Seewölfe - Piraten der Weltmeere 299 - John Curtis - E-Book

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 299 E-Book

John Curtis

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Beschreibung

Es gab eine tiefe, unauslöschliche Schmach im Leben Siri-Tongs, an die niemand rühren durfte, ohne grausam dafür zu büßen. Der Mann, der sie ihr zugefügt hatte, war Caligu. Der einstige unumschränkte Beherrscher der Karibik. Längst tot, gestorben von Siri-Tongs Hand in der großen Schlacht um die Windward Passage. Aber obwohl viele Jahre inzwischen vergangen waren, die blutrote Narbe, die sich quer über ihren sonst makellosen Leib zog, sie war geblieben. Und es gab eine Insel weit jenseits der Windward Passage, auf der sich einst das Auge der Götter befunden hatte und die Todesbucht. Eine Bucht, auf deren Strand noch immer die Galeonen derer als zerfallene Wracks lagen, die versucht hatten, mit frevlerischer Hand das Auge der Götter zu berauben. Viele in der Karibik wußten davon, und sie alle mieden jene Insel und jene Bucht des Todes wie den Teufel persönlich. Nur Barabas, einen Piraten, der seinen Schlupfwinkel auf West Caicos hatte und dem es gelang, die Rote Korsarin von der Schlangeninsel zu entführen, den kümmerte das alles nicht. Er zwang die Rote Korsarin in seiner maßlosen Gier nach Schätzen, nach Silber, Gold und Diamanten, ihn zum Auge der Götter zu bringen. Er drohte der Roten Korsarin, mit ihr zu tun, was Caligu ihr einst angetan hatte. Und so traf ihn die Rache der Roten Korsarin in der Bucht des Todes und die der alten Götter, die noch immer über ihre einst heilige Insel wachten...

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Impressum© 1976/2017 Pabel-Moewig Verlag KG,Pabel ebook, Rastatt.ISBN: 978-3-95439-696-2Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

1.

„Miguel ho!“

Der Ruf schallte über das dunkle Wasser der kleinen Bucht, an deren Ende um ein flackerndes Feuer Männer in einer Felsengrotte lagerten.

Mühelos drang der Ruf bis zu jener Felsengrotte, die zugleich auch den Abschluß der Bucht bildete, hinüber.

Einer der Männer, ein wüster Kerl mit wildem Bart und dicken Muskelsträngen unter der nackten Haut seines Oberkörpers, sprang auf. Mit ein paar Schritten hatte er die Felsengrotte verlassen und stand dann auf dem selbst in der Dunkelheit noch hell schimmernden Sandstrand, der sich rings um die wie eine Parabel geformte Bucht herumzog. Der Strand war von größeren und kleineren Felsbrocken übersät, die gespenstisch in den Nachthimmel emporragten.

Der flackernde Feuerschein tanzte auf dem Wasser und an den Wänden der Felsengrotte, in der jetzt auch die restlichen Männer aufsprangen. Gelbes, und doch irgendwie geisterhaft bleich wirkendes Licht des schon tief über dem Meer stehenden Mondes vermischte sich mit den tanzenden Reflexen des Feuers in der Felsengrotte.

Barabas, der Anführer der Männer, die die westlichste der Caicos-Inseln zu ihrem Schlupfwinkel auserkoren hatten, stand bewegungslos am Strand. Seine Blicke durchbohrten die Dunkelheit, die trotz des Mondlichts und der tanzenden Lichtreflexe über dem nachtschwarzen Wasser der Bucht lag. Er konzentrierte seine Aufmerksamkeit auf jene Stelle, an der die Schaluppe Miguels, seines Unterführers, sichtbar werden mußte, und zwar innerhalb weniger Minuten.

„Miguel ist zurückgekehrt“, murmelte Barabas. „Damit ist nun die Entscheidung unwiderruflich gefallen. Denn Miguel hat herausgefunden, was ich wissen wollte!“

Barabas reckte seinen gewaltigen Körper, und die dicken Muskelstränge spielten unter seiner braunen Haut. Ein Grinsen umspielte seine Lippen. „Alle, die es bisher versuchten, haben es mit Gewalt und durch einen Frontalangriff erzwingen wollen. Dummköpfe, die sie waren. Ich, Barabas, werde es anders machen. Und ich werde kriegen, was ich haben will! Ganz sicher werde ich das …“

Sein Gemurmel war leiser und leiser geworden und verstummte nunmehr ganz. Ein Schatten tauchte in der Einfahrt zur Bucht an der schmalen Felszunge auf. Schnell wuchs er zur Silhouette einer geräumigen Schaluppe heran.

Der Kopf von Barabas ruckte herum. Seine Blicke wanderten zu einer anderen, ebenfalls unübersehbaren Silhouette hinüber. Zur „Diabolo“, seiner rank gebauten, schnellsegelnden Karacke, die für ihre Größe, kaum mehr als 200 Tonnen, aber sehr gut bewaffnet war. Sie verfügte über zwei Masten, Lateinertakelung, und einen flachen, schnittigen Rumpf, von dem sich lediglich das Achterkastell deutlich hervorhob.

Wieder umspielte ein Grinsen die Mundwinkel von Barabas. Diese Narren, dachte er. Nie wäre er auf die verrückte Idee verfallen, seine Erkundungen mit einem Schiff dieser Größe durchzuführen. Dem Zweimaster sah man das Piratenschiff schon von weitem an. Nein, er mußte im Verborgenen arbeiten. Seine Crew zählte mit ihm und Miguel nur zwölf Mann. Beim Satan keine Streitmacht, mit der man den offenen Kampf suchen sollte. No, er, Barabas, machte das anders. Er kannte jedoch den Vorteil genausogut, den ein kleines, schnelles und vor allem wendiges Schiff und eine zahlenmäßig schwache Mannschaft bot, wie auch die Nachteile beider. Ein kleines Schiff und eine kleine Mannschaft waren gut beherrschbar und vor allem vielseitig einsetzbar, und darauf kam es ihm an.

Die Silhouette war größer geworden, und die heransegelnde Schaluppe, auf der eben das große Lateinersegel niedergeholt wurde, riß Barabas aus seinen Gedanken. Er ging den Strand hinunter, genau auf die Stelle zu, an der Miguel und seine Männer landen würden. In den nächsten Minuten würde sich alles entscheiden, alles.

Der Kiel der Schaluppe fuhr knirschend auf den feinen Sand, das Schiff kam zur Ruhe.

Ein großer, schlanker Mann sprang von Bord. Fast so groß wie Barabas, wirkte er jedoch feingliedriger und geschmeidiger in seinen Bewegungen. Jede seiner Bewegungen hatte etwas Raubtierhaftes an sich. Hinzu kam noch – aber das sah man nur bei Tageslicht – die gelbe Färbung seiner Haut. Ihr hatte er seinen Spitznamen „Der Gelbe“ zu verdanken. Ein Mann, vor dem man auf der Hut sein mußte, in jeder Beziehung, wie Barabas wußte. Aber auch ein Unterführer, wie er sich keinen besseren wünschen konnte. Denn Miguel war schlau, gerissen, verschlagen, mutig. Ein harter Kämpfer, dessen Spezialität das Enterbeil war, das er stets in seinem Gürtel bei sich trug. Genauer gesagt in einer Lederschlaufe, die an seinem Gürtel befestigt war.

Pechschwarze, schulterlange Haare vervollständigten das Bild, das ein Fremder schon in den ersten Augenblicken von Miguel gewann.

Miguel trat auf Barabas zu. Unmittelbar vor ihm blieb er stehen. Sekundenlang starrte er ihn an.

„Du hattest recht, Barabas“, sagte er dann. „Er ist fort, er hat die Schlangeninsel verlassen und ist nach Norden davongesegelt. Auch der gefährliche Franzose war an Bord des Schwarzen Seglers. Jetzt befindet sich nur noch diese verfluchte Rote Korsarin auf der Schlangeninsel. Sie und eine Anzahl von Männern. Wie viele genau war nicht zu erfahren.“

Barabas atmete auf. Er hatte also recht behalten. Jetzt stand seinen Plänen so gut wie nichts mehr im Wege.

„Der Wikinger ist also fort mit seinem dreimal verfluchten Schwarzen Segler! Gegen ihn oder den Seewolf hätten wir keine Chance gehabt. Aber mit dieser Katze, dieser Siri-Tong, werde ich fertig!“

Miguel legte Barabas, als er sich schon abwenden und zur Felsengrotte zurückkehren wollte, die Rechte auf den Unterarm.

„Unterschätze sie nicht!“ warnte er. „Schon mancher hat das geglaubt und war hinterher tot. Denk an Caligu, und er besaß Macht über die ganze Karibik!“

Barabas furchte die Stirn.

„Caligu!“ stieß er hervor. „Ich kenne ihn, ich war bei der Schlacht in der Windward Passage dabei und vorher schon. Ja, er besaß Macht über die ganze Karibik, aber sein Fehler war, daß er mit dieser Siri-Tong und dem Wikinger und dem Seewolf den offenen Kampf suchte. Daß es diesen verfluchten Wikinger überhaupt noch gibt, geht sowieso nicht mit rechten Dingen zu. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen, wie er mit seinem Schiff, mit Mann und Maus, in die Luft flog. Das überlebt keiner – und doch ist er wieder da!“

Barabas atmete schwer. Dieser Punkt bereitete ihm Sorgen. Mehr als er selbst vor seinem Vertrauten, vor Miguel, zugeben mochte. Und Miguel schwieg dazu. Aber er nahm sich vor, auf diesen Punkt noch zurückzukommen, sobald es an der Zeit dafür war.

„Die Rote Korsarin wird uns erzählen müssen, was damals geschah, verlaß dich drauf, Miguel. Wir beide kennen Mittel, die jeden zum Sprechen bringen, auch diese Katze!“

Miguel nickte, aber seine Gedanken kreisten um einen anderen Punkt. Trotzdem, ohne sich etwas anmerken zu lassen, hielt er Barabas abermals zurück.

„Ich habe unseren Spionen auf Tortuga befohlen, sich absolut still zu verhalten, und zwar sofort. Ich habe mir das etwas kosten lassen, von daher wird keine Gefahr drohen. Diesmal wird auch dieser verdammte Diego, der Schildkrötenwirt, nichts erfahren. Dafür ist gesorgt. Niemand kennt unsere Männer auf Tortuga. Nur einer, so ein verdammter Bastard, der sich zu gerne in der Schildkröte vollaufen ließ und dann dämliche Reden führte, der ist über die Rutsche zu den Haien gegangen. Das war auch gut für die anderen, denn von diesem Moment an wußten sie, was ihnen blühte, wenn sie das Maul an der falschen Stelle aufreißen würden.“

Barabas starrte Miguel an.

„Es ist sicher, daß dieser Kerl nichts Wichtiges ausgeplaudert hat?“ fragte er.

Miguel nickte.

„Ja, ich war dabei. Absolut sicher.“

Barabas nickte.

„Gut, Miguel. Hast du es selber gesehen, daß der Wikinger davongesegelt ist, oder hat man dir das berichtet?“ fragte er dann.

„Keine Sorge, so etwas überlasse ich anderen nicht. Ich selber habe es mit meinen eigenen Augen gesehen. Sie kehrten mit sieben Schiffen von Tortuga zurück, ein paar Tage später verließ der Schwarze Segler des Wikingers die Schlangeninsel. Er kehrte nicht zurück.“1)

Wieder nickte Barabas. Auf Miguel konnte er sich verlassen. Aber sein Unterführer war noch immer nicht fertig.

„Noch eines solltest du wissen, Barabas. Die Schlangeninsel ist eine nahezu uneinnehmbare Festung. Sie arbeiten dort immer noch wie verrückt an weiteren Befestigungsanlagen. Ich habe das beobachtet. Wahrscheinlich haben sie damals auf Tortuga Kanonen und Pulver und andere Waffen bei den Spaniern erbeutet. Ich habe mir auch die Felsen angesehen. Sehr genau sogar, Barabas. Nur eine einzige Stelle gibt es, um auf die Insel zu gelangen. Aber ich halte es für möglich, daß auch die Rote Korsarin und ihre Leute diese Stelle kennen und sie bewachen lassen. Und dann – auch wenn du diese Siri-Tong hast, auch wenn sie dir verrät, wo die Schätze liegen, wie willst du sie holen? Ganze zwölf Mann sind wir …“

Barabas sah seinen Unterführer an. In seinen dunklen Augen tanzten Lichter, Reflexe des flackernden Feuers in der Grotte, aber er wirkte in diesem Moment wie der Leibhaftige auf Miguel.

„Darüber habe ich längst nachgedacht, Miguel. Ich weiß, wie ich die Schätze kriege. Wenn ich das nicht wüßte, würde ich gar nicht erst den Versuch wagen. Ich denke gar nicht daran, diese Siri-Tong zu unterschätzen. Ich kenne sie noch aus Caligus Zeiten, ich weiß, wie mißtrauisch und wie vorsichtig sie ist. Genau darauf gründet sich mein Plan.“

Er wandte sich endgültig ab, ohne seinem Unterführer eine weitere Erklärung zu geben.

„Komm jetzt“, sagte er über die Schulter, während er bereits auf die Felsengrotte zuschritt, „du wirst mir jetzt die Umrisse der Schlangeninsel in den Sand zeichnen, ganz besonders aber diejenige Stelle, von der du glaubst, daß sie sich dazu eignet, auf die Insel zu gelangen.“

Miguel blieb nichts anderes übrig – er folgte seinem Anführer. Aber er war bei weitem nicht so überzeugt vom Gelingen ihres Planes wie Barabas. Er hatte sich in allen möglichen Tarnungen jetzt wochenlang vor der Schlangeninsel herumgetrieben, und er hatte so einiges gesehen, was ihn sehr bedenklich stimmte. Er schwieg sich jedoch aus, denn er kannte Barabas. Der war von seinem Plan sowieso nicht mehr abzubringen.

In der Grotte zeichnete er die Schlangeninsel in den Sand, nachdem ein paar Männer einen Teil des Sandes, der den Boden bedeckte, angefeuchtet und glattgestrichen hatten. Zum Zeichnen benutzte Miguel die Spitze seines Messers, und das ergab scharfe, klare Linien. Es war alles genausogut zu erkennen, als wenn er es auf Pergament gezeichnet hätte. Und es erwies sich dabei, daß Miguel Talent zum Zeichnen besaß. Zum Schluß stellte er die Felsen sogar noch perspektivisch genau im richtigen Verhältnis zueinander dar.

Barabas saß dabei, stellte hin und wieder ein paar Fragen, verhielt sich ansonsten aber still.

„Es ist gut und schlecht zugleich“, sagte er schließlich, „daß diese Stelle“, er deutete ebenfalls mit der Spitze seines Messers darauf, „in der Nähe des Felsendoms liegt. Wir werden verdammt auf der Hut sein müssen, und wir brauchen eine absolut dunkle Nacht.“

Er starrte in den Sand, und keiner der Männer wagte, auch nur einen Laut von sich zu geben. Doch dann wandte er plötzlich den Kopf und sah seinen Unterführer an.

„Eine wichtige Information hast du mir noch nicht gegeben. Hast du beobachtet, wann jener Strom einsetzt, bei dem diese Hunde die Insel verlassen oder anlaufen können? Wir müssen unseren Plan zu einer Zeit durchführen, in der sie mit keinem ihrer Schiffe aus der Insel heraus können. Nur wenn wir das genau wissen, ist unser Plan durchführbar. Also?“

Miguel nickte.

„Ich habe mir das sogar ganz genau gemerkt, Barabas“, antwortete er. „Hochflut ist die Zeit, in der sie durch den Felsendom in die Bucht der Insel einlaufen können. Einsetzende Ebbzeit, also das Kentern des Stroms, die Zeit, in der sie mit ihren Schiffen die Insel verlassen können.“

Einer der Männer, ein scharfgesichtiger Bursche von hagerer, fast schmächtiger Gestalt, starrte Miguel an.

„He, wenn das so einfach ist, wieso ist es dann bisher keinem gelungen, in diese verdammte Bucht einzulaufen? Da stimmt doch was nicht!“

Miguel blickte unwillig auf.

„Du solltest dein Maul nur aufmachen, Pedro, nachdem du überlegt hast. Aber trotzdem will ich dir antworten. Erstens ist es Don Bosco gelungen, in die Bucht einzulaufen …“

„Ja, aber mit dem Schiff des Seewolfs und nur mit seiner Hilfe, weil der Seewolf am Ruder gestanden hat …“

„Stimmt. Und das sagt doch alles. Wir kennen die Bucht nicht. Wer sie je kennenlernte, gegen den Willen der Bewohner der Schlangeninsel, hat das nicht überlebt. Es gibt da hinter dem Felsendom also noch etwas, was keiner zu überwinden vermag, ohne daß er genau Bescheid weiß. Hast du schon mal was vom Höllenriff gehört?“

Pedro schüttelte den Kopf, aber er war doch wesentlich nachdenklicher geworden. Barabas beendete das Palaver aber sowieso.

„Los, weiter, Miguel. Wie ist das nun mit den Zeitabständen? Wann können sie raus aus der Schlangeninsel, wann wieder rein?“

„Etwa alle sechs bis sieben Stunden. Bei auflaufender Flut rein, bei einsetzendem Ebbstrom wieder raus. Wir können das also ungefähr hier sehen, denn die Schlangeninsel ist nur rund hundert Meilen von uns entfernt. Und die Flut verschiebt sich jeden Tag um rund eine Stunde, ebenso die Ebbe.“

Barabas hörte kaum noch hin. Er begann zu rechnen. Miguel ebenfalls.

„Wir müßten also übermorgen abend absegeln. Wenn wir mit unserer Schaluppe rund zwanzig Stunden brauchen, sind wir ein paar Stunden vor Einbruch der Nacht bei der Schlangeninsel. Wir brauchen aber einen Tag, an dem die Flut gegen Mitternacht einsetzt, oder jedenfalls bei Dunkelheit. Das wäre von heute an gerechnet in drei Tagen der Fall. Dann ist der Mond auch nicht mehr am Himmel, es wird eine stockfinstere Nacht sein. Bevor die Ebbe dann wieder einsetzt und sie daran denken können, uns zu verfolgen, vergehen fast acht Stunden, mindestens aber sieben. Das gibt uns den Vorsprung, den wir benötigen. Nur müssen wir uns bis zum Einsetzen der Dunkelheit irgendwo verbergen, am besten irgendwo außerhalb der Sichtweite auf See warten, so, als ob wir Fischer wären.“

Miguel nickte, aber wieder war es Pedro, der sich einmischte.

„Und natürlich wartet dann die Rote Korsarin auch schon am Strand, damit ihr dieser Katze eins auf die Rübe klopfen und sie dann von der Insel entführen könnt …“

Barabas sprang auf. Mit einem Satz war er bei Pedro und packte ihn. Dann schlug er ihm ins Gesicht.

„Ich habe dich Dreckskerl nicht um deine gottverdammte Meinung gefragt, und ich rate dir, von jetzt an dein Maul zu halten!“ brüllte Barabas. Er riß den schmächtigen Mann hoch und warf ihn kurzerhand in hohem Bogen aus der Grotte auf den Strand.

Dann sah er sich mit funkelnden Augen um.

„Noch jemand, der dämliche Fragen hat?“

Die Männer krochen in sich zusammen. Sie kannten Barabas, und sie wußten, wie brutal er reagieren konnte, wenn man ihn reizte. Im Gegensatz zu Miguel, der fast immer kalt und gelassen blieb. Der allerdings, wenn man ihn soweit brachte, fast noch gefährlicher war, als Barabas selbst.

Pedro rappelte sich fluchend auf. Wütend starrte er zu Barabas herüber, aber er wagte nicht, sich der Felsengrotte auch nur einen Schritt zu nähern. Trotzdem fuhr Barabas herum.

„Los, du löst den Posten an der Einfahrt ab!“ brüllte er. Und als Pedro nicht sofort verschwand, sprang er über das Feuer, mitten durch die Flammen. Im nächsten Moment hatte er Pedro gepackt, und diesmal schlug er nicht nur mit der flachen Hand zu, sondern prügelte ihn den ganzen Strand hinunter. Anschließend warf er ihn in die Bucht.

„Du kommst erst wieder, wenn ich dich holen lasse!“ brüllte Barabas. „Wenn du dich eher hier sehen läßt, ersäufe ich dich wie eine Ratte!“

Barabas drehte sich um und kehrte zur Grotte zurück. Am Eingang blieb er stehen und funkelte die Männer an.

„Wie ich es anstelle, die Rote Korsarin in unsere Gewalt zu bringen, das überlaßt gefälligst mir. Vielleicht schaffe ich das nicht beim ersten Versuch. Aber ich kriege sie, so, wie wir die Schätze des Seewolfs, des verfluchten Wikingers und dieser verdammten Katze kriegen werden!“

Er wandte sich an Miguel.

„Wir müssen alles noch genau durchdenken. Fehler können wir uns bei einer Gegnerin wie der Roten Korsarin nicht leisten. Aber sie wird nicht damit rechnen, daß wir sie von ihrer verfluchten Schlangeninsel herunterholen. Das ist unsere Chance. Und jetzt holt die Weiber und ein Faß Rum. Heute wird gefeiert, und in zwei Tagen segeln wir …“

Wüstes Gegröle aus der Grotte antwortete ihm. Das war ein Vorschlag nach dem Geschmack seiner Spießgesellen. Ein paar von ihnen rannten los. Barabas jedoch zog Miguel auf die Seite.

„Du beginnst morgen damit, die Schaluppe mit allem Nötigen auszurüsten. Ich suche die Männer aus, die dich und mich zur Schlangeninsel begleiten. Wenn es uns gelingt, die Rote Korsarin zu packen und hierher zu bringen, dann wird sie singen, verlaß dich drauf, Miguel!“

Der Gelbe grinste. Wie in einer Reflexbewegung zog er sein Enterbeil aus der Schlinge an seinem Gürtel.

„Sie wird reden, Barabas. Sie wird uns sogar anflehen, reden zu dürfen. Ich kenne mich in solchen Dingen aus, es wäre nicht das erste Mal, daß ich jemand zum Reden bringe. Aber sie darf nicht sterben dabei. Wir werden sie brauchen, denn ohne sie werden wir an den Schatz nicht herankommen …“