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Wer regelmäßig die Schule schwänzt, riskiert nicht nur seinen Abschluss. Auch der weitere berufliche Werdegang ist bei Schulschwänzern beeinträchtigt. Das hat finanzielle Auswirkungen. Bei den Betroffenen ist es deshalb besonders wahrscheinlich, dass sie einen kriminellen Lebensweg einschlagen. Drogendelikte, Diebstahl oder Sachbeschädigungen sind die häufigsten Formen krimineller Akte von Schulschwänzern. Doch wie Ingrid Detter in ihrer Publikation verdeutlicht, weist schulabsentes Verhalten keine homogenen Strukturen auf. Die Ursachen und Einflüsse sind vielfältig. Welchen Einfluss hat die Familie darauf, ob Schülerinnen und Schüler regelmäßig zur Schule gehen? Welches Erziehungsmodell ist heute zeitgemäß? Ingrid Detter erklärt, woher Schulabsentismus kommt und wie die Familie positiv auf Kinder und Jugendliche einwirkt. Aus dem Inhalt: - Schulpflicht; - Bildungssystem; - Schulbildung; - Unterricht; - Gesellschaft; - Eltern
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Seitenzahl: 70
Veröffentlichungsjahr: 2019
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
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Impressum:
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Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1 Übersichtsgegenstand: Schulabsentismus
2 Zugrundeliegende Theorie: Kontrolltheorie nach Travis Hirschi
3 Die Entwicklung von Werten, Normen und Moral
3.1 Werte, Normen und Moral: Begriffsdefinitionen
3.2 Lawrence Kohlberg: Theorie der moralischen Entwicklung
4 Familiale Einflüsse im Lichte der Theorie
4.1 Strukturmerkmale
4.2 Innerfamiliale Merkmale
Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tom Sawyer, Pippi Langstrumpf und Emils Detektive – schulschwänzende Heranwachsende, die durch ihre abenteuerlichen Erlebnisse fernab von Schulglocke und Hausaufgaben eine Vielzahl an Lesern zum Schmunzeln bringen. Im 18. und 19. Jahrhundert noch Gegenstand literarischer Unterhaltung, rückt der Schulabsentismus im 21. Jahrhundert zunehmend in den Fokus der Medien und zieht damit auch die Aufmerksamkeit von Politik und Gesellschaft auf sich (Dunkake, 2010). Folglich stellt der Schulabsentismus kein Randphänomen dar, welches unbeachtet von der Bildfläche verdrängt werden kann. Dies äußert sich nicht zuletzt in europäischen Initiativen, die sich eine Senkung der Schulabbrecherquote als Ziel setzen. Weiterhin nehmen sich auch Bund und Länder dieses Problems an (Ricking, 2014), denn im Jahr 2017 lag die Zahl der Schulabgängerinnen und Schulabgänger ohne Schulabschluss in der Bundesrepublik Deutschland bei 52.685 (6,3%) (Statistisches Bundesamt, 2018).
Während Tom, Pippi und die Detektive in den meisten ihrer Abenteuer nahezu unversehrt davonkommen, stellt der Schulabsentismus für Kinder und junge Erwachsene trotz gesetzlich verankerter Schulpflicht in der Gegenwart eine reale Versuchung und damit einhergehend auch eine reale Gefahr dar. Durch regelmäßiges Fernbleiben erreichen Schülerinnen und Schüler in der Regel keinen Schulabschluss und müssen sowohl mit beruflichen, als auch finanziellen Nachteilen im weiteren Verlauf ihres Lebens rechnen (Wagner, 2007). Besonders alarmierend ist jedoch die Tatsache, dass Schulabsente in Gefahr laufen, kriminelle Wege einzuschlagen: Drogendelikte, Diebstahl oder Sachbeschädigungen stellen dabei die häufigste Form krimineller Akte dar (Wilmers et al., 2002).
Schulabsentes Verhalten weist keine homogenen Strukturen auf. Ursachen und Einflüsse könnten – genau wie Schülerinnen und Schüler – unterschiedlicher nicht sein.
In der vorliegenden Bachelorarbeit im Rahmen des Studiengangs Bachelor of Education soll der Schulabsentismus im Zusammenhang mit einer speziellen Einflussgröße betrachtet werden: der Familie. Als Lehrperson hat man nicht nur täglichen Kontakt mit Schülerinnen und Schülern, sondern auch mit deren Eltern und Familien. In den letzten 30 Jahren sind die Leistungsanforderungen in Deutschland gestiegen. Dynamiken im Bildungs- und Wissenschaftssystem mit kontinuierlichen Änderungen bedeutet für Erziehungsberechtigte, alte Erziehungsnormen zu überdenken und gegebenenfalls neue zu übernehmen (Nave-Herz, 2008). Neben innerfamilialen Merkmalen ändern sich auch familiale Strukturmerkmale. Geschuldet ist dies einer zunehmend voranschreitenden Globalisierung, welche stetig zur Veränderung von Lebens- und Gesellschaftsformen beiträgt (Blasius & Schmitz-Roden, 2014). Als Folge sind Erziehungsberechtigte oftmals nicht mehr in der Lage, Probleme innerhalb der Familie und Erziehung mit angemessener Ruhe und Geduld zu lösen. Die dadurch hervorgerufene Unsicherheit der Eltern führt zu einer Art Anspruchsdenken gegenüber Lehrpersonen. Erleben Kinder und Jugendliche Probleme in der Schule und ihren Sozialisationsprozessen, tragen in Augen der Eltern oftmals die Lehrerinnen und Lehrer Schuld (Nave-Herz, 2008). Tatsächlich gilt jedoch die Familie als der Ort, an dem das Individuum schon im Kleinkindalter mit gesellschaftlichen Vorstellungen und Erwartungen in Berührung kommt. Die Familie ist der Ursprungsort aller Gesellschaften und allen Zusammenlebens – in allen Kulturkreisen. Zu ihren primären Aufgaben gehören neben der Kindszeugung auch die Erziehung des Nachwuchses, um die Gesellschaft zu erhalten. Ferner ist es der Familie Pflicht, Kulturleistungen zu vermitteln. Dazu gehören unter anderem Sprache, aber vor allem geltende Normen und Werte (Blasius & Schmitz-Roden, 2014). Weisen Kinder und Jugendliche von Normen und Werten abweichendes Verhalten auf, so werden die Blicke auf die Familie gerichtet (Dunkake, 2010).
Welchen Einfluss übt die Familie, wenn Schülerinnen und Schüler die Schule trotz gesetzlicher Schulpflicht nicht regelmäßig besuchen?
Das Schulschwänzen stellt im rechtlichen Kontext eine Ordnungswidrigkeit dar, da es die in Deutschland herrschende Schulpflicht verletzt. Vollendet ein Kind bis zum jeweils 30. Juni eines Jahres sein sechstes Lebensjahr, so ist es verpflichtet, die Schule ohne Abbruch zu besuchen. Dabei beträgt die gegenwärtige Schulpflicht in Deutschland 12 Jahre. Dieser Wert setzt sich zusammen aus neun Vollzeit- und drei Teilzeitschuljahren (Wagner, Dunkake & Weiß, 2004). Der Schulbesuch ist eine von der Gesellschaft institutionalisierte Erwartung an schulpflichtige Kinder und Jugendliche. Wird diese Erwartung verletzt, verstößt das Individuum durch seine unentschuldigten Fehlzeiten gegen die Norm der Schulpflicht und somit des regelmäßigen Schulbesuchs (Dunkake, 2010).
Im allgemeinen Sprachgebrauch ist der Begriff Schulschwänzen negativ konnotiert. Oftmals erweckt er den Eindruck, Schülerinnen und Schüler nehmen die bekannte „Null-Bock-Haltung“ ein und vergnügen sich außerhalb der Unterrichtszeit und des Schulgebäudes. Dass der Stuhl im Klassenzimmer leer bleibt, kann jedoch durchaus andere Motive und Gründe haben als das klassische Schwänzen. Schulschwänzen, Schulverweigerung, Schulversäumnis, unregelmäßiger Schulbesuch; Begrifflichkeiten, die alle ein verwandtes Phänomen beschreiben, in ihrer Betrachtung und Definition jedoch unterschiedliche Schwerpunkte setzen (Dunkake, 2010). Familiäre Lebens- und Erziehungsbedingungen, individuelle psycho-soziale Merkmale der Heranwachsenden, schulische Lehr- und Lernbedingungen, Gleichaltrige und die sogenannten Peers spielen – je nach Form und Kategorie des Schulabsentismus – ebenfalls eine entscheidende Rolle (Ricking, 2014).
Um sich auf das Phänomen des Schulabsentismus einzulassen, empfiehlt es sich, den Begriff Schulabsentismus zunächst wertfrei als Fehlzeit in Unterricht und Schule zu definieren, unabhängig von rechtlicher Legitimation (Seeliger, 2015).
Zentrales Moment des Absentismus ist folglich die körperliche Abwesenheit der Schülerinnen und Schüler aus dem gesamten Wirkbereich der Schule als Institution.
Als eine Art „Vorform“ des Schulabsentismus kann zu Beginn ein schulablehnendes Verhalten beobachtet werden. Die körperliche Anwesenheit der Betroffenen ist zwar gegeben, den schulischen Anforderungen und Abläufen stehen sie jedoch mit ablehnender Haltung gegenüber. Sie haben innerlich abgeschaltet und folgen dem Unterrichtsgeschehen nicht mehr. Diese anfängliche Aversion äußert sich weiterhin unter anderem durch Schulunlust, Unterrichtsstörungen, Zuspätkommen, Schulversagen, Motivationsproblemen und Angst. Mit der Schulaversion beginnt eine Art Entkopplung der Kinder und Jugendlichen von der Schule (Ricking, 2014).[1] Um den Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht zu sprengen, wird der Schulabsentismus in diesem Kapitel in zwei Unterkategorien gegliedert, die für die weitere Diskussion relevant sind: Schulschwänzen und elterliches Zurückhalten.
Schulschwänzen
Der Begriff des Schulschwänzens wird am meisten in unserer Alltagssprache verwendet. Er bezeichnet das unmissverständliche Wegbleiben im Unterricht ohne (schul)rechtlich legitimen Grund (Seeliger, 2015). Dabei finden die Versäumnisphasen in unterschiedlicher Intensität, jedoch wiederkehrend statt (Ricking, 2014). Bis zu einem gewissen Grad spiegelt das Schulschwänzen kein ungewöhnliches Verhalten wider, denn vereinzeltes Fehlen wird oft als ein Bestandteil in der Entwicklung Jugendlicher gesehen (Dunkake, 2010; Seeliger, 2015). Die Fehlzeiten können auch im Nachhinein noch über ein formales Entschuldigungsschreiben der Eltern legitimiert werden. Dabei handelt es sich bei den versäumten Tagen oder Stunden nicht selten um das Meiden ungeliebter Schulfächer oder dem einfachen Grundbedürfnis von Schülerinnen und Schülern, sich eine Auszeit vom schulischen Alltag nach ihren individuellen Bedürfnissen zu nehmen (Seeliger, 2015). Dennoch kann das Schulschwänzen auch auf weniger harmlosen Absichten gründen. In vielen Fällen herrscht eine aversive Einstellung gegenüber der Schule als Institution.
Damit einhergehend ist ebenfalls eine gewisse Abneigung gegen die Lehrpersonen und das Unterrichtsgeschehen gegeben – sowohl inhaltlich, als auch formal. Durch das regelmäßige Wegbleiben, Zuspätkommen oder die nicht vorhandene Mitarbeit positionieren die Schülerinnen und Schüler sich klar gegen die Schule.