Sechs Geschichten von der Liebe und vom Tod - Peter-Otto Kreiner - E-Book

Sechs Geschichten von der Liebe und vom Tod E-Book

Peter-Otto Kreiner

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Beschreibung

Sechs Geschichten von Liebe, Lust und Leidenschaft, Eifersucht, aber auch Opferbereitschaft. Liebe ist eine der stärksten Triebfedern des Menschen. Sie kann Himmel und Hölle gleichzeitig sein. Manchmal ist aber der Tod die unmittelbare Folge einer unerfüllten Liebe. Davon handeln die folgenden Geschichten.

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Der Autor

Peter-Otto Kreiner, geboren am 18. Juli 1947 in Steyr. Wohnt jetzt in Dietach bei Steyr.

Früher Immobilienmakler und Kommunalbeamter, ist jetzt Pensionist. Schreibt Kinderbücher, Krimis und Erzählungen.

Inhaltsverzeichnis:

Vorwort

Die Mär vom Big Mac

Der Mentor

Der Sinn des Lebens

Elegie im Herbst

Himmel und Hölle

Liebe im Krieg

Geschichten von der Liebe und vom Tod

(Ein Vorwort)

Liebe und Tod! Zwei ultimative Ereignisse in unserer Existenz. Nicht jede Geschichte endet mit dem Tod. Manchmal bedarf es nicht des Todes, dass eine Geschichte tragisch endet. Es genügt, dass eine Episode unwiederbringlich zu Ende geht und so einen glücklichen Ausgang nicht zulässt. Sei es, dass zwei Liebende sich trennen müssen, sei es, was die tragischere Form darstellt, dass beide in die Routine des Alltags abrutschen und langsam aber sicher die echte Zuneigung durch Gewohnheit ersetzt wird

Manchmal bezeichnet man, besonders in Frankreich, die Liebe als den kleinen Tod. Besser könnte man es nicht ausdrücken. Wenn jemand wirklich liebt, dann stirbt seine bisherige Person, er ordnet alles dieser Liebe unter. Aus Feiglingen werden Helden, aus Zwergen Riesen, und selbst aus Lethargikern können grimmige Aggressoren werden. Liebe macht blind. Wie könnte sie sonst funktionieren? Gäbe es die rosarote Brille nicht, die unangenehme Eigenschaften gnädig kaschiert, wäre die Menschheit bereits ausgestorben. Liebe hat in letzter Konsequenz den Sinn, Leben entstehen zu lassen oder zumindest menschenwürdig zu ermöglichen. Der Tod ermöglicht der Liebe aber, einen geraden Schlussstrich zu ziehen, ohne Schuld, bitteren Beigeschmack, oder schlechtem Gewissen.

Und was ist mit dem Tod? Wozu muss der sein? Nun, in der Natur hat er den Sinn, die Evolution zu ermöglichen. Wie soll sich Leben weiterentwickeln, wenn es nicht eine Kraft gibt, die ihm Platz schafft? Nur, der Tod hat seine Zeit. Wenn die Uhr abgelaufen ist, tritt er ein und man kann ihn nicht verschieben oder verhindern. Allerdings manchmal tritt er ungeplant oder viel zu früh ein. Dann ist er tragisch. Gerade in Verbindung mit der Liebe tritt dieser Fall oft ein. Liebe und Tod, das sind ungleiche Zwillinge.

Darüber Geschichten zu schreiben hat einen großen Reiz und stellt eine Herausforderung der besonderen Art dar. Ich hoffe, es ist gelungen.

Die Mär vom Big Mac

Wenn man von Steyr kommend entlang der heutigen Bundesstraße nach Enns fährt, dann kommt man im Gebiet der Gemeinde Dietach über den sogenannten „Heuberg“. Kurz nach der Bergkuppe biegt eine Straße nach links ab. In deren Verlauf, nach ungefähr zwei- bis dreihundert Meter sieht man Linkerhand eine kleine Kirche, welche zu der Ortschaft Stadlkirchen gehört.

Dieses Stadlkirchen hatte im Mittelalter und auch noch später ein herrschaftliches Schloss, welches besonders zur Zeit der Türkenkriege des Öfteren überfallen und schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde. Heute ist es verschwunden und nur einige dieser Geschichten von damals sind noch erhalten. Eine dieser Begebenheiten wird hier im Folgenden erzählt:

Im Jahr 1683 zog Pascha Schani, ein Kriegsherr der Türken, mit einem Schwarm Berittener durch das Land ob der Enns. Von Amstetten kommend, schwärmten seine Horden durch das Land, überall Not und Elend, Brand und Plünderung zurücklassend. Seine Wege führten ihn auch nach Steyr. Dort jedoch hielten die Bürger gute Wacht und so schien es ihm zu riskant, einen Überfall auf die Stadt zu wagen, zumal seine Scharen nur mit leichten Waffen ausgerüstet waren, welche gegen die Geschütze, die auf der Ennsleiten und insbesondere auf der Schanze zur Fischhub untergebracht waren, wenig Chancen auf Erfolg hatten.

Auf der Anhöhe am linken Ufer der Enns, dem heutigen Tabor, schlug er sein Lager auf und begann die Gegend zu erkunden. Aber überall, wo seine Kundschafter hinkamen, stießen sie auf eine intakte Verteidigung der Stadt. Er entschloss sich daher, zusammen mit seiner Truppe die Stadt in Richtung Norden wieder zu verlassen, und so führte ihn sein Weg nach Dietach.

Die Bürger von Dietach waren vorgewarnt, die wenigen, die blieben, hatten sich in der Kirche verbarrikadiert, und, weil die umliegenden Gehöfte jetzt ohne Bedeckung waren, konnten die Türken dort nach Herzenslust wüten. Sie brandschatzten, sie plünderten in der Ebene nördlich von Gleink. Die Bürger von Dietach, welche in der Kirche festsaßen, blieben jedoch unbehelligt. Offenbar schien angesichts der so schon reichen Beute ein Angriff mit den zugehörigen Opfern auf die wohlbewehrte Kirche eher sinnlos und unterblieb daher.

In Steyr war damals gerade eine schottische Handels- und Militärmission unterwegs, welche bei den Waffenschmieden der Eisenstadt Ausschau nach brauchbaren Schwertern und Harnischen und ähnlichem Wehrzeugs hielt. Steyr hatte nämlich einen weit über das damalige Österreich hinausreichenden Ruf als Waffenschmiede und Rüstkammer des Reiches erworben, weshalb ständig Delegationen aus allen Herren Ländern hier vorsprachen und die Erzeugnisse der tüchtigen und fleißigen Schmiede und Eisenarbeiter gerne erwarben.

Dieser Mission gehörte auch ein schottischer Hauptmann an, welcher McCann hieß und der aufgrund seiner Körpermaße und seines grimmigen Aussehens überall auffiel. Seine Kumpane nannten ihn deshalb auch „Big Mac“ und unter diesem Namen war er auch in seiner Heimat bekannt und gefürchtet. Sein raues, polterndes Wesen, seine Vorliebe für derbe Späße und Alkohol, seine Tollkühnheit, ja Verwegenheit im Gefecht, verbunden mit seinen Körperkräften, machten ihn zu einer Figur, um die sich schon zu Lebzeiten Legenden rankten.

Eines Tages traf er hier in Steyr das liebliche Fräulein „Derer von Stadlkirchen“, einer Tochter der dortigen Schlossherrin. Deren Zartheit und Liebreiz brachte den rauen Burschen fast um den Verstand. Zwei Wochen lang ritt er jeden Tag vom Steyrdorf, wo er beim Wirt „Zum roten Hahn“ wohnte, hinaus zum Schloss und stand dort stundenlang im Schatten einer großen Ulme, ganz in Gedanken versunken. Obwohl er sicherlich eine bedeutende Erscheinung war, fehlte ihm der Mut, bei der Mutter des schönen Fräuleins vorzusprechen und so begnügte er sich damit, ihr hier einfach nahe zu sein.

Als nun die Türkenbedrohung immer deutlicher wurde, bewegte er einen Steyrer Hammerherrn, der der Herrschaft von Stadlkirchen gut bekannt war, der Schlossherrin auszurichten, dass er, sollte es gewünscht werden, gerne die Verteidigung des Schlosses gegen die Reiterhorden organisieren wolle, sofern die nötigen Knechte dafür abgestellt würden. Die Herrin von Stadlkirchen hatte jedoch einen Verwalter, welcher ihr davon abriet, das Schloss zu befestigen, da er der Meinung war, dass die Türken angesichts der mächtigen Schanzen bei Ernsthofen und Steyr erst gar nicht in diese Gegend kommen würden. Sollte der unwahrscheinliche Fall eintreten, dass dennoch Türken durchkämen, würde sie ein befestigtes und verteidigtes Schloss ganz sicher eher zum Angriff reizen und damit ebenso sicher der Verwüstungund dem Verderben preisgeben.

Big Mac war das gar nicht recht, doch was blieb ihm über, als sich zu fügen. Seine Mission bereitete die Abreise vor, doch er entschloss sich, mit sieben Mann, welche bei ihm bleiben wollten, noch in der Stadt zu verweilen. Sollte er gebraucht werden, wäre er zur Stelle.

Als nun die Türkenscharen durch das Ramingbachtal nach Steyr zogen, mussten sie wohl oder übel am rechtsseitigen Ennsufer halt machen, denn die Brücken der Stadt waren von den mächtigen Schanzwerken gesichert. Allerdings gelang es einer Streifschar, eine Furt über die Enns zu finden. In der Gegend von Hausleiten konnte das Kontingent die Enns durchqueren.

Pascha Schani versuchte nun, von Norden her in die Stadt zu gelangen, doch ein paar Kanonenschüsse zeigten ihm bald, dass man hier auf der Hut war. Daher zog er eben nach Norden wieder ab, wobei er in der Gegend des Klosters Gleink ein Scharmützel mit einem Trupp Kaiserlicher zu bestehen hatte, welche sich allerdings hinter die sicheren Mauern des Klosters zurückziehen konnten. Von dort schossen sie mit leichten Feldschlangen auf die osmanischen Reiter, welche das Kloster umkreisten. Dieses Spiel ging einen ganzen Nachmittag bis zum Einbruch der Dunkelheit, ohne zu einer Entscheidung zu kommen.

Big Mac hatte sich mit seinen Mannen danach auf den Tabor begeben, den dortigen Wachtturm bestiegen und schaute sorgenvoll gegen Norden. Von ferne hörte man das Donnern der Schüsse, in der Umgebung des Klosters stiegen vereinzelte Rauchsäulen auf und man konnte die Reiterhorden der Türken sogar mit freiem Auge ausmachen. Doch noch war alles unterm Heuberg konzentriert, hauptsächlich in der Gegend von Gleink, daher konnte er hoffen, dass seiner Angebeteten noch rechtzeitig die Flucht gelungen war. Sollten sie erst die Gegend von Kronstorf erreichen, waren sie in Sicherheit, denn dort standen die Kaiserlichen.

Die Herrin von Stadlkirchen hatte sich allerdings ganz auf die Einflüsterungen ihres Verwalters verlassen, und selbst als man vom Heuberg aus bereits die brandschatzenden Horden sehen konnte, glaubte sie ihm noch. Er sagte, eine Flucht wäre derzeit hundertmal gefährlicher, denn seiner Einschätzung nach würden die Kaiserlichen versuchen, den Türken den Weg nach Enns zu versperren und sie in die Gegend von Wolfern und Losensteinleiten abzudrängen. In einer Kutsche wäre man aber einzelnen Versprengten, mit welchen man immer rechnen musste, hilflos ausgeliefert, weshalb ein Verbleib in den sicheren Mauern des Schlosses anzuraten sei.

Big Mac konnte jedoch sehen, dass sich die Horde unten in der Gegend des heutigen Dietachdorf zum Nachtlager einrichtete. Die Kirche von Dietach wurde von ihnen keines Blickes gewürdigt, sie hatten in Gleink ihre Lektion gelernt und keine Lust, sich dort blutige Köpfe zu holen. Ihre Lagerfeuer waren vom Wachtturm zu Steyr deutlich zu sehen, sonst jedoch war es jetzt ruhig. Vereinzelt brannten noch ein paar Häuser, aber auch deren Glut war schon am Erlöschen.

Mitten in der Nacht entschloss sich Big Mac plötzlich zu einer seiner Taten, die ihn berühmt gemacht hatten. Er forderte seine Schar auf, mit ihm hinaus zum Heuberg zu reiten und dort nach dem Rechten zu sehen. Sie umwickelten daher die Hufe ihrer Pferde mit Wolllappen um deren Schritt zu dämpfen und ritten langsam und leise entlang des Hanges nach Dietach.

So ein Ritt ist sicherlich kein Kinderspiel, denn sie waren nur zu acht gegen ein paar Hundertschaften Türken, daher mussten sie darauf achten, unentdeckt zu bleiben. Entsprechend langsam kamen sie auch voran. Sie waren erst gegen Morgengrauen auf der Höhe des Ortes Dietach und mussten, damit sie nicht entdeckt würden, in einer Brandruine Deckung suchen. Hier war alles bereits niedergebrannt, deshalb würde auch kein Türke mehr hierherkommen. Man konnte aber von hier aus gut das Feldlager des Feindes überblicken, weshalb sie beschlossen, vorläufig hier zu verweilen.

Bald war Bewegung im Lager, an ein unbemerktes Wegkommen war jetzt nicht mehr zu denken. Die Türken nahmen Aufstellung und dann zogen ihre Scharen los. Ein Trupp von ungefähr zweihundert Mann zog durch den Wald in Richtung Staning, ein kleinerer Trupp machte sich auf den Weg über den Heuberg.

Die Herrin von Stadlkirchen saß gerade beim Frühstück, als ihr ein Diener atemlos die Nachricht brachte, dass, entgegen der Vorhersage ihres Verwalters, die Türken nicht nach Westen, sondern nach Nordosten zögen. Damit war aber zu erwarten, dass sie innerhalb der nächsten Stunde das Schloss erreichen würden. Aufgeregt ließ sie anspannen und ihren Verwalter rufen, der aber hatte längst schon vorsorglich das Weite gesucht. Zwei Diener-innen, zwei ältere Knechte mit Dreschflegel und ein Bauernjunge als Kutscher waren die Begleitung von ihr und ihrer Tochter. Kein Bewaffneter, kein zuverlässiger Kriegsmann, nichts, was sie vor den blutdürstigen Horden schützen konnte.

Als die ersten türkischen Krieger aus der Richtung des Ennsflusses herankamen, bog ein kleiner Trupp Kaiserlicher zum Schloss ein. Sechs Mann und zwei Verwundete auf einem Pferd waren es und sie suchten eine Gelegenheit, sich zu verteidigen. Das Schloss schien ihnen dazu geeignet.

Sie sprangen ab, suchten hinter den festen Mauern Zuflucht und feuerten von hier ihre Musketen auf die türkischen Reiter. Das hielt diese davon ab, sofort die Verfolgung der Kutsche aufzunehmen und so konnten diese in Richtung Thann entkommen.

Big Mac hatte mit seinen Leuten den Abzug beobachtet und, als er die Gelegenheit für günstig befand, entschloss er sich, hinter Dietach vorbei in Richtung Thann zu ziehen. Von hier aus, das wusste er, konnte er zur Not dem Schloss und seinen Bewohnern beistehen.

Der Wagen der Schlossherrin kam gut voran und schon bald sahen sie den Bannwald von Thann. Waren sie einmal dort, waren sie zumindest wesentlich sicherer als hier auf der freien Flur. Die Türken waren jedoch tüchtige Reiter, schnell zu Pferd und auch nur leicht bewaffnet, sodass vor ihren Streifen niemand sicher sein konnte. So kam es, dass, als die Kutsche schon in der ganz in der Nähe des Bannwaldes war, ein Trupp Türken, welcher dort schwadronierte, ihrer ansichtig wurde und sofort auf sie losstürmte. Zwar drehte die Kutsche in voller Fahrt um, doch an ein Entkommen war nicht zu denken.

Big Mac ritt mit seinen Männern einen scharfen Galopp. Trotz des dumpfen Getrappels der Hufe hörte er Geschrei und kam gerade dazu, wie die Türken die Kutsche überfielen. Sofort zog er sein Schwert und obwohl sie deutlich in der Minderzahl waren, griffen sie wacker an und der Kampf wogte hin und her. Der Kutscher versuchte, die Gunst der Stunde zu nützen und im Schutz des Getümmels mit dem Fuhrwerk zu fliehen. Dazu wendete er nochmals die Kutsche, welche jedoch diesmal von den scheuenden Pferden umgeworfen wurde.

Plötzlich, wie ein Geist, kroch das Fräulein von Stadlkirchen inmitten des tobenden Kampfes aus der Tür der umgeworfenen Kutsche. Schon sprengte ein Türke mit erhobenem Krummschwert auf sie zu, als Big Mac den Gegner, mit dem er gerade focht, mit der Linken am Gürtel fasste und mit Macht gegen den herannahenden Feind warf. Beide kamen zu Sturz und Big Mac nahm das Mädchen in den Arm, schwang sich mit ihr auf sein Pferd und in wildem Galopp sprengte er in Richtung Schloss davon. Seine Kameraden sahen ihn fliehen und daher zogen auch sie sich zurück, was wiederum den Türken erlaubte, hinter Big Mac nachzujagen.

So an die hundert Meter vom Schloss, dort wo heute das Bauernhaus neben der Kirche steht, rief er laut hinüber zum Schloss, sie mögen das Tor öffnen, damit er hineinpreschen könne. Doch der Führer der Kaiserlichen weigerte sich, weil er befürchtete, dass auch Türken mit hereinkommen könnten. Als Big Mac so ganz nahe zum Schloss kam und sah, dass er hier keinen Schutz finden konnte, rief er einem der Kaiserlichen, die dort auf der Mauer standen zu, er möge fangen, und warf, so als wäre es eine Puppe, das Mädchen hinauf auf die Mauer. Er jedoch drehte um und sprengte nach Westen davon.

Kaum sahen seine Feinde, dass er das Mädchen in Sicherheit gebracht hatte, nahmen sie mit lautem Kriegsgeschrei seine Verfolgung auf und dort, wo der Bach vom Hang in die Ebene fließt, schnitten sie ihm den Weg ab und er musste sich wohl oder übel zum Kampf stellen. Mächtig wogte das Getümmel hin und her, doch schließlich waren der Feinde zu viele und er stürzte verwundet vom Ross.

Im Schloss wollte man ihm beistehen und schoss mit Pistolen und Musketen auf die Muselmanen. Eine verirrte Kugel traf den Big Mac genau in die Stirn und so starb ein wackerer Kämpe fern seiner Heimat.

Zwei Tage später waren die Türken wieder weg und alles war wieder friedlich. Der tapfere Krieger wurde mit seinen toten Kameraden neben der Kirche von Stadlkirchen beigesetzt. Weil aber niemand genau wusste, wie der richtige Name des Big Mac war, blieb sein Grab unbeschriftet.

Das Fräulein von Stadlkirchen nahm aber kurz darauf den Schleier und trat in das Karmeliterinnenkloster ein. So hielt sie ihrem Retter die Treue über den Tod hinaus.

Der Mentor

Das Tor der großen, grauen Halle öffnete sich und die Musiker nahmen Aufstellung. Dann erschien schon der Sarg, den vier grau livrierte Friedhofsbedienstete trugen. Sie hoben ihn auf einen weißen Wagen, den vier Schimmel zogen. Jetzt folgte erstaunlicherweise ein Priester und vier ältere Personen, die ich nicht kannte. Hinter denen formierte sich der Trauerzug, der hinausführte auf den Friedhof, Grab 907. Wie oft waren Piet und ich hier gestanden, wenn er zum Grab seiner Familie ging. Jetzt wurde er selbst dort vergraben. So wie ein Stück Holz oder ein großer Stein.

„Vergraben“ war ein Ausdruck von ihm. Nicht begraben, nicht eingegraben, nein „vergraben“ nannte er das, was mit ihm dereinst geschehen würde, wenn sich sein Leben zu Ende neigte. Nein, wieder nicht der richtige Ausdruck! „Wenn meine Seele müde wird und sich nach Ruhe sehnt“ pflegte er das Sterben zu umschreiben. Er war immer schon dramatisch, im wahrsten Sinne des Wortes.

Piet, wie sein richtiger Name lautete und wie er wollte, dass ich ihn nenne, war zeitlebens ein gefeierter Literat gewesen. Ich, der kleine Anfänger, lernte mein Handwerk von ihm. „Du darfst mich nicht kopieren. Du wärst eine schlechte Kopie, die niemand will. Sei du selbst, mit allen Ecken und Kanten. Schreibe so, wie du fühlst, nicht wie man will, dass du schreiben sollst. Kritiker sollen zu deiner Unterhaltung dienen, je mehr sie dich verreißen, desto mehr kannst du über sie lachen und ihren Neid fühlen. Das ist echter Spaß, mehr als alles andere.“

Piet war so, wie er mir geraten hatte, zu sein. Wir zogen damals um die Häuser, er, schon an die Vierzig, ich knapp dreiundzwanzig Jahre alt. Weiß der Teufel, was er an mir fand. Er behauptete, ich schriebe Dinge, die ihm nie einfallen würden. Doch ich empfand das gar nicht so. Neben ihm verblasste ich.

Piet war wie das Licht für Motten, dauernd waren wir von Möchte-gern-Literaten umgeben. Auch von Frauen, die sich furchtbar intellektuell vorkamen, nur weil sie ein Palästinensertuch um den Hals trugen. Piet hatte auch eins, aber das hatte ihm ein alter Palästinenser geschenkt, als er ihm am Abend eine Geschichte erzählte. Einfach so aus dem Stegreif, ohne ein geschriebenes Wort. Und doch war alles so schlüssig, so ohne Pausen erzählt, dass man es sofort niederschreiben hätte können. Der Palästinenser war zu Tränen gerührt und nahm sein Halstuch ab und reichte es Piet. „Da nimm“ sagte er „Du hast meinem Sohn die letzte Ehre gegeben. Ich danke dir.“

Piet und ich fuhren noch am selben Abend hinüber nach Gaza. Dort trafen wir einen der Schicki-Micki-Reporter, die mit großen Reportagen vom Leid der Palästinenser berichteten, während sie danach drüben in Israel mit den dortigen Zeitungsfritzen lachend beisammensaßen.

„Hast du das verstanden, was der Alte da gemeint hatte? Ich habe doch seinen Sohn nie gekannt. Aber ich werde sein Tuch in Ehren halten, bis es mir vom Hals herabfault“

Das war Piet, wie er leibte und lebte. Er hatte eigenartige Begriffe von Ehre und Ehrfurcht und von Moral, er war kein Revoluzzer, er war ein Freigeist, der niemandem zum Vorbild dienen wollte.

Der Trauerzug war jetzt zu Ende und ich schloss mich ganz hinten an. Der Wagen mit dem Sarg bog jetzt im rechten Winkel ab und ich hörte die Musik zu mir herüberklingen.