte an all die kleinen Aufmerksamkeiten, mit denen Joachim sie während der letzten Jahre glücklich gemacht hatte. Als sie noch im Internat gewesen war und nur die Ferien im Haus des Bankiers verbrachte, hatten sie und Joachim lange Telefongespräche miteinander geführt. Sie hatte mit jedem Kummer zu ihm kommen können, und oft hatte er für sie Partei ergriffen, wenn sie irgend etwas angestellt hatte.

»Isabel!«

Erschrocken zuckte das junge Mädchen zusammen. Hastig strich es sich noch einmal über die Augen, bevor es sich umdrehte. Es zwang sich zu einem Lächeln. »Hallo!« sagte es vage und wandte sich dann gleich wieder den Rosen zu.

»Hast du nicht erst gestern die Rosen beschnitten?« fragte Joachim.

»Aber nicht alle!« Isabel tat, als sei sie sehr beschäftigt, aber im Grunde war an den Rosen wirklich nicht viel zu tun.

»Kann ich dir helfen?« fragte er.

Stumm schüttelte die Komtesse den Kopf.

»Ist irgend etwas, Isabel?«

»Was sollte sein?« Isabel preßte die Lippen zusammen, um ihn nicht anzuschreien. Sie wollte allein sein und in Ruhe über alles nachdenken. Wie konnte sie weiter mit Joachim unter einem Dach leben, nachdem sie das Gespräch mit seinem Vater belauscht hatte? Sie hatte ihm während der vergangenen Monate auf hunderterlei Weise zu verstehen gegeben, daß sie ihn liebte. Und er sah nur eine Schwester in ihr!

Joachim seufzte innerlich auf. Er fühlte, wie verletzt Isabel war. Für ihn gab es keinen Zweifel mehr daran, daß sie zumindest einen Teil des Gesprächs mitbekommen hatte. Er wollte sie schon danach fragen, als er sich sagte, daß er die Situation womöglich nur noch schlimmer machte. Er mußte ihr Zeit lassen, darüber hinwegzukommen.

»Vater fährt gleich in die Stadt, um sich mit seinem Geschäftsfreund zu treffen«, sagte er betont gleichgültig. »Ich werde heute mittag bei Angelo essen. Hast du Lust mitzukommen?«

»Heute nicht, vielleicht ein anderes Mal«, antwortete Isabel. »Ich habe ein bißchen Kopfschmerzen. Wenn ich mit den Rosen fertig bin, lege ich mich etwas hin.«

»Kann ich was für dich tun?«

»Nein!« Es klang schroff.

»Also bis heute nachmittag, Isabel!« Joachim Erkert berührte kurz die Schulter seiner Pflegeschwester. Er wartete ihre Antwort nicht ab. Bewußt unbekümmert, die Hände in den Hosentaschen, schlenderte er zum Haus zurück.

»Bis heute nachmittag, Isabel!« wiederholte das junge Mädchen erbittert. Es packte einen Rosenstengel und griff zur Schere. »Au!« schrie es auf. Verdattert blickte es auf seine Finger. Die Dornen hatten ihre Haut gleich an zwei Stellen aufgerissen.

Das hatte sie nun von ihrem Zorn! Isabel griff nach ihrem Taschentuch und tupfte die Blutstropfen von der Hand, dann nahm sie den Korb und die Schere und ging zu dem kleinen Pavillon, der sich weiter hinten im Garten am Rande eines künstlich angelegten Sees erhob.

Schon als Kind hatte sie sich hierher zurückgezogen, wenn sie Kummer gehabt hatte.

Ich muß weg, sagte sich Isabel, ich kann nicht länger hierbleiben. Es würde unerträglich sein, Tag für Tag den Mann zu sehen, den sie liebte, und gleichzeitig zu wissen, daß sie für ihn nie etwas anderes als seine Schwester sein konnte.

Gequält stöhnte sie auf. Sie wollte nicht weinen, und trotzdem liefen ihr die Tränen über das Gesicht. Sie hatte sich das Leben an Joachims Seite so wundervoll vorgestellt, und nun war alles vorbei, bevor es überhaupt begonnen hatte! Wenn sie nicht so verliebt in Joachim gewesen wäre, hätte sie längst merken müssen, wie gleichgültig sie ihm im Grunde war.

Aber wo sollte sie hin? Sie hatte es nicht gelernt, allein zu leben, stets waren andere Menschen um sie herum gewesen, Menschen, denen sie vertraute. Allein in einer Wohnung, würde ihr die Decke auf den Kopf fallen.

Tante Dorina, fuhr es der Komtesse plötzlich durch den Kopf. Sie hatte schon lange nicht mehr an ihre Großtante gedacht. Das letzte Mal hatte sie Gräfin Dorina, eine Schwester ihres längst verstorbenen Großvaters, auf der Beerdigung ihres Vaters gesehen. Sie hatten kaum ein Wort miteinander gewechselt. Sie war vor Schmerz wie benommen gewesen und hatte sich in die vertrauten Arme von Joachims Mutter geflüchtet. Aber ganz war die Verbindung zwischen ihnen doch niemals abgerissen. Regelmäßig zu Neujahr hatten sie Grüße miteinander gewechselt, und einmal hatte ihr die Gräfin einen riesigen Plüschhund geschickt. Allerdings war sie damals schon achtzehn gewesen, zu alt, um das Geschenk noch richtig zu würdigen.

Komtesse Isabel stand auf. Sie tupfte sich die Tränen ab und stieg langsam die wenigen Stufen zum Garten hinunter. Vielleicht konnte sie bei ihrer Großtante bleiben, bis sie ihren Kummer überwunden hatte und fähig sein würde, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Sie beschloß, ihre Großtante unverzüglich anzurufen.

*

»Heute abend kommt ein guter Krimi im zweiten Programm«, sagte Joachim, nachdem sein Vater sich in sein Arbeitszimmer zurückgezogen hatte. »Schauen wir ihn zusammen an.«

»Ich habe eigentlich keine Lust zum Fernsehen!«

»Und wie wäre es mit einem Spaziergang?«

»Ich muß Koffer packen«, erwiderte Isabel ablehnend.

»Den ganzen Abend und morgen noch dazu?« Joachim griff ihr unter das Kinn und hob es an. »Sag mir die Wahrheit, Isabel, was ist mit dir los?«

»Was sollte sein?« Isabel befreite sich aus seinem Griff. »Gut, wenn du unbedingt willst, gehen wir ein Stückchen spazieren«, gab sie nach. »Ich hole nur rasch meine Jacke.«

»Ich warte hier auf dich!« Joachim nahm wieder im Sessel Platz.

Er steckte sich eine Zigarette an, während seine Pflegeschwester das Zimmer verließ. Auch wenn Isabel von einem Anruf ihrer Tante gesprochen hatte, war er überzeugt, daß sie nur seinetwegen fortging. Er verfluchte seine Blindheit. Es hätte ihm längst auffallen müssen, daß sich Isabel in ihn verliebt hatte, aber er hatte immer gedacht, auch sie würde nur den Jugendfreund in ihm sehen.

Es dauerte nicht lange, bis Isabel zurückkam. Sie trug jetzt eine dunkelrote Jacke über ihrem Kleid. »Wir können gehen«, sagte sie und machte einige Schritte auf die Terrassentür zu.

»Also, auf in den Kampf!« Joachim stand auf und legte den Arm um ihre Taille. »Es wird verdammt einsam ohne dich werden, Isabel«, meinte er.

»Du wirst es überleben!« Isabel befreite sich aus seinem Arm. Sie wies zum Apfelbaum. »Schau da oben die Krähen, als wenn sie auf etwas warten würden«, sagte sie.

»Wenn ich Krähen sehe, muß ich immer an Hitchcocks Film ›Die Vögel‹ denken«, erwiderte Joachim. »Es sieht tatsächlich aus, als wenn sie sich auf einen stürzen wollten. Aber keine Angst, ich würde dich schon zu beschützen wissen.«

Isabel blieb stehen. »Warum sollte ich mit meinem Bruder an der Seite Angst haben?« fragte sie mit einem bitteren Unterton.

Joachim hatte das Gespräch nicht darauf bringen wollen, aber nun fragte er doch: »Du hast gehört, über was Vater und ich uns heute morgen unterhalten haben, oder irre ich mich?«

Isabel nickte. »Ich kam zufällig in den Salon. Eure Stimmen waren nicht zu überhören.« Sie schluckte, weil sie befürchtete, wieder in Tränen auszubrechen. Und sie wollte nicht weinen, wenigstens nicht vor Joachim. Er sollte nicht auch noch Mitleid mit ihr haben.

»Isabel, es hat nichts mit dir zu tun, es…«

»Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, Joachim«, unterbrach ihn die Komtesse. »Ich weiß nicht, wie dein Vater auf die Idee kommt, daß wir beide heiraten könnten. Wir mögen uns, aber zu einer Ehe gehört doch viel mehr.« Langsam ging sie weiter. »Wir sind wie Geschwister aufgewachsen und sind bestimmt keine idealen Ehepartner.«

»Der Meinung bin ich auch«, sagte Joachim, obwohl er wußte, daß Isa­bel ihm nur etwas vormachte. Am liebsten hätte er sie in die Arme genommen, aber gerade das durfte er jetzt nicht tun. So begann er, ihr von dem Golfspiel zu erzählen, an dem er nachmittags teilgenommen hatte, aber sie hörte nur mit halbem Ohr zu. »Schade, daß du schon übermorgen zu deiner Tante fährst«, meinte er nach einer Weile. »Jetzt bist du am nächsten Samstag gar nicht hier.«

»Ich glaube nicht, daß man mich groß vermissen wird«, erwiderte die Komtesse. »Ihr erwartet so viele Gäste, daß es auf eine Person mehr oder weniger auch nicht ankommt.«

»Wenn du diese Person bist, kommt es darauf an!« sagte der junge Mann eindringlich.

»Nein, das ist nicht wahr«, widersprach Isabel mit einem erzwungenen Lächeln. Sie sah zu Joachim auf. »Mach nicht so ein Gesicht«, meinte sie. »Ich muß endlich lernen, auf eigenen Füßen zu stehen!«

*

Interessiert schaute Isabel Komtesse Steinfels aus dem Zugfenster auf die vorbeifliegende Landschaft. Es war viele Jahre her, seit sie zum letzten Male Schloß Steinfels besucht hatte. Sieben Jahre alt war sie damals gewesen. Sie konnte sich noch gut daran erinnern, wie sie während der langen Zugfahrt zwischen ihren Eltern gesessen hatte und diese ihr abwechselnd Geschichten erzählten. Sechs Monate darauf war ihre Mutter gestorben.

Auf einer Anhöhe rechts der Schienen tauchte ein weißes, mit Türmen und Erkern geschmücktes Schloß auf. Isabel sah eine schwarze Limousine, die auf der engen Serpentinenstraße ins Tal hinunterfuhr. Bald waren Schloß und Wagen ihren Blicken entschwunden. Zehn Minuten später fuhr der Zug in eine kleine Bahnstation ein.