Schule, Moschee, Elternhaus - Werner Schiffauer - E-Book

Schule, Moschee, Elternhaus E-Book

Werner Schiffauer

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Beschreibung

Das Verhältnis zwischen Schulen und muslimischen Elternhäusern ist belastet, wenn nicht zerrüttet. Viele Lehrer reagieren ungehalten auf Muslime, die nur selten als Bereicherung empfunden werden. Die Eltern fürchten Diskriminierung und die Entwertung der Religion. Konflikte um Schwimmunterricht und Klassenfahrten sind nur der sichtbarste Ausdruck dieser Spannungen. Im Rahmen des Projektes »Brücken im Kiez« haben Werner Schiffauer und sein Team einen Dialog zwischen Eltern, Vertretern von Moscheegemeinden und Lehrern initiiert und versucht, einen Lernprozess in Gang zu setzen. Jenseits aller Klischees von Parallelgesellschaften und Integrationsverweigerung zeigen sie auf, wo konkret die Hürden für ein besseres Miteinander liegen.

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EPUB
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Seitenzahl: 356

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Die Präsenz des Islams ist nur die sichtbarste Form der »Wiederkehr der Götter« (Friedrich Wilhelm Graf) in der gegenwärtigen Gesellschaft. Vor allem in ihren konservativen Spielarten, dem Evangelikalismus, dem strenggläubigen Islam und dem ultraorthodoxen Judentum wird die neue Präsenz der Religionen als Herausforderung für die Institutionen des säkularen Staats, allen voran die Schule, wahrgenommen. Die ersten Antworten sind Distanzierung, Abwehr und sozialer Druck; die Folgen gesellschaftliche Verhärtung. Dagegen hat Jürgen Habermas gefordert, den liberalen Staat in Richtung auf eine postsäkulare Kultur weiterzuentwickeln.

 Das Anliegen des Projekts »Brücken im Kiez« war es, diese Forderung praktisch umzusetzen. Werner Schiffauer und das Team der Stiftung Brandenburger Tor in Berlin haben einen Dialog zwischen Eltern, Vertretern von Moscheegemeinden und Lehrern initiiert. Durch eine ethnologische Intervention haben sie versucht, neue Wege im Umgang mit der postsäkularen Situation zu finden. Jenseits aller Klischees von Parallelgesellschaften und Integrationsverweigerung zeigen sie konkret, wo Hürden und wo die Möglichkeiten für ein besseres Miteinander liegen.

 Werner Schiffauer, geboren 1951, ist Professor für Kulturanthropologie in Frankfurt an der Oder. In der edition suhrkamp erschien von ihm zuletzt Nach dem Islamismus. Die islamische Gemeinschaft Milli Görüş

Werner Schiffauer

Schule, Moschee, Elternhaus

Eine ethnologische InterventionUnter Mitwirkung von Neslihan Kurt, Susanne Schwalgin und Meryem Uçan

»Brücken im Kiez« – Ein Projekt der Stiftung Brandenburger Tor

Suhrkamp

eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2015

Der vorliegende Text folgt der 1. Auflage der edition suhrkamp 2699.

© Suhrkamp Verlag Berlin 2015

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung, des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.

Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

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Satz: Satz-Offizin Hümmer GmbH,Waldbüttelbrunn

Umschlag gestaltet nach einem Konzept

von Willy Fleckhaus: Rolf Staudt

eISBN 978-3-518-74291-4

www.suhrkamp.de

Schule, Moschee, Elternhaus

Für Elsa

Inhalt

Werner Schiffauer

Vorwort

Werner Schiffauer

Einleitung

Das Projekt »Brücken im Kiez«

Die gestresste Gesellschaft

Das Feld Schule

»Brücken im Kiez«: Ein Projekt der Stadtteilarbeit

»Brücken im Kiez«: Ein Projekt der ethnologischen Aktionsforschung

»Brücken im Kiez«: Eine Ethnographie der politischen Alltagskultur

Postscriptum

Meryem Uçan

Keine Barrierefreiheit: Migranteneltern und Schule

Sozio-kulturelle Barrieren

Sprachliche Barrieren

Faktor Diskriminierung

Fehleinschätzungen/Teufelskreise

Zwei Fälle

Schluss

Werner Schiffauer, Susanne Schwalgin

Akteur Schule – Eine Fallstudie

Der Zugang

Porträt einer Kreuzberger Schule

Die Herausforderung: Identitäten und Ressourcen

Das entscheidende Treffen: Ein Kulturschock

Die Gründe des Scheiterns

Werner Schiffauer

Akteur Islamische Gemeinden: Identitäten und Ressourcen

Die islamischen Gemeinden in Deutschland: Ein Porträt

Stärken und Schwächen der Selbstorganisation

Der Schutt der Jahre: Die Geschichte eines schwierigen Verhältnisses

Gemeindeprofile

Zeitlogik der Improvisation

Neslihan Kurt, Werner Schiffauer, Meryem Uçan

Die Arbeit an der Vernetzung. Ein Projektbericht

Die Elternseminare

Die Brückengespräche

Werner Schiffauer

Werner Schiffauer

Vorwort

2008 wurde ich in den Wissenschaftlichen Beirat der Stiftung Brandenburger Tor berufen. In diesem Rahmen entwickelte ich das Projekt »Brücken im Kiez«. Die Idee war es, in Berlin Perspektiven einer Bildungspartnerschaft von Moscheegemeinden und Schulen auszuloten und damit einen Beitrag zu dieser Partnerschaft zu leisten, das belastete Verhältnis zu entkrampfen und Synergien freizusetzen.

In diesem Projekt lernte ich Schulen und Moscheegemeinden aus einer anderen und neuen Perspektive kennen. Das Wichtigste an dem Projekt aber war die Bekanntschaft mit Menschen, von denen ich sehr viel lernte. An erster Stelle sind hier die Projektmitarbeiter zu nennen: vor allen anderen die Ethnologin Susanne Schwalgin, die von 2008 bis 2012 das Projekt leitete. Ihr Verdienst war es, die allgemeine Idee in die Praxis umzusetzen und das heißt: sie lebendig zu machen. Als das Projekt nach einem ersten Jahr in der Krise war, gelang es Susanne Schwalgin zusammen mit Meryem Uçan einen neuen Zugang zu finden. Nach 2012 ging die Projektleitung in die Hände von Meryem Uçan und Neslihan Kurt über. Beide haben das Projekt tatkräftig weiterentwickelt. Von ihnen habe ich unendlich viel über das Innenleben der Gemeinden gelernt. Meryem Uçan verbindet in sich die Leidenschaft einer Ethnographin mit pädagogischer Kompetenz. Die Islamwissenschaftlerin Neslihan Kurt brachte außer ihrer Fachkompetenz die Fähigkeiten einer hervorragenden Organisatorin in das Projekt ein. Bedanken möchte ich mich auch bei Ercan Umaç, der am Anfang dabei war. Ich bin beim Verfassen des Berichts immer wieder auf Einsichten zurückgekommen, die er formuliert hatte, für die wir aber seinerzeit kein Ohr hatten. Besonders erwähnen möchte ich auch den Religionswissenschaftler Joachim Willems, der uns, solange es seine berufliche Situation erlaubte, tatkräftig beiseitestand.

Dann ist natürlich der Stiftung Brandenburger Tor zu danken. Es war alles andere als selbstverständlich, dass Vorstand und Kuratorium der Stiftung das Projekt auch durch Zeiten der Krisen getragen haben. Mein Dank gilt dabei vor allem meinen Kollegen aus dem Wissenschaftlichen Beirat, Sybille Volkholz und Harm Kuper, der persönlichen Anteilnahme von Caroline Armand und Pascal Decker und dem persönlichen Einsatz von Wolf Lepenies, der das Projekt im Kuratorium vertreten hat.

Sehr wichtig war für mich auch die Bekanntschaft mit Lehrern, Schulleitern und Sozialarbeitern. Pädagogen aus Leidenschaft, die hartnäckig und gegen große Widerstände versuchen, neue Wege zu gehen. Johannes Neuwirth, Heiner Meise, Holger Hänel, Markus Schega, Mark Braden, Dorothea Mandera, Irmgard Zingelmann, Andreas Müller-Röpke, Enno Ebbert, Aydın Bulut, Christiane Müller und Mandy Schmidt. Sie alle haben trotz eines vollen Arbeitspensums viel Zeit in die Projektsitzungen investiert. Sie sind aus Gründen des Personenschutzes im Text anonymisiert – deshalb der Dank an dieser Stelle.

Dank auch den Mitgliedern der Gemeinden und den Eltern, die regelmäßig am Gesprächskreis teilnahmen: Ayşe Eryığıt, Ayşe Ulusoy, Fatma Bıyıklı, Gülbeyaz Karaağaç, Merve Türker, Suheda Özger, Zeinab Khalife, Perrin Akçınar, Ercan Yılmaz, Süleyman Küçük, Murat Kayabaş, Tahir Sözen, Osman Tutkun und Aydın Karakoç.

Mein Dank gilt ferner den Moscheegemeinden (und insbesondere ihren Vertretern), mit denen wir kooperiert haben: das alevitische Kulturhaus; das Fatih Kulturhaus, die Gazi Osman Paşa Moschee, die Mevlana Moschee der Milli Görüş; die DİTİB Gemeinde und der Verband Islamischer Kulturzentren.

Erwähnt werden müssen die Dolmetscherin Hatice Genç und unsere Fotografin Wiebke Pöpel.

Wichtiges Feedback zum Manuskript erhielt ich von Leonie Schiffauer, Julia Eckert und Bernard Christophe.

Schließlich gilt mein Dank den Projektpartnern, mit denen wir in der einen oder anderen Projektphase kooperierten, vor allem dem Arbeitskreis Neue Erziehung.

Zum Schluss ein persönliches Wort. Dieses Projekt war mir deshalb so wichtig, weil es mir ermöglichte, unterschiedliche Stränge meines Lebens miteinander zu verknüpfen. Zum einen ist Kreuzberg, seit ich 1973 als Student dorthin zog, meine Heimat geworden. Zweitens bin ich als Vater von zwei schulpflichtigen Kindern, die an einer Kreuzberger Schule unterrichtet werden, mit den hier angesprochenen Fragen persönlich konfrontiert. Drittens arbeite ich seit vierzig Jahren kontinuierlich als Ethnologe über türkische Einwanderung und islamische Gemeinden. Das Projekt war für mich eine Chance, einige der empirisch gewonnenen Erkenntnisse in die Praxis umzusetzen – ein äußerst lehrreicher Prozess, der mir zeigte, wie viel komplexer die gelebte Realität als die wissenschaftliche Erkenntnis ist. Und schließlich erlaubte mir das Projekt, an einer Leidenschaft für pädagogische Fragen wieder anzuknüpfen, die sich zu Beginn in der Kombination meiner Studienfächer, nämlich Pädagogik und Ethnologie, zeigte.

Werner Schiffauer

Einleitung

Das Projekt »Brücken im Kiez«

Das Verhältnis zwischen Schulen und muslimischem Elternhaus ist belastet, wenn nicht gar zerrüttet. Viele Lehrer und Schulleiter reagieren sichtlich gestresst auf die Präsenz von praktizierenden Muslimen. Manchmal bewusst, öfter noch unbewusst, werden Signale ausgesandt, dass Kinder aus gläubigen muslimischen Elternhäusern nicht die Traumklientel der Schule bilden. Ein hoher Anteil von Schülern aus muslimischen Elternhäusern gilt als Indikator für Problemschulen. Nur selten wird ihre Anwesenheit als Bereicherung empfunden. Muslimische Familien werden als Hort einer patriarchalen Ordnung, der Frauenfeindlichkeit und des Autoritarismus angesehen. Sie zu integrieren, gilt als eine Herausforderung – wenn sie überhaupt möglich erscheint.

Dem korrespondiert ein ausgeprägtes Misstrauen auf der anderen Seite. Während von Migranten der ersten Generation vor allem der kulturelle Einfluss auf die Kinder und die damit verbundene Entfremdung gefürchtet wurden, werden von der zweiten und dritten Generation Diskriminierung und die Entwertung des eigenen kulturellen Hintergrunds befürchtet. Kurz: Elternhaus und Schule problematisieren den Einfluss der jeweils anderen Erziehungsinstitution auf die Kinder. Sie ziehen nicht an einem Strang, sondern versuchen, dem kulturellen Einfluss der je anderen Seite entgegenzutreten und ihn nach Möglichkeit zu neutralisieren. Nicht selten bestimmen stereotype Ansichten das Verhältnis. In dieser Situation gestaltet sich die Zusammenarbeit zwischen Elternhaus und Schule äußerst schwierig. Ein Ausdruck dieser Situation ist die Tatsache, dass muslimische Eltern sich von der Schule zurückziehen. Wenn sie mit Lehrern zusammenkommen, ist die Atmosphäre oft gereizt, manchmal sogar explosiv. Damit wird eine Negativspirale in Gang gesetzt. Die Lehrer sehen sich in ihren Annahmen durch das Verhalten der Eltern bestätigt. Die Leidtragenden dieser Situation sind die Kinder.

Nun hatte ich in einer mittlerweile jahrzehntelangen ethnologischen Arbeit über islamische Gemeinden den Eindruck gewonnen, dass dieser Stress nicht in jedem Fall zwangsläufig eintreten müsste. Ich war beeindruckt davon, wie sehr sich die islamischen Gemeinden gerade im Bildungsbereich engagieren. Sie ermutigen die Eltern, ihre Kinder – und zwar sowohl Söhne als auch Töchter – auf die weiterführenden Schulen zu schicken; sie bieten Nachhilfeunterricht an und versuchen, durch eine umfangreiche Jugendarbeit dem Einfluss der »Straße« etwas entgegenzusetzen. Immer wieder wurde mir von muslimischen Studierenden der zweiten und dritten Generation erzählt, dass sie ihre Bildungslaufbahn den islamischen Gemeinden verdanken. Dieser Eindruck stand am Anfang des Projekts »Brücken im Kiez«: Wäre es nicht sinnvoll, den Versuch zu unternehmen, das belastete Verhältnis von Familie und Schule mit Hilfe der Gemeinden zu entkrampfen? Könnte man durch die Etablierung einer Zusammenarbeit von Moscheegemeinden und Schulen synergetische Energien freisetzen? Könnte man damit nicht gerade diejenigen Eltern erreichen, die sonst unerreichbar sind? Könnte man durch Zusammenarbeit im Bereich der Erziehung nicht auch die Stereotypen übereinander aufbrechen? Sollte es nicht möglich sein, über eine Politik der kleinen Schritte eine Kultur des Vertrauens aufzubauen? Ermutigt wurde dieses Projekt auch durch die Selbstverständlichkeit, mit der derartige Kooperationen in der amerikanischen Gesellschaft gang und gäbe sind.

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