Seewölfe - Piraten der Weltmeere 7 - John Curtis - E-Book

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 7 E-Book

John Curtis

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Beschreibung

Philip Hasard Killigrew hatte das Geheimnis der spanischen Seekarten keinem Mann seiner Crew erzählt. Doch die beiden spanischen Agenten, die den Seewolf nicht mehr aus den Augen ließen, folgten ihm auf seiner Irrfahrt mit der "Isabella" und ihrer Silberladung. Und dann gelang es ihnen, Dan O'Flynn in ihre Gewalt zu bringen. Unter der Folter sollte er sein Wissen ausplaudern. O'Flynn wußte nichts, und für den Seewolf aus Arwenack ließ er sich notfalls in Stücke reißen. Als Hasard erfuhr, was da geschah, lief er Amok...

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Impressum© 1975/2013 Pabel-Moewig Verlag GmbH,Pabel ebook, Rastatt.ISBN: 978-3-95439-145-5Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]

1.

„Ho, Jungs, klar bei Brassen! Beeilt euch, ihr verdammten Hundesöhne – ja, so ist’s recht!“

Die mächtige Stimme Ben Brightons dröhnte über das Hauptdeck der „Isabella von Kastilien“. Aus schmalen Augen beobachtete er, wie die Rahen der Galeone nach Steuerbord herumschwangen.

„Ruder Backbord, Pete!“ rief er gleich darauf Pete Ballie zu, der achtern am Kolderstock stand.

Der Rudergänger stemmte sich gegen den Kolderstock. Er spürte, wie Druck auf das Ruder der Galeone kam.

„Weiter, Pete, noch weiter – in Ordnung, recht so!“ Die mächtige Stimme Ben Brightons durchdrang mühelos das Heulen des Windes, das Klatschen der anlaufenden Seen, die die Galeone immer wieder weit nach Steuerbord überholen ließen.

Das schwere Schiff nahm wieder Fahrt auf. Der aus West wehende Wind füllte die Segel.

Philip Hasard Killigrew stand breitbeinig auf dem Achterkastell und beobachtete seinen Bootsmann, der an Bord der „Isabella“ die Funktion des Ersten Offiziers erfüllte. Gleichzeitig verfolgte der Seewolf – wie Philip Hasard Killigrew von seinen Leuten insgeheim voller Respekt genannt wurde – die Manöver und die Schnelligkeit, mit der sie von seiner Crew ausgeführt wurden. Und der Seewolf war zufrieden. Seine Blicke wanderten nach Steuerbord, wo eben die schmale Landzunge, auf der die Stadt Exmouth lag, achteraus wanderte.

Die „Isabella von Kastilien“ hatte die schwierige Einfahrt in die Mündung des Exe geschafft und lief nun unter Vollzeug den Piers von Topsham entgegen.

Der Wind hatte in den letzten Stunden ständig aufgebrist, dem Seewolf war das gerade recht gewesen, so würden sie Topsham schneller erreichen.

„Ben!“

Der Bootsmann drehte sich um und sah den Seewolf fragend an.

„Wir haben zwar günstigen Wind und könnten leicht durch den Kanal bis Exeter segeln, aber es bleibt dabei, wir machen in Topsham fest. Vorn an der Außenpier.“

Ben Brighton nickte, sah den Kapitän der „Isabella“ aber weiterhin fragend an, denn er wußte, daß noch etwas folgen würde, daß der Seewolf sich etwas überlegt haben mußte.

„Wenn wir festgemacht haben, bricht Dan sofort nach Exeter auf und verständigt Kapitän John Thomas von unserer Ankunft. Dan bringt den Kapitän mit an Bord der ‚Isabella‘. Holt euch die Adresse von Kapitän Thomas beim Hafenmeister, der kennt ihn bestimmt und weiß also auch, wo Dan ihn findet.“

Ben Brighton nickte.

„Geht Dan allein?“ fragte er.

Hasard nickte.

„Er geht allein. Ich möchte nach all den Anschlägen, die inzwischen auf unser Schiff und auf unsere Ladung unternommen worden sind, jeden Mann an Bord haben. Für Topsham gilt das gleiche wie in Plymouth. Kein Fremder wird ohne meine ausdrückliche Erlaubnis an Bord gelassen. Für die Liegezeit verstärkte Wachen, bewaffnet.“

Abermals nickte Ben Brighton. Und dabei dachte er an mehrere Dinge zugleich: an die dreißig Tonnen Silberbarren, die noch immer im Bauch der Galeone sorgfältig gestaut und festgelascht lagerten, und an jene geheimnisvolle Kassette, die sie in buchstäblich allerletzter Sekunde dem spanischen Kapitän der „Isabella von Kastilien“ abgejagt hatten. Und nicht einmal er, Ben Brighton, wußte, was diese geheimnisvolle Kassette wirklich barg.

Flüchtig schossen Ben Brighton die Bilder durch den Kopf, die sich in sein Bewußtsein unauslöschlich eingebrannt hatten: der sich rasendschnell nähernde Brander im Hafen von Plymouth, durch den das Schicksal ihres Schiffes längst besiegelt worden wäre, wenn Ferris Tucker das nicht durch seinen todesmutigen Einsatz verhindert hätte. Er sah den riesigen Schiffszimmermann wieder inmitten der lodernden prasselnden Flammen stehen, die drei Pulverfässer losschlagen und über Bord werfen, sah ihn, wie er anschließend mit gewaltigen Streichen seiner Axt den Schiffsboden des Branders zertrümmerte und ihn so zum Sinken brachte, noch bevor er die „Isabella“ und die neben ihr liegende „Santa Cruz“ erreichte.

Ben Brighton dachte in diesem Moment auch an den Versuch jener beiden gefährlichen Kerle, Hasard Killigrew zu entführen, an den wüsten Kampf, der daraufhin in der Mill Bay entbrannte. Er dachte an den heimtückischen Überfall auf die „Isabella“, der nur wenig später passierte, an den Mordversuch, der im Queen’s Hotel auf den Seewolf von zwei gedungenen Mördern verübt wurde und der damit endete, daß der Seewolf die beiden Strolche im Laufe eines heftigen Handgemenges durch das Fenster jener Suite, in die man ihn gelockt hatte, in die Tiefe warf.

Und dann tauchte in Ben Brightons Erinnerung wieder das Gesicht des aalglatten Sir. Thomas Doughty auf, eines Höflings, der Ben Brightons Meinung nach von allen Beteiligten der weitaus gefährlichste Mann war und vor allem derjenige, der die Ladung der „Isabella“ unter allen Umständen in seine Gewalt bringen wollte. Schließlich sprach ihr letztes Abenteuer, das sie bei ihrer Fahrt nach Falmouth erlebt hatten, in dieser Hinsicht Bände.

Ben Brighton riß sich gewaltsam aus seinen Erinnerungen.

„Aye, Hasard. Ich werde Dan verständigen. ZumHafenmeister gehe ich mit, ich will sicher sein, daß nicht wieder irgend etwas schiefläuft.“

Der Seewolf nickte ihm zu.

„Ich werde froh sein, Ben, wenn wir endlich diese Teufelsladung von Bord haben“, sagte er. „Ich habe jetzt noch einiges zu tun. Wenn irgend etwas sein sollte, ich bin in meiner Kammer.“

Hasard drehte sich um und turnte gleich darauf den Niedergang zum Hauptdeck hinunter, von wo aus eine dicke Bohlentür ins Innere des Achterkastells führte.

Hätte der Seewolf gewußt, daß bereits um diese Zeit zwei Augenpaare ständig Ausschau nach der „Isabella“ hielten und sie auch sofort entdeckten, als sich ihre Mastspitzen schließlich über die Kimm schoben – Hasard hätte seine Pläne bestimmt noch geändert.

So aber segelte die „Isabella“ bei westlichem Wind mit schäumender Bugwelle Topsham entgegen – jener kleinen Stadt, die an der Mündung des Exe liegt, vier Kilometer von Exeter entfernt.

Die „Isabella von Kastilien“ lag mit zum Teil aufgetuchten Segeln an der Außenpier des Hafens. Vom Hauptdeck schallte die laute Stimme des Decksältesten, unter dessen Kommando die Crew die letzten Segel barg und festzurrte.

Der Seewolf stand auf dem Achterkastell, vor ihm Ben Brighton und Donegal Daniel O’Flynn, ganze sechzehn Jahre alt, schlaksig, frech und zitternd vor Ungeduld.

Der Seewolf sah das Bürschchen aus seinen eisblauen Augen an, sein schwarzes Haar flatterte im Wind. Er mußte sich beherrschen, um nicht zu grinsen.

„Also, was ist denn nun? Wollen wir hier anwachsen?“ fragte Dan, und seine Hände ballten sich unwillkürlich zu Fäusten. „Und überhaupt, ich gehe allein zum Hafenmeister. Was soll denn Ben dabei? Bin ich etwa ein Säugling? Ich kriege schon raus, wo Kapitän Thomas wohnt, ich …“

„Schluß jetzt, Dan. Ben geht mit, und damit basta. Ich will nämlich ebenfalls wissen, wo John Thomas wohnt – für alle Fälle. Du gehst dann sofort weiter.“

Er sah Dan abermals an.

„Und noch etwas, Dan“, sagte er dann. „Du richtest meine Botschaft nur dem Kapitän persönlich aus, zu niemand anderem ein Wort. Ist der Kapitän nicht zu Hause, dann wartest du. Sollte er verreist sein, kehrst du sofort wieder zum Schiff zurück. So, ab jetzt mit euch!“

Ben Brighton und Dan verschwanden. Dan maulte noch etwas vor sich hin, doch dann siegte sein Tatendrang. Außerdem hatte Hasard ja irgendwie recht: So brauchte er nicht extra zum Schiff zurück, sondern konnte sich sofort auf den Weg nach Exeter machen.

Der Hafenmeister bewohnte ein kleines, schmales Haus unweit der Außenpier. Er war ein schwerer, fast zwei Meter großer Mann, der lange Jahre mit den anderen Fischern Topshams zusammen auf Fischfang gefahren war. Er kannte sich aus mit Schiffen und ihren Besatzungen und sah schon an der Art, wie ein Schiff in den Hafen einlief, was mit dessen Kapitän los war.

Das Anlegemanöver der „Isabella“ hatte er anfangs mit Stirnrunzeln, dann aber mit größtem Respekt verfolgt. Der Mann, der dieses Schiff befehligte, verstand sein Handwerk.

John Fowler hatte natürlich ebenfalls beobachtet, wie Dan und Ben Brighton von Bord gingen. Er wußte auch sofort, daß sie zu ihm wollten, denn jedes einlaufende Schiff hatte sich beim Hafenmeister zu melden und mitzuteilen, wie lange es voraussichtlich an der Pier oder auch auf Reede liegenzubleiben gedachte. Daher sah er den beiden mit einigem Interesse entgegen, denn über dieses Schiff und seinen Kapitän wollte er mehr in Erfahrung bringen.

Er sah, wie die beiden sich bei Straßenpassanten nach ihm erkundigten, und wie ein älterer Mann schließlich auf sein Haus wies und ihn dann auch selber entdeckte.

John Fowler setzte sich in Bewegung und ging den beiden entgegen. Er wollte ohnehin zur Pier hinüber und sich die „Isabella“ aus der Nähe ansehen.

Minuten später stand er Ben Brighton und Dan gegenüber. Er musterte den Bootsmann der „Isabella“ und nickte unmerklich. So sahen Männer aus, die auf solchen Schiffen und unter solchen Kapitänen fuhren.

„Sie wollen zu mir. Ich sah, wie Ihr Schiff einlief und festmachte. Meinen Respekt, Mister, das war eine hervorragende seemännische Leistung, so was sieht man hier nicht alle Tage!“

Dan grinste den Hafenmeister an.

„Hat auch nicht jedes Schiff einen Philip Hasard Killigrew als Kapitän“, sagte er respektlos.

John Fowler kniff unwillkürlich die Augen zusammen.

„Killigrew?“ fragte er. „Hat dieser Killigrew etwas mit dem alten John Killigrew aus Falmouth zu tun? Mit der Sippe, die in der Feste Arwenack haust?“

Dan schlug sich vor Vergnügen auf die Schenkel.

„Ha, dieser alte Klabautermann ist sein Vater, Mister. Und ob er mit dieser Sippe was zu tun hat! Aber fragen Sie den Seewolf besser nicht danach, oder er hängt Sie genauso an den Haken wie damals seinen Alten auf Arwenack.“

„An den Haken? Den alten John Killigrew? He, junger Mann, ich bin ein wenig zu alt, um mich von einem solchen Bürschchen wie dir auf den Arm nehmen zu lassen.“

Ben Brighton schaltete sich ein, während Dan von einem Ohr zum anderen grinste.

„Was der Junge sagt, stimmt, Mister. Es ist wirklich nicht allzugut für Fremde, in Gegenwart unseres Kapitäns von dieser Sippe auf Arwenack zu sprechen. Aber nun zu dem Grund, warum wir in Topsham festgemacht haben. Kapitän Killigrew hat eine Botschaft für Kapitän John Thomas. Er soll in Exeter wohnen. Wir brauchen die genaue Adresse von Mister Thomas. Können Sie uns weiterhelfen?“

John Fowler nickte, aber man sah ihm an, daß er immer noch an dem herumkaute, was er soeben vernommen hatte.

„John Thomas wohnt in St.-Thomas-The-Apostle. Das ist eine Vorstadt von Exeter. Es ist nicht schwer, ihn zu finden. Er lebt dort mit seiner Familie in einem Landhaus am rechten Ufer des Exe. Sie erkennen das Haus sofort an seinem blauen Anstrich – ein anderes Haus dieser Art gibt es weit und breit nicht.

Ben Brighton wandte sich an Dan.

„Du weißt jetzt Bescheid, Dan. Setz dich in Marsch und beeil dich, Junge.“

Das letzte Wort war Ben Brighton so herausgerutscht. Zu spät fiel ihm ein, daß Dan sich wütend aufplusterte, wenn ihn jemand mit Junge anredete.

Er quittierte den giftigen Blick Dans mit einem Grinsen und blickte ihm nach, als er gleich darauf verschwand. Dann wandte er sich wieder dem Hafenmeister zu.

„Die Formalitäten – wollen wir die bei Ihnen oder an Bord der ‚Isabella‘ erledigen, Mister Fowler?“ fragte er.

„Ich komme an Bord. Ich muß den Mann kennenlernen, der den alten John Killigrew auf Arwenack an den Haken gehängt hat.“

Und dabei blieb es. Die beiden Männer gingen zur „Isabella“, während sich Dan bereits unterwegs zu jenem blauen Landhaus am rechten Ufer des Exe befand.

Außer John Fowler hatten noch zwei andere Männer das Einlaufen der „Isabella von Kastilien“ aufmerksam beobachtet. Der hagere, raubvogelgesichtige Patrick O’Moore und der stämmige, muskelbepackte Neil Griffith. Beide waren Agenten der spanischen Krone, die schon in der Mill Bay in Plymouth versucht hatten, den Seewolf zu entführen. Damals hofften sie, auf diese Weise in den Besitz jener kostbaren Kassette zu gelangen, die die Seekarten barg, die Killigrew zusammen mit den dreißig Tonnen Silberbarren erbeutet hatte, als er die „Isabella“ vor den Augen der Spanier auf der Reede von Cadiz kaperte. Die Karten stellten den wichtigsten Teil ihres Auftrags dar, weil sie für die Spanier einfach unersetzlich waren. Daß O’Moore und Griffith nebenbei noch die Aufgabe hatten, die „Isabella“ zu vernichten, damit auch das Silber nicht in die Hände der Engländer fiel, das war eine andere Sache.

Doch bisher hatten sie nichts als Fehlschläge und katastrophale Niederlagen einstecken müssen und waren selber auch nur knapp dem Tod entronnen.

Patrick O’Moore zog es jetzt noch die Kopfhaut zusammen, wenn er daran dachte. Er war entschlossen, dieses Mal aufs Ganze zu gehen.

Aus schmalen Augen beobachtete er, wie Dan und Ben Brighton mit dem Hafenmeister verhandelten – und allein schon die Heiterkeit Dans ärgerte O’Moore.

Die beiden Agenten hielten sich in der Deckung einer abgestellten Karre. Hin und wieder wanderten ihre Blicke zu der am Pier liegenden Galeone hinüber. Dort tauchte dann und wann die hochgewachsene Gestalt des Seewolfs auf dem Achterkastell auf.

„Jetzt fehlt nur noch, daß dieser Bastard den Hafenmeister zu Kapitän Thomas schickt“, sagte Neil Griffith. „Was tun wir dann? Wir kommen an diese Kerle einfach nicht heran. Ich gehe jede Wette mit dir ein, daß dieser Killigrew wieder keinen seiner Leute von Bord läßt.“

Es war für die beiden ohnehin schwierig genug gewesen, nach dem Auslaufen der „Isabella“ aus Plymouth zu ergründen, wohin die Galeone segeln würde. Ein Seemann der „Santa Cruz“ hatte die Vermutung geäußert, die Galeone würde wahrscheinlich nach Topsham verlegt. Und so waren sie nach Topsham gereist, hatten dort aber lange warten müssen, weil der Seewolf zuvor noch den Abstecher nach Falmouth unternommen hatte.

Patrick O’Moore dachte daran, während er Dan, Ben Brighton und den Hafenmeister beobachtete. Sie hatten in den letzten Tagen verdammt wenig geschlafen. Sie wußten, daß sie die Karten beschaffen mußten, koste es, was es wolle, andernfalls würde man sie in Spanien vierteilen. Mit ihren Auftraggebern, die ihnen hohe Honorare gezahlt hatten, war in dieser Hinsicht nicht zu spaßen. Denn tauchten jene Seekarten nicht wieder auf, dann würde es den Verantwortlichen selber an den Kragen gehen, und diese Verantwortlichen gehörten immerhin zur Admiralität der spanischen Flotte. O’Moore konnte sich nur zu gut vorstellen, daß man sich zunächst einmal an sie halten würde – und mit ihrem guten Leben, das sie bisher geführt hatten, indem sie solche Aufträge übernahmen und lösten, war es dann mit Sicherheit vorbei.

Patrick O’Moore knirschte mit den Zähnen. Von seiner einstigen Selbstbeherrschung war ein gut Teil abgebröckelt. An derartige Mißerfolge und Schlappen, wie sie ihm dieser schwarzhaarige Teufel, dieser verfluchte Killigrew, zugefügt hatte, war er nicht gewöhnt.

Als er an diesem Punkt seiner Überlegungen angelangt war, schüttelte er den Kopf.

„Nein, Killigrew schickt keinen Fremden zu Kapitän Thomas, Neil“, sagte er. „Er hat mit Sicherheit eine Botschaft für den Kapitän. Er will diese Teufelsladung endlich von Bord haben. John Thomas gehört zu den Freunden und Vertrauten von Francis Drake. Außerdem weiß Killigrew längst, daß auch Sir Thomas Doughty hinter der Ladung seines Schiffes her ist, daß dieser Mann jetzt Himmel und Hölle in Bewegung setzt, um die ‚Isabella‘ in seine Hand zu kriegen. Wenn ich dieser schwarzhaarige Teufel wäre, dann wüßte ich, daß Doughty noch viel gefährlicher ist als alles, was irgendwelche anderen Leute, die hinter der Ladung her sind, gegen die ‚Isabella‘ unternehmen können. Nein, paß auf, er schickt entweder den Jungen oder den Bootsmann oder beide.“

Minuten später sahen sie, wie Dan sich von der Gruppe löste und loslief.

Ein grausames Lächeln umspielte den Mund O’Moores, seine schmalen, blutleeren Lippen gaben für einen Moment die langen, gelben Zähne frei.

„Ich hatte also recht“, murmelte er. „Das wär’s dann also. Nun, mein Bürschchen, es dürfte nicht viel Mühe bereiten, dich zum Singen zu bringen. Da wäre dieser Bootsmann schon ein anderer Brocken gewesen. Los, Neil, beeilen wir uns. Wir müssen dieses Kerlchen erwischen, sobald es Topsham hinter sich gelassen hat.“

Die beiden Agenten lösten sich aus ihrer Deckung. Sie verschwanden in einer der schmalen Hafengassen und bestiegen gleich darauf eine Kalesche, die hinter einer Ecke stand. Sie kannten sich aus – sie wußten, daß sie Dan auf jenem Fahrweg, der sich am Ufer des Exe entlangzog, begegnen würden. Eine andere Möglichkeit, zum Landhaus von Kapitän Thomas zu gelangen, gab es nicht.

Neil Griffith hatte die Zügel übernommen. Er schnalzte mit der Zunge, und das Pferd setzte sich in Bewegung. Langsam, fast widerwillig erst, aber dann begann es zu traben.

Die Wolkendecke über Topsham riß auf, gleißende Sonnenstrahlen huschten über die Dächer der niedrigen Häuser, die sich unter dem heulenden Wind duckten.

2.

Dan tat, wie ihm von Ben Brighton aufgetragen worden war. Er beeilte sich wirklich. Er brauchte nicht lange, bis er Topsham hinter sich gelassen hatte, anschließend marschierte er den Fahrweg am Ufer des Exe entlang. Der Wind zerrte an seinen blonden Haaren. Er beobachtete ein paar Lastkähne, die sich von Exeter kommend auf Topsham zubewegten. Ein Pferdefuhrwerk begegnete ihm, dann war er wieder allein.

Dan pfiff vor sich hin. Im stillen beglückwünschte er sich, auf der „Isabella“ gelandet zu sein und unter dem Kommando des Seewolfes zu fahren. Dan wußte, daß der Seewolf ihn mochte und alles tat, um ihn zu einem perfekten Seemann auszubilden. Und auch die anderen Mitglieder der Crew waren in Ordnung – jawohl, er hatte es gut getroffen und führte ein Leben, wie er es sich schon immer gewünscht hatte.

Eine halbe Stunde noch, überlegte Dan, dann habe ich es geschafft, dann werde ich Kapitän Thomas aus seinem Bau holen und auf die „Isabella“ bringen.

Hinter ihm ertönte Pferdegetrappel. Dan drehte sich um. Er sah die schwarze Kalesche, die über den Fahrweg rollte und es offensichtlich verdammt eilig hatte.

Er blieb unwillkürlich stehen und trat zur Seite, um die Kutsche vorbeizulassen. Doch zu seinem Erstaunen zügelte der Kutscher die Pferde und hielt unmittelbar neben ihm. Der Mann beugte sich zu ihm hinunter.

„He, Junge, wir wollen nach St.-Thomas-The-Apostle, du bist doch bestimmt aus der Gegend. Ist es noch weit?“

Ärger huschte, über Dans Gesicht – und dann blinzelte er mißtrauisch. Hatte er diesen Mann nicht schon einmal gesehen? Er reckte seine Stupsnase noch höher in den Wind. Er würde diesem Kerl helfen, ihn „Junge“ zu nennen!

„Probier’n Sie’s doch aus, Mister. Irgendwannwerden Sie mit Ihrer Schindmähre schon dort anlangen. Meinetwegen fahren Sie auch in den Exe und versaufen Sie dort, aber lassen Sie mich in Frieden, klar? Mit Leuten wie Ihnen rede ich nämlich nicht, das hat mir meine Mutter verboten.“

Neil Griffith glaubte, nicht richtig gehört zu haben. Ärger stieg in ihm hoch.

Blitzartig schwang er sich vom Kutschbock, nachdem er noch einen vor – sichtigen Blick in die Runde geschickt hatte, ob es nicht zufällig ungebetene Zeugen gab.

Er ging auf Dan zu.

„Ich glaube, Freundchen, deine Mutter hat dir zu wenig das Fell versohlt, das werden wir jetzt mal nachholen. Und dann unterhalten wir uns weiter, daß dir Hören und Sehen vergehen wird.“

Innerlich amüsierte sich Neil Griffith, nachdem sein erster Ärger verflogen war. Besser hätte es gar nicht kommen können. Dieser Bengel gab ihm doch wahrhaftig Grund, handgreiflich zu werden.

In Dan stieg jähe Wut hoch. Er wartete nicht, bis Neil Griffith heran war, er sprang ihn an. Dan O’Flynn war zwar noch kein ausgewachsener Mann; aber er hatte Mut für zwei und wußte sich seiner Haut recht gut zu wehren. Mehr noch, er prügelte sich ausgesprochen gern.

Er hieb dem überraschten Neil Griffith seine Fäuste ins Gesicht, dann sprang er zurück und verpaßte ihm blitzschnell einen schmerzhaften Tritt in den Unterleib und rammte ihm den Bruchteil einer Sekunde später seinen rechten Ellenbogen mit großer Wucht in die Magengrube.

Das alles war so schnell gegangen, daß Neil Griffith fassungslos den wütenden Schmerz verspürte, der seinen Körper durchtobte und in seinen Einge – weiden wühlte.

Er brüllte auf, wollte sich, rasend vor Zorn, auf Dan stürzen, aber in diesem Moment flog die Tür der Kalesche auf und Patrick O’Moore sprang heraus.

„Schluß mit dem verdammten Theater!“ zischte er und hieb Dan gleichzeitig den Kolben seiner Pistole über den Kopf. „Willst du verdammter Narr, daß erst irgendwelche Leute auf uns aufmerksam werden? Los, rein mit dem Bengel in die Kutsche und dann fahr los. Du weißt ja, wohin.“

Neil Griffith packte Dan, der bewußtlos zu Boden gesunken war und warf ihn in die Kalesche.

O’Moore bedachte seinen Komplicen mit einem tadelnden Blick.

„Du bist auch nicht mehr der Alte, Neil. Prügelst dich hier auf offener Straße mit einem Jungen herum! Fahr los, ich fessele den Burschen inzwischen, wir können uns hier nicht die geringste Panne leisten, ist das klar?“

O’Moore schwang sich in die Kalesche und warf die Tür hinter sich zu. Dann holte er Stricke aus der Tasche seines dunklen Umhangs und begann Dan zu fesseln, während die Kutsche bereits wieder den Fahrweg entlangrollte. O’Moore nahm die Fesselung sehr sorgfältig vor, er wollte kein Risiko mehr eingehen.

Eine Viertelstunde später bog die Kutsche von der Fahrstraße ab. Sie rumpelte über einen schmalen Pfad, der durch dichtes Unterholz und zum Teil auch durch weite Schilffelder zum Wasser hinunterführte. Dan bewegte sich schwach und stöhnte.

O’Moore beugte sich zu ihm hinunter. Gleichzeitig setzte er ihm den Lauf seiner Pistole an die Schläfe.

„Bleib hübsch ruhig, mein Junge, oder ich werde unangenehm. Verdammt unangenehm sogar.“