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Der Autor hat über dreißig Jahre lang verschiedene Meditationstechniken ausgeübt. In diesem Buch möchte er eine Technik vorstellen, die den Meditierenden lehrt, seine Gefühle nicht mehr zu verdrängen. Das Ergebnis ist fantastisch, denn auf diese Weise lösen sich alle negativen Gefühle einfach auf.
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Seitenzahl: 158
Veröffentlichungsjahr: 2015
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Titelseite
Impressum
Monas Lustmann
Wie alles begann
Ende 1978 saß ich im Wartezimmer eines Zahnarztes und blätterte in einer Illustrierten herum. Ich hatte keine Zahnschmerzen, war nur gekommen, weil ich keine Lust auf Arbeit hatte. Draußen war Herbst und eine depressive Stimmung hatte sich in mir breit gemacht. Plötzlich fesselte ein Bericht über einen indischen Ashram meine Aufmerksamkeit. Auf bunten Fotos lachten, tanzten und sangen orange und rot gekleidete Menschen. So etwas hatte ich noch nie gesehen, jedenfalls nicht bei Erwachsenen.
Der Ashram wurde als größtes Therapiezentrum der Welt beschrieben. Spirituelles Oberhaupt war ein erleuchteter Meister namens Bhagwan Shree Rajneesh. Als es hieß: „Der Nächste bitte“ legte ich die Zeitschrift beiseite und begab mich auf den Zahnarztstuhl. Nach der Behandlung schlich ich mich nochmal ins Wartezimmer und ließ die Illustrierte mitgehen.
Ich begann, in den Buchhandlungen nach Literatur von Bhagwan (ab 1989 Osho) herumzustöbern. Schließlich fand ich ein Büchlein mit dem Namen „Hammer on the rock.“ Beim Lesen packte es mich und ich wünschte mir fortan nichts sehnlicher, als nach Poona (heute: Pune) zu reisen.
Ich hatte vier große Probleme, die ich in den therapeutischen Gruppen des Ashrams loswerden wollte. Erstens meine quälende Suche nach dem Glück, zweitens meine Unsicherheit gegenüber den Frauen, drittens meine starken Verspannungen in meiner linken Körperseite und viertens wollte ich mir endlich klar darüber werden, was ich beruflich einmal werden wollte.
Neun Monate später hatte ich meine Stellung gekündigt, meine Wohnung aufgegeben und mein Auto verkauft. Nun stand ich aufgeregt am Fenster eines Zuges, der mich nach Frankfurt am Main bringen sollte. Dort wartete mein Flieger nach Mumbai (damals Bombay). Während der Zug langsam anfuhr, winkte ich meinem Vater zu, der mit besorgtem Blick am Bahnsteig stand. Er hatte mich zum Bahnhof begleitet und konnte nicht verstehen, was in aller Welt ich in Indien zu suchen hatte. Seiner Meinung nach hätte ich lieber meine Steuerberaterprüfung machen sollen. Ich streckte meinen Arm zum Fenster hinaus und spannte meinen Bizeps an. Ich wollte ihm damit zeigen, dass ich jetzt groß und stark werden wollte. Dann machte ich es mir bequem in meinem Sitz und dachte über meinen Werdegang nach.
Meine Eltern
Meine Mutter war jüngste Tochter einer jüdischen Großfamilie aus Schaulen in Litauen. Am Sabbat hüpfte sie immer hübsch herausgeputzt zwischen ihrer Mischpoche herum und genoss die Zuneigung, die man ihr entgegen brachte.
Als die deutsche Wehrmacht am 26.6.1941 in Litauen einmarschierte, wurde die 13-jährige jäh aus ihrer Geborgenheit herausgerissen. Überall wurden die Juden von den Einsatzkommandos der SS zusammengetrieben und erschossen. Am 1.12.41 berichtete der SS Standartenführer Karl Jäger:
„Das Ziel, das Judenproblem in Litauen zu lösen, ist erreicht worden. In Litauen gibt es keine Juden mehr, außer den Arbeitsjuden.“
Zusammen mit den Arbeitsjuden wurde das Mädchen, das später meine Mutter werden sollte, in das Getto von Schaulen getrieben. Hier mussten die Juden schlafen, während sie tagsüber in den Betrieben der Stadt Zwangsarbeit zu verrichten hatten. Ab September 1943 wurde das Getto in ein Konzentrationslager umgewandelt. Als sich im Juli 1944 die russische Armee näherte, wurde das Getto evakuiert und die Insassen in das KZ Stutthof (bei Danzig) verschleppt.
Als meine Mutter im KZ Stutthof ankam, blickte ihr das Grauen entgegen. Die meisten Häftlinge waren ausgemergelt und litten an schweren Infektionen. Wie später bekannt wurde, war Stutthof eines der unhygienischsten KZs im Deutschen Reich. Eine medizinische Hilfe existierte nicht und wer für die Arbeit zu schwach war, wurde kurzerhand erschossen.
Mir ist weder bekannt, unter welchen Umständen meine Mutter das KZ überlebt hat, noch wie sie aus dem KZ befreit wurde. Danach aber muss sie sich nach Schaulen durchgeschlagen haben. Als sie mit pochendem Herzen an der Tür ihrer Eltern klopfte, öffneten ihr wildfremde Leute. Auch in der Apotheke gegenüber, die einst ihrem Onkel gehörte, war niemand mehr da, den sie kannte. Hoffnung schöpfte die nunmehr 17-jährige, als sie erfuhr, dass sich viele der überlebenden Ostjuden im polnischen Lodz sammelten. Daher machte sie sich auf den Weg in die 700 km entfernte Stadt. Bei ihrer Ankunft lernte sie meinen Vater kennen.
Mein Vater war in Lodz aufgewachsen. Nachdem die Wehrmacht in Polen einmarschiert war, erteilte der Gauinspektor Friedrich Uebelhoer im Dezember 1939 den Befehl, im Norden der Stadt das Getto Litzmannstadt zu errichten. Dieses Getto diente als Zwischenstation für spätere Deportationen in verschiedene Vernichtungslager.
Mein Vater kam nach Auschwitz. Als bei seiner Ankunft ein Koch gesucht wurde, meldete er sich, obwohl er gar nicht kochen konnte. Es dauerte nicht lange und er beherrschte die Küche. Einmal erzählte er mir, dass er nach der Arbeit Speisereste in die Baracke schmuggelte. Hätte man ihn dabei erwischt, wäre er sofort exekutiert worden.
Wegen Vorrückens der Roten Armee wurden im Januar 1945 rund 60.000 Häftlinge von Auschwitz in den Westen evakuiert. Mein Vater war einer von ihnen. Als der Güterzug auf offener Strecke stehen blieb, sprang er ab und flüchtete. Das liebte ich an meinem Vater, er war ein mutiger und entschlossener Mann.
Als Jugendlicher fand ich einmal im Keller Papiere, die belegten, dass seine Stirnnarbe von den Schlägen eines KZ-Aufsehers stammte. Als ich ihn dazu befragte, bestätigte er lediglich, dass es so gewesen ist. Mehr wollte er über seine KZ-Erlebnisse nicht erzählen, vielleicht waren seine Erinnerungen zu schmerzhaft.
Leider konnte ich meine Großeltern mütterlicher und väterlicherseits nie kennenlernen. Sie wurden ebenso wie die meisten Geschwister meiner Eltern von den Nazis ermordet.
Meine Eltern
Meine Mutter war jüngste Tochter einer jüdischen Großfamilie aus Schaulen in Litauen. Am Sabbat hüpfte sie immer hübsch herausgeputzt zwischen ihrer Mischpoche herum und genoss die Zuneigung, die man ihr entgegen brachte.
Als die deutsche Wehrmacht am 26.6.1941 in Litauen einmarschierte, wurde die 13-jährige jäh aus ihrer Geborgenheit herausgerissen. Überall wurden die Juden von den Einsatzkommandos der SS zusammengetrieben und erschossen. Am 1.12.41 berichtete der SS Standartenführer Karl Jäger:
„Das Ziel, das Judenproblem in Litauen zu lösen, ist erreicht worden. In Litauen gibt es keine Juden mehr, außer den Arbeitsjuden.“
Zusammen mit den Arbeitsjuden wurde das Mädchen, das später meine Mutter werden sollte, in das Getto von Schaulen getrieben. Hier mussten die Juden schlafen, während sie tagsüber in den Betrieben der Stadt Zwangsarbeit zu verrichten hatten. Ab September 1943 wurde das Getto in ein Konzentrationslager umgewandelt. Als sich im Juli 1944 die russische Armee näherte, wurde das Getto evakuiert und die Insassen in das KZ Stutthof (bei Danzig) verschleppt.
Als meine Mutter im KZ Stutthof ankam, blickte ihr das Grauen entgegen. Die meisten Häftlinge waren ausgemergelt und litten an schweren Infektionen. Wie später bekannt wurde, war Stutthof eines der unhygienischsten KZs im Deutschen Reich. Eine medizinische Hilfe existierte nicht und wer für die Arbeit zu schwach war, wurde kurzerhand erschossen.
Mir ist weder bekannt, unter welchen Umständen meine Mutter das KZ überlebt hat, noch wie sie aus dem KZ befreit wurde. Danach aber muss sie sich nach Schaulen durchgeschlagen haben. Als sie mit pochendem Herzen an der Tür ihrer Eltern klopfte, öffneten ihr wildfremde Leute. Auch in der Apotheke gegenüber, die einst ihrem Onkel gehörte, war niemand mehr da, den sie kannte. Hoffnung schöpfte die nunmehr 17-jährige, als sie erfuhr, dass sich viele der überlebenden Ostjuden im polnischen Lodz sammelten. Daher machte sie sich auf den Weg in die 700 km entfernte Stadt. Bei ihrer Ankunft lernte sie meinen Vater kennen.
Mein Vater war in Lodz aufgewachsen. Nachdem die Wehrmacht in Polen einmarschiert war, erteilte der Gauinspektor Friedrich Uebelhoer im Dezember 1939 den Befehl, im Norden der Stadt das Getto Litzmannstadt zu errichten. Dieses Getto diente als Zwischenstation für spätere Deportationen in verschiedene Vernichtungslager.
Mein Vater kam nach Auschwitz. Als bei seiner Ankunft ein Koch gesucht wurde, meldete er sich, obwohl er gar nicht kochen konnte. Es dauerte nicht lange und er beherrschte die Küche. Einmal erzählte er mir, dass er nach der Arbeit Speisereste in die Baracke schmuggelte. Hätte man ihn dabei erwischt, wäre er sofort exekutiert worden.
Wegen Vorrückens der Roten Armee wurden im Januar 1945 rund 60.000 Häftlinge von Auschwitz in den Westen evakuiert. Mein Vater war einer von ihnen. Als der Güterzug auf offener Strecke stehen blieb, sprang er ab und flüchtete. Das liebte ich an meinem Vater, er war ein mutiger und entschlossener Mann.
Als Jugendlicher fand ich einmal im Keller Papiere, die belegten, dass seine Stirnnarbe von den Schlägen eines KZ-Aufsehers stammte. Als ich ihn dazu befragte, bestätigte er lediglich, dass es so gewesen ist. Mehr wollte er über seine KZ-Erlebnisse nicht erzählen, vielleicht waren seine Erinnerungen zu schmerzhaft.
Leider konnte ich meine Großeltern mütterlicher und väterlicherseits nie kennenlernen. Sie wurden ebenso wie die meisten Geschwister meiner Eltern von den Nazis ermordet.
Meine Kindheit
Kurz nachdem sich meine Eltern kennengelernt hatten, wurde meine Mutter schwanger. In dieser Zeit kam einer der beiden überlebenden Brüder meines Vaters nach Lodz, um nach seinen Familienangehörigen zu suchen. Da sich hier alle Juden täglich am Bahnhof trafen, dauerte es nicht lange und die beiden Brüder liefen sich über den Weg. Sie fielen sich überglücklich in die Arme und nach einigen Tagen entschlossen sich meine Eltern, meinem Onkel nach Deutschland zu folgen. Er lebte zu dieser Zeit mit seiner Frau auf einem Bauernhof im schwäbischen Türkheim.
Im April 1946 erblickte ich im städtischen Krankenhaus von Bad Wörishofen das Licht der Welt. 1949 zogen wir nach Augsburg, von wo aus mein Vater häufig den Schwarzmarkt in München besuchte. Gelegentlich nahm er mich mit und ich erinnere mich noch dunkel an die merkwürdigen Verkaufsbuden in der Möhlstraße. Später erfuhr ich, dass mein Vater einmal wegen Schwarzhandels verhaftet wurde. Da man ihm jedoch nichts nachweisen konnte, ließ man ihn bald wieder laufen. Ein knappes Jahr später verzogen wir nach Bielefeld, wo er einen Textilgroßhandel gründete.
Ich erinnere mich, dass meine Mutter bildhübsch war und ihr die Männer oft hinterher pfiffen. Dann lachte sie und freute sich des Lebens. Mein Vater war jedoch eifersüchtig und machte ihr häufig Szenen. Als er einmal von einer seiner Geschäftsreisen zurückkehrte, fand er mich alleine vor. Meine Mutter war ausgegangen. Als sie endlich nach Hause kam, gab es einen bösen Streit.
Die Stimmung zwischen meinen Eltern war häufig gereizt. Einmal fuhren wir nach München und besuchten meinen Onkel und seine Familie. Dort kam es zwischen meinen Eltern zu einem erbitterten Streit, der sich über mehrere Tage hinzog. Ich fürchtete mich und begann zu betteln, dass sie aufhören mögen, doch sie ignorierten mich. Als sie schließlich aufeinander einprügelten, geriet ich in Panik und brüllte und schrie so lange, bis ich keine Kraft mehr hatte und nur noch still vor mich hin wimmerte. Von der ehemaligen Wohnungsvermieterin, die ich Jahrzehnte später zufällig traf, erfuhr ich, dass ich damals höchstwahrscheinlich einen Nervenzusammenbruch erlitten hatte. Bald nach diesem Vorfall kam ich in ein Kinderheim.
Im Kinderheim begannen meine Angstattacken. Meinen Mittagsschlaf musste ich immer mit dem Sohn der Heimleiterin auf einer Pritsche in der Küche verbringen. Er war ein hundsgemeiner Kerl und ich stellte mich immer schlafend, weil ich panische Angst vor ihm hatte. Eines Tages machten wir einen Ausflug in einen Wald. Wir spielten dort Verstecken und ich fand in einer Baumhöhle einen perfekten Unterschlupf. Nach geraumer Zeit fiel mir auf, dass ich die anderen Kinder nicht mehr hörte. Als ich vorsichtig aus meinem Versteck herauslugte, war die ganze Gruppe weg. Da begann ich zu weinen, weil ich schreckliche Angst bekam, meine Eltern nie mehr wiederzusehen. Schließlich kamen Spaziergänger vorbei und nahmen mich mit zu sich nach Hause. Ich habe keine Erinnerung mehr daran, warum ich dort übernachten musste. Ins Kinderheim jedenfalls kam ich erst am nächsten Tag.
Bald nach diesem Vorfall holte mich mein Vater ab und brachte mich wieder heim. Meine Eltern lagen sich nach wie vor in den Haaren. Vielleicht lag es auch daran, dass sie durch ihre Erlebnisse in den Konzentrationslagern traumatisiert waren. Eine psychologische Hilfe gab es nicht und so mussten sie, wie alle Betroffenen, mit ihrem seelischen Leiden selbst fertig werden.
Wenn meine Eltern stritten, dann drohte meine Mutter immer wieder, nach Palästina auszuwandern. Sie träumte von dem Land, wo Juden frei und ohne Angst vor der SS leben konnten. Doch mein Vater schrie dann jedes Mal: „Du kannst gehen, aber ohne das Kind!“ In jener Zeit lebte ich in ständiger Verlustangst und betete jeden Abend beim Schlafengehen inbrünstig zum lieben Gott, dass meine Mutter dableiben möge.
Als ich etwa fünf Jahre alt war, nahm mich mein Vater mit in einen Nachbarort, wo er etwas mit zwei jungen polnischen Frauen zu besprechen hatte. Nach dem Gespräch fragte er mich, welche der beiden mir besser gefallen würde. Ich deutete auf die, die ich hübscher fand. Das war leider die Falsche, denn die Andere wurde später meine Stiefmutter. Sie hieß Erika und mein Vater stellte sie zunächst als Büro- und Haushaltshilfe ein.
Erika und meine Mutter wurden Freundinnen. Beide waren etwa 23 Jahre alt und hatten dauernd was zu kichern. Gleichzeitig verschlechterte sich die Beziehung meiner Eltern. Kurz nach meiner Einschulung stand meine Mutter plötzlich mit einem kleinen Koffer vor mir und schaute mich traurig an. Ich ahnte, was das zu bedeuten hatte und brach in Tränen aus. Sie drückte mich fest an sich und schwor mir beim Heiligen Gott, dass sie eines Tages wiederkommen und mich zu sich holen würde. Dann ging sie und ließ mich zurück. Der Schock fuhr mir in die Glieder und ließ mich nie mehr los.
Ich vermisste meine Mutter mit jeder Faser meines Herzens. Weil mich niemand in die Arme nahm und tröstete, fühlte ich mich schrecklich einsam. Ich betete jeden Abend zum Heiligen Gott, dass er mache, dass sie zurückkomme. Doch Er wollte meine Stoßgebete nicht erhören. Manchmal wurde ich darüber sehr wütend. Doch es half nichts, meine Mutter kam nicht mehr und ich blieb allein in meinem Schmerz. Während ich heranwuchs, wurde ich oft gefragt, warum ich so traurig sei. Ich hasste dieses ewige Mitleid und versuchte daher stets, meine Trauer zu verbergen.
Es dauerte nicht lange und Erika und mein Vater wurden ein Paar. Aber auch sie hatten viel Streit. Wenn sich Erika verletzt fühlte, ließ sie sich von mir trösten. War sie mit meinem Vater wieder gut, ließ sie mich links liegen. Oft war sie mir auch wegen nichtiger Gründe böse und redete dann tagelang kein Wort mit mir. Ich litt meine ganze Kindheit hindurch unter diesen ständigen Zurückweisungen. Später verhielt ich mich Frauen gegenüber sehr unsicher.
Einmal fuhr ich mit meinem Onkel mit dem Nachtzug von Bielefeld nach Gelsenkirchen. Als ich im Morgengrauen aufwachte, hatte ich mir in die Hosen gemacht. Von da an war ich einige Jahre lang Bettnässer. Ich schämte mich entsetzlich und versuchte immer, alle Spuren zu beseitigen. Manche Psychologen sagen, dass es sich hierbei um verdrängte Tränen handelt, die sich ihren Weg zur Blase gebahnt haben.
Knapp 60 Jahre später wurde bei mir ein Blasenkrebs diagnostiziert. Hatte das was mit meinen Kindheitserlebnissen zu tun? Ich weiß es nicht.
Meine Jugend
Mein Vater wünschte immer, dass ich Rechtsanwalt werde. Doch anstatt fleißig zu lernen, spielte ich mit meinen Schulkameraden lieber Fußball. Wenn wir keinen Ball hatten, mussten Büchsen oder zusammengeknülltes Butterbrotpapier herhalten.
Mit den Jahren verblassten meine Erinnerungen an meine Mutter. Als ich eines Tages von der Schule nach Hause kam, fand ich meine Eltern in einer erregten Stimmung vor. Meine Mutter hatte sich telefonisch gemeldet. Sie war aus Israel zurückgekehrt und wollte mich nun sofort zu sich holen. Da mein Vater empört ablehnte, hatte sie gedroht, mich zu entführen. Nun durfte ich nach der Schule nicht mehr mit der Straßenbahn nach Hause fahren, sondern musste im Schulsekretariat warten, bis mich mein Vater mit dem Auto abholte. Die Situation verwirrte mich, denn insgeheim wollte ich meine Mutter sehen. Außerdem schämte ich mich vor der Schulsekretärin. Später entschied ein Familienrichter, dass ich meine Ferien bei meiner Mutter verbringen musste. Sie wohnte nun in Frankfurt am Main und hatte wieder geheiratet. Aus dieser Ehe stammt mein lieber Bruder Ron. Außerdem hatte der neue Mann meiner Mutter zwei Söhne Joe und Mike mit in die Ehe eingebracht. Ich mochte die beiden auf Anhieb und hegte brüderliche Gefühle für sie.
1959 trat ich dem FC Bayern München als Fußballspieler bei. Ich begann in der vierten Jugendmannschaft und stieg schnell in die zweite Mannschaft auf. Ich kann mich erinnern, dass die erste Mannschaft damals Furore machte. Die Elf gewann die meisten Spiele und schoss unzählige Tore. Kein Wunder: Der Mittelstürmer war damals der junge Franz Beckenbauer.
In dieser Zeit machte sich zum ersten Mal meine spirituelle Neigung bemerkbar. Ich fragte mich, was eigentlich passiert, wenn man einschläft? Als ich abends ins Bett ging, probierte ich es aus. Ich konnte beobachten, wie ich in eine tiefe Entspannung versank. Gedanken erschienen in meinem Geist, die immer realer und realer und schließlich zum Traum wurden. Dann fiel ich in einen wohligen Schlaf.
Da sich meine Schulleistungen am Gymnasium verschlechterten, verbot mir mein Vater das Fußballspielen. Darüber war ich sehr wütend, denn ich spielte lieber Fußball, als zu lernen. Also tat ich immer so, als würde ich lernen, saß aber nur da und träumte vom Fußball spielen.
In dieser Zeit hatte ich ein weiteres spirituelles Erlebnis. Ich war mit meiner Schulklasse in ein Schullandheim gefahren, wo wir eines Abends ein Tischtennisturnier veranstalteten. Ich war gut in Form und kam schließlich ins Endspiel. Inzwischen hatte es draußen zu dämmern begonnen und im Raum herrschte Zwielicht. Mitten im Spiel verschwand mein persönliches Anwesenheitsgefühl. Wie ich Jahrzehnte später durch Oshos Vorträgen erfuhr, war ich kein Spieler mehr, sondern zum Spiel geworden. Und das Spiel war göttlich. Ich kann mich erinnern, dass meine Klassenkameraden, die meinen Zustand natürlich nicht bemerkten, ganz still wurden und fasziniert zuschauten. Nachdem das Spiel vorbei war, war ich wieder ganz der Alte.
Nachdem ich das Klassenziel nicht erreichte, steckte mich mein Vater kurzerhand in eine Handelsschule. Dort erwarb ich nach zwei Jahren die kaufmännische mittlere Reife. Danach wollte ich aber nicht im kaufmännischen Bereich arbeiten, sondern Journalist werden. Mein Vater lachte mich aus und brachte mich bei seinem Steuerberater unter. Dort absolvierte ich eine dreijährige Lehre zum Steuergehilfen. Mein Vater hatte bereits Pläne, dass ich später einmal die Kanzlei übernehmen sollte. Doch machte er die Rechnung ohne den Wirt.
Nachdem ich meine Lehre beendet hatte, kam es im Jahr 1967 zum Sechstagekrieg in Israel. Ich war sehr betroffen und ging täglich in den jüdischen Jugendclub, um mit meinen Freunden den neuesten Nachrichten zu lauschen. Um das kleine Land zu unterstützen, kamen wir überein, dass wir hin mussten, um zu helfen.
Als der Krieg vorbei war, stellte eine jüdische Organisation Flüge für freiwillige Helfer zur Verfügung. Ich meldete mich an und saß im Hochsommer 1967 mit einer Gruppe von etwa 20 Jugendlichen aufgeregt an Bord einer EL AL Maschine. Ich konnte es nicht fassen, wir flogen tatsächlich ins Heilige Land. Mit an Bord war übrigens Marian Seidowsky. Er spielte 1966 im Film „Der junge Törless“ die tragische Rolle des Basini. Ich lernte ihn als stillen und kontaktscheuen Menschen kennen. Dass er Schauspieler war, wusste ich damals gar nicht. Einige Jahre später brachte er sich wegen einer Krebserkrankung um.
Als wir in Israel ankamen, wurden wir zunächst in einem Sammellager untergebracht. Dort hatten sich bereits hunderte von jugendlichen Helfern aus aller Welt eingefunden und warteten auf ihren Einsatz. Ich organisierte erst mal ein Fußballspiel, das auf einem vom Regen durchweichten Acker stattfand. Nach dem Spiel sahen wir aus, wie die Ferkel. Doch es hatte riesigen Spaß gemacht.
In den nächsten Wochen arbeiteten wir in mehreren Kibbuzim. Das lag daran, dass wir ziemlich faul waren und überall rausflogen. Daher hatten wir immer wieder viel Freizeit, die wir meistens am Strand von Tel Aviv verbrachten. Eines Tages zeigte mir ein israelischer Freund das Diamantenzentrum. Beruflich arbeitete er als „Cleaver“ und durch ihn lernte ich dieses Handwerk kennen. Die Cleaver bearbeiten Rohdiamanten, indem sie diese vor dem Schleifen in eine verwendbare Form und Größe spalten. Als ich drei Monate später nach München zurückkehrte, bat ich meinen Vater: „Bitte lass mich nach Israel, ich will Cleaver werden.“
Mein Vater war in seiner Jugend Zionist gewesen und daher gefiel ihm mein Berufswunsch. Ende Dezember 1967 fuhren wir mit meinem Auto nach Neapel und bestiegen ein Fährschiff nach Israel. In Tel Aviv fanden wir bald einen sog. Patron, bei dem ich eine einjährige Lehre zum Cleaver begann. Gleich im Januar 1968 lernte ich eine hübsche Belgierin namens Gilda kennen, die für kurze Zeit Ferien in Israel machte. Wir wurden ein Paar.
In den nächsten Monaten erlebte ich eine wunderschöne Zeit. Jeder Tag begann damit, dass ich zur Arbeit immer am Meer entlang fuhr. Meine Arbeit gefiel mir und ich machte gute Fortschritte. Unter meinen zahlreichen Freunden war ich hoch angesehen, weil ich ein eigenes Auto hatte. Privatautos gab es damals in Israel so gut wie gar nicht.
Obwohl ich mit Gilda brieflich Schluss gemacht hatte, tauchte sie im Sommer wieder in Tel Aviv auf. Allerdings hatte sie nun einen neuen Freund an ihrer Seite. Als ich eines Tages in meinem Stammcafé saß, schlenderten die Beiden Arm in Arm an mir vorbei. Da wurde ich eifersüchtig und begann, um sie zu kämpfen. Nach einer großen Aussprache verließ sie ihren Freund und wir kamen wieder zusammen.