Seewölfe - Piraten der Weltmeere 678 - Jan J. Moreno - E-Book

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 678 E-Book

Jan J. Moreno

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Beschreibung

Es war Philip Killigrew, der den Toten in einem Haus der verlassenen Küstensiedlung Ernakulum fand. Der Mann lag hinter der Tür, auf dem Bauch und in verkrümmter Haltung, die Beine angezogen, als hätte er sich mühsam wieder aufrichten wollen. Er trug lediglich eine Wickelhose, deshalb fiel sofort auf, daß seine Haut von großflächigen Geschwüren überzogen war. Mindestens ein Dutzend Ratten waren über den Leichnam hergefallen. Da der Mann schon seit Tagen tot war, bot er einen entsprechend abstoßenden Anblick. Einige der Tiere reagierten aggressiv und griffen Philip an. Er hielt sie sich mit Fußtritten vom Leib und schlug mit dem Schiffshauer zu. Erst als mehrere blutige Kadaver vor ihm lagen, ebbte die Angriffslust der Ratten ab. Pfeifend verschwanden sie in ihren Schlupflöchern...

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Impressum

© 1976/2020 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

eISBN: 978-3-96688-092-3

Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]

Jan J. Moreno

Der schwarze Tod

An Land wartet das Grauen

Im Sommer des Jahres 1599 herrschte in vielen Dörfern entlang der Westküste Indiens Kriegszustand. Aber nicht Menschen hatten die bislang friedlichen Bauern, Fischer und Händler überfallen, sondern ein unüberschaubares Heer hungriger Ratten.

Selbst die Dorfältesten erinnerten sich nicht, jemals eine solche Plage erlebt zu haben.

Die Ratten waren überall, sie fraßen das Getreide auf den Feldern und die Ernte in den Scheunen, ja, sie schreckten auch nicht davor zurück, die Menschen anzugreifen und vor allem Kindern schwere Bißwunden zuzufügen.

Die Menschen setzten sich zur Wehr. Zu Tausenden wurden die Kadaver vergifteter und erschlagener Ratten auf Scheiterhaufen verbrannt, und ein ekelerregender Gestank hing über den Dörfern.

Aber dann hielt der Tod Einzug – schrecklich, unbarmherzig und grausam …

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Die Hauptpersonen des Romans:

Marunga – der indische Junge ist davon überzeugt, daß die weißen Fremden ihn und seine Leute töten wollen.

Jehab Singwan – der weise alte Mann hat beschlossen, die vier weißen Gefangenen seinen Göttern als Opfer darzubringen.

Hasard und Philip Killigrew, Batuti und Bob Grey – die vier Arwenacks sind in eine Lage geraten, die ihnen kaum eine Chance läßt, zu überleben.

Philip Hasard Killigrew – läßt sich freiwillig niederschlagen, um eine Möglichkeit zu finden, seine Männer zu retten.

1.

Seit den frühen Morgenstunden wehte ein beständiger, lauer Südwestwind. Unter vollen Segeln durchpflügte die Schebecke des Seewolfs die gleichmäßige Dünung auf Ostkurs.

Das Leben an Bord erschöpfte sich in Routine. Lediglich vom achteren Grätingsdeck her erklang ein Hämmern und Sägen. Ferris Tucker besserte das Schanzkleid aus, das an manchen Stellen mehr Bleischrot aufwies als Holz – ein Andenken an Lord Hyram Scaleby, den Ersten Offizier der „Respectable“ und seine anmaßende Art. Aber der Lord hatte seine Lektion erhalten.

„Land voraus!“ hallte der Ruf des Ausgucks über die Decks.

Eine Viertelstunde später wurde die dunklere Färbung der Kimm deutlich. Wolken hingen über dem Landesinneren.

„Schiffe?“ fragte Philip Hasard Killigrew.

„Keine in Sicht“, erwiderte Dan O’Flynn, bevor er aus der Tonne am Großmast abenterte.

Ein gerade zwölf Jahre alter Junge trat ihm entgegen, ein blondes Bürschchen mit Haarwirbeln, Stupsnase und lebhaften grauen Augen.

„Mister O’Flynn!“ rief er. „Mister O’Flynn, Sir, ist das Ernakulam?“

Clinton Wingfield war erst vor wenigen Tagen zu den Arwenacks gestoßen, vorher hatte er zu den Pulveraffen, Backschaftern und Aufklarern der „Respectable“ gehört, auf die er in London gepreßt worden war. Er hatte nicht gezögert, sich den Korsaren anzuschließen, und die einzige sich bietende Gelegenheit sofort genutzt.

„Vergiß den Sir, Junge“, sagte Dan O’Flynn. „Du segelst nicht mehr auf dem Affenkahn, sondern auf einem Schiff freier englischer Korsaren.“

Wingfield nickte lächelnd. „Natürlich, Mister O’Flynn. Danke, Sir.“

Dan hüstelte verhalten. „Du gewöhnst dich noch daran. Und was Ernakulam anbelangt, der Ort liegt genau vor uns.“

„Toll!“ Clinton Wingfield riß überrascht und ungläubig zugleich die Augen auf.

Mittlerweile hatten sich einige Zuhörer eingefunden.

„Was ist daran so außergewöhnlich?“ fragte der Profos.

„Alles“, behauptete Clint. „Ich habe wenigstens mit fünf bis zehn Meilen Abdrift gerechnet.“

Carberry sperrte Mund und Augen auf, und als sein Mund wieder zuklappte, klang es fast wie ein Kanonenschuß.

„Hör mal, Jungchen“, sagte er grollend, „wenn du uns verhohnepipeln willst …“

„Laß ihn in Ruhe, Ed!“ Dan stellte sich zwischen die beiden. „Clint muß sich erst daran gewöhnen, daß nicht die gleichen bescheidenen Verhältnisse herrschen wie auf dem Viermastkahn der Lords.“

Die Küste wurde deutlicher, durch die Spektive war eine weithin hügelige, dicht bewaldete Landschaft zu erkennen. Ernakulam, der einzige auf den Karten eingezeichnete Ort, schien eine kleine Siedlung ohne prunkvolle Paläste, Tempel und Moscheen zu sein, aber mit dem Reiz des Landläufigen und Unberührten. Hier lagen noch keine portugiesischen Schiffe vor Anker, deren Mannschaften die Engländer als ungebetene Eindringlinge betrachten und dementsprechend mit Kanonendonner empfingen.

Aus diesem Grund hatte sich der Seewolf entschlossen, die Vorräte in Ernakulam zu ergänzen. Frischfleisch, Gemüse und Obst wurden inzwischen dringend gebraucht. Deutlich hatte Hasard noch die scharbockgeschädigten Männer der „Respectable“ vor Augen, denen der Mangel fast zum Verhängnis geworden wäre. Keiner der Arwenacks hatte je über Müdigkeit, Appetitlosigkeit, Muskelschmerzen und Blutungen des Zahnfleisches oder der Haut geklagt, da die Köche Wert auf eine vielseitige Verpflegung legten.

„Notfalls werde ich Tang und Seegras auffischen lassen und jedem, der nicht davon essen will, das Zeug mit Gewalt in den Rachen stopfen“, hatte der Kutscher gesagt, um seine Forderung nach einem Landfall zu untermauern.

Vom Achterdeck aus suchten der Seewolf und Don Juan de Alcazar, der ehemalige spanische Generalkapitän, mit ihren Kiekern das küstennahe Gewässer ab. Aber nicht ein Fischerboot zeigte sich.

„Kurs halten!“ befahl Hasard.

Die Küste ließ palmenbestandene Buchten erkennen. Erst weit landeinwärts lagen höhere Gebirgszüge.

„Ruder zwei Strich Steuerbord!“

Die Schebecke legte sich weiter nach Lee über. Der Abstand zum Land betrug noch knapp zwei Seemeilen.

„Will der Kapitän eine Peilung vornehmen, Dan – äh, Mister O’Flynn, Verzeihung, Sir?“ fragte Clinton Wingfield interessiert.

Dan lächelte.

„Du kriegst die richtige Anrede schon noch raus, wenn du ein paar Tage länger an Bord bist“, sagte er. „Denk daran, daß wir mit der ‚Respectable‘ weiter nichts gemeinsam haben als die Flagge, unter der wir segeln.“

„Aye, aye, Mister Dan, ich werd’s mir merken.“

„Was die Peilung betrifft, die ist überflüssig. Wir können uns darauf verlassen, jeden Moment den Hafen von Ernakulam zu sichten.“

Er behielt recht. Vorlich an Backbord, hinter einer vorspringenden Landzunge, öffnete sich eine kleine Bucht.

„Nehmt das Großsegel weg!“ befahl der Seewolf.

Mit verlangsamter Fahrt glitt die Schebecke auf die Hafeneinfahrt zu. Die ersten Häuser wurden sichtbar – flache, aus luftgetrockneten Ziegeln errichtete Gebäude ohne jeden Prunk. Zwei hölzerne Stege ragten etwa vierzig Yards weit ins Wasser. Drei kleine Einmaster lagen dort vertäut.

„Keine Portugiesen“, hörte Dan O’Flynn jemanden sagen. Es klang beinahe enttäuscht.

Das Besansegel wurde aufgetucht. Nur mehr unter der Fock und ziemlich genau vor dem Wind segelnd, näherte sich die Schebecke der Anlegestelle.

Irgendwo kläffte ein Hund, aber sonst lag eine ungewöhnliche Stille über der Bucht. Sogar Kinder, die üblicherweise lärmend am Ufer erschienen, um das fremde Schiff zu begaffen, blieben aus.

Hasard versteifte sich unwillkürlich.

„Weg mit der Fock!“

Mit der auslaufenden Fahrt konnte die Schebecke die Stege nicht erreichen. Dan verstand zwar Hasards Bedenken, teilte sie aber nicht.

„Es ist Mittagszeit“, sagte er. „Die Leute sitzen in ihren Hütten und essen.“

Der Seewolf schüttelte den Kopf. „Siehst du irgendwo die Rauchfahne eines Herdfeuers?“

Nichts regte sich in der Siedlung. Ernakulam wirkte wie ausgestorben. Nur die Fischerboote dümpelten sanft in der auflaufenden Dünung.

„Klar zum Ankern!“

Inzwischen waren mit bloßem Auge Einzelheiten zu erkennen. Am Strand lagen Netze zum Trocknen aus oder waren auf einfachen hölzernen Gestellen aufgehängt. Zwei Boote lagen kieloben und sollten offenbar repariert werden. Ein schmaler Pfad führte von den Stegen aus zu den etwa zweihundert Yards entfernten Hütten.

„Fallen Anker!“

Der Buganker klatschte ins Wasser. Langsam schwojte die Schebecke und drehte das Heck der offenbar verlassenen Siedlung zu.

„Das ist nicht gut“, maulte Carberry. „Riecht verdammt nach einer Falle. Warum sonst sollten sich die Leute in ihren Löchern verkrochen haben?“

„Ed hat recht“, sagte Ben Brighton. „Zwei portugiesische Schiffe genügen, um die Bucht abzuriegeln. Ich brauche wohl nicht daran zu erinnern, daß wir bei den momentanen Windverhältnissen nur mit Hilfe der Langriemen wieder auslaufen könnten. Einen Durchbruch würden wir so nie schaffen.“

Der Seewolf tat den Einwand mit einem Schulterzucken ab. „Vor den Portugiesen sind wir hier beinahe so sicher wie in der Themsemündung. Woher sollten sie wissen, daß wir ausgerechnet in einem Nest wie Ernakulam anlegen?“ Er wandte sich an den Stückmeister: „Al, schieß Salut! Wenn die Leute nicht taub sind, werden sie uns hören.“

Inzwischen hatten sich nahezu alle Arwenacks an Deck versammelt. Vermutungen wurden laut, daß Küstenpiraten das Dorf überfallen, die Männer niedergemetzelt und Frauen und Kinder als Sklaven verschleppt hätten.

„Wer tut so etwas?“ fragte Wingfield entgeistert.

„An der westafrikanischen Küste die Portugiesen und Spanier“, sagte Dan. „Aber in Indien – keine Ahnung.“ Er zuckte mit den Schultern, beschattete die Augen mit der flachen Hand und suchte erneut aufmerksam das Hafengebiet ab.

Nichts regte sich.

„Steuerbordculverinen klar!“ meldete Al Conroy.

Hasard nickte. Der Stückmeister senkte daraufhin die brennende Lunte.

Das erste Geschütz vor dem Achterdeck spie Feuer und dichten schwarzen Qualm. Das Dröhnen der Pulverexplosion und das Rumpeln der vom Rückstoß in die Brooktaue geworfenen Lafette hallten über die Bucht und klangen von den Hügeln mit schwachem Echo zurück.

Jenseits der ersten Häuser stieg schwerfällig ein Schwarm großer schwarzer Vögel auf, strich dicht über die Dächer hinweg und verschwand in einem Palmenhain.

Das schrille Kläffen war wieder zu vernehmen. Plymmie, die Bordhündin der Arwenacks, erschien auf dem Achterdeck und fletschte die Lefzen. Sie antwortete mit einem durchdringenden, klagenden Heulen.

„Was hat sie?“ fragte der Profos. „Ist sie läufig?“

Dan musterte die Hündin, deren Nackenfell sich sträubte. „Eher glaube ich, sie wittert etwas, was ihr nicht gefällt.“

„Vielleicht liegt ein Fluch über Ernakulam“, sagte Old Donegal Daniel O’Flynn. „Diese schwarzen Vögel …“ Was er noch sagte, ging in dem Lärm des zweiten Böllerschusses unter. Der Pulverdampf trieb auf die Anlegestelle zu, und plötzlich waren die Vögel wieder da. Sie brachen lautlos aus dem verwehenden Qualm hervor und strebten mit kräftigen Flügelschlägen der Schebecke entgegen. Im letzten Moment drehten sie ab.

Old Donegal schnaufte gequält auf.

„Habt ihr das gesehen, Leute? Für einen Moment dachte ich, die Biester wollten uns angreifen.“

„Sie haben es aber nicht getan, Dad“, sagte Dan. „Warum sollten sie auch?“

„Weil es Totenvögel sind – ihr nachtschwarzes Gefieder, die scharfen Fänge und die glühenden Augen verraten sie.“

„Das einzige was glüht, ist Als Lunte“, sagte Carberry. „Und wenn wir nicht bald willkommengeheißen werden, verliere ich meine Geduld und Gutmütigkeit. Dann bin ich dafür, daß wir uns einfach holen, was wir brauchen, und das ohne zu bezahlen.“

Dreimal klopfte Old Donegal mit seinem Holzbein auf die Planken.

„Geister und Dämonen, grausige Mächte hausen in dem Dorf“, deklamierte er mit dumpfer Stimme. „Spürt denn niemand, wie nahe sie schon sind? Wir sollten umkehren, solange noch Zeit dazu ist. Später wird Heulen und Zähneklappern sein.“

„He!“ sagte Big Old Shane lachend. „Den Spruch kenne ich doch. Steht der nicht in der Bibel?“

Die wenigsten achteten auf seine Bemerkung. Shane sah eine Reihe verkniffen wirkender Gesichter. Old Donegals Geschwätz steckte an.

„Erzähle mir einer, daß das normal sein soll“, sagte Jack Finnegan, dessen linken Arm immer noch ein wunderschöner weißer Verband zierte. Der Kutscher hatte sich alle Mühe gegeben, den Bruch fachgerecht zu schienen.

„Unheimlich“, pflichtete Paddy Rogers bei.

„Düsternis liegt über der Siedlung“, sagte Old Donegal orakelhaft. „Da sind unirdische Mächte am Werk. Laß den Anker lichten, Sir! Gegen Geister und Dämonen bestehen wir weder mit Culverinen noch mit Musketen und Blankwaffen.“

Von einigen Seiten erklang zustimmendes Murmeln. Andere, wie Shane oder Ferris Tucker, schüttelten nur verständnislos den Kopf.

„Ich will solchen Unsinn nicht mehr hören!“ sagte der Seewolf scharf. „Wir haben hellichten Tag, da spuken Geister bestenfalls in den Köpfen weißhaariger, griesgrämiger Miesmuscheln herum.“ Old Donegal Daniel O’Flynn versuchte zu protestieren, schaffte es aber nicht über den Ansatz hinaus, denn Hasard packte ihn kurzerhand an der Schulter und drehte ihn in Richtung Land. „Sieh genau hin! In einer Viertelstunde stehst du dort drüben und findest eine plausible Erklärung. Wenn nicht, dann kannst du von mir aus weiter dein törichtes Geschwätz verbreiten.“

Old Donegal stand da wie vom Donner gerührt. Nicht ein einziges Wort des Protestes drang über seine Lippen.

Auf den Schlag genau eine Viertelstunde später glitt eine der beiden Jollen der Schebecke an den vertäuten Fischerbooten vorbei.

Aus der Nähe betrachtet, wirkten die Boote dreckig und keineswegs so, als wären mit ihnen noch in den Morgenstunden Fischer zum Fang hinausgefahren. Regenwasser hatte sich binnenbords gesammelt und mit Flugsand und angewehtem Laub zu einer brackigen Brühe vermengt.

In einem der Kähne schwammen zwei aufgedunsene, von Ungeziefer bedeckte Fische. Eine Ratte floh quietschend vor den Arwenacks. Batuti brach ihr mit einem Schlag seines Riemens das Genick.

„Sieht nicht gut aus“, sagte er.

Bill deutete auf die toten Fische. „Vielleicht war Sturm, und die Boote konnten nicht auslaufen.“

„Alles Quatsch“, murrte Old Donegal. „Ihr verschließt die Augen vor der Wahrheit.“

Die Jolle schrammte am Steg entlang. Philip Killigrew junior schwang sich auf die von Algen überwucherten Bohlen und belegte die Vorleine.

„Seit vier oder fünf Tagen waren die Fischer nicht mehr draußen“, sagte er. „Das muß einen Grund haben.“

„Natürlich“, versicherte Old Donegal eilfertig. „Ich behaupte, daß die Bewohner von Ernakulam Hals über Kopf ihre Häuser verlassen haben.“

Hasard junior blinzelte seinem Zwillingsbruder zu. In seinem Blick lag inzwischen ebenfalls Besorgnis.

„Schon gut, Granddad“, beschwichtigte er. „Vielleicht hast du sogar recht. Aber bestimmt nicht, weil hier Geister ihr Unwesen treiben.“

Old O’Flynn ignorierte die ihm helfend entgegengestreckte Hand und schwang sich ächzend aus eigener Kraft auf den Steg, obwohl ihm die Beinprothese hinderlich war. Außerdem schwieg er, weil er eingesehen hatte, daß Worte allein keinen seiner Begleiter überzeugen würden.

Die Stille war bedrückend.

„Wie viele Einwohner mag Ernakulam haben?“ fragte Bob Grey nach einer Weile.

„Frag mich was Leichteres“, erwiderte Carberry.

„Fünfhundert“, sagte Philip junior gleichzeitig.

„Nicht mehr einen.“ Old Donegal wirkte erbittert.

Vor ihnen erklang wieder das heisere Bellen. Die Arwenacks folgten dem ausgetretenen Pfad. Bei den zum Trocknen ausgelegten Netzen standen zwei Körbe. Ursprünglich, das heißt vor einigen Tagen, mochten sie voller Fische gewesen sein. Jetzt lagen die schuppigen Leiber, von spitzen Zähnen zerfetzt, Dutzende von Schritten im Umkreis verstreut. Die wenigsten Fische waren noch als solche zu erkennen, zumal die kargen Reste inzwischen von Heerscharen von Ameisen und Käfern bevölkert wurden.

„Alles verludert“, sagte Batuti kopfschüttelnd. Er hielt einen Pfeil schußbereit auf der Sehne seines Langbogens. Aber außer ein paar Ratten gab es nichts, auf das er hätte schießen können.

Sie näherten sich den ersten Häusern.

Ein eigenartiger Geruch lag in der Luft, er wirkte beklemmend und zwang die Männer, kürzer zu atmen. Es war der Dunst von Verwesung und Fäulnis.

Edwin Carberry, der neben Batuti an der Spitze des Trupps ging, stieß eine heftige Verwünschung aus. Im nächsten Moment rief er laut: „Hallo! Ist da jemand?“

Ein schwarz und weiß gezeichnetes Etwas fegte kläffend hinter den Häusern hervor. Es war ein seltsames Geschöpf mit Schlappohren, übergroßer Schnauze, einem faßförmigen, verquollenen Leib und zu kurz geratenen krummen Beinen. Das zottige, verdreckte Fell konnte all die Häßlichkeit nicht verbergen.

Angriffslustig verharrte der Köter gerade zwei Schritte vor Carberry. Blutiger Schaum stand vor seinem Maul, und die Augen waren nicht minder rot verfärbt.

„Kusch!“ sagte der Profos, freilich ohne jedweden Erfolg. Ehe er sich’s versah, sprang ihn der Hund an. Ferris Tuckers „Wahrschau!“ erklang zu spät.

Instinktiv riß Carberry die Arme hoch und wehrte den Köter ab.