Seewölfe - Piraten der Weltmeere 716 - Jan J. Moreno - E-Book

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 716 E-Book

Jan J. Moreno

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Beschreibung

Links von Dan O'Flynn kämpfte sich ein portugiesischer Offizier zu den brennenden Scheiterhaufen durch, auf denen acht Arwenacks vom Leben zum Tode befördert werden sollten. Erst als dieser Offizier zwei Soldaten mit Pistolenschüssen niederstreckte, erkannte Dan unter der Verkleidung den schlanken Sam Roskill. Der verwegene Draufgänger war in seinem Element. Ohne nur einen Moment innezuhalten, entriß er einem Soldaten die Pike, parierte den ihm zugedachten tödlichen Hieb eines anderen und schmetterte ihm die leergeschossene Pistole ins Gesicht. Mit wehender Schärpe schwang er sich auf den ersten Holzstoß und verschwand hinter den mittlerweile mannshoch lodernden Flammen. Nur sein Federhut wirbelte in Feuer und verglühte...

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Impressum© 1976/2021 Pabel-Moewig Verlag KG,Pabel ebook, Rastatt.eISBN: 978-3-96688-138-8Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]

Jan J. Moreno

Die falschen Portugiesen

Um ihre Gefährten vor dem Scheiterhaufen zu retten, riskieren die Arwenacks Kopf und Kragen

Stumm blickte Patta den Fischerbooten nach. Sie verschwanden in der sternenklaren Nacht. Ein auffrischender Südwestwind zauberte Gischtkronen auf die Wellen und verwischte den silbernen Schimmer des Mondlichts.

Eins der Boote war die Jolle der Engländer. Noch erschien es nicht zu spät.

Dan zurückzuhalten. Patta hätte ein schnelles Boot nehmen und ihm nachsegeln können – sie tat es nicht, denn Dan O’Flynn war nach Malakka gekommen, um seine Freunde vor dem Scheiterhaufen zu retten. Nur das zählte für ihn.

Das Fischermädchen schloß für einen Moment die Augen und seufzte.

Ich wünsche dir Glück! dachte sie. Bisher bat jeder von uns, der die Hand offen gegen die Portugiesen erhob, mit dem Leben bezahlt …

Die Hauptpersonen des Romans:

Clint Wingfield – der Moses der Arwenacks beweist, daß er ein pfiffiges Bürschchen ist.

Edwin Carberry – der Profos sieht auch als portugiesischer Offizier zum Fürchten aus.

Dan O’Flynn – sonst eher gelassen, hat er jetzt seine liebe Not, nicht aus der Haut zu fahren.

Sam Roskill – beweist einmal mehr, daß er ein verwegener Draufgänger ist, vor allem dann, wenn es gilt, Kameraden zu befreien.

Philip Hasard Killigrew – handelt nach seiner Devise: Kühl abwarten, Nerven behalten und im richtigen Moment zuschlagen.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

1.

„Die Landluft hat Dan nicht gutgetan“, sagte Bill spöttisch. „Wird Zeit, daß er sich wieder eine Seebrise um die Nase wehen läßt. So blaß war er lange nicht mehr.“

Dan O’Flynn überhörte die Bemerkung geflissentlich. In sich zusammengesunken, kauerte er auf der Mastducht und starrte über die Wellen. Seine Mundwinkel zuckten unablässig.

Bill seufzte ergeben und fuhr fort, der vor seinen Füßen kauernden Wolfshündin Plymmie den Nacken zu kraulen. Fragend wandte er sich an Don Juan: „Ein Jammertal ist diese Welt, ein Elend ohnegleichen. Was hat Dan?“

Das Segel begann zu killen. Sofort fiel Don Juan de Alcazar etwas vom Kurs ab.

Die Küste und mit ihr die Lichter der Stadt Malakka verschwanden achteraus. Die Pfahlbauten von Tanjong waren schon lange nicht mehr zu sehen. Dort, entlang des Kanals zwischen Fluß und Meer, herrschte undurchdringliche Finsternis.

„He, Señor, redest du nicht mehr mit jedem?“ Bill wollte es nun offenbar wissen. Ihm war anzusehen, daß er sich in der stummen Gesellschaft unbehaglich fühlte. „Bin ich aussätzig, oder was ist los?“

„Du solltest einfach nur die Klappe halten“, schnaubte Dan.

„Holla! Dem Herren ist eine Laus über die Leber gel…“

„Bill!“ sagte der Spanier scharf und winkte ab. „Laß ihn in Ruhe. Dan hat Liebeskummer.“

„Das sieht ein Blinder“, entgegnete Bill – mit dem Erfolg, daß Dan aufsprang und am liebsten mit den Fäusten auf ihn losgegangen wäre.

Plymmie knurrte zwar drohend, konnte sich aber nicht entscheiden, wen sie verteidigen sollte. Schließlich erhob sie sich und hinderte Dan daran, Bill eins auf sein „loses Mundwerk“ zu geben. Genau das wollte Dan O’Flynn nämlich tun.

„Dich erwischt es auch schon mal, du Maulheld!“ rief Dan wütend. „Aber dann laß dir ja nicht einfallen, mich um Rat zu bitten.“

Bill grinste schief, gerade so, als könne ihm das nie passieren, oder als dürfe er in Liebesdingen längst auf die Erfahrung aller Arwenacks zurückgreifen.

Don Juan räusperte sich verhalten.

„Amors Pfeile sind spitz“, sagte er. „Und manchmal treffen sie ungezielt.“

Dan wandte sich derart heftig um, daß die Jolle, obwohl sie gut am Wind lag, zu schwanken begann. „Willst du damit behaupten, alles sei nur ein Strohfeuer, Señor?“

Der Spanier zuckte mit den Schultern. „Ich kenne Patta nicht näher, folglich kann ich mir kein Urteil erlauben.“

„An Männerknappheit wird es wohl nicht liegen, daß sie ausgerechnet mit Dan die letzte Nacht verbracht hat“, bemerkte Bill spitz. „Portugiesen sind genug da, außerdem habe ich mir sagen lassen, daß sie bei den malaiischen Mädchen ihre Ehefrauen vergessen. Man sieht es an der Zahl der Bastarde in Malakka.“

Dan hatte sich vorübergehend am Mast festgehalten und ließ sich nun schwer auf die Ruderbank fallen. Er wandte Bill den Rücken zu und strafte ihn mit Nichtbeachtung. Lediglich ein tiefgründiges „Neidhammel“ stieß er grollend hervor.

Plymmie streckte sich wieder aus. Sie spürte, daß die Spannung zwischen den beiden Arwenacks rasch abebbte, und legte den Kopf auf die Vorderpfoten. Nur hin und wieder blinzelte sie schläfrig in die fahle Helligkeit der Laterne, deren flackernder Schein das Segel mit seltsamen Reflexen überzog.

Mittlerweile waren die Fischerboote weit genug draußen. Die ersten Netze klatschten ins Wasser. Im Schein der Fackeln und Palmöllampen zeigten sich silbrig schimmernde Fischleiber dicht unter der Oberfläche.

„Ich denke, unsere Freunde bringen heute nacht einen guten Fang nach Hause.“ Don Juan drehte den Docht der kleinen Laterne zurück, die neben ihm auf der Achterducht stand.

Es war an der Zeit, daß sie sich von den Fischern absetzten und das Versteck der Schebecke aufsuchten. Niemandem würde jetzt noch das Verschwinden eines Bootes auffallen. Die Portugiesen waren weit.

Als nur noch ein winziger Funke hinter den matten Glasscheiben der Laterne schimmerte, legte der Spanier die Jolle vor den Wind. Der schemenhafte, kaum mehr zu erkennende Küstenstreifen an der Kimm wanderte nach Backbord.

Ein mit ebenfalls drei Männern besetztes Boot kreuzte den Kurs der Arwenacks ein Dutzend Yards voraus.

„Mögen eure und unsere Götter mit euch sein!“ hallte ein Ruf in leidlich verständlichem Portugiesisch herüber.

Die Stimme übertönte gerade das Rauschen der Bugwelle und das Knarren des Riggs. Obwohl er die Gesichter nicht erkannte, wäre Don Juan zu schwören bereit gewesen, daß entweder Puhan oder Pang gerufen hatte. Wenn man sie nicht sah, nur hörte, waren die beiden schwer auseinanderzuhalten.

Bill winkte dem abdrehenden Fischerboot hinterher. Dann waren sie endgültig allein. Die Lichtpunkte der Fackeln und Lampen hinter ihnen, die wie ein Schwarm Glühwürmchen über dem Meer hingen, wurden rasch kleiner und verschmolzen miteinander.

Aber da war noch eine andere Helligkeit. An Steuerbord voraus. Bill hielt sie zunächst für einen tief stehenden Stern. Doch der anfangs winzige Fleck wurde größer, und als er zum zweitenmal für Augenblicke erlosch und danach scheinbar heller strahlte als zuvor, wußte Bill, daß er sich geirrt hatte. Er streckte den Arm aus und deutete in die Richtung.

„Voraus an Steuerbord, da ist etwas.“

Dan O’Flynn wandte sich nur flüchtig um.

„Die Sterne spiegeln sich im Meer. Oder sollten einige Seejungfrauen aufgetaucht sein, dich zu trösten, weil du sonst so wenig Glück in der Liebe hast?“

Bill hielt erst die Luft an und atmete dann prustend aus.

„Du bist schon wie dein Alter“, erwiderte er. „Das kannst du ruhig als Kompliment auffassen.“

„Genau so hätte ich es auch verstanden.“ Dan lachte leise. Anschließend richtete er sich aber doch auf und spähte nach Steuerbord.

Der vermeintliche Stern war wieder ein winziges Stück größer geworden. Schattenhaft ließ er die Umrisse von Segeln erkennen.

„Das ist ein Schiff mit zwei oder drei Masten, wahrscheinlich eine Karavelle.“

Wieder bewahrheitete sich, daß Dan O’Flynn die schärfsten Augen der Crew hatte. Weder Don Juan noch Bill konnten die Karavelle als solche identifizieren.

„Portugiesen?“

„Wer sonst? Glaubt ihr, daß sich außer uns noch andere Engländer in diesen Gewässern herumtreiben?“ Don Juan dachte und fühlte seit langem wie ein Engländer, zumindest wie ein englischer Korsar. Die Greueltaten, die im Namen der spanischen Krone und der Christenheit in der Neuen Welt begangen wurden, hatten ihm die Augen über seine Landsleute geöffnet.

Jetzt sah es danach aus, als griffen die Portugiesen im Bereich der Malakkastraße kaum weniger hart durch. Mit Feuer und Schwert festigten sie ihre Positionen entlang der Küsten und scheffelten den Reichtum, der sich aus ungezählten Schiffsladungen mit den erlesensten Gewürzen ergab. Aber auch Gold, Zinn und andere wertvolle Dinge heimsten die Portugiesen ein, die das Land brutal ausbeuteten.

„Egal, unter welcher Flagge die Karavelle segelt“, sagte Dan, „sie hält jedenfalls auf uns zu.“

„Die Crew kann uns unmöglich schon entdeckt haben.“ Don Juan stellte die nur noch glimmende Lampe unter die Achterducht. Nicht mal der fahlste Lichtschimmer drang über das Dollbord.

Dan hatte inzwischen den Kieker aus dem Bugschapp geholt. Malaiische Fischer, als die sie sich verkleidet hatten, besaßen üblicherweise kein Fernrohr. Aber in der Nacht konnte niemand sehen, daß Dan ein Spektiv benutzte, und die Tarnung war ohnehin überflüssig geworden.

Leise pfiff er zwischen den Zähnen hindurch.

„Was ist?“ fragte Bill drängend. „Was siehst du?“

Ihre Meinungsverschiedenheit von eben war vergessen. Schließlich ging es um wichtigere Dinge.

„Das Schiff ist ein Viermaster“, erklärte Dan. „Ich habe mich täuschen lassen, weil es nur unter Fock, Großsegel und Besansegel vor dem Wind liegt.“

„Einem Kahn dieser Größe sollten wir ausweichen“, sagte Don Juan. „Die fegen uns schon mit einer halben Breitseite vom Wasser, daß uns Hören und Sehen vergeht.“

Dan O’Flynn nickte zustimmend. „Ich halte die Karavelle ebenfalls für ein portugiesisches Kriegsschiff. Wahrscheinlich will der Kommandant Malakka anlaufen und ist nur infolge der Dunkelheit zu weit nach Osten geraten. Von der momentanen Position aus sieht auch der beste Ausguck kein Land.“

Knapp eine Meile betrug die Distanz noch. Der Viermaster fiel nach Backbord ab. Wahrscheinlich hatte der Kommandant oder einer der Offiziere inzwischen festgestellt, daß Malakka bereits achterlich lag.

„Vorerst hat die Mannschaft genug mit sich selbst zu tun“, sagte Bill. „Uns halten sie hoffentlich für Fischer.“

Die Distanz schrumpfte bis auf eine halbe Meile. Dan, der unablässig durch den Kieker beobachtete, stellte fest, daß sich mindestens vierzig Mann an Deck befanden. Weitere Laternen wurden angesteckt.

„Es sind Portugiesen. Sie führen die Farben Portugals im Topp.“

„Und sie bereiten sich darauf vor, in den Hafen von Malakka einzulaufen“, sagte Bill. „Dem Himmel sei’s geklagt, aber mir gefällt die Sache nicht.“

„Keiner von uns kann daran etwas ändern“, erwiderte Don Juan. „Ein Schiff mehr vor Anker oder im Hafen – na und?“

„Das bedeutet zweihundert Seeleute und Soldaten mehr in den Straßen.“

„Sie werden sich zuerst gründlich besaufen“, sagte der Spanier. „Jedenfalls die meisten von ihnen. Und danach suchen sie sich Frauen. Wenn mein Gefühl nicht täuscht, hat die Crew eine lange Reise über den Teich hinter sich. Entsprechend ausgehungert dürften die Kerle sein.“

„Ich frage mich“, murmelte Bill, „was Dan wohl unternimmt, wenn …“ Als wäre er über seine eigene Äußerung erschrocken, fuhr er sich mit der Hand über den Mund und brach mitten im Satz ab.

„Wenn was?“ fragte Dan O’Flynn sofort.

„Nichts“, sagte Bill abwehrend. „Gar nichts. Vergiß es am besten.“

„Du meinst, daß Patta und die Portugiesen …?“

Bill wurde verlegen und druckste plötzlich herum. „So genau weiß ich das natürlich nicht. Ich will nichts behaupten …“

„… was du nicht beweisen kannst.“ Dan schob das Spektiv zusammen, daß es dabei fast zu Bruch ging. „Sieh dich vor, Mister, und hüte dich in den nächsten Nächten davor, mir hinterm Mast zu begegnen.“

Bill wußte, daß er zu weit gegangen war. Für die dumme Bemerkung hätte er sich selbst ohrfeigen können. Zudem war ihm nicht mal richtig klar, warum er Dan provozierte. Vielleicht, weil ihm das Fischermädchen Patta ebenfalls gefallen hatte?

Er zwang sich, an andere Dinge zu denken. Das klare Wetter würde bleiben, momentan sah es jedenfalls nicht nach Regen aus.

Die Karavelle steuerte jetzt Malakka an und fiel langsam hinter der Jolle zurück. Eine günstige Schußposition hatten die Portugiesen ohnehin nie innegehabt.

Bald verschwand die von den Laternen ausstrahlende Helligkeit in der Ferne.

Aus dem Uferdickicht erklang ein leises Plätschern. Fische sprangen aus dem Wasser und holten sich ihren Anteil an den Schwärmen blutgieriger Insekten, deren Sirren das Mangrovengestrüpp erfüllte.

Die winzige Bucht zwischen den Inseln lag so ruhig wie eh und je. Selten hatten sich Menschen hierher verirrt, denn die schmale Durchfahrt wies Untiefen auf, die ein sicheres Manövrieren erschwerten.

Kein Portugiese würde vermuten, daß am Ende der Bucht ein Schiff vor Anker lag, ein schlanker, wendiger Dreimaster, dessen typisches Merkmal der weit vorragende Vorsteven war. Schiffe wie dieses hatten die Malakkastraßen noch nicht durchkreuzt.

Arabisch-türkischen Ursprungs, wurden sie vorwiegend vor der algerischen Küste von Piraten gesegelt, gewannen aber zunehmend bei Franzosen und Portugiesen als Handelsschiff Bedeutung. Der vordere, stark bugwärts geneigte Pfahlmast sowie die erhöhte und weit ausladende Heckgalerie mit dem kleineren Besanmast waren weitere unverkennbare Merkmale der Schebecke.

Der Name entsprang dem Wort „Chebec“, und das bedeutete soviel wie „kleines Schiff“, obwohl davon bei einer Länge bis zu 40 Yards und einer Breite von rund 10 Yards sowie außergewöhnlich guter Bestückung kaum noch die Rede sein konnte.

Die Schebecke der Seewölfe – leider bis heute namenlos – verfügte je Seite über sechs Culverinen mit einer Rohrlänge von beachtlichen 3,70 Yards sowie vorn und achtern je zwei Drehbassen.

Schon vor Tagen hatten die Seewölfe unter Philip Hasard Killigrew in die einsame Bucht verholt und harrten seitdem der Dinge, die da kommen würden. Viel zu tun gab es nicht mehr. Das Schiff war inzwischen gründlich überholt und sogar die Bilge gereinigt worden – wobei man völlig unerwartet ein Fäßchen Rum entdeckt hatte.

Wie lange es im Salzwasser gelegen hatte, war unklar. Bis sich jeder an Bord davon überzeugt hatte, daß der Inhalt nicht wegen der unsachgemäßen Lagerung gelitten hatte, war von dem edlen Tropfen fast nichts mehr vorhanden.

Edwin Carberry, der allen Ernstes behauptete, sich mit der letzten Suppe des Kutschers die Zunge verbrannt und deshalb keinen vernünftigen Geschmack mehr zu haben, staubte gerade noch einen halben Becher zusätzlich ab, ehe dem Spundloch nur noch das köstliche Aroma des Rums entwich.

Sonst war an Bord der Schebecke herzlich wenig los. Lediglich die Mücken sorgten für Abwechslung.

Jack Finnegan und Paddy Rogers gingen Wache, als das monotone Plätschern der Wellen entlang der felsigen Uferböschung lauter wurde. Auch der Rhythmus veränderte sich, als hätte plötzlich die Flut eingesetzt.

„Seltsam“, murmelte Paddy Rogers. Im Denken war er keineswegs der schnellste. Außerdem war er kein Freund langer Reden oder großer Worte. Die Stirn in Falten gelegt, starrte er in die Nacht hinaus.

An Bord der Schebecke waren alle Laternen gelöscht. Lediglich der Sternenschein und der Mond ließen die unmittelbare Umgebung des Schiffes erkennen. Die Arwenacks durften keinesfalls das Risiko eingehen, von zufällig vorübersegelnden Portugiesen entdeckt zu werden. Denn daß die Schebecke sogar am Ende einer einsamen unübersichtlichen Bucht nicht sicher war, hatten Dan, Bill und Don Juan bereits bewiesen.

„Ist was?“ raunte Jack Finnegan. Er bemühte sich, leise zu sprechen, krächzte dabei aber, als hätte er soeben einen Frosch verschluckt.

Paddy deutete außenbords. Mit beiden Händen ahmte er das Spiel der Wellen nach.

Sein Freund legte die Stirn in Falten und kratzte nachdenklich den frisch geschabten Stoppelbart, der immer noch stachlig wie ein Kaktus wirkte. Das Kratzen, das dabei entstand, klang dementsprechend rauh.

„Pst!“ sagte Paddy scharf. Er griff nach seiner Muskete, die er achtlos gegen das Schanzkleid gelehnt hatte, hob sie auf den Handlauf und spannte den Schlagbolzen.

Diesmal sagte Finnegan eindringlich und mit überaus vorwurfsvollem Tonfall: „Pst!“

Sie lauschten in die Dunkelheit. Die Wachgänger auf Kuhl und Achterdeck hatten offenbar noch keine Veränderung bemerkt.

Jack Finnegan trat nun ebenfalls ans Schanzkleid und berührte seinen Freund kurz an der Schulter.

„Portugiesen?“ flüsterte er nahezu unhörbar, indem er nur die Lippen bewegte.

Paddys Miene wirkte unwillig. Er hatte absolut nichts verstanden.

„Sag’s noch mal!“ knurrte er, bemüht, seine Stimme zu dämpfen.

„Portugiesen?“ wiederholte Finnegan.

Paddy Rogers schüttelte energisch den Kopf. „Glaub ich nicht, Jack.“

„Was dann?“

Höchstens noch dreißig Yards voraus zeichnete sich die vage Silhouette eines Bootes ab.

„Das sind Malaien“, sagte Paddy Rogers. „Wir müssen die anderen Wahrschauen.“

„Warte noch! Drei oder vier Kerle räumen wir doch spielend ab.“

Paddys dickliches Gesicht verzog sich zu einem vielsagenden Grinsen.

„Da hast du recht“, bestätigte er. „Die Burschen nehmen wir vierkant, bevor sie aufentern. Aber was ist, wenn ihnen weitere folgen?“