Seewölfe - Piraten der Weltmeere 720 - Jan J. Moreno - E-Book

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 720 E-Book

Jan J. Moreno

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Beschreibung

"Hängt die Gefangenen nebeneinander an die Großrah!" befahl der spanische Kommandant. Es bereitete ihm Genugtuung, in die Gesichter der Männer zu schauen und ihre Reaktion zu sehen. Hatten diese Narren wirklich geglaubt, er würde sie verschonen? Der Riese mit dem häßlichen Narbengesicht und dem Rammkinn fluchte unbeherrscht. Der Kommandant wußte nicht, was "Rübenschweine" waren, aber es interessierte ihn auch herzlich wenig. Unter "Affenärschen" konnte er sich schon mehr vorstellen. "Hängt den häßlichen Riesen zuerst auf!" bestimmte er und spuckte verächtlich aus. Der spanische Profos legte dem Narbengesicht den Strick um den Hals und zog den Knoten fest. Trommelwirbel erklang...

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Impressum© 1976/2021 Pabel-Moewig Verlag KG,Pabel ebook, Rastatt.eISBN: 978-3-96688-142-5Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]

Jan J. Moreno

Sterben vor Batavia

Nur noch ein Wunder kann sieben Arwenacks vor dem Strick retten

Blutrot tauchte der Feuerball aus dem Meer auf und weitete sich unaufhaltsam nach Norden und Süden aus. Die Segelwachen hatten selten ein faszinierenderes Schauspiel gesehen. Einzelne Eruptionen leckten lodernd bis in den Zenit, und der Himmel stand im wahrsten Sinne des Wortes in Flammen. Sogar die Schebecke der Seewölfe war in glühendes Licht getaucht, das gespenstisch die Segel durchdrang und das stehende Gut als feuriges Spinnennetz erscheinen ließ.

Wie gebannt beobachtete der Rudergänger Piet Straaten das Schauspiel.

Er war dann der erste, der das beinahe ehrfürchtige Schweigen an Deck brach.

„Jemand sollte den Navigator aus der Koje holen“, sagte er. „Dan weiß vielleicht, ob wir Kurs auf einen der feuerspeienden Berge halten, deren Ausbrüche immer wieder Schiffen zum Verhängnis werden …“

Die Hauptpersonen des Romans:

Dom Luis Vaz de Noronha – der Kommandant der „Santa Catarina“ hat gegen den Seewolf und seine Arwenacks keine Chance.

Dom Miguel Esteves Pessoa – hat seiner Meinung nach eine perfekte Falle aufgebaut, um die „englischen Spione“ zu fangen.

Edwin Carberry – der Profos der Arwenacks soll als erster an der Rah aufgehängt werden und hat auch schon den Strick um den Hals.

Clinton Wingfield – handelt auf eigene Faust und gegen die Befehle seines Kapitäns – und hat damit Erfolg.

Philip Hasard Killigrew – entwickelt einen tollkühnen Plan, um sieben seiner Männer aus der Gewalt der Portugiesen zu befreien.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

1.

Der dickliche, gutmütige Paddy Rogers, der nie ein Freund großer Worte war, ließ sich überreden, Dan O’Flynn aus wohlverdientem Schlaf zu purren. Inzwischen stieg der Rand der Sonne als riesige Feuerlohe über die Kimm auf. Die Java-See, nur von einer schwachen Brise bewegt, verwandelte sich in ein Meer aus rot-violetten Farbtönen, die den Eindruck nahenden Unheils noch verstärkten.

Der Übergang von der Nacht zum Tag war kurz. Bis Dan O’Flynn an Deck erschien, sorgte die beginnende Helligkeit schon für eine weniger unheimliche Atmosphäre. Von zwei Strich Backbord bis ebensoweit nach Steuerbord verdrängte ein goldgelbes Leuchten den Feuerschein, der sich zunehmend zum Zenit hin verlagerte und in großer Höhe verwehte. Nur noch einige Zirruswolken behielten die intensive Färbung bei.

Die Wolfshündin Plymmie folgte dem Navigator auf dem Fuß. Beim Anblick des rötlichen Himmels stieß sie ein durchdringendes Heulen aus.

„Na, na!“ sagte Dan kopfschüttelnd. „Davor brauchst du dich nicht zu fürchten.“ Im selben Atemzug wandte er sich an den Rudergänger: „Paddy behauptete, wir segeln auf einen Vulkan zu. Wo ist der Berg?“

Mit der flachen Hand die Augen beschattend, blickte er forschend nach Osten. Mittlerweile war die Sonne halb aufgegangen. Sie blendete, und die ruhige See reflektierte die gleißende Helligkeit.

„Für einen Moment befürchtete ich tatsächlich einen Vulkanausbruch“, erwiderte der Rudergänger. „Ob du es glaubst oder nicht …“

„… das Morgenrot hat dich genarrt.“ Dan O’Flynn stützte sich auf den Handlauf des Steuerbord Schanzkleids und versuchte, im Süden mehr zu erkennen als nur die Dunstschleier, hinter denen die Küste Javas verborgen lag. „Andererseits sind auf den Karten wirklich einige Vulkane verzeichnet. Sie liegen jedoch weit im Landesinneren.“

Eine plötzliche Bö knallte in die Segel. Die Schebecke, die während der Nacht ohnehin nur unter Fock und Besansegel auf Kurs Ostsüdost gelaufen war, legte sich für einen Moment weit nach Backbord über.

Als hätte es nur noch dieses Anstoßes bedurft, wurde es unter Deck lebendig. Ein dunkelblonder, zerzauster Haarschopf schob sich aus dem Niedergang vor dem Großmast, gefolgt von einem Narbengesicht mit gewaltigem Rammkinn und kaum weniger imposanter Nase. Witternd blickte sich der Profos nach allen Seiten um.

„Wo sind die Rübenschweine?“ fragte er grollend.

„Wer bitte, Mister Carberry, Sir?“ Clinton Wingfield, der Moses, war eifrig dabei, die Kuhl aufzuklaren.

Seit der griesgrämige Zweitkoch Mac Pellew in einem Anflug von Ironie geäußert hatte, die Crew könnte künftig von den Decksplanken essen, schien es ihm geradezu diebisches Vergnügen zu bereiten, jede Leine sauber aufzuschießen und Salzverkrustungen, Pulverrückstände, Sand und was der Dinge mehr waren, gründlich zu entfernen.

„Ich rede von den Portugiesen!“ erklärte Edwin Carberry grollend und nach einem Seitenblick auf die geblähten Segel.

Clinton Wingfield zuckte mit den Schultern.

„Tut mir leid, Sir, aber die Portugiesen scheint es vor Java nicht zu geben.“

Der Profos lachte dröhnend und schwang sich endgültig aus dem Luk auf Deck.

„So“, sagte er. „Nicht zu geben? Das wird sich noch herausstellen, Junge. Ich glaube nicht daran, bevor ich es nicht ganz sicher weiß.“

Seit sie die Malakka-Straße verlassen hatten, waren die Seewölfe nicht mehr von portugiesischen Karavellen belästigt worden. Alfonso Albuquerque, ein Despot durch und durch, schien die Verfolgung der englischen „Spione“ aufgegeben zu haben. Immerhin hatte ihm sein Eifer, die Arwenacks hinzurichten, nur Verdruß und Ärger bereitet.

Im Hafen von Batavia war die Schebecke das einzige fremde Schiff gewesen, und während des Törns zur Insel Akaboune, wo das Mädchen Amourgeli von Bord ging, hatten die Seewölfe lediglich den Kurs einer Dschunke gekreuzt.

Ferris Tucker, der Schiffszimmermann, tauchte nach dem Profos aus dem Niedergang auf.

„Deine Zuversicht möchte ich haben, Clint“, sagte er. „Es würde mich sehr wundern, wenn die Portugiesen nicht zumindest den Versuch unternehmen, ihre Hoheitsansprüche über die Java-See auszudehnen. In der Beziehung sind sie kaum anders als die Spanier in der Neuen Welt.“

Carberry grinste bis über beide Ohren. Sein Narbengesicht ähnelte frappierend dem Vollmond, der tief im Westen noch über der See hing und nur zögernd verblaßte.

„Der große Reichtum lockt“, erklärte er. „In der Heimat werden Seide und Gewürze zwar nicht mit Gold aufgewogen, aber eine Schiffsladung genügt, dem Eigner einen geruhsamen Lebensabend zu sichern. Auch die Mannschaften stehen sich dabei nicht schlecht.“

Der Moses nickte nachdenklich.

„Sir“, sagte er, „warum versucht niemand, Pfeffer und Zimt und all das andere Zeug in Europa anzubauen? Eine Schiffsladung voll Samen und Pflanzen würde das Monopol der Portugiesen innerhalb weniger Jahre unterlaufen. Hat bisher keiner daran gedacht?“

Ferris Tucker, der rothaarige Riese, schürzte die Lippen. Dann schüttelte er den Kopf.

„Du bist bestimmt nicht der erste, Junge, dem diese Idee wie eine Erleuchtung Gottes erscheint. Gerade deshalb vergiß sie am besten gleich wieder. Ob Samenkörner nach einer monatelangen Überfahrt noch keimen, bezweifle ich. Wahrscheinlich verderben sie in der salzhaltigen Luft unter Deck. Und Schößlinge brauchen viel zuviel Wasser, das an Bord kaum in ausreichender Menge vorhanden ist. Soll die Mannschaft verdursten, nur damit vielleicht einige Pflanzen die Reise überstehen? Dann bleibt immer noch das Risiko, daß das Grünzeug im rauheren Klima nicht anwächst.“

„Schade“, sagte Clinton, nicht mehr und nicht weniger. Für einen kurzen Moment hatte er geglaubt, so etwas wie den Stein der Weisen gefunden zu haben. Doch die Worte des Zimmermanns klangen überzeugend.

Philip Hasard Killigrew, der Seewolf, betrat das Achterdeck. Er warf nur einen flüchtigen Blick zu den sich auflösenden Wolken hinauf und befahl, das Großsegel zu setzen. Die Schebecke lief bisher kaum mehr als drei Knoten Fahrt, und nach auffrischendem Wind sah es zumindest für die nächsten Stunden nicht aus.

Anschließend begann die unvermeidliche Prozedur der Positionsbestimmung. Wegen der ungewöhnlich ruhigen See benutzten Dan O’Flynn und der Seewolf außer dem üblichen Jakobsstab auch ein Astrolabium, das genauere Messungen ermöglichte, bei starkem Wellengang aber schwerer zu handhaben war. Das kreisförmige Gerät mit den beweglichen Ziffern diente dazu, die Höhe der Gestirne zu bestimmen und zugleich den Breitengrad zu ermitteln, auf dem sich das Schiff befand.

Clinton hatte die Funktionsweise des Astrolabiums bislang nie richtig verstanden, obwohl er mehrfach interessiert zugesehen hatte, wie Sir Hasard, Dan O’Flynn, der Erste Offizier oder Don Juan Peilungen durchführten. Der aus einem Längsstab mit Gradeinteilung sowie mindestens einem verschiebbaren Querholz bestehende Jakobsstab erschien im weitaus vertrauter. Der Beobachter hielt den Stab ans Auge und bewegte den Schieber, bis dessen unteres Ende scheinbar die Kimm berührte und das obere Ende das angepeilte Gestirn. Der Höhenwinkel des Sterns oder der Sonne konnte hinterher an der Gradeinteilung abgelesen werden.

„Etwas mehr als sechs Grad südlicher Breite“, sagte der Seewolf. „Welche Messung hast du, Dan?“

„Keine Abweichung“, erwiderte Dan O’Flynn. „Wenn die Karten stimmen, sollte an Steuerbord bald Land auftauchen.“

Östlich von Jakarta bildete die Küste einen rund zehn Seemeilen langen, nach Norden gerichteten Vorsprung und fiel dann nach Südosten ab. Dan O’Flynn hatte die an den vergangenen beiden Tagen zurückgelegte Entfernung von schätzungsweise achtzig Meilen auf der Karte mit dem Zirkel abgegriffen, ohne jedoch mehr herauszufinden, als daß die Arwenacks inzwischen über die Hälfte der Entfernung nach Indramayu, der nächsten größeren Stadt, überwunden hatten. Besondere Landschaftsmerkmale gab es nicht, abgesehen davon, daß die Küste mit Buchten reich gesegnet war.

So ruhig wie selten lag die Schebecke auf dem Wasser: Die Bugwelle erreichte kaum den Vorsteven, und die Hecksee verwischte schon nach wenigen Kabellängen. Hin und wieder, wenn der laue Wind nicht mehr ausreichte, das Tuch zu blähen, flappten die Segel.

„Lieber pulle ich, bis ich kein Fleisch mehr auf den Knochen habe, als daß ich in diesem gottverlassenen Eck der Erde versauere“, schimpfte der Profos, als die Segel zum zweitenmal innerhalb kürzester Zeit schlaff von den Rahruten hingen. „Leute, die Karibik wartet auf uns.“

Seine Aufmerksamkeit wurde abgelenkt, weil endlich auch Sam Roskill an Deck erschien. Der ehemalige Karibik-Pirat, schon immer schlank und sehnig, war noch dünner geworden. Unter seinen Augen lagen schwere Schatten. Das dunkle, strähnig in die Stirn hängende Haar ließ die ungewohnte Blässe des Gesichts deutlich hervortreten.

Haltsuchend griff Sam nach einem Tau. Schweiß perlte auf seiner Stirn, und ein rasselnder, tiefer Atemzug ließ ihn zittern.

Während der Nacht hatte er einen unerwarteten Rückschlag erlitten. Das schon überwunden geglaubte Fieber war zurückgekehrt, wenn auch nicht so heftig wie zuvor. Der Kutscher hatte mit nassen Tüchern seine Stirn gekühlt und von einer völlig normalen Reaktion gesprochen, die zwangsläufig auftreten mußte. Sams Körper war schließlich nie zuvor derartigen magischen Einflüssen ausgesetzt gewesen.

„Und das alles wegen einer Frau.“ Verständnislos schüttelte der Profos den Kopf. „Warum mußte er sich ausgerechnet in diese Amourgeli vergaffen? Wenn ich richtig gesehen habe, war der Markt von Batavia voll von dunkelhäutigen Schönheiten.“

„Der Blitz schlägt auch oft an den unmöglichsten Stellen ein“, sagte Mac Pellew, der eben einen Kübel voll Kombüsenabfällen über Bord kippte.

Er hatte zumindest Carberrys Bemerkung mitgekriegt und daraus die richtigen Schlüsse gezogen. Mit einer Miene, die sieben Tage Regenwetter verhieß, schaute er den langsam in den Fluten versinkenden Abfällen nach. Von allen Seiten schossen Fische heran – und stoben ebenso schnell wieder auseinander, als ein gut zwei Yards messender Hai majestätisch heranzog. Höchstens eine Handbreite von der Bordwand entfernt, glitt der Meeresräuber an der Schebecke vorbei.

Möwen segelten dicht über die Wasseroberfläche hinweg. Ihre heiseren Schreie übertönten das Plätschern der Bugsee.

Die Schebecke lag träge vor der leichten Brise, die aus wechselnden westlichen Richtungen wehte.

„Das Lüftchen reicht nicht mal für den Spitzbusen“, sagte Big Old Shane, der frühere Schmied von Arwenack.

Er meinte das von Will Thorne und Roger Brighton erfundene, ballonförmig dreieckig geschnittene Vorsegel, für dessen Namensgebung der Profos verantwortlich war. Der „Spitzbusen“ wurde auf Raumschots- und Vorwind-Kursen am Fockmast anstelle der Fock gefahren und verlieh der Schebecke eine unheimliche Geschwindigkeit.

Nach Lee wurde er unten mit einer langen Spiere ausgespreizt und mit Lee- und Luvschot getrimmt. Bei einer derart schwachen Brise, wie sie momentan herrschte, lohnte der zu erwartende Erfolg aber in keiner Weise den Aufwand.

„Vielleicht ist die Beinahe-Flaute ein letztes Geschenk der Pawangs“, sagte Batuti.

„Die Rache der Magier dafür, daß wir sie ins Wasser geworfen haben?“ Edwin Carberry legte erst die Stirn in Falten, kratzte sich dann ausgiebig und winkte schließlich ungläubig ab. „Das ist dummes Geschwätz“, sagte er wütend. „Kein Mensch kann dem Wind befehlen. Abgesehen davon glaube ich immer noch nicht daran, daß dieser Barhaul Sam das Fieber angehext hat. Zwei Fingernägel und vielleicht ein paar Haare als Utensilien für eine Beschwörung, das ist ausgesprochener Humbug, auf den bestenfalls Wilde hereinfallen.“

Der Profos hatte den Satz kaum zu Ende gebracht, da trafen ihn auch schon vorwurfsvolle Blicke. Jack Finnegan, der vor dem Großmast stand und so tat, als ginge ihn das alles herzlich wenig an, verschränkte sogar verstohlen die Finger hinter dem Rücken zum Zeichen gegen den Bösen Blick.

Mac Pellew hatte inzwischen die letzten am Boden des Kübels haftenden Abfälle herausgekratzt und über Bord geworfen. Er wandte sich ruckartig um.

„Mister Carberry“, sagte er ungewohnt scharf, „das Fieber hätte Sam beinahe dahingerafft. Willst du trotzdem behaupten, er war nicht krank?“

Der Profos zuckte mit den Schultern. „Weiß ich, ob Sam und diese Amourgeli auf dem Hausboot wirklich nur ein batavisches Reisgericht gegessen haben? Bei dem, was vorher oder nachher war, holt man sich schnell einen heißen Kopf.“

„Sam ist kein so unersättlicher Vielfraß wie du“, erklärte der Zweitkoch respektlos und hob vorsichtshalber den Holzkübel in Brusthöhe, um ihn als Schild zu benutzen.

Aber der Profos dachte nicht daran, ihm in irgendeiner Weise zu nahe zu treten. Er überging die Bemerkung mit der Großmut desjenigen, der unerschütterlich von der Richtigkeit seiner Behauptung überzeugt ist.

Das ganze Drumherum, das an Bord veranstaltet worden war, um von dem Pawang das vermeintliche Gegenmittel zu erhalten, hatte ihn von Anfang an unbeeindruckt gelassen.

Seiner Meinung nach hätte eine gehörige Tracht Prügel Barhaul ebenso schnell von der Überlegenheit der Arwenacks überzeugt wie das Affentheater von Jeff Bowie, Batuti und Matt Davies, wenn nicht sogar schneller. Und auf jeden Fall nachhaltiger. Niemand, der den Profoshammer am eigenen Leib gespürt hatte, vergaß ihn jemals wieder.

Drei Doppelschläge der Schiffsglocke hallten über Deck und scheuchten die Möwen auf, die sich trotz des Haies um die versinkenden Abfälle balgten. Clinton Wingfield als jüngstem an Bord fiel zumindest tagsüber die Aufgabe zu, das Stundenglas zu bedienen.

2.

Die nächsten beiden Stunden vergingen nicht weniger eintönig. Die Sonne, mittlerweile fast zwei Handbreiten hoch über dem Horizont, brannte unbarmherzig heiß auf die See herunter.

Nicht eine Wolke zeigte sich, die Linderung verheißen hätte.

Die meisten Männer der Crew gingen an Deck irgendwelchen Arbeiten nach. Will Thorne, der Segelmacher, hockte mit untergeschlagenen Beinen auf der Kuhlgräting und nähte Segeltuchjacken. Blacky und Sven Nyberg spleißten Taue. Ferris Tucker hatte sich mit Pinsel und Farbkübel bewaffnet und versah trotz der Hitze Teile des Schanzkleids, die er zuvor kunstgerecht neu eingepaßt hatte, mit einem ersten Anstrich.

Zu tun gab es genug, selbst wenn man, wie Mac Pellew, schläfrig an der Reling lehnte und ein Stück hoffnungslos vertrockneten Schiffszwiebacks badete. Natürlich hatte er das Backwerk kunstgerecht festgelascht und an der Leine zudem einen mehrere Inches messenden Haken angebracht.

Mac war keineswegs auf kleine Fische aus, sondern auf den Hai, dessen kantige Rückenflosse regelmäßig aus dem Wasser auftauchte. Vorerst dachte er jedoch nicht daran, ein Stück Fleisch zu opfern.

Lediglich Sam Roskill, dem abwechselnd heiß und kalt wurde, hatte sich wieder unter Deck und in die Koje verholt. In seinem Kopf dröhnte es wie in einem Bergwerk.

„Versuche zu schlafen“, riet ihm der Kutscher, der von erneuten kalten Umschlägen absah, zumal Sam nicht mehr wirklich fiebrig war. „Eine bessere Medizin kann ich dir nicht verordnen. Bis heute abend stehst du wieder einigermaßen sicher auf den Beinen.“

Sam Roskill nickte schwach, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und starrte gedankenverloren die Balken über sich an. Eine fette Schabe versuchte vergeblich, sich in einem Riß im Holz zu verbergen.

Der Kutscher, der dem Blick Sams gefolgt war, zerquetschte das Tier zwischen den Fingern.

„Falls du Hunger verspürst“, sagte er bei der Gelegenheit, „ich lasse dir von Clint ein paar Bananen und andere Früchte bringen.“