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Wer einen Schlaganfall erlebt und dabei seine Sprache ganz oder zum Teil verliert, der hofft auf eine "normale" Gesundung wie bei anderen Erkrankungen auch. Doch leider gibt es nach Hirnnerven-Verlust (durch Schlaganfall oder Hirnverletzung oder Hirn-OP) keine Selbstheilungskräfte im Gehirn. Abgestorbene Sprach-Nervenzellen werden nicht wieder ersetzt. Im Bereich des Sprachverlustes gibt es für deren Wiedergewinnung keinen automatisch einsetzenden Prozess der Heilung. Leider kann uns die Medizin dabei nicht helfen. Es gibt weder Medikament noch heilende Substanzen gegen Aphasie. Da muss die Sprachtherapie her, weil nur sie das Neulernen von Sprach- und Sprechhandlungen ermöglicht. Das Neulernen sprachlicher Funktionen ist in der Aphasie-Therapie das zentrale Thema. Da wird mühsam am Sprach-Nervenzellaufbau durch Lernen gearbeitet, da werden Sprach- und Sprechfunktionen neu gelernt, weil die bisher gewohnten und vorhandenen Funktionen abgestorben, also wie „gelöscht“ verschwunden sind. Leider ist das schnelle Neu-Lernen von Sprache nicht zu erwarten, weil viele erschwerende Lebensumstände und Alltags-Faktoren das Sprache-Neulernen konter-karieren. Ich sehe zwei Faktoren als Hauptstörfaktoren: 1. Die starke Vergesslichkeit der aphasischen Patient*innen und 2. die geringe Wirk-Intensität der professionellen Aphasie-Therapie bei der Logopädin. Schlaganfall-Betroffene und Aphasie-Patient*innen vergessen meist von Sitzung zu Sitzung das, was sie in der letzten Sitzung von der Logopädin gezeigt bekommen haben. Es ist erklärlich, dass allein wegen dieses Zusammenhangs die üblicherweise zweimal wöchentlich stattfindende Sprachtherapie weniger Wirkung zeigt als gewünscht und viele Aphasiker nach ca. zwei Jahren mit Aphasie resignierend aufgeben oder keine Lust mehr haben, weil es für sie spürbar nicht weitergeht. Die niedrige Therapiefrequenz von oft 2mal pro Woche ist wissenschaftlich betrachtet und erwiesenermaßen viel zu gering. Die Aphasie-Therapie-Ergebnisse sind erschreckend. Nicht-intensive Therapie mit 2 Sitzungen pro Woche ist wenig bis kaum wirksam. Intensiv-Therapien mit dem Zehnfachen an Therapie-Sitzungen (20mal pro Woche; 4mal pro Tag) ist nachweislich wirksam (Grötzbach, Middeldorf). Da zur Zeit keine Aufstockung der Therapie-Sitzungszahlen auf Rezept systemisch zu erwarten ist und somit unter deshalb unter normalen Umständen die Betroffenen auch keine Therapie-Wirkungsverbesserung erwarten können, appellier ich an alle aphasisch Betroffenen und ihre Angehörigen: Werdet privat mit Übungspartner*in oder autodidaktisch über einen längeren Zeitraum mit sprachlichen Übungen aktiv, und zwar zusätzlich zur Therapie bei der Logopädin. Nehmen Sie dieses Buch in die Hand. Darin lesen Sie Handlungsempfehlungen, die Ihnen helfen, Sprach- und Sprechfähigkeiten pragmatisch neu zu lernen und wirksame Schritte aus dem Schweigen zu gehen. In diesem Buch beschreibe ich Übungen in Blaupausen-Format, mit dem Sie eine Übungssitzung sinnvoll gestalten können. Übungen für jeden sprach- und sprechhandlungsbezogenen Übungs-Bedarf. Lassen Sie sich nicht von der Dicke des Buches abschrecken. Die kommt dadurch zustande, dass ich vielen Übungsbedarfen bei sehr unterschiedlichen und individuellen aphasischen Störungsbildern mit ebenso unterschiedlichen Übungs-Angeboten gerecht werden wollte.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 538
Veröffentlichungsjahr: 2024
Ich widme dieses Sprach- und Sprech-Übungsbuch all jenen aphasisch Betroffenen, die mehr Sprache zurückgewinnen wollen.
Die von mir in diesem Buch vorgestellten Sprach- und Sprechhandlungs-Übungen habe ich in meiner über 30jährigen Tätigkeit als Intensiv-Aphasietherapeut im LogoZentrum Lindlar bei Hunderten meiner Patient*innen erfolgreich angewandt.
Mit diesen Übungen finden Sie effizient Zugang zu einem Neulernen der Sprache bei Aphasie.
Ich wünsche Ihnen viele Lern-Erfolge!
Lindlar, im März 2025
Dr. Volker Middeldorf
Schritte aus demaphasischen Schweigen
Sprach- und Sprech-Übungen zum Neu-Lernen von Sprache bei Aphasie
© 2025 Dr. Volker Middeldorf
Umschlag, Illustration: Chantal Schmidt
Lektorat, Korrektorat: Francis Heck
Druck und Distribution im Auftrag des Autors: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland
ISBN
Hardcover
978-3-384-08254-1
e-Book
978-3-384-08255-8
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne dessen Zustimmung unzulässig.
Die Ratschläge in diesem Buch sind vom Herausgeber sorgfältig erwogen und geprüft, dennoch kann eine Garantie nicht übernommen werden. Eine Haftung des Herausgebers und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen.
Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.
Cover
Titelblatt
Urheberrechte
0 Prolog
1.0 „Schritte aus dem Schweigen“ auf alternative Art
1.1 Womit wir uns beschäftigen Müssen: Das „neuronale Loch“ im Sprach-Netzwerk
1.2 Wenn Sprachnerven fehlen - weil abgestorben -, die aber funktionelle Voraussetzungen sind für Sprach- und Sprechgestaltung und Sprach–Verarbeitung, was ist denn dann therapeutisch überhaupt Möglich?
1.3 Didaktischer Hintergrund des Übungs-Mediums für das Sprache-Üben auf Laut-, Buchstaben-, Wort- /Kurz-Satz- und Einer-Zahl-Ebene
1.4 Jeder aphasische Mensch hat eine ganz einmalige Sprachnerven-Netzwerk-Zerstörung erlitten und hat deshalb ein individuelles Störungssyndrom und insofern einen individuellen Übungsbedarf
1.4.1 Ihr persönliches Übungsanliegen: Nachsprechen üben
1.4.2 Ihr persönliches Übungsanliegen: Sprache speichern üben
1.4.3 Ihr persönliches Übungsanliegen: Lautes Lesen üben
1.4.4 Ihr persönliches Übungsanliegen: Fehlerfreie Satz-Sprech-Erlebnisse erzielen
1.4.4.1 Erste Speicher-Phase (szenische, sprachklangliche und schriftlich-leserische Stimulation)
1.4.4.2 Zweite Speicher-Phase (Einprägung durch Mitlesen und Mitsprechen)
1.4.4.3 Dritte Speicher-Phase (Sprech- und Automatisierungs- phase)
1.4.5 Ihr persönliches Übungsanliegen: Stärkung des besseren Wahrnehmens und Verstehens von Sprache
1.4.6 Festlegung der Übungsintention
1.4.7 Gliederungs-Ordnung in Ihren Übungen
1.4.8 Was kann ich sicher? Reflektieren Sie Ihre Fähigkeiten
1.4.9 Aphasie-therapeutisches Üben ist ein besonderes Üben
1.4.10 Ziel und Wille zum Erlernen eines fehlerfreien Satz-Sprechhandelns
1.4.11 Frage: Üben mit oder ohne Übungs-Partner*in?
1.4.12 Komplexitäts-Grade in den Übungen - Anforderungs-Differenzierung
1.4.12.1 Niedrige Komplexität (NK) – die basale Funktions- ebene
1.4.12.2 Mittlere Komplexität (MK) – die Satz-Ebene
1.4.12.3 Hohe Komplexität (HK)
2.0 „Ich will (besser) nachsprechen können“
2.1 Üben basaler Funktionen der Hörwahrnehmung und Wiedergabe (auf niedrigem Komplexitäts-Niveau (NK)
2.1.1 Vokale: Gehörte Vokale besser behalten und nachsprechen.
2.1.2 Wörter: Gehörte Wörter besser behalten und nachsprechen (auf NK-Ebene).“
2.1.3 Sätze: Gehörte Sätze besser behalten und nachsprechen (auf NK-Ebene).“
2.2 Mobilisieren Sie Ihre Sprech-Handlungen mit Reihen- sprechen, Mundmotorik-Aktivierungen und Sprech- Stimm-Variations-Übungen
2.3 Sprech-Gestaltung und Deklamatorik
3.0 „Ich Möchte (wieder) laut lesen können“ Basales Stimulieren der Konversionsprozesse auf NK- Niveau - Triggern Sie Ihre Laut-Lese-Kompetenz
3.2 Lesen und Lautieren der Buchstaben Üben Sie mit / ohne Übungspartner*in
3.3 Lautlesen und Sprechhandeln- Erst-Übungen als Vorstufe des Wiedererlernens des Lautlesens
3.3.1 „Ich Möchte (geübte) Sätze fehlerfrei vorlesen können“.
3.3.2 „Ich Möchte beim Lautlesen fehlerfrei sprechen können“.
3.4 Erweitern Sie Ihre Laut-Lese-Fähigkeit
3.4.1 Lesen und Sprechen kurzer Texte: Die Kreuzfahrt
3.4.1.1 Route Wahrnehmen
3.4.1.2 Route Fragen und Antworten zu: Die Kreuzfahrt
3.4.1.3 Route Lücken füllen in Text Die Kreuzfahrt
3.4.2 Sprechen kurzer Texte: Urlaub auf den Malediven
3.4.2.1 Route Wahrnehmen mit 66 Sätzen
3.4.2.2 Route Fragen und Antworten zu: Urlaub auf den Male- diven
3.4.2.3 Route Lücken füllen im Text Urlaub auf den Malediven
4.0 “Ich will die Zahlen von 1 bis 10 wieder lesen und einzeln fehlerfrei sprechen können” Übungen mit oder ohne Übungspartner*in
4.1 Zahlen-Lesen, Zahlen-Hören, Zahlen-Erinnern
4.2 Erkennen und Zeigen der Ziffern /Zahlen und der Zahlwörter
4.3 Ziffern-Erkennen, Ziffern-Benennen und Ziffern- Schreiben
4.4 Zahlendiktat - Hören und Schreiben der Ziffern
4.5 15 weitere Übungen zum Lesen und Sprechen der Zahlen von 1 bis 10
5.0 Lernen, Sätze fehlerfrei zu lesen und zu sprechen Ambitionierte Übungsreihe zum Lautlesen und fehlerfreien Sprechen von Sätzen (auf NK-Ebene)
5.1 Die erste Übungs-Sitzung „Lernen, Sätze fehlerfrei zu lesen und zu sprechen“ mit Einstieg in das Logovid® Sprechen & Lesen 002 (SuL 002) auf NK-Ebene
5.2 Die zweite Übungs-Sitzung und die weiteren Sitzungen Struktur der 2. Übungs-Sitzung: Szene 3 + 4 aus SuL 002
5.2.1 Vom fehlerfreien Lautlesen zum fehlerfreien Sprech- handeln
5.2.2 „Gewinnung von Sicherheit beim „fehlerfreien“ Sprech- handeln.“
5.3.1 Von der Lücken-Füll-Übung zum Beantworten von Fragen im ganzen Satz
5.3.2 Sprech-Sicherheit gewinnen durch das Frage-Antwort- Schema
5.3.3 Frage-Antwort-Übungen schnell gestaltet
5.3.4 Vom Frage-Antwort-Dialog zum „Zwiegespräch“
6.0 „Ich Möchte lernen, wieder in ganzen Sätzen sprechen zu können“
6.1 Beschreiben der Video-Szenen-Inhalte (aus Sprechen & Lesen 002)
6.2 Vom Frage-Antwort-Dialog zum „Sprechhandeln“
6.2.1 Die 90 Fragen nach Subjekt, Verb und Objekt der Szenensätze im Logovid® Sprechen & Lesen 002
6.2.2 Lücken im Text finden, aufschreiben und sprechen
6.2.3 Zum fehlerfreien Sprechen in ganzen Sätzen
6.2.4 Von NK zu MK - Zwei Sätze zu einer Handlungs-Szene
6.3 Initiativ sprechen können – der Traum kann wahr werden
6.3.1 Übungspartner*in fragt, Sie antworten – Interaktives Sprechen
6.3.2 Der sprachliche Transfer – mit Sprachgefühl
6.3.3 Der „räumliche“ Sprachtransfer
6.3.4 Zum eigenständigen Sprechhandeln gehört Sprech- Initiative
6.4 Zwei Sätze zu einer Handlungs-Szene - Heimisches Übungs-Projekt über mindestens 6 Wochen mit Logovid® Sprechen und Lesen 006
6.4.1 Wo stehen Sie momentan sprech-sprachlich?
6.4.2 Übungsvariante: 10 Sätze in 3 Wochen und „still-lau- tierendes Lesen“
6.4.3.5 Mit Übungspartner*in: Erweitern Sie Ihre Frage- Antwort-Dialogfähigkeit ohne Lesehilfe
6.5 Kurze Redewendungen für kommentierendes Sprechhandeln im ‚Small-Talk‘ (NK-Ebene)
6.6 Wichtige Alltagsfloskeln: Danke, Bitte, Hallo!, Guten Tag und Wie geht’s? Üben Sie mit oder ohne Übungspartner*in
6.7 Der Lautlese-Vortrag (MK- bis HK-Ebene)
6.7.1 Ihr Vortrag über Ihr eigenes Befinden
7.0 Vom NK–Level zum MK- und HK-Level - mit oder ohne Übungspartner*in
7.1 Üben Sie Ihre Erzähl-Funktion – gewinnen Sie Ihr Sprach- gefühl für Aussagesätze zurück - lernen Sie das Beschreiben von Geschehnisse mit Logovid® Ultra-kurze Geschichten (mit 4 Video-Szenen-Folgen mit je 5 bis 9 Sätzen)
7.2 Kurze Geschichten (Das PmL-S-Üben mit MK)
7.2.1 Übungsbeispiel: Vier Video-Szenenfolgen mit jeweils 10 Sätzen im Logovid® Kurze Geschichten 01 Tandemflug, Motorroller, Motorrad, Totenschädel
7.2.2 Übungsbeispiel: 25 Sätze im Logovid® HAUS-BAU
8.0 Das Gespräch mit dem Gegenüber
8.1 Positive Folgen des PmL-S-Übens mit Logovid®
8.2 Satz-Sprechen in sechs Lernschritten – ohne Übungspartner*in aber mit der Logovid®-Reihe Satz-Findung 01 - 05
8.2.1 Der neurodidaktische Hintergrund dieses Übungs- mediums Satz-Findung
9.0 Komplexitätssteigerung von MK nach HK - Das Üben auf hohem Komplexitäts-Niveau (HK) von Logovid Kurze Reise mit 50 Sätzen zum Reise-Logovid® mit 112 bis 260 Sätzen Länge
9.1 Das REISE-Logovid® KARIBISCHE IMPRESSIONEN (HK) und das fehlerfreie Sprechhandeln
9.2 Kurze Reise durch Havanna (MK – HK)
9.2.1 Die Route Wahrnehmen – wir lernen Havanna kennen
9.2.1.1 Die 53 Sätze - Kurze Reise durch Havanna
9.2.1.2 Route Fragen zu den 53 Sätzen über Havanna
9.2.1.3 Route Lückentext
9.3 Kurze Reise zum Karneval in Venedig (MK - HK)
9.3.1 Route Wahrnehmen (52 Sätze über den Karneval in Venedig)
9.3.2 Route Fragen (52 Fragen zu Karneval in Venedig)
9.3.3 Route Lücken-Text Karneval in Venedig
9.4 Wir bereisen die SEYCHELLEN
9.4.1 Route Wahrnehmen: 68 Sätze über die Seychellen
9.4.1.1 Zur Insel Desroches [/derosch/]
9.4.1.2 Zur Insel Praslin [/praläng/]
9.4.1.3 Zur Insel La Digue [/ladik/]
9.4.1.4 Zur Insel Curieuse [/küriös/]
9.4.1.5 Zur Insel Mahe [/mahee/]
9.4.2 Übungen mit / ohne Übungspartner*in: Nachsprechfä- higkeit verbessern
9.4.3 „Ich werde die ersten 10 Sätze als Erzählung zu dem Video-Film fehlerfrei vorlesen können.“
9.5 REISE-Logovid®: Südafrika–Botswana-Simbabwe
9.5.1 Route Wahrnehmen (259 Sätze)
9.5.2 Route Fragen (259 Fragen zu „Südafrika – Botswana – Simbabwe“
9.6 Leseprobe aus REISE-Logovid® „Wir fahren zur ANTARKTIS“
9.7 Leseprobe aus REISE-Logovid® „GALAPAGOS INSELN“
9.7.1 Route Wahrnehmen (152 Sätze in MK-HK))
9.8 Leseprobe aus REISE-Logovid® : „Wir reisen gemeinsam durch KUBA“
9.8.1 Leseprobe aus der Route Wahrnehmen (242 Sätze)
9.8.2 Leseprobe aus der Route 195 Fragen im Reisetext “KUBA“
9.9 Leseprobe aus: REISE-Logovid® “MEXIKO-YUKATAN“
9.9.1 Route Wahrnehmen (147 Sätze)
9.9.2 Mobilisieren Sie Ihre sprecherischen Ressourcen
9.9.3 Frage-Antwort-Dialog
10.0 Die Zwei-Personen-Übung (2PÜ) - Das andere Übungs-Format
10.1 Zwei Trainees und eine/ein Übungspartner*in oder eine/ein Coach*in
10.1.1 Zielrichtung und Auswahl der 2PÜ-Übungsinhalte
10.1.2 Gedankenaustausche über Selbsterfahrung und Fremderfahrung - Eigenes Können reflektieren und eigene Grenzen erkennen
10.1.3 Interaktiv gestaltete Übungsinhalte in der 2PÜ
10.1.4 Erzählung und Schilderung „Meine momentane Si- tuation“
10.2 Struktur einer 40 minütigen 2-Personen-Übungssit- zung: Die 3 Phasen: Einleitung, Erarbeitung, Reflexion
10.3 Welche Trainees passen in der 2PÜ zusammen?
10.4 Abschließende Aspekte zur 2PÜ
11.0 Positive Übungs-Erfahrungen aus der pragmatischen Aphasie-Therapie
11.1 Schenken Sie der „Musikalität“ Ihrer Sprache be- sondere Beachtung
11.2 Der Neuaufbau des Sprach-Funktions-Systems – Schritte heraus aus dem aphasischen Schweigen
11.3 Ich Möchte meine Sprechinitiative stärken – dazu hilft mir der intensive Frage-Antwort-Dialog
11.4 Das Prinzip des repetitiven Drill&Practice
11.5 Lerndidaktische Aspekte des Übens
11.6 „Tages-Übungsprogramm“ - Organisationsvorschlag für das häusliche Üben
11.7 Steigern Sie Ihre sprachliche Leistung durch Erweite- rung Ihres Sprach- und Sprechhandelns
11.8 Lernen, auf Fragen kurz zu antworten
11.9 Wer sind Sie? Wie heißen Sie? Wo wohnen Sie? Antworten Sie auf diese Fragen zu Ihrer Biografie
12.0 Unterhaltungen führen
12.1 Unterhaltungen führen ohne zu sprechen (mit 6 non- verbalen Items)
12.2 Unterhaltung mit nur 15 Floskeln (Kommentier-Items)
12.3 Sie nehmen sprachlich Kontakt mit Mitmenschen durch Fragen in unterschiedlichen Situationen auf
12.3.1 Frage-Anlass: Hilfe anbieten
12.3.2 Frage-Anlass: Sie sehen Sorgenfalten
12.3.3 Frage-Anlass: Ihre/Ihr Partner*in grübelt und ist missgestimmt. Sie fragen besorgt: „Hast du Kummer?“
12.3.4 Frage-Anlass: Uhr im Bad liegen gelassen und nach der Uhrzeit fragen.
12.3.5 Frage-Anlass: Sie suchen eine Toilette Sie sind unterwegs. Sie haben Drang und suchen eine Toilette. Sie sprechen eine Person an und fragen nach der Toilette. „Entschuldigung, wo ist die Toilette?“
12.3.6 Frage-Anlass: Sie wollen zahlen. Wo ist die Kasse?
12.3.7 Frage-Anlass: Wieviel kostet das?
12.3.8 Frage-Anlass: Einen bestimmten Ort suchen
12.3.9 Frage-Anlass: Welches Datum ist heute?
12.4 Sie empfangen jemand und wechseln ein paar Worte
12.4.1 Herzlich willkommen! Wie war der Flug?
12.4.2 Herzlich willkommen, wie war die Anreise?
13.0 Intensiv-Übungsreihen zu Hause – Ich will es wissen!
13.1 30 Sätze an 21 Übungs-Tagen in 48 Übungssitzungen fehlerfrei laut lesen lernen mit Logovid® Sprechen & Lesen 002
13.2 „POWER-Übungs-Programm“: 4 Übungssitzungen am Tag über 15 Werktage (= drei Wochen)
14.0 10 Sätze zu einer Video-Geschichte lernen (Einblick in eine Gruppentherapie-Sitzung mit fünf aphasischen Patient*innen)
15.0 Vermeiden Sie das Vergessen des neu Gelernten – stärken Sie die Lern-Langzeitwirkung Ihres Übens
15.1 Bedingungen für effizientes Lernen und Üben der Sprache
15.2 Abbau der sprecherischen „Unlust“ durch Erfolge
16.0 Viel üben – effektiv üben – das Richtige üben
17.0 Für fortgeschrittene Trainees: Stimulieren Sie Ihre Sprachkompetenz
18.0 Für fortgeschrittene Trainees - Stimulation der Sprachkompetenz -
18.1 Nach einigen Wochen des Übens spüren Sie, worauf es in Ihrer Übung ankommt.
18.2 Blicken wir abschließend noch einmal in die neuropädischen Zusammenhänge
19.0 Fragen, die Lebenspartner*innen stellen
20.0 Schluss mit letzten persönlichen Anmerkungen
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20.0 Schluss mit letzten persönlichen Anmerkungen
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0 Prolog
Das vorliegende Buch „Schritte aus dem Schweigen“ ist eine ins Detail gehende Fortsetzung des Buches „Wege aus dem Schweigen“ (Middeldorf und andere, 2024, Verlag tredition, Hamburg).
Die „Schritte aus dem Schweigen“ sind praktisch erprobte und evidenzbasierte Übungen, die eine aphasiologisch-sprachthera-peutische Alternative darstellen zu nicht existierenden Heilmitteln der Medizin.
Obwohl Hirnnervenzerstörung durch Schlaganfall, Schädelhirntrauma oder Hirn-OP mit Aphasie-Folge bedeutet, dass diese Sprachnerven mit den darin verorteten sprachlichen Funktionen für immer verloren sind, machen uns die Neurowissen-schaften Mut.
Sie sprechen nämlich davon, dass unser Gehirn plastisch sei, und das heißt lernfähig.
Aus langjähriger Beobachtung von erfolgreichen Intensiv-Therapie-Verläufen können wir schlussfolgern, dass jeder aphasische Mensch „Sprache neu entwickeln“ kann, wenn er in seinem Gehirn neue Sprachnerven-Netzwerke wachsen lässt.
Was Sie dazu wirksam tun können, das beschreibe ich in diesem Buch.
In den vergangenen zwei Jahrzehnten habe ich im LogoZentrum für Intensiv-Therapie in Lindlar einen Therapie-Ansatz entwickelt, den ich kurz mit „Sprechen-Lernen bei Aphasie“ charakterisieren möchte.
Neuropädagogische, lernpsychologische und didaktisch-metho-dische Aspekte flossen ein in das polimodal-memorierende Lernen von Sätzen, kurz PmL-S.
93 % der Aphasie-Gruppen-Teilnehmer beurteilten das PmL-S-Lernverfahren und das „neue“ Sprechhandeln als sehr wichtig.
Das PmL-S geht von einer Globalität der Sprache aus, dass Sprache und Sprechen im ganzen Hirn mit assoziierten Erlebnisbildern und sprachlichem Wissen sowie mit lebenslanger Erfahrung im Umgang mit Sprache verknüpft ist.
Wir konnten Wege finden, aphasische Patient*innen durch spezielles, hochfrequent-repetitives sprachlich-sprecherisches Han-deln zu befähigen, trotz bestehender Aphasie verständlich Sätze zu sprechen.
Auf dem langen Weg der Erfahrungssammlung als Intensiv-therapeut kann ich heute bestätigen, dass aphasische Menschen
- Sprache nicht in Gänze verloren haben,
- dass Sie - wie alle anderen Menschen auch - „unendlich“ lernfähig sind,
- dass Sie über neue Lernwege „geführte“ Sprech-Handlungen erlernen und zu einem initiativen Eigensprechen weiterent-wickeln können.
Das wird möglich, vorausgesetzt, Sie gehen diesen neuen Weg gezielt.
All den ungeduldigen und vielleicht enttäuschten aphasisch Betroffenen möchte ich Mut machen, was die Wiedergewinnung von Sprache anbelangt.
Aktuelle Erkenntnisse in der Aphasiologie besagen, dass für ein effizientes, aufbauendes Neulernen von Sprach- und Sprechhandlungen erfahrungsgemäß deutlich mehr Lernaktivitäten verlangt werden müssten als die, die in der professionellen Sprachtherapie geboten und abgerufen werden (vgl. Pulvermüller und Mitarbeiter 2001; Grötzbach 2004).
Langzeit-Therapiebeobachtungen im LogoZentrum Lindlar (seit 1991) bringen die Erkenntnis, dass therapeutisch erfolgreiche aphasische Patient*innen diejenigen sind, die hochmotiviert, langandauernd und intensiv ergebnis-fokussierte Lernanstreng-ungen aufbringen.
Wer mehr geordnet übt, der lernt schneller.
In diesem Buch zeige ich Ihnen Lernschritte, mit denen Sie mit und ohne Übungspartner*in neue Sprach- und Sprechhandlungen erarbeiten können.
Selbst nach vielen Jahren des Lebens mit Aphasie empfehle ich Ihnen, sich zu einem Neubeginn durchzuringen und den Neustart sprachpragmatisch zu organisieren.
Das heißt: Anders als üblicherweise linguistisch orientiert, nämlich sprachklangbasiert. Das werde ich Ihnen im Laufenden wiederholt näher erklären. Sie werden bald verstehen und spüren, warum ich bei allen Übungen den „Sprachklang“ als Grundlage des fehlerfreien „Sprechhandelns“ in den Fokus rücke.
Je nach Lerntyp und Lernbedarf ist die Zusammenarbeit mit einer/einem Übungspartner*in ratsam bzw. zeitweise notwendig.
Für den Fall, dass keine/kein Übungspartner*in zur Verfügung steht oder Sie nur sporadisch oder nur selten jemand zum Üben gewinnen können, beschreibe ich Ihnen Schritte im Umgang mit einem aphasiologisch erprobten Sprach-Lern-Medium, dem logopädischen Video Logovid®.
Das habe ich als Intensiv-Aphasietherapeut in meiner aktiven Zeit als probat, praktikabel und auf unterschliedlichen Sprachhandlungs-Niveaus als sehr lernfördernd erlebt, weil es wichtige Übungshelfer-Funktionen übernimmt. In hunderten von Einsätzen im LogoZentrum Lindlar hat es sich als Sprech- und Sprach-Helfer bewährt. Daher möchte ich es als aphasie-therapeutisch hocheffektiv einstufen. Lernen Sie das Logovid selbst kennen, wenn Sie die Sprachheil-App bei LogoMedien® aufrufen und selbst hineinhören und hineinschauen.
Zum Schluss des Prologs noch ein Wort zur methodischen Systematik des Buches:
Sie werden eine Entwicklung vieler Übungen von leicht nach schwer, von einfach nach kompliziert wahrnehmen. Ich empfehle Ihnen, jede dieser Übungen in diesem Buch konsequent von Anbeginn so gründlich durchzuarbeiten, dass Sie nach zahlreichen Wiederholungen die Aufgabenstellungen weitgehend meistern können. Bei diesem Vorgehen erlaubt es Ihnen herauszufinden, was die schwache und was die stärkere Seite Ihrer Sprach- und Sprechhandlungen ist.
Finden Sie Ihr Übungs-Level heraus. Dazu suchen Sie dasjenige Sprach- und Sprechhandlungs-Können, mit dem Sie etwas Sprecherisches ohne Fehler ausführen.
Das kann das Zahlensprechen, das Aussprechen von Buchstaben (Lautieren) oder das Lautlesen sein. Das können Fähigkeiten auf der Lautierungsebene ebenso sein wie auf Wort-Nachsprechebene oder auf der Satz-Nachsprechebene.
Ihre fehlerfreien Sprach- und Sprechhandlungen suchen und finden, das wird anfangs eine interessante Aufgabe werden.
Schauen Sie dazu auf die Satzlänge, die ohne Fehler zu sprechen möglich ist oder auf die Anzahl fehlerfreier Sprachhandlungen oder auf Ihre Speicher- und Wiedergabefähigkeit beim Hören und Wiedergeben von Sprache.
Das was Sie ohne Fehler schaffen, das notiert Ihre/Ihr Übungs-partner*in bzw. das merken Sie sich.
Und genau das ist zunächst Ihr Übungs-Level und Ihr Übungsfeld.
Was Sie gerade weitgehend fehlerfrei schaffen, sei es beim lauten Lesen, beim Bilden von Sätzen oder beim Lesen und Sprechen der Zahlen, das empfehle ich Ihnen aufzugreifen und auf diesem Level ein Übungsprogramm zusammen zu stellen.
Auch wenn es nachvollziehbar und sinnvoll erscheinen mag: Eigenversuche gehen anfangs nicht gut aus. Eigenversuche führen oft in die Irre. Deshalb holen Sie sich sachdienliche Hinweise und therapeutische Fach-Informationen von Ihrer örtlichen Logopädin.
Ich rate dringend davon ab, ohne professionelle Hilfe etwas selbst neu erarbeiten zu wollen. Ihre Logopädin wird Ihnen dabei sicherlich hilfreich unter die Arme greifen.
Sollten Sie als aphasisch betroffene Person und Ihr familiäres Umfeld verzweifelt sein über die therapeutische Situation, in der Sie jetzt stecken:
Lassen Sie keinesfalls die Flügel hängen, Sie haben allen Grund, zuversichtlich zu sein. Lassen Sie sich überraschen vom Stil und der strukturellen „Unordnung“ dieses Buches und lassen Sie sich ein auf das „geordnete“ Üben und auf das „Melodische“ in der Sprache.
Noch ein Hinweis zum Verständnis und zur Handhabung des Inhaltsverzeichnisses dieses Buches:
Aufgrund der Tatsache, dass die Individualität jeder Aphasie einen daraus erwachsenen individuellen Übungs-Bedarf erfordert, habe ich mich entschlossen, den Inhalt des Buches nach Fragestellungen und Bedarfen zu strukturieren.
Jede/r Leser*in hat ein anderes Fähigkeitsniveau als die/der andere und einen individuellen Übungsbedarf.
Was will ich üben?
Auf diese Frage geben die Überschriften der Kapitel Antworten und somit einen Hinweis darauf, auf welcher Buchseite Sie sachdien-liche Informationen finden können.
Ich wünsche Ihnen viel Übungs-Erfolg.
1.0 „Schritte aus dem Schweigen“ auf alternative Art
Das Sprache-Üben bei Aphasie wirkt erfahrungsgemäß deutlich lernsteigernd, wenn sich drei wichtige Eigenschaften bei Ihnen und bei Ihrer / Ihrem Übungspartner*in zeigen:
Da ist zuerst der Lernwille zu nennen, zum anderen die Kontinuität in den proaktiven Übungen und drittens die notwendige Ausdauer und Geduld.
Sie wissen aus eigener Lebens-Erfahrung, dass der Lernwille die erforderliche, proaktive Kraft ist, die uns ermöglicht, uns mit motivationalem Antrieb immer wieder aufraffen zu können und das übende Vertiefen des neu Gelernten mit Langmut und Konsequenz durchzuführen.
Was wir beim Üben unter aphasischen Bedingungen neu lernen müssen ist die Tatsache, dass die Kontinuität in den Übungen eine dringend notwendige Voraussetzung für neuropädisch wirksames Übungs-Handeln ist.
Die Kontinuität in der Übungsaktivität muss für eine gewisse Zeit lang konstant bleiben, weil weitestgehend nur dadurch wirksame neuropädische Einträge und neuronale Verankerungen der neuen Sprach- und Sprechhandlungen generiert werden können und starke Vergessens-Prozessen weitgehend verhindert werden.
Ergebnisreiche Lern- und Übungsentwicklungen bei Aphasie beginnen mit einem konsequent gleichförmigen Handlungsmuster, was immer wieder ab- bzw. aufgerufen wird.
Dazu benötigen wir eine gewisse Portion Geduld.
Wer Geduld aufbringen kann, die in die Sprachtherapie von allen Beteiligten investiert werden muss um die allzu lange und „zermürbende“ Zeit zu ertragen, der verfügt über einen sehr entscheidenden Grundstock für das Neulernen der Sprache.
Ich plädiere für einen deutlichen Perspektivenwechsel im Zusammenhang des methodischen Vorgehens.
Hier verfolgen wir nicht primär ein sprachsystematisches Aufbauen der Sprache (das erfolgt in der professionellen Sprachtherapie). Wir gehen sprachpragmatisch vor. Wir entwickeln neue Sprache über sprachklangbasiertes Sprach- und Sprechhandeln.
Sie werden erleben, dass in jeder Übung, die Sie in diesem Buch kennenlernen, das Hören der gesprochenen Sprache eine fundamentale Rolle spielt.
Das oftmalige Hören des Gesprochenen und das damit verbundene Speichern der Sprachklänge ist neben dem lauten Lesen m.E. die wirksamste Aktion zum Wiedererwerb von Sprach- und Sprechhandlungs-Fähigkeiten.
In diesem Zusammenhang empfehle ich Ihnen schon jetzt, in Ihrer täglichen 15-Minuten-Übungssitzung geordnet, d.h. systematisch „sprachklangbasiertes Sprechhandeln“ durchzuführen. (siehe auch Middeldorf und andere, 2024, Kapitel 9.3, S.361 ff).
Was uns kolossal bewegen sollte ist die Tatsache des schnellen Vergessens. Das schnelle Vergessen „des eben noch Gelernten“ ist ein wahrlich gravierendes Problem für alle aphasisch Betroffenen.
Das schnelle Vergessen ist die eigentliche Ursache für Frustration, weil man trotz ständiger Bemühungen während der Therapie-Sitzungen nicht weiterkommt und sozusagen „auf der Stelle tritt“.
Wir können diesem Problem jedoch persönlich wirksam begegnen, indem wir die „Schlagzahl“, also die Anzahl der Sprach- und Sprechhandlungs-Aktivitäten deutlich erhöhen und so neuropädisch den durch Vergessen reduzierten Wirkungsgrad der professionellen, ambulanten Therapie über vertiefendes Übungs-Handeln kompensieren.
Wir können es schaffen, privatinitiativ mit einem zusätzlichen Üben die neu gelernten Sprach- und Sprechhandlungen zu vertiefen und dem Vergessen des Neu-Gelernten einen Riegel vorzuschieben.
Ein tägliches, 15-minütiges Üben über Monate vertieft das Gelernte und bremst das Vergessen. Denn es gilt die Lernformel bei Aphasie:
Je mehr und intensiver Sie unter Anleitung und Supervision gezielt engagiert Sprach- und Sprechhandlungen fehlerfrei produzieren, desto deutlicher und schneller können Sie Ihre Sprechfähigkeiten aufbauen.
Bevor Sie sich mit den Übungen in diesem Buch näher beschäftigen, empfehle ich Ihnen noch, sich über eine für Sie grundsätzlich neue Tatsache im Klaren zu werden.
Das ist die Tatsache, dass das Sprache-Lernen bei Aphasie ein anderes Lernen ist gegenüber dem Lernen früher.
Das Sprache-Lernen erfolgt auf Umwegen.
Aphasisches Sprache-Neulernen braucht erheblich mehr Zeit, erheblich mehr konzentrative Kraftanstrengung und eine willens-starke Hingabe.
Die größte therapeutische Herausforderung allerdings stellt sich Ihnen in der Beantwortung der Frage „Wie gehe ich auf die eigentliche Ursache der Aphasie ein, auf das Abgestorben-Sein der Sprachnerven und mit dem Gelöscht-Sein der ehemals dort etablierten Sprach-Funktionen?“.
Auf diese Fragen versuche ich mit Hilfe des in diesem Buch beschriebenen und angewandten PmL-S-Prinzips eine therapieprak-tische Antwort zu geben.
Sie werden sehen, dass die meisten Übungen in diesem Buch immer etwas mit Hören, mit Verstehen, mit Lesen und Erinnern zu tun haben, also mit meist gleichzeitig ablaufenden kognitiven Prozessen. Gleichzeitig werden diese auch mit eigenem, fehlerfreiem Sprach- und Sprechhandeln verknüpft, was zur neuronalen Assoziierung dieser Prozesse führt.
Das Erlernen neuer ‚Sprach- und Sprechfähigkeiten‘ basiert in unseren Übungen auf dem neuropädischen Paradigma der Neuanlage von Sprachnerven-Netzwerken bei Aphasie.
Das ist eine Sichtweise, die das Sprachnerven-Wachstum als physisch-physiologische Voraussetzung für das Sprache-Neu-Lernen ins Kalkül zieht.
Detailliertere Erläuterungen dazu finden Sie in der Darstellung des PmL-S-Lernprinzips bei Middeldorf und anderen (2024), Kapitel 7.4 – 7.6, S. 204 ff).
Wir wissen heute, dass der größte Wirkfaktor für Effizienz in der Aphasie-Therapie die Intensität ist. Das ist die möglichst hohe Therapie-Sitzungsanzahl pro Woche (vgl. Pulvermüller und Mitarbeiter 2001; Grötzbach 2004).
Wir lesen auch, dass „massiertes Üben“ bei aphasischen Beeinträchtigungen sehr wirkungsvoll ist und in der Aphasie-Therapie ein leistungssteigerndes didaktisch-methodisches Gestaltungsinstrument darstellt.
Therapieerfolge werden durch die Anwendung der „Constraint-Induced Aphasia Therapy“ (CIAT) (Meinzer 2004; Pulvermüller et al. 2001 nachgewiesen und von Breunig, V., Kaiser, M., Krüger, St., Müller, M., Schramm, A.; Werner, R. (Lindlar 2007) und Breunig, V., Krüger, St., Werner, R. (2009) beschrieben.
Eine starke Lern- und Arbeitsintensität gilt zur Zeit als die deutlich wirkungsvollste didaktisch-methodische Therapie-Dosis, auch bei chronisch aphasischen Menschen mit langjähriger Aphasie-Erfahrung.
Eins meiner persönlich eindrucksvollsten Erlebnisse als Aphasie-Therapeut war die Begegnung mit einem 40jährigen promovierten, aphasisch betroffenen Personalberater.
Er kam 8mal zu 3-wöchigen Therapie-Blöcken über 3 Jahre hinweg.
Auch er nahm an meinen Aphasie-Gruppen teil und verriet mir, dass er zu Hause zusätzlich zur heimischen wöchentlich 4-maligen ambulanten Therapie täglich mindestens eine halbe Stunde lang Logovid®-Übungen durchführt.
Durch die Therapeutenbrille beurteilt war sein therapeutischer Weg aus dem aphasischen Schweigen bis dahin deshalb so erfolgreich, weil er eine sehr wirksame Kombination aus ambulanter Therapie, aus mehreren Intensivtherapie-Blöcken im LogoZentrum Lindlar und täglich halbstündigem, privaten Üben geschaffen hat.
1.1 Womit wir uns beschäftigen müssen: Das „neuronale Loch“ im Sprach-Netzwerk
Damit wir bei unseren Übungs-Überlegungen von ähnlichen bzw. gleichen Zielvorstellungen ausgehen können, schlage ich vor, dass wir uns mit neurophysiologischen Gedanken über die Funktionsweise des Gehirns nach dem Schlaganfall beschäftigen.
Dazu schauen wir uns zunächst auf unser Gehirn, was hochkom-plexe Hirnleistungen vollbringen kann.
Dafür ist Voraussetzung ein uns bisher selbstverständlich arbeitendes, ungestörtes Zusammenspiel der Hirnnervenimpulse, die durch die zuständige Nerven-Netzwerk schießen, ohne dass wirdas bewusst wahrnehmen. In unserem Großhirn haben wir rund 100 Milliarden Hirnzellen, auf denen zig Nervennetzwerke mit aber Millionen Nervenzellen aufsitzen.
Darunter gibt es Netzwerke (ein oder mehrere), die die neuronalen Funktionen für sprachliches Sprach- und Sprechhandeln bewerkstelligen.
Stellen wir uns nun vor, dass der Schlaganfall in einem eng-maschig verzweigten Sprachnerven-Netzwerk eingeschlagen hat und Löcher in das Netz gerissen hat. Er hat in diesem Bereich das Leben vieler Sprachnervenzellen durch Sauerstoffmangel zerstört.
Die Löcher im Sprachnerven-Netzwerk – durch abgestorbene Nervenzellen in den bisherigen Sprachnerven - zeigen sich dadurch, dass sichtbare und/oder hörbare sprachliche Funktions-Ausfälle auftreten. Diesen betroffenen Bereich nenne ich kurz ‚neuronales Loch‘. Im MRT (Magnetresonanztomographie) kann das ‚neuronale Loch‘ sichtbar gemacht werden.
Ich möchte wegen der großen Bedeutsamkeit der Tatsache, dass beim Schlaganfall (Apoplex) ein Sauerstoffmangel im Großhirn durch z.B. Arterien-/Blutgefäß-Verstopfung Nervenzellen absterben und so das ungestörte Zusammenspiel der Hirnnervenimpulse abrupt unterbricht, darauf hinweisen, dass die abgestorbenen Sprachnervenzellen irreversibel zerstört sind und nicht wieder lebendig werden.
Diese Tatsache hat aus sprachtherapeutischer Sicht natürlich methodisch und didaktisch viele Fragen zu einem effektiven therapeutischen Arbeiten zur Folge.
Dieses ‚neuronale Loch‘ können wir uns im Großhirn als neuronales ‚Brachland‘ vorstellen, was funktionell ‚abgeschrieben‘ werden muss, denn hier funktioniert nichts mehr. Hier „wachsen“ auch keine neuen Sprachnervenzellen nach.
Der Durchfluss der elektrobiochemischen Impulse stoppt am „Loch-Rand“, was schwerwiegende sprachliche „Funktions-Abruf-störungen“ zur Folge haben kann, die wir dann als Sprachstörungen wahrnehmen.
Im Fall des neuronalen Lochs im Sprach-Netzwerk zeigen sich die Folgen meist in auffälligen Störungen beim Sprechen, im Satzbau, bei der Wortwahl oder im sprachlichen Ausdruck.
Die Sprachverluste zeigen sich auch in unterschiedlicher Ausprägung in den Komponenten des Sprachsystems, in Semantik, Wortschatz, Satzbau, Aussprache und in den sprachlichen Modalitäten des Verstehens, des Sprechens, des Lesens und Schreibens.
1.2 Wenn Sprachnerven fehlen - weil abgestorben -, die aber funktionelle Voraussetzungen sind für Sprach- und Sprechgestaltung und Sprach–Verarbeitung, was ist denn dann therapeutisch überhaupt möglich?
Im LogoZentrum Lindlar haben wir in den vergangenen 30 Jahren bei Aufnahme der Intensiv-Patienten deren persönliche Therapie-Zielsetzungen erfragt.
Bei diesen informellen Befragungen überraschte (nicht) der inter-individuell einhellige Wunsch, „wieder sprechen zu können“.
Weil das Nichtmehr-Sprechen-Können einen existenziell-schwer-wiegenden und oft totalen Verlust kommunikativen Austausches mit anderen Menschen zur Folge hat und in diesen Fällen linguistisch-systematisches Erarbeiten „neuer Sprachfähigkeiten ewig langdauert“, entschied ich mich als Intensiv-Aphasie-Therapeut zu einem alternativen, sprach-pragmatischen Lern-Ansatz, bei dem die Patient*innen einen direkten Einfluss auf ihr Sprech-Handeln entwickeln können und gezielt und direkt zum Aufbau neuer Sprach- und Sprechhandlungsfähigkeiten eigenaktiv beitragen können.
Auf der Basis der darin verwirklichten lernpsychologischen und neuropädischen Prinzipien haben wir aphasietherapeutische Lernmedien, die Lernreihe Logovid® entwickelt.
Die logopädischen Videos wurden in Kooperation zwischen dem LogoZentrum Lindlar und der Produktionsfirma LogoMedien® hergestellt und therapiepraktisch und wissenschaftlich auf ihre aphasietherapeutische Effizienz hin untersucht.
Parallel dazu entwickelte sich das PmL-S-Lernprinzip. Näheres dazu können Sie unserem Buch “Wege aus dem Schweigen” (2024), Kapitel 7.4, S. 204 ff) entnehmen.
Dieses PmL-S-Prinzip habe ich in hunderten von Aphasie-Gruppentherapie-Sitzungen angewandt und jedes Logovid® nach diesem Prinzip aufgebaut.
Deshalb kann den aphasisch Betroffenen jedes Logovid® als Blaupause für effizientes Sprache-Lernen dienen, die autodidaktisch oder zusammen mit Übungspartner*in therapeutisch „geführte“ Übungssitzungen nutzen wollen.
Die charakteristischen kognitiven Prozesse, die bei Nutzung der Logovids® innerviert werden, sind
- das multisensorische Wahrnehmen von Sprache,
- das zentrale Verarbeiten und Einspeichern der Sprach-Klänge und
- das sprachklangbasierte Wiedergeben dieser Sätze.
Beim Durchlaufen der PmL-S-Lernschritte konnte ich in meinen Aphasie-Gruppenveranstaltungen immer wieder die freudvolle Erfahrung machen, dass man offensichtlich durch bestimmte Stimulationen sprachlich relevante Aktivitäten einleiten und durchführen kann, die in ihrer Folge eine nahezu fehlerfreie Satz-Sprechhandlung ermöglichen.
Das hatte therapiedidaktisch entscheidende Veränderungen meiner Sprachtherapie zur Folge, denn jede aphasische Person, mit welcher Aphasie auch immer, profitiert von der Stimulationsarbeit nach dem PmL-S-Konzept.
Meine Aphasie-Arbeit in Einzel-, Zwei-Personen- oder Gruppen-therapie-Sitzungen bekam nun einen neuen Schwerpunkt mit einer pragmatischen Wendung.
Ich wandte das PmL-S-Konzept nun stets so an, dass die aphasischen Patient*innen schnell in die Lage versetzt wurden, Satz-Sprechhand-lungen weitestgehend fehlerfrei auszuführen, trotz Aphasie.
Dazu haben wir vorher dem Gehirn vorbereitende und stimulierende Aktionen abverlangt, die den Patient*innen dann ermöglichten, trotz ihrer Aphasie vorgegebene Sätze annähernd modellgetreu wieder-zugeben und sich selbst dabei live sprechend zu erleben.
Die Vorbereitung eines “weitgehend fehlerfreien Sprechens” eines Satzes besteht darin, sich den Sprachklang des Satzes tief einzuprägen und dann den Satz “sprachklangbasiert” zu sprechen, sich also sprachklangorientiert und modell-klanggemäß auszudrücken.
Um dahin zu kommen, müssen dem Gehirn selbstverständlich sprachklangliche Stimuli so angeboten werden, dass die gespeicherte Sprachklangstruktur “leicht” erinnert und sprecherisch wieder-gegeben werden kann.
Das führte ich in Gruppensitzungen auf Satzebene durch.
Dazu sollten meine Patient*innen den nachzusprechenden Satz so oft anhören und in ihr Klanggedächtnis einspeichern, bis sie den Satz “auswendig” nachsprechen konnten.
Auch Sie haben nun in Zusammenarbeit mit Ihrer Übungspartner*in nun bei Nutzung eines Logovids® oder mit Hilfe der Übungen in diesem Buch die Möglichkeit zu lernen, gehörte Sprache kurzfristig, mittel- und langfristig im Gedächtnis zu behalten und nahezu fehlerfrei wiederzugeben.
Dazu fokussieren Sie einen oftmals vorgesprochenen handlungs-beschreibenden Satz und speichern dabei hochkonzentriert seinen Satzklang. Den Satz lassen Sie sich von Ihrer/Ihrem Übungs-partner*in oder vom Logovid® so oft wie notwendig vorsprechen.
In den Aphasie-Gruppentherapie-Sitzungen, in denen ich das PmL-S-Verfahren anwende, wiederhole ich den Satz etwa 8- bis 10mal besonders deutlich artikuliert, langsam, nahezu Wort-für-Wort-sprechend, mit natürlicher Prosodie, also mit normaler Sprech-Stimmführung, während die beschriebene Video-Szene dabei wiederholt läuft und immer nur die beschriebene Szene zeigt.
Mit diesem Vorgehen stimuliere ich die Sprachklangspeicher der Anwesenden. Ich fordere die Gruppenteilnehmenden auf, sich beim Anschauen der Video-Szene auf das Zuhören einzustellen und den Sprachklang des Satzes konzentriert aufzunehmen und zu verinnerlichen.
Nach dem konzentrierten Hören - was übrigens alle Gruppen-Patient*innen beobachtbar erstaunlich intensiv betreiben - sprechen alle Übenden zusammen mit mir diesen Satz drei Mal.
Beim dritten Mal sollen sie nun besonders auf eine "fehlerfreie" Aussprache achten.
Die aphasisch und sprechapraktisch schwer betroffenen Patient*innen unter den Gruppenteilnehmenden bekommen den Auftrag, sich zunächst ausschließlich auf die Vokalklänge im Satz zu konzentrieren und den Satz "auf den Vokalen" mitzusprechen und dabei noch nicht auf die Konsonantenlautbildung zu achten, was die meisten sprechapraktischen Patient*innen nach einigen Durch-gängen erstaunlich gut umsetzen.
Nach dieser Phase gemeinsamen Sprechens bitte ich dann jede/n Gruppenteilnehmer*in einzeln der Reihe nach, mit mir gemeinsam den Satz zu sprechen.
Damit die anderen Gruppenmitglieder nicht nur untätig herum-sitzen, beauftrage ich sie, während meiner "Einzelkorrekturen“ aufmerksam zuzuhören und innerlich sprecherisch dem zu folgen, wie ich der jeweiligen Person den vorher gelernten Satz vorspreche und mit ihr unter meiner “Lenkung” den fehlerfrei gesprochenen Satz drei bis fünfmal wiederhole.
Nach der „individuellen“ Sprechrunde mit jedem der Gruppen-mitglieder sprechen wir alle zusammen noch einmal den Satz wiederholt so lang – meist noch drei – bis viermal -, bis die Gruppe unisono weitestgehend homogen klingt und ich per Sichtkontrolle keine gravierenden Abweichungen bei den Sprechbewegungen der Gruppenteilnehmenden mehr feststellen kann (Ausschnitt aus: Middeldorf und andere (2024) S. 192 ff).
Dieses gruppentherapeutische Vorgehen fand bei allen Teilnehmenden große Zustimmung. Ihnen habe ich für ihre Freizeit das weitere Üben nach ähnlichem Muster mit dem „sprechenden“ Video-Material „Logovid®“ empfohlen, das das PmL-S-Arbeitsmus-ter der Gruppensitzung widerspiegelt.
Jedes der ca. 50 Logovids® zeigt Video-Handlungen, die alle besprochen sind und nach bestimmten Kriterien oftmals wiederholt werden, wozu auch jeweils der geschriebene Satz erscheint.
Viele ehemalige Intensiv-Patient*innen konnten bestätigen, dass sie auf ähnliche Weise beim privaten Üben mit einem Logovid® zu Hause gute Übungsergebnisse erzielen können.
Versuchen Sie, eine Ihnen wichtige Person zu Ihrer/Ihrem Übungspartner*in zu gewinnen. Denn das regelmäßige Üben mit einer/einem Übungspartner*in zu Hause ist für den therapeutischen Fortschritt sehr wertvoll.
Wenn Ihre/Ihr Übungspartner*in nicht zur Verfügung steht, dann ziehen Sie zu Hause auf jeden Fall audio-visuelle Medien heran. In diesem Fall empfehle ich die schon erwähnten Logovids® von LogoMedien® mit einem Ihrem Status entsprechenden Komplexi-tätsgrad.
Zusammenfassend sehe ich gute Chancen, trotz des durch Apoplex verursachten Verlustes von Sprachnerven für die Sprachgestaltung und Sprachverarbeitung neue, kompensatorisch wirkende Nervenfunktionen und neue funktionelle Voraussetzungen zu schaffen für ein fehlerfreieres Sprach- und Sprechhandeln.
1.3 Didaktischer Hintergrund des Übungs-Mediums für das Sprache-Üben auf Laut-, Buchstaben-, Wort- /Kurz-Satz- und Einer-Zahl-Ebene
Alle aphasischen Personen haben ganz individuelle Therapie- und Übungsbedürfnisse. Ihre unterschiedlichen Hirnschädi-gungen zeigen sich in ganz individuellen und z.T. auch sehr umfangreichen neuronalen Funktionsausfällen.
Deshalb finden Sie in diesem Buch Übungs-Formate und Übungs-Inhalte, die flexibel von Ihrer Logopädin oder Ihrer/Ihrem Übungspartner*in auf Ihren aktuellen Übungs-Bedarf zugeschnitten werden können bzw. sollten.
Im Zusammenhang mit der Frage, welche Sprachübungen zu empfehlen seien, schlage ich grundsätzlich vor, mit solchen Übungen zu beginnen, die für uns Hirn-Gesunden und Sprachfähigen „einfach“ erscheinen.
„Einfache Übungen“ sind quantitativ begrenzt, dabei ist die Menge an sprachlichem Gehalt eher kurz und einfach. Und genau das hilft den meisten aphasisch Betroffenen, Sprache fokussierter wahrzunehmen und schneller zu verarbeiten.
Für die aphasischen Leserinnen und Leser empfehle ich für ihre Übungen die Einstiegs-Kategorie Niedrige Komplexität zu wählen.
Hier werden Übungen auf der Buchstaben-, Laut-, Wort- und Satz-Ebene durchlaufen.
Schwer aphasisch betroffene Menschen leiden neben den offensichtlichen Sprachfunktions-Verlusten meist auch unter neuropsychischen Funktionsstörungen wie etwa Gedächt-nisverlust oder zeitlicher und räumlicher Orientierungs-schwäche.
Die aphasischen Personen benötigen die fachliche Expertise der Logopädin. Sie richtet das Therapiegeschehen gezielt aus auf den Lernbedarf ihrer Patient*innen.
Sie strukturiert die Lernschritte in Richtung Sprachver-ständnis, Lesen und Lesesinnverständnis, Sprach- und Sprechhandeln in angepassten, sprachlichen Komplexitäts-Graden.
Bei der didaktischen Frage, welche Lern- und Übungswege bei aphasisch Betroffenen die Therapeut*innen einschlagen und welche Lern- und Übungsmedien sie andererseits einsetzen sollten, hängt die Beantwortung nach meiner Vorstellung primär von der Therapieziel-Vorstellung der Patient*innen ab.
Die meisten äußern den großen Wunsch, „wieder sprechen zu können“.
Das ist für mich das Kernziel meiner teilhabeorientierten Sprachtherapie, und diese Wunschhaltung gab und gibt mir die Richtung meiner therapeutischen Überlegungen und Hand-lungen vor.
Das bedeutet, dass ich in der Therapie den Patient*innen überwiegend Sprechhandlungs-Aufgaben präsentiere, ohne das sprachsystematisch-linguistische Arbeiten am Sprachsystem zu vernachlässigen.
In den Sprechhandlungs-Aufgaben bevorzuge ich die Nutzung des auditiven Kanals und stimuliere schwerpunkt-mäßig die Hör-Wahrnehmung und die auditive Sprachverar-beitung.
Über diesen auditiven Wahrnehmungs- und Verarbeitungsweg führe ich die Patient*innen dann zum sprachklangbasierten Sprechhandeln. Die systematische (linguistische) Aufbau-Arbeit erfolgt mitlaufend.
Weil unsere gesprochene Sprache auf Sprachklängen aufgebaut ist und wir von Kindheit an unsere Sprache als systematisch geordnetes Sprachklanggebilde zu hören, zu verstehen und zu sprechen gelernt haben, baut ein Großteil der in diesem Buch beschriebenen Sprach- und Sprechübungen auf auditiver Wahrnehmung und Verarbeitung von Sätzen und auf sprach-klanglichen Stimulierungen auf.
Die Sprachkompetenz, das Konglomerat aller Erfahrungen im Umgang mit Sprache, Sprechen und Kommunizieren, sehe ich bei allen erwachsenen aphasischen Menschen als vorhanden an, da der schlaganfallbedingte Sprachverlust nicht gleichzeitig zum Verlust der Sprachkompetenz führt.
Alle Übungen, die ich in diesem Buch vorstelle, basieren auf der Annahme, dass jeder aphasische Mensch seine Sprach-Kompetenz durch Sprechhandlungs-Stimulationen triggern und für ein Neulernen der Sprache nutzen kann.
Im Zusammenhang mit wirkungsvollem Üben und Neulernen der Sprache/des Sprechens/des Lautlesens bekommen folgende Stichwörter besondere Bedeutung:
Mehrsensorische Sprachwahrnehmung und Sprachverarbei-tung, „sprechende Medien“, sprach-klangliche Stimuli zur Sensi-bilisierung und zum Neu-Lernen sprachklanglich basierter Sprach- und Sprechhandlungen, graphematisch-phonematische Konversion, phonematisch-graphematische Konversion.
Da ich weiß, dass Sie als erwachsene, aphasisch betroffene Person lebenserfahren sind und Vernunft besitzen, weise ich ihnen ein Großteil an Verantwortung für ihre eigene rehabilitative Entwicklung zu. Wir haben auch nachgewiesen, dass aphasisch Betroffene mit Hilfe „sprechender Medien“ mit niedriger Komplexität ein selbstständiges Sprache-Lernen organisieren können, nachdem sie in ein geordnetes Üben eingewiesen worden sind.
Es ist auch erwiesen, dass Sie in einem geordneten Sprache-Üben sowohl mit als auch ohne die Unterstützung von Ihrer/Ihrem Übungspartner*in das Lesen von Buchstaben und deren Lautierung, das Lesen von kurzen und längeren Wörtern und das fehlerfreie Sprechen einfacher Sätze im SPO-Format mit bis zu 6Wörtern lern- und übungswirksam erarbeiten können. (Aphasie-Projekt „selbstständiges Erarbeiten“).
Die „sprechenden Medien“ sind dienlich besonders für das oftmalige Wiederholen bestimmter Sprach- und Sprechhand-lungen beim repetitiven Lernen und Einprägen.
Diese technischen Hilfsmittel für aphasisch betroffene Personen und ihre Übungspartner*innen sind geeignet, die Übungszeit der Übungspartner*innen zu verkürzen, da Vorlese-Leistungen vom sprechenden Medium übernommen werden können.
Das von mir benutzte „sprechende“ Übungsmittel Logovid® von LogoMedien® mit seinem PmL-S-spezifischen Üben und Anwenden von Sprach- und Sprechhandlungen hat sich erwiesenermaßen gut bewährt (siehe Therapie-Projektstudien im LogoZentrum 2006 - 2014).
Mit dem von mir eingesetzten PmL-S-basierten Logovid® können die aphasisch betroffenen Übenden das Neu-Lernen von Sprach- und Sprechhandlungen von Sätzen vollziehen.
Sie werden aufgefordert, in bestimmten Lernschritten die neu kennengelernten Satz-Sprach- und Sprechhandlungen neuropädisch im Sprachnetzwerk des Gehirns sicher einzutragen und im Anschluss daran zu lernen, die Sätze sprachklanggetreu zu reproduzieren und alltagstauglich anzuwenden.
In der ersten Kategorie N(iedrige) K(omplexität) führen Sie in den Übungen elementare Funktionstrainings durch.
Dazu gehören neben gezielten Hörwahrnehmungs- und Hörverarbeitungs-Aufgaben auch einfache Artikulations-Handlungen und das Erlesen von Einzelbuchstaben, Buchstaben-gruppen und Zahlen bzw. Ziffern.
In niedriger Komplexität bieten die Logovid®-Reihen zahlreiche Übungen zum weitgehend phonetisch sauberen Lautieren von Phonemen, zum lauten Lesen von Wörtern, zum fehlerfreien Sprechhandeln von Wörtern und kurzen Sätzen.
Die NK-Logovids® enthalten darüber hinaus diverse operationale Übungen zur Zuordnung von Satz zum Geschehnis, zum Sprachverständnis, zu Versprachlichungen in einfachen grammatikalischen Formen der Satzbildung, zum sprachklang-basierten Sprechhandeln der Modell-Sätze sowie zur graphematisch-phonematischen Konversion beim scannenden Erfassen von Schrift.
Für diejenigen, die sich für weiteres polimodales und basales „Sprech-Material“ interessieren, führe ich die Titel der Logovids® mit NK im Anhang auf S. 648 auf.
1.4 Jeder aphasische Mensch hat eine ganz einmalige Sprachnerven-Netzwerk-Zerstörung erlitten und hat deshalb ein individuelles Störungssyndrom und insofern einen individuellen Übungsbedarf
Zu Beginn Ihrer Übungsphase rate ich Ihnen – wenn keine Übungsaufgaben von Ihrer Logopädin genannt wurden - sich dringend nur auf das zu konzentrieren, was sprachlich gut geht und was Sie gut können.
Bringen Sie dadurch Ihr Sprachsystem im Gehirn in Schwung und stimulieren Sie Ihr verbliebenes Sprach-Nervennetzwerk durch solche Aktivitäten, die Ihnen möglich sind.
Wenn Sie beispielsweise das Lautlesen von Buchstaben oder Wörtern, Zahlen oder kurzen Sätzen weitgehend fehlerfrei schaffen, dann empfehle ich Ihnen, genau in diesem Bereich aktiv zu werden und in den nächsten 5 Wochen täglich 15minütige Laut-Lese-Übungen mit 5-gliedrigen Sätzen durchzuführen, die Sie empfohlener weise zunächst Sachbüchern entnehmen.
Beispiel: „Der Vogel fliegt zum Nest“ oder „Da zieht ein Unwetter auf“.
Es geht an dieser Stelle darum, am „äußeren Rand des neuronalen Lochs“ die noch vorhandenen sprachlichen Funktionen aufzurufen und zu nutzen, um das noch verbliebene Sprachsystem zu aktivieren.
Ich empfehle Ihnen, sich übungstechnisch diesseits Ihrer Fähigkeitsgrenzen zu bewegen und nur das aus- und durchzuführen, was Sie tatsächlich – ohne Hilfe - fehlerfrei können.
Je besser Sie durch zigmaliges, fehlerfreies Wiederholen ein und derselben Sprach- und Sprechhandlung genau diese Sprach- und Sprechhandlung fehlerfrei schaffen, desto sinnvoller und konsequenter wird der nächste Lernschritt in Richtung Erweiterung der Sprachfunktionen.
Das bedeutet, dass Sie so Ihr verbliebenes sprachliches Handlungs-Inventar aktivieren und damit erweitern.
Ein passendes Beispiel:
Der Übungsbedarf sei das fehlerfreie Nachsprechen von Wörtern.
Annahme:
Sie sind (als Trainee) in der Lage, einige wenige kurze Wörter des Alltags verständlich zu sprechen.
Dann kann Ihre Übungs-Intention sein:
Ich möchte gern viel mehr Wörter sprechen können.
Sie denken nun an die beste Vorgehensweise. Da fällt Ihnen beim Ausprobieren auf, dass Sie im Nachsprechen kurzer Wörter recht sicher sind.
Diese Fähigkeit greifen Sie auf und beschreiben eine Übung für sich:
Ich will in den nächsten 3 Wochen mit täglich je einer 15-minütigen Übungssitzung zunächst ein- bis dreisilbige Wörter wiederholt so lange hören und wiedergeben, bis ich diese geübten Wörter fehlerfrei wiedergeben kann.
Sie einigen sich mit Ihrer/Ihrem Übungspartner*in über das Übungs-Ziel und schreiben in Ihr Übungsbuch mit Datum und Uhrzeit:
Beispiel des Übungs-Ziels:
Ich werde in 3 Wochen zwanzig (oder weniger oder mehr, je nach Leistungsgrenze) drei- oder mehrsilbige Verben auswendig sprechen können. Diese Verben spreche ich zu Fotos, auf denen die Handlungen abgebildet sind.
Übungs-Durchführung:
Suchen Sie sich zusammen mit Ihrer/Ihrem Übungspartner*in 20 fotografische Abbildungen heraus, die Sie in kurzen SPO-Sätzen beschreiben und sich danach dann das infinitive Verb aufschreiben und oftmals vorsprechen lassen, wobei Sie das geschriebene Verb wiederholt scannen.
Sie schreiben unter jedes nummerierte Handlungs-Bild dann ein Verb im Infinitiv in Druckbuchstaben und alle Verben nummeriert gut leserlich in Ihr Übungsbuch.
In der Übung mit Ihrer/Ihrem Übungspartner*in spricht sie/er diese Verben vor und zeigt Ihnen die Handlungs-Abbildung.
Lernen Sie die Bedeutung des Verbs kennen. Sie hören konzentriert zu, prägen sich das Verb zu der Abbildung ein, lesen dasWort oftmals laut und fehlerfrei mit, Sie sprechen das Verb fehlerfrei zu der nummerierten Abbildung.
Sollte Ihnen Ihre/Ihr Übungspartner*in nicht live zur Verfügung stehen, dann bitten Sie sie/ihn, analog zu Ihren gemeinsamen Übungen die Verben auf Ihr Handy / Ihr Diktiergerät zu sprechen, um diese abhören und modellgetreu üben zu können.
Auf diese oder ähnliche Weise können Sie auch ohne Übungspart-ner*in das Wort-Sprechen trainieren und Ihr Übungs-Ziel erreichen.
Ich empfehle Ihnen, grundsätzlich „auf Nummer sicher“ zu gehen. Damit meine ich, dass Sie eine Übung, für die Sie sich entschieden haben, zuerst gemeinsam mit Ihrer Logopädin oder mit Ihrer/Ihrem Übungspartner*in durcharbeiten sollten und sich so gründlich zeigen bzw. so umfassend erklären lassen, dass Sie danach den Übungs-Ablauf sicher verstanden haben, ihn kennen und bei Bedarf Sie sich letztlich selbst korrigieren können.
Ich versuche Ihnen, nun einen Einblick zu vermitteln in die Formulierung von fünf Übungsanliegen, die wir später in anderem Zusammenhang vertieft behandeln werden.
1.4.1 Ihr persönliches Übungsanliegen: Nachsprechen üben
Wenn Sie erleben, dass Sie das, was Sie gerade gehört haben und wiedergeben wollen aber schnell wieder vergessen haben und nicht mehr erinnern können, dann ist es Zeit, solche Übungen durchzu-führen, mit deren Hilfe Sie das Gehörte besser behalten und auch besser genauso wiedergeben können.
Das Nachsprechen-Können ist eine wichtige Voraussetzung für das weitere Erlernen und Üben vieler Sprach- und Sprechhand-lungen.
Das Übungsanliegen heißt dann Nachsprechen üben.
Übungs-Intention:
Ich möchte gesprochene Sprache besser behalten und nachsprechen können.
Diese Intentionsdarstellung beschreibt Ihr Ansinnen, mit dem Sie die Verbesserung Ihrer Behaltens- und Nachsprechfähigkeit erreichen wollen. Wichtig ist nun, dass Sie diesem Ansinnen entsprechend eine konkrete Handlungs-Zielbeschreibung folgen lassen. Beispiel:
Übungs-Ziel:
Ich werde in 4 Wochen die Verdopplung meiner Behaltens- und Wiedergabe-Fähigkeit erreicht haben.
In der Vorbereitung des geordneten Übens zur diesem Übungsziel müssen Sie zunächst wissen, was Sie heute können, was heute tatsächlich möglich ist, wie Sie heute gehörte Sprache (Satz) behalten können.
Das können Sie ermitteln, indem Sie Ihre / Ihren Übungspart-ner*in bitten, z.B. wie folgt vorzugehen:
Bitten Sie sie/ihn zuerst
- einsilbige Wörter (z.B. „Ei“, „aus“, „Hans“ usw.) jeweils 1-, 2- und 3mal vorzusprechen, dann
- mehrsilbige Wörter 1-, 2- und 3mal vorzusprechen, beginnend mit 2-silbigen Wörtern wie „Ofen“, „Radio“, „Auto“, „Fahrrad“ und steigernd bis 4-, 5-, 6- und 7-silbigen Wörtern wie „Silbermünze“, „Autobeifahrer“, „Fahrrad-schlauch“, „Autobahn-Raststätte“, „Regenbogenfarben“ usw.,
- dann kurze Sätze / Fragesätze (drei-, vier-, fünf-, sechsgliedrig und länger) vorzusprechen wie z.B.
„Ich bin hier“, „Wo bist Du?“, „Was ist los?
„Wo gehst Du hin?“, „Essen wir heute gemeinsam?“
„Das Haus hat einen Garten“, „Das Angebot passt mir nicht“
„Der Schornsteinfeger kommt morgen zum Kassieren“
Achten Sie nun darauf, was beim Nachsprechen gelingt, was verständlich ist, was dem Vorgesprochenen ähnelt, und notieren Sie genau das.
Das, was gut gelingt, das machen Sie zu Ihrem Übungs-Inhalt, mit Erweiterungsmöglichkeiten für die nächsten 10 Übungssitzungen.
Übungs-Durchführung zusammen mit Übungspartner*in:
Lassen Sie sich anfangs 2, dann 3, 4 und dann 5 Wörter in einer Übungssitzung von Ihrer/Ihrem Übungspartner*in jeweils 5mal hintereinander in ruhigem Tempo deutlich vorsprechen.
Speichern Sie dabei jedes Wort, um es danach dann fehlerfrei nachzusprechen.
Wenn Sie spüren, dass Ihre/Ihr Übungspartner*in öfter vorspre-chen sollte, dann erhöhen Sie gemeinsam auf 8mal oder auf 10mal die Wiederhol-Rate.
Sie werden merken, welche Vorsprech-Frequenz günstig ist, wie oft Sie diesen sprachklanglichen In-Put brauchen, um zum fehlerfreien Nachsprechen zu kommen.
Wenn das bei Wörtern sicher klappt, dann lassen Sie sich kurze, dreigliedrige Sätze (wie „Das Kind lacht“ oder „Der Hund bellt“) und später längere Sätze jeweils mindestens 5mal vorsprechen, bevor Sie sie dann nachsprechen.
Wichtig ist, dass Sie sich auf den Sprachklang des Satzes konzentrieren, diesen speichern und dann modellgetreuwiedergeben. Das müsste klappen, wenn Sie den Satz-Klang im Kopf haben und ihn „abspielen“ lassen.
1.4.2 Ihr persönliches Übungsanliegen: Sprache speichern üben
Um Ihre neuropsychische Speicherfähigkeit und Ihre Nachsprech-Fähigkeiten zu steigern, sollten Sie Ihre Hör-Wahrnehmung, das Behalten des Gehörten (Speichern) und die Wiedergabe-Fähigkeit von gehörten Wörtern und Sätzen trainieren (Näheres weiter unten in Kapitel 2.6.1).
Wenn Sie mit Ihrer / Ihrem Übungspartner*in das Nachsprechen üben, dann sollten Sie nicht ihre / sein Mundbewegungen während ihres / seines Sprechens beobachten können, weil Sie sich als Trainee übungshalber ausschließlich auf das hörende Wahrnehmen und Speichern konzentrieren und sich nicht ablenken lassen sollen.
Deshalb steht / sitzt Ihre / Ihr Übungspartner*in hinter Ihnen.
Sie sitzen auf einem Lehnstuhl, Ihre/Ihr Übungspartner*in steht oder sitzt hinter Ihnen. Sie / Er spricht deutlich ein kurzes / längeres Wort jeweils 5mal mit kurzen Unterbrechungen zwischen den Wörtern vor, Sie hören konzentriert hin und versuchen dabei, das Gehörte gut zu speichern.
Sie/Er spricht in ruhigem Rhythmus deutlich. Dann, nach dem fünfmaligen, hochkonzentrierten Hören warten Sie zwei Sekunden. Nach dieser gewollten 2-Sekunden-Pause sprechen Sie dieses Wort dann fehlerfrei nach.
Den Übungseffekt, ein besseres Behalten, erarbeiten Sie dadurch, dass Sie das Gehörte in dieser 2-Sekunden-Pause im Gedächtnis behalten und danach das Wort abrufen und fehlerfrei sprechen.
Wenn das fehlerfreie Nachsprechen eines Wortes gelungen ist, dann spricht Ihre/Ihr Übungspartner*in Ihnen ein neues Wort wie beschrieben vor.
Das machen Sie bitte täglich mindestens 5 Minuten lang.
1.4.3 Ihr persönliches Übungsanliegen: Lautes Lesen üben
Zur Übung des lauten (Er-) Lesens lesen wir zunächst einzelheitlich lautierend. D.h., wir wandeln jeden Buchstaben des Wortes um in den entsprechenden Laut. Der geistige Vorgang, der dabei stattfindet, nennen wir graphematisch-phonematische Konversion.
Zunächst prüfen wir, wie unsere Lesefähigkeit beschaffen ist.
Fühlen Sie bei der Konversion Unsicherheit und wissen Sie nicht so recht, wie ein Buchstabe (Graphem) lautiert (ausgesprochen) wird, dann sollten Sie das Ihrer Logopädin sagen und sie bitten, mit Ihnen das Erlesen der Buchstaben zu erarbeiten.
Die Methode, die Ihre Logopädin anwendet, möge sie in Ihr Übungs-Buch schreiben. Vielleicht findet Sie Zeit, auch einen Lernschritt als Beispiel ausführlicher zu formulieren.
Daran können Sie und Ihre/Ihr Übungspartner*in sich dann bei Ihren heimischen Übungen orientieren und das Lautieren der Buchstaben weiter üben.
Sollten Sie diese Fach-Informationen von Ihrer Logopädin nicht bekommen können, dann schauen Sie sich einmal das Logovid® Buchstaben und Laute an.
Wer es schafft, ganzheitlicher laut zu lesen, d.h. Buchstabengrup-pen zu erfassen und diese zu lautieren, der sollte zunächst kurze, einsilbige Wörter wie „du“, „ja“, „nein“, „groß“ usw. und später mehrsilbige Wörter wie „Treffen“, „Spazierengehen“, „Ausruhen“ usw. laut lesen.
Wenn Ihre Logopädin oder Ihre/Ihr Übungspartner*in Ihre Laut-Lese-Fähigkeit als weitgehend gegeben beurteilt, dann sollten Sie für sich ein mehrmonatiges Laut-Lese-Projekt planen und mit Ihrer/Ihrem Übungspartner*in das fehlerfrei-lautierende Lesen von kurzen und längeren Sätzen bis zu komplexen Texten trainieren.
Das laute Lesen in der Übungssitzung soll drei Intentionen folgen: Es soll die Konversionsprozesse (re-) aktivieren, es soll das Lese-Sinnverständnis anregen, und es soll das Sprechhandeln verbessern.
Das laute Lesen, ich nenne es gern Lautlesen (was ich als Übungsinstrument verstehe), besitzt unter polimodalen Gesichts-punkten erstaunlich breites Wirkpotenzial: Lautlesen stimuliert das Sprechhandeln, Lautlesen dient dem besseren Lese-Sinnverständnis, Lautlesen kann als Trainings-Mittel zur Erarbeitung von Vortrags-fähigkeiten und so weiter für alle Formen der sprecherisch-interaktiven Handlungsformen wie Zwiegespräch, Rollenspiel, Sprechtraining, Rezitationen, usw. genutzt werden.
Lautlesen dient auch dazu, sich über das Eigenhören beim Sprechen insgesamt besser kontrollieren zu können. Außerdem triggert es die Sprachkompetenz.
Selbst bei schon erreichtem Lese-Sicherheitsgefühl rate ich Ihnen dringend, noch oft mit Ihrer/Ihrem Übungspartner*in das fehlerfreie Lautlesen zu üben.
Wenn Ihre/Ihr Übungspartner*in nicht zur Verfügung stehen kann, Sie aber dringend weiter üben wollen, dann empfehle ich auf einen medialen „Übungspartner-Ersatz“ zurückzugreifen, das kann die Logovid®-Reihe Sprechen und Lesen sein.
Öffnen Sie beispielsweise das Logovid® Sprechen und Lesen 002. Dann machen Sie sich auf den Weg und gehen auf der Route Wahrnehmen die 30 Szenensätze durch. Schauen Sie sich die 30 Videoszenen in aller Ruhe an und lernen Sie während des 20minütigen Durchgangs den Logovid®-Inhalt mit den gehörten und geschriebenen Sätzen kennen.
Dabei können Sie schon spüren, was da in Ihnen beim Laufenlassen der Videoszenen passiert, wie und ob Sie die Sätze verstehen und lesen können.
Auch wenn das für Sie unglaublich schwer ist und Sie im ersten Moment meinen, dass alles würde Sie überfordern – glauben Sie mir: Diese Unsicherheit wird sich mit jeder Wiederholung lichten wie ein sich öffnender Vorhang – vorausgesetzt allerdings sind drei Dinge:
- einmal eine langanhaltende Geduld.
Heute geht nichts mehr so fix wie früher. Zum Neuaufbau von Sprachnerven braucht es enorme Geduld, sowohl bei Ihnen als auch bei Ihrer/Ihrem Übungspartner*in. Geduld ist das eine,
- höchste Konzentration fokussiert auf das fehlerfreie Ausführen und Wiederholen der neu gelernten Sprach- und Sprechhandlungen ist das andere.
Das „explorierende Erforschen“ der Fähigkeiten und das Herausfinden von Fähigkeiten und Funktionen, die Ihr „altes“ Sprachnetzwerk mit dem neuronalen Loch Ihnen noch zur Verfügung stellt, ist sehr wichtig für Ihre weitere „Übungsprogrammatik“. Doch darüber später mehr.
1.4.4 Ihr persönliches Übungsanliegen: Fehlerfreie Satz-Sprech-Erlebnisse erzielen
Wie ich an anderer Stelle ausführlich beschrieben habe (Middeldorf und andere, 2024, S. 208 ff), können wir uns tatsächlich weitgehend fehlerfreie Satz-Sprecherlebnisse erarbeiten.
Allerdings bedarf es dazu der strikten Einhaltung bestimmter Vorgehensweisen, die ich „Sprech-Speicherphasen“ nenne.
Übungs-Intention
Ich möchte trotz meiner Aphasie fehlerfreie Satz-Sprecherlebnisse erreichen.
Übungs-Durchführung
Lassen Sie das Logovid® Sprechen und Lesen 002 auf der Route Wahrnehmen ca. zehnmal durchlaufen, heute einmal, morgen wieder einmal, und so fort noch achtmal in den nächsten Tagen.
Jeder Durchgang dauert rund 20 Minuten.
Ab dem fünften Durchgang sollten Sie versuchen, mit zunächst leiser Stimme, dann während der folgenden Durchgänge mit lauterer Stimme mitzulesen und mitzusprechen. Lassen Sie sich dabei nurvom Sprachklang leiten. Vielleicht erleben Sie eine Überraschung, dass Sie Ihnen das Sprechen irgendwie flüssig über die Lippen geht.
Später werden wir von sprachklangbasiertem Sprechen sprechen, bei dem wir später darauf achten werden, dass Ihre Aussprache modellgetreu, also „fehlerfrei“ ist.
Wenn Sie sich nicht sicher sind, dann rufen Sie Ihre / Ihren Übungspartner*in hinzu.
1.4.4.1 Erste Speicher-Phase(szenische, sprachklangliche und schriftlich-leserische Stimulation)
In der ersten Speicher-Phase (mehrsensorisches Wahrnehmen und kognitives Verarbeiten) konzentrieren Sie sich auf das szenische, sprachklanglich-sprecherische und das schriftlich-leserische Übungsangebot, was Sie und Ihre/Ihr Übungspartner*in in dem Übungs-Video wahrnehmen.
Sie lassen die handlungsbeschreibenden Sätze wiederholt laufen, schauen sich dabei die Handlungs-Szenen an und prägen sich bei jeder Wiederholung der Handlungs-Szene den Satzklang besser ein.
Beginnen Sie damit, dass Sie jede Szene bzw. jeden Satz anfangs mindestens 3- bis 5mal hochkonzentriert hörend wahrnehmen, die Schrift dabei „beiläufig“ scannen.
Die Aufgabe kann lauten: „Prägen Sie sich den Satz so intensiv ein, dass Sie ihn nach zahlreichen Wiederholungen auswendig sprechen können.“
Während des Einprägens empfehle ich Ihnen, sich zunächst beim Hinhören auf den Sprach-Klang zu fokussieren. Nehmen Sie bewusst bei jeder Wiederholung den Klang des Satzes auf – aber sprechen Sie dabei noch nicht mit.
Nach weiteren 10, 15 dieser Einpräge- und Speicher-Durchgängen spüren Sie, dass Sie den Sprachklang des Satzes nun so gut im Kopf gespeichert haben, dass Sie den Sprachklang genauso wiedergeben könnten, also sprachklangbasiert sprechen könnten.
Neuropädagogisch möchte ich Ihnen das erklären: Die oftmalige, synchrone Präsentation der Szene, des gesprochenen Satzes und des geschriebenen Satzes triggert bei Ihnen zentrale Verarbeitungs-ressourcen und generiert Speicherpotenziale durch Neu-Assoziie-rungen.
Dabei spielt Ihr nach wie vor existierendes Sprachgefühl eine gewisse Rolle.
1.4.4.2 Zweite Speicher-Phase(Einprägung durch Mitlesen und Mitsprechen)
In der zweiten Speicher-Phase, die wieder etwa 10 weitere Durchgänge umfasst, lenken Sie Ihren Blick konzentriert auf den Lesetext und sprechen den Text mitlesend zunächst leise murmelnd, dann lauter und deutlich sprechend mit.
Mit der Fokussierung auf die Schrift, während Sie den Sprachklang- wahrnehmen und verarbeiten, triggern Sie Ihre Lesekompetenz.
Intention ist, Ihre Konversionskompetenz, d.h. Ihre geistige Umwandlung der Buchstaben in Laute und umgekehrt der Laute in Buchstaben zu (re-) aktivieren.
Nach zahlreichen Durchgängen sollten Sie die Klanggestalt des Vorgesprochenen bereits im Kopf haben und weitgehend die Schrift fehlerfrei „laut“ mitlesen können.
1.4.4.3 Dritte Speicher-Phase(Sprech- und Automatisierungs- phase)
In der dritten Speicher-Phase lassen Sie wieder denselben handlungsbeschreibenden Satz laufen. Probieren Sie über oftmaliges Sprechen dieses Satzes aus, ob Sie es schaffen, diesen Satz nun auswendig fast / weitgehend / fehlerfrei /mit Ablesen / ohne abzulesen / aus dem Gedächtnis „auswendig“ sprechen zu können.
In diesem Moment ist es wieder ratsam, die/den Übungspartner*in zur Beobachtung Ihres Sprechhandelns herbei-zurufen.
Mit Ihrer/Ihrem Übungspartner*in kann es dann übungstech-nisch weitergehen, indem Sie das Logovid® ohne Ton laufen lassen und den eingeprägten Satz/die eingeprägten Sätze zu den Szenen möglichst auswendig und fehlerfrei sprechen.
Das Resultat ist Ihr sprachlicher Vortrag zu den Szenen.
Im Übrigen:
In gewissen Zeitabständen ist es grundsätzlich sinnvoll, sogenannte „Fremdprüfungen Ihres Sprach- bzw. Sprechhandelns“ von Ihrer/Ihrem Übungspartner*in durchführen zu lassen. So gewährleisten Sie „Qualitäts-Kontrollen“ in Ihrem Übungsprozess.
Empirische Erhebungen im Rahmen ähnlicher, repetitiv angelegter Sprach-, Sprech- und Lese-Übungsreihen ergaben in einem wissenschaftlich angelegten Therapie-Projekt 2012 im LogoZentrum Lindlar, dass bei jeder/jedem der 8 aphasischen Teilnehmer*innen posttherapeutisch zu Hause deutliche Steigerungseffekte bei der Sprachproduktions-Menge und der „Qualität“ der Sprachäußerungen von den Familienangehörigen beobachtet werden konnten.
Daraus leiten wir für uns folgenden Gedanken ab:
Wenn Sie einen Satz ‚fehlerfrei‘ zu sprechen gelernt haben und Sie Ihr fehlerfreies Sprechhandeln häufig, z.B. von Woche zu Woche durchführen und den Satz jeweils mehrmals fehlerfrei sprechen, dann zieht das ‚Kreise‘ in Ihrem neuronalen Sprach-Netzwerk.
Dadurch triggern Sie Ihr Sprech-System und bereiten damit weitere eigene und kreative Neu-Sprechaktivitäten vor.
Es kann dann durchaus wahrscheinlich werden, dass Ihnen beim spontanen Sprechen Weiteres einfällt, was Sie probieren können und dann erleben, dass Sie auf diese Weise Ihr Sprech-Vermögen erweitert haben.