Vom Adel unerwünscht - Gitta Holm - E-Book

Vom Adel unerwünscht E-Book

Gitta Holm

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Beschreibung

Nun gibt es eine exklusive Sonderausgabe – Fürstenkrone Classic In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkrone" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit. Suchend ließ Alwin Rehbeck seine Blicke über den Blumengarten gleiten, der hinter dem Haus lag. Es war gar nicht so einfach, seine Frau zwischen den üppigen Blütenstauden zu finden. Schließlich entdeckte er sie inmitten der hohen, leuchtend gelben Herbstastern. Juliane Rehbeck war damit beschäftigt, einen hübschen Strauß für die Vase zu schneiden. »Ich hole die Pferde von der Weide und bringe sie in den Stall«, teilte Alwin seiner Frau mit. »Es wird Zeit für die beiden. Die Sonne geht gleich unter.« Juliane nickte und blickte ihrem Mann nach. Mit schwungvollen Schritten ging der Einundsechzigjährige zur Weide hinüber, die unmittelbar an den Garten grenzte. Sein Alter sah man dem kräftig gebauten Mann von großem Wuchs nicht an. Sein Beruf als Hufschmied, den er bis vor wenigen Monaten noch ausgeübt hatte, hatte ihn jung gehalten. Auch jetzt sorgte Alwin dafür, dass er körperlich fit blieb. Er war auch heute noch ein guter Reiter, wanderte gern und betätigte sich in seinem Rentnerdasein als Kunstschmied. Die beiden zehn und elf Jahre alten Holsteiner hatten den Tag auf ihrer Weide verbracht. Sie hoben die Köpfe als sie Alwin erblickten und kamen langsam näher. Romeo und Badina wussten genau, dass es jetzt in den Stall ging. Das war ihnen recht. Zwar liebten sie den Aufenthalt unter freiem Himmel, aber im Stall wartete eine mit Kraftfutter gefüllte Krippe auf sie. Dieses leckere und herzhafte Futter war ihnen dann doch noch lieber als das etwas langweilige Gras von der Weide.

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Fürstenkrone Classic – 29 –

Vom Adel unerwünscht

Gitta Holm

Suchend ließ Alwin Rehbeck seine Blicke über den Blumengarten gleiten, der hinter dem Haus lag. Es war gar nicht so einfach, seine Frau zwischen den üppigen Blütenstauden zu finden. Schließlich entdeckte er sie inmitten der hohen, leuchtend gelben Herbstastern. Juliane Rehbeck war damit beschäftigt, einen hübschen Strauß für die Vase zu schneiden.

»Ich hole die Pferde von der Weide und bringe sie in den Stall«, teilte Alwin seiner Frau mit. »Es wird Zeit für die beiden. Die Sonne geht gleich unter.«

Juliane nickte und blickte ihrem Mann nach. Mit schwungvollen Schritten ging der Einundsechzigjährige zur Weide hinüber, die unmittelbar an den Garten grenzte. Sein Alter sah man dem kräftig gebauten Mann von großem Wuchs nicht an. Sein Beruf als Hufschmied, den er bis vor wenigen Monaten noch ausgeübt hatte, hatte ihn jung gehalten. Auch jetzt sorgte Alwin dafür, dass er körperlich fit blieb. Er war auch heute noch ein guter Reiter, wanderte gern und betätigte sich in seinem Rentnerdasein als Kunstschmied.

Die beiden zehn und elf Jahre alten Holsteiner hatten den Tag auf ihrer Weide verbracht. Sie hoben die Köpfe als sie Alwin erblickten und kamen langsam näher. Romeo und Badina wussten genau, dass es jetzt in den Stall ging. Das war ihnen recht. Zwar liebten sie den Aufenthalt unter freiem Himmel, aber im Stall wartete eine mit Kraftfutter gefüllte Krippe auf sie. Dieses leckere und herzhafte Futter war ihnen dann doch noch lieber als das etwas langweilige Gras von der Weide. Alwin griff nach den Halftern, führte die Pferde in den Stall und klopfte Romeo den Hals.

»Morgen kommt deine Besitzerin nach Hause. Ich hoffe, du kennst sie noch, nachdem du sie fast ein halbes Jahr nicht mehr gesehen hast. Clarissa freut sich jedenfalls schon auf dich, und in der nächsten Zeit werdet ihr zusammen viele schöne Ausflüge unternehmen. Vielleicht begleite ich euch ab und zu mit Badina.«

Die Stute stellte die Ohren nach vorn, als Alwin ihren Namen nannte. Lächelnd klopfte der Hufschmied ihren Hals und geriet ins Träumen. Vor gut vier Monaten war er mit seiner Frau von Hannover in diesen kleinen Ort nach Baden-Württemberg übergesiedelt. Beide hatten sich damit einen Jugendtraum erfüllt. Viele Jahre lang hatten sie von einem Landhaus in dieser schönen Landschaft geträumt. Aber erst nachdem Alwin in Rente gegangen war, konnte dieser Traum Wahrheit werden. Juliane Rehbeck hatte in Hannover eine Apotheke besessen. Nun war die Apotheke verpachtet, und sie konnte sich ganz dem Blumengarten ihres Landhauses widmen.

Alwins und Julianes Tochter Clarissa hatte die letzten beiden Jahre in Hamburg verbracht, um dort an ihrer Doktorarbeit zu schreiben. Sie liebte diese Stadt, in der auch einige ihrer alten Freundinnen studierten, und wollte für eine Weile dort leben. Deshalb war sie am Ende ihrer regulären Studienzeit von Hannover nach Hamburg gezogen. Ihre Doktorarbeit hatte sie jetzt in Hannover eingereicht, und nach dem in Kürze dort stattfindenden Rigorosum, der mündlichen Prüfung, würde sie eine fertig ausgebildete Tierärztin sein. Ihr kleines Appartement in Hamburg hatte sie bereits gekündigt, bis zum Termin des Rigorosums wollte sie bei ihren Eltern bleiben. Das konnten durchaus drei Monate sein.

Das Landhaus kannte die sechsundzwanzig Jahre alte Clarissa noch nicht. In der vergangenen Zeit war sie viel zu beschäftigt gewesen, um Alwin und Juliane zu besuchen. Sie wusste nur, dass ihre Eltern ihr Traumhaus gefunden und bezogen hatten, und dass Badina, die Stute ihres Vaters, sowie ihr eigenes Pferd Romeo im Stall und auf der Weide neben dem Haus ein neues Domizil gefunden hatten.

Alwin freute sich genauso wie seine Frau auf Clarissas Besuch. Sie hatten zu ihrer Tochter immer ein gutes Verhältnis gehabt und waren glücklich darüber, sie jetzt für längere Zeit jeden Tag um sich zu haben. Vielleicht würde Clarissa ja demnächst ganz in der Nähe eine Anstellung als Tierärztin finden und später nicht weit entfernt eine eigene Praxis haben! Das wäre Alwin und Juliane sehr recht gewesen. Auch der Gedanke, dass sie hier in der Nähe ihrem Traummann begegnen und mit ihm eine Familie gründen könnte, gefiel den Eltern. Aber sie wussten auch, dass das vielleicht doch ein paar Wünsche zu viel auf einmal waren. Alwin beschloss, sich erst einmal auf die nächste Zeit mit Clarissa zu freuen und abzuwarten, wie sich die Dinge entwickelten.

Einer jahrelangen Gewohnheit folgend, prüfte Alwin noch einmal die Hufeisen der beiden Pferde. Romeo und Badina kannten diese täglich wiederkehrende Prozedur längst. Sie hielten dem Mann schon freiwillig nacheinander jeden Huf hin, bevor er sie dazu aufforderte.

»Eure Füßchen sind in Ordnung«, stellte Alwin zufrieden fest und reichte jedem Pferd noch eine Möhre. Auch das gehörte zum allabendlichen Ritual bevor er den Stall verließ. »Schlaft gut, ihr beiden. Morgen früh sehen wir uns wieder.«

Als Alwin das Haus betrat, stieg ihm ein köstlicher Duft in die Nase. Sofort eilte er in die Küche. Juliane spülte gerade ein Backblech, und auf dem Tisch stand ein goldgelber, verlockend aussehender Rosinenkuchen. Alwin griff nach einer Rosine, die etwas vorwitzig am unteren Rand hervorschaute. Doch blitzschnell war Juliane neben ihm und klopfte ihm, auf die Hand.

»Finger weg!«, forderte sie lachend. »Es wird nicht genascht. Den Kuchen habe ich für Clarissa gebacken. Das heißt, natürlich ist er auch für uns. Aber es gibt ihn erst morgen, wenn Clarissa bei uns ist.«

»Na gut, dann werde ich mich wohl gedulden müssen.« Alwin seufzte ergeben, doch sein Gesicht strahlte. »Ich freue mich schon auf unser kleines Mädchen.«

»Ich auch«, bestätigte Juliane nicht weniger strahlend. Nach ihrer Meinung hatten die beiden Clarissa schon viel zu lange nicht mehr gesehen. Die nahezu täglich stattfindenden Telefonate konnten einen persönlichen Besuch nicht ersetzen. Nun würde Clarissa endlich kommen und eine ganze Weile bleiben. Was für ein wundervoller Gedanke.

*

Schon am Vorabend hatte Clarissa ihre Habseligkeiten in ihrem Auto verstaut. Der alte Kombi hatte bereitwillig alles aufgenommen. Da die junge Frau in einem voll ausgestatteten Appartement gewohnt hatte, musste sie nur ihre ganz persönlichen Dinge mitnehmen. Aber auch davon hatte sich in den letzten Jahren eine ganze Menge angesammelt. Viele Dinge hatte Clarissa in den vergangenen Wochen schon an Studienkollegen verschenkt. Nur das Wesentliche, an dem ihr Herz hing, wollte sie mit zu ihren Eltern nehmen. Dort sollten die Sachen vorläufig gelagert werden.

Clarissa hatte nicht vor, die Zeit bis zu ihrer mündlichen Prüfung untätig zu verbringen. Sie wollte die Gelegenheit nutzen, um schon jetzt Bewerbungen zu schreiben. Vielleicht würde sie als Partnerin eine Anstellung in einer Tierarztpraxis finden oder in einer Tierklinik unterkommen können. Dabei wäre ihr der Umgang mit Großtieren durchaus recht gewesen. Während des letzten Teils ihres Studiums hatte sie den Schwerpunkt auf die Behandlung von erkrankten oder verletzten Pferden gelegt.

Aber nicht nur um einen Arbeitsplatz wollte Clarissa sich kümmern. Sie freute sich darauf, mit Romeo ins Gelände reiten zu können wann immer sie wollte, und die Landschaft zu erkunden. Ihre Eltern hatten ihr bereits Fotos von ihrem neuen Haus und der Umgebung geschickt. Es handelte sich um eine wunderschöne Landschaft, in der Clarissa ganz sicher häufig ihrem Hobby nachgehen konnte:

Sie fotografierte für ihr Leben gern, am liebsten Tiere und Pflanzen. Sicher würden sich zahlreiche Gelegenheiten ergeben, seltene Vögel, Rehe, Eichhörnchen und mit etwas Glück auch einmal einen Fuchs vor die Kamera zu bekommen. An farbenfrohen Pflanzen würde es auch ganz bestimmt nicht mangeln.

Die Sonne war noch nicht aufgegangen, als Clarissa an diesem Morgen zum letzten Mal das Frühstücksgeschirr abspülte, das zu den gemieteten Sachen gehörte. Es war auch ein seltsames Gefühl, als sie die Wohnungstür etwas später hinter sich zuzog und den Schlüssel in den Briefkasten warf, wie sie es mit ihm vereinbart hatte. Ihre Zeit in Hamburg war nun unwiderruflich zu Ende. Sie hatte gerne in dieser Stadt gewohnt, die trotz aller Betriebsamkeit auch ausgedehnte Grünbereiche bot, in denen man Ruhe finden konnte.

Ein bisschen wehmütig dachte Clarissa an die schöne Zeit, die sie in Hamburg verbracht hatte, als sie den Motor ihres Wagens startete und sich auf den Weg machte. Dann aber konzentrierten ihre Gedanken sich auf ihre Eltern, und sie freute sich darauf, die beiden zu sehen und die nächsten Monate mit ihnen verbringen zu dürfen. Auch auf Romeo freute Clarissa sich. Im Haus ihrer Eltern gab es ein großzügiges Gästezimmer mit eigenem Balkon. Das hatte Clarissa bereits erfahren, und dieses Zimmer sollte jetzt vorübergehend ihr ganz persönliches Zuhause werden.

Die junge Frau dachte an einige Studienkolleginnen, die leider kein gutes Verhältnis zu ihren Eltern hatten. Sie waren als Gäste zwar jederzeit willkommen, aber man war auch froh, wenn sie das Haus möglichst bald wieder verließen. Mehrtägige Besuche wurden allenfalls geduldet, waren aber eigentlich nicht erwünscht. Dieses Problem kannte Clarissa nicht. Ihre Eltern liebten sie von Herzen, und sie würde immer als das Kind im Haus betrachtet werden, das mit offenen Armen empfangen wurde.

Während sie im Licht der aufgehenden Sonne auf der Autobahn gen Süden fuhr, dachte Clarissa darüber nach, dass es vielleicht schön wäre, einen Arbeitsplatz in der Nähe ihrer Eltern zu bekommen. So mussten an den Wochenenden, wenn sie die beiden besuchte, keine langen Fahrstrecken zurückgelegt werden. Möglicherweise war das Schicksal ihr ja gut gesonnen und erfüllte ihr diesen Traum.

Es war eine lange Reise, die Clarissa vor sich hatte. Nach gut zwei Stunden legte sie die erste Pause ein und unternahm einen kurzen Spaziergang. Das kostete zwar Zeit, war nach ihrer Meinung aber nötig. Clarissa beschloss, unterwegs regelmäßig Rast zu machen. Es kam nicht darauf an, ob sie eine Stunde früher oder später an ihrem Ziel ankam. Sie würde es auf jeden Fall noch heute erreichen und ihre Eltern in die Arme schließen können.

*

Während sie sich die Zeit mit Gartenarbeit vertrieb, schaute Juliane Rehbeck zwischendurch immer wieder den schmalen Wirtschaftsweg entlang, der zu ihrem Landhaus führte. Sie wollte die Ankunft ihrer Tochter auf keinen Fall verpassen. Da Alwin, egal wo er sich gerade befand, den Weg ebenfalls ständig im Auge behielt, wäre das gar nicht möglich gewesen. Aber Juliane wusste nicht, dass ihr Mann ebenso aufgeregt auf Clarissa wartete wie sie selbst. Ihr gegenüber hatte er seine Nervosität nämlich geschickt verborgen.

Beide, sowohl Alwin als auch Juliane, liefen los, als sie Clarissas alten Kombi auf den Wirtschaftsweg einbiegen sahen. Vor dem Haus winkten sie der jungen Frau zu und machten ihr klar, dass sie ihren Wagen auf dem gepflasterten Stellplatz neben der Garage parken konnte. Clarissa stieg aus, umarmte ihre Eltern und schaute sich um.

»Ist das schön, euch endlich wieder einmal zu sehen. Und dieses Haus! Da habt ihr wirklich ein Schmuckstück ergattert. Es ist wunderschön und liegt einfach ideal, ganz ohne direkte Nachbarn.«

»Das würde ich so nicht sagen«, erwiderte Alwin und wies auf ein paar Rinder, die ganz in der Nähe grasten. »Das sind unsere Nachbarn. Aber sie sind freundlich und duldsam. Die Tiere gehören einem Bauern aus dem Dorf.«

»Durch dieses Dorf bin ich eben gekommen. Es gefällt mir. Auch das Schloss, das da hinten auf dem Hügel steht, finde ich wirklich schön. Noch mehr haben mich allerdings die Pferde beeindruckt, die ich vorhin gesehen habe. Da standen ein paar echte Andalusier auf der Weide. Gibt es hier irgendwo einen Liebhaber dieser Pferderasse?«

»Die Andalusier gehören zum Schloss«, erklärte Juliane. »Dort wohnt die Grafenfamilie von Freedenburg. Sie züchtet diese Pferde schon seit mehreren Generationen.«

Clarissa lachte vergnügt. »Dann seid ihr jetzt ja direkte Nachbarn einer gräflichen Familie. Das nenne ich einen Aufstieg.«

»Na ja, so großartig ist das nun auch wieder nicht.« Alwin zog gleichmütig die Schultern hoch. »Von diesen Leuten haben wir bisher noch nicht viel gesehen. Sie mischen sich vermutlich nicht gern unter das gemeine Volk. Bis jetzt ist mir nur einmal der Stallmeister begegnet, als ich mit Badina im Gelände unterwegs war. Er ist ein junger freundlicher Bursche und hat einen der Andalusier geritten. Wahrscheinlich gehört es zu seinen Aufgaben, die Pferde regelmäßig zu bewegen. Mit einigen Angestellten, die abends die Tiere von den Weiden holen, habe ich auch hin und wieder ein paar Worte gewechselt. Von der gräflichen Familie selbst ist mir aber noch niemand über den Weg gelaufen.«

»Das ist für uns aber auch nicht so wichtig«, meinte Juliane. »Wir genießen den Blick auf das schöne Schloss. Das reicht uns. Von dem Balkon deines Zimmers aus kannst du das Schloss übrigens gut sehen. Du hast also eine hübsche Aussicht. Jetzt komm aber erst einmal ins Haus und schau es dir in Ruhe an. Ich decke inzwischen den Kaffeetisch. Für dich habe ich extra deinen Lieblingskuchen gebacken.«

An der Seite ihres Vaters wanderte Clarissa durch das gediegene,

rustikal eingerichtete Landhaus. Alle Räume machten einen großzügigen Eindruck und boten reichlich Platz. Neben dem Zimmer, das Clarissa bewohnen sollte, lag noch ein zweites, etwas kleineres Gästezimmer und ein Raum, den Juliane als Näh- und Bügelzimmer nutzte. Voller Stolz zeigte Alwin seiner Tochter den Anbau, den er sich als Kunstschmiede eingerichtet hatte.

»Du kannst es auch einfach nicht lassen, nicht wahr?« fragte Clarissa lachend. »Irgendetwas musst du immer zu schmieden haben.«

»Ein Schmied bleibt eben immer ein Schmied, und auch ein nicht mehr ganz junger Mann braucht Beschäftigung. Außerdem gibt es im Nachbarort einen Kunstgewerbeladen. Der Inhaber ist ganz versessen auf meine Kerzenleuchter und Schirmständer. Er kauft viele meiner geschmiedeten Sachen an. Nicht, dass ich diesen Nebenverdienst bitter nötig hätte, aber es macht Spaß, wenn ein Hobby so ganz nebenbei noch etwas Geld einbringt.«

Alwin führte seine Tochter weiter zum Stall. Hier begrüßte die junge Frau die beiden Pferde, ganz besonders natürlich ihren geliebten Romeo. Der Wallach schien sie noch sehr gut zu kennen. Jedenfalls stieß er mit seinem Maul sofort gegen Clarissas rechte Jackentasche. Dort bewahrte sie immer ein paar Leckerbissen auf. Auch diesmal wurde Romeo nicht enttäuscht. Clarissa zog aus der Tasche einige kleine Leckereien hervor und verteilte sie an die Pferde.

Etwas später saß die Familie vereint an dem großen Küchentisch und genoss Mutter Julianes Kuchen. Clarissa warf einen Blick durch die Sprossenfenster nach draußen in die schon herbstlich gefärbte Landschaft.

»Ihr habt es hier wirklich schön. Das Haus ist wundervoll, und der Wald sieht jetzt Ende Oktober herrlich bunt aus. Ich werde gleich morgen mit Romeo ins Gelände reiten und meine Kamera mitnehmen. Vielleicht erwische ich ein paar hübsche Motive.«

»Tu das, Kind«, meinte Juliane. »Du hast in der letzten Zeit viel geleistet und bestimmt nicht viel Zeit für dich selbst und deine Interessen gehabt. Jetzt kannst du dich erholen und deine Freizeit genießen. Wie lange wird es eigentlich dauern, bis du deine Doktorarbeit verteidigen musst?«

»Das weiß ich selbst noch nicht so genau. Als ich die Arbeit in Hannover eingereicht habe, hat man mir gesagt, dass ich mit einem Termin für das Rigorosum irgendwann im Januar rechnen kann. Ich bleibe euch also eine ganze Weile erhalten.«

Juliane strahlte ihre Tochter an. »Das ist gut so. Wir haben dich gern bei uns. Es wird für uns alle in diesem Jahr bestimmt ein besonders schönes Weihnachtsfest, ganz ohne Stress und Zeitdruck. Hoffentlich bekommst du kein Heimweh nach Hamburg und lässt uns dann doch wieder allein.«

»Keine Sorge, das wird nicht passieren. Wisst ihr, Hamburg ist eine faszinierende Stadt, die mich schon immer interessiert hat. Deswegen wollte ich nach meinem Studium auch wenigstens für die Zeit dort leben, in der ich an meiner Doktorarbeit geschrieben habe. Wenn man Veterenärmedizin in Hamburg studieren könnte, hätte ich wahrscheinlich meine gesamte Studienzeit dort verbracht. Aber ich war ja an Hannover gebunden. In Hamburg habe ich viele nette Leute kennen gelernt und Kontakte zu den dortigen Studentenkreisen gefunden. Ich bereue nicht, dass ich in diese Stadt gezogen bin. Aber jetzt beginnt für mich ein anderes Leben. Ich bin praktisch nach Hause zurückgekehrt und werde sicher kein Heimweh bekommen. Meine Zeit in Hamburg ist nichts weiter als eine schöne Erinnerung.«