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Seid barmherzig mit denen, die zweifeln. Was für ein schöner Satz. Denn es ist normal am Glauben, an Gott, an seinem Wort zu zweifeln. Dies nicht zu verurteilen sondern Barmherzigkeit zu üben - so sollte es sein! Der Judas-Brief ist zwar ein sehr kurzer Brief, er besteht nur aus 25 Versen, doch allein schon wegen diesem Vers 22 hat es sich gelohnt, daß er damals ins Neue Testament mit aufgenommen worden ist. Das Buch ist eine Auslegung Vers für Vers, mit meinen persönlichen Gedanken. Grundlage ist der griechische Text, den ich so wörtlich wie möglich selber übersetzt habe.
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Veröffentlichungsjahr: 2013
1) Judas, Knecht Jesu Christi, Bruder aber des Jakobus, an die von Gott, dem Vater geliebten und von Jesus Christus bewahrten Berufenen:
Doulos, gr.: Knecht, Sklave, ein gekaufter Diener
Ein Knecht von jemandem sein, wer will das schon? Sklave, Knecht, Diener. Bei diesen Wörtern sträubt sich alles in mir. Ich bin ein Knecht? Nein. Ich will von niemandem abhängig sein. Ich will mein eigener Herr sein.
Hier ist der Herr Jesus. Ja klar, Jesus ist mein Herr. Aber ich bin sein Sklave? Kein „freier Mitarbeiter“? Ich will kein Sklave sein.
Diese Gedanken kommen mir bei diesem Wort. Nein das ist nicht besonders demütig, ich weiß.
Aber ein Aspekt steckt in diesem Wort noch drin: Ein gekaufter Diener. Und noch etwas: Judas sagt dies von sich selber. Allerdings erzählte Jesus auch eine Geschichte, die in diese Richtung geht:
In Lk 17, 7-10 erzählt Jesus, in welchem Verhältnis ein Knecht steht und welche Einstellung er haben sollte. Nämlich daß man sich letzten Endes als einen unnützen Knecht sehen sollte, der das tut, was er schuldig ist zu tun.
Hart. Ich finde es hart. Aber was kann ich Jesus geben? Was kann ich ihm bieten? Sicher, ich bin wertvoll. Aber warum? Doch nur wegen ihm.
Nichts. Ich kann ihm nichts geben. Ich stehe vor ihm und er ist derjenige, der mich gnädig annimmt. Nicht ich ihn. Gott hat mich angenommen, nicht ich ihn.
Ich glaube, dafür sind solche Bezeichnungen und Verse gut, um uns wieder auf den Boden zu bringen. Es ist reine Gnade, daß wir ihn kennen dürfen und zu ihm kommen dürfen. Reine Gnade. Das einzige, das wir tun können, ist ihm danken.
Knecht, Sklave: Ich bin nicht mehr mein eigener Herr. Ich habe die Kontrolle abgegeben. Nicht ich bestimme mehr, sondern mein Herr. Er weist den Weg, er weist die Arbeit zu, er ist mein Boss. Als Sklave habe ich kein Recht auf Lohn, ich habe keinen Anspruch auf einen Verdienst. Als Sklave gehöre ich meinem Herrn. Er gibt mir das, was ich brauche. Allerdings nach seinen Vorstellungen, nach seinem Zeitplan. Auch wenn dies die Pflicht des Herrn ist, den Sklaven zu versorgen. Er muß ihn ernähren, er muß ihm die Arbeit zuweisen, er muß ihn einarbeiten. Er muß ihn anleiten. Dies alles ist die Aufgabe des Herrn.
Sklave ist ein Gegensatz: Einmal zum Herrn, zum anderen zum Freien. Doch wer ist Herr und wer ist frei? Beides mal ist es Gott. Er ist der Herr und nur er ist frei. Niemand anders ist es.
Wie ist unser Verhältnis zu Gott? Es ist kein erzwungenes. Wir müssen uns entscheiden für oder gegen ihn. Wir können das Verhältnis jederzeit aufkündigen. Doch was dann? Dann sind wir Sklaven unserer selbst, im Grunde Sklaven unseres Egos.
Hier Sklave - dort Sklave. Also ist das letzte, ein Sklave Gottes zu sein, das kleinere Übel? Nein, das bestimmt nicht. Denn was ist das Ziel eines Sklaven? Es ist doch frei zu werden. Also stellt sich die Fragen, in welchem Verhältnis ich die Freiheit bekomme. Und da Gott der einzige ist, der wirklich frei ist, beantwortet sich diese Frage von selbst.
Sklave. Bei Judas bezeichnet es seine Beziehung, seine Verbindung zu Jesus Christus. Wie stehe ich zu ihm? Ist er mein Herr? Gott macht uns nicht zu willenlosen Marionetten, aber er will sagen: Ich habe dich erwählt, nicht du mich. Ich habe dir vergeben, nicht du mir. Ich habe dich angenommen, nicht du mich. Ich bin der Herr, nicht du. Und ich bin es, dem die Ehre gebührt. Nicht dir. Ich bin der Herr! Und er ist der Herr, unabhängig davon, ob wir das akzeptieren und uns als seine Knechte sehen oder nicht. Er ist und bleibt der Herr, denn er ist unser Schöpfer.
Judas stellt sich als Bruder Jakobus vor. Er nennt sich nicht Apostel. Also gehörte er nicht zu dem Kreis der zwölf Jünger. Nach Mt 13, 55 hieß einer der leiblichen Brüder Jesu Judas. Festzuhalten ist jedoch erst einmal, daß Jakobus der empfangenden Gemeinde wohl bekannt war, sonst würde er ihn nicht nennen. Judas will sich mit dieser Angabe als glaubwürdig ausweisen. Aber wenn er wirklich der leibliche Bruder Jesu gewesen sein sollte, wieso schreibt er dann dies nicht? Vielleicht weil Jesus sein Herr ist, wie er ja vorher geschrieben hat. Jesus ist nicht sein Bruder, er ist sein Herr. Jesus ist Gottes Sohn. Daher liegt es im Bereich des Möglichen, das Judas dieser Bruder aus Mt 13, 55 ist. Allerdings dürfte der Name Judas damals recht häufig gewesen sein.
An wen schreibt Judas? An die von Gott geliebten und von Jesus Christus bewahrten Berufenen.
Kletos, gr.: berufen, zu einem Mahl geladen.
In Mt 22, 1-14 lädt ein König Gäste ein, um mit ihm die Hochzeit seines Sohnes zu feiern. Doch niemand kommt. Die meisten schieben irgendeinen Grund vor. In Wahrheit wollen sie nicht kommen. Schließlich befiehlt der König seinen Dienern wütend, alle einzuladen, die sie auf der Straße träfen, denn die zuvor eingeladenen Gästen waren es leider nicht wert. Schließlich waren die Tische voll, Böse und Gute feierten seine Hochzeit. Und am Schluß in Vers 14 heißt es, daß viele berufen sind aber nur wenige auserwählt.
Berufene. An ihnen ergeht eine Aufforderung, sie können sich entscheiden, ob sie kommen wollen, oder nicht. Auserwählte sind Menschen, die am Mahl teilnehmen. Jedoch nur die, die der König haben will, denn einen hat er auch wieder hinausgeschmissen.
Berufene. Sie kennen den König, sonst würde er sie nicht einladen. Sie würden vielleicht sogar sagen, daß sie den König mögen und er ihr König ist. Aber im Moment halt nun mal nicht, da gibt es wichtigeres.
Berufene. Sie hören die Aufforderung und entscheiden sich dagegen. Zumindest die ersten Gäste. Die zweiten Gäste entscheiden sich für das Mahl. Sie entscheiden sich für den König. Sie sind es wert, sie wissen die Einladung zu schätzen.
Wie ist es hier? Hier geht es nicht um ein Mahl, aber diese Thematik steckt hier auch drin. Die Gemeinde besteht nicht aus Auserwählten, die schon am Tisch sitzen, fest und sicher. Sie besteht aus Berufenen. Bei denen es noch vollkommen offen ist, ob sie einmal mit dem König feiern werden. Es sind halt Berufene. Sie sind zwar in der Gemeinde, doch ist dies bei weitem kein Grund für ihre Teilnahme am Mahl. Im Gegenteil. Im Grunde gehören diese Leute oder allgemein wir, die wir in einer Gemeinde sind, zu der ersten Gruppe an Gästen. An die zuerst die Einladung geht. Bei denen die Diener zuerst hinkommen. Doch die erste Gruppe hat die Diener komplett abgelehnt. Einige haben die Diener sogar getötet. Zum Vergleich braucht man hier nur einen Blick in die Kirchengeschichte werfen. Vielleicht werden wir einmal überrascht sein, wer alles Hochzeit feiert. Denn meistens rümpfen wir doch über die zweite Gruppe die Nase. Böse und Gute! Vor allem Böse! Wer sind wir? Pharisäer oder Zöllner?
Doch darum geht es hier bei Judas nicht. Ich denke, er möchte damit sagen, daß wir im Höchstfall auf dem Weg zum Mahl sind, aber wir sitzen noch nicht am Tisch! Wir sind keine Auserwählten, die sich um nichts mehr sorgen brauchen. Berufene sind Menschen, bei denen es noch offen ist, ob sie einmal am Tisch sitzen oder nicht. Denn wir sind unterwegs. Von Gott her ist die Sachlage klar. Er lädt uns ein. Aber wir sind unterwegs, wir sind noch nicht am Tisch angelangt. Und es geht hier nicht um die Klassifizierung Christ - Nichtchrist. Berufene sind wir alle. Wir sind noch nicht fertig. Wir haben kein Recht uns satt und bequem zurückzulehnen und jedem das Gefühl zu geben, daß wir schon alles kennen. Es gibt nichts mehr, was uns aus der Bahn reißen kann. Wir sind einfach schon fertig. Nicht mehr auf der Suche, sondern satt und fertig.
Diese Art von Einstellung bringt uns dazu, die Einladung abzulehnen, auch wenn wir es selber vielleicht gar nicht so wissen. Und in dieser Gefahr steht jeder. Jeder von uns sucht den einfachen und bequemen Weg. Bei dem bleiben, was man kennt und hat und weiß. Aber etwas Neues wagen? Mit unbekannten Dienern zu einem Fest gehen? Nein. Das reißt einen ja völlig aus dem Konzept. Lieber bei dem bleiben, was schon immer so war und immer so gelaufen ist.
Es wird sich zeigen im Verlauf dieses Briefes in welcher Gefahr diese betreffende Gemeinde steht, welchen Grund sie angibt oder dabei ist, anzugeben, um nicht an diesem Festmahl teilzunehmen. Doch zunächst gibt Judas noch an, in welcher Beziehung Gott zu diesen Berufenen steht.
agapao, gr.: lieben
Diese Berufenen sind von Gott geliebt. Gott liebt mich! Unglaublich. Er liebt mich, so wie ich bin. Er liebt mich nicht trotz meiner Fehler, sondern mit meinen Fehlern. Seine Liebe wäre nicht größer, wenn ich vollkommen wäre, er liebt und nimmt mich an, so wie ich bin. Gott, der Schöpfer des Himmels und der Erde, der König, der Herr, er liebt mich!
Er freut sich über mich, freut sich, wenn ich zu ihm komme und mit ihm rede. Er freut sich über meine Person, meinen Charakter, meine Gaben. Er freut sich über das, was ich habe.
Ich bin ihm wertvoll! Er tut alles für mich. Er geht in den Tod, nur damit ich nicht sterben muß, sondern ewig leben darf. Er gibt sein Leben hin, obwohl wir eigentlich seine Feinde sind, wir uns immer wieder gegen ihn stellen, uns nicht für ihn interessieren. Doch er gibt sein Leben für uns. Wieviel mehr wird er für uns tun, wenn wir zu ihm gehören?
Gott mag mich. Bin ich mir dessen bewußt? Auf einmal ist es unwichtig, was andere von mir denken. Er mag mich doch. Auf einmal spielt alles keine Rolle mehr. Ich darf wissen, ich bin gewollt. Ich bin hier, lebe hier, weil Gott es wollte. Nicht, um mir eins auszuwischen, auch wenn es vielleicht manchmal danach aussieht, sondern weil er einen ganz tollen Plan für mich hat. Er ist es wert, daß ich ihm vertraue. Wem sonst sollte ich vertrauen, wenn nicht dem, der mich liebt? Nicht aus Angst. Ich brauche keine Angst vor ihm haben. Ich darf als sein Kind zu ihm kommen, denn er macht mich zu seinem Kind. Alles nur, weil er mich liebt.
Und noch schöner: Er bewahrt mich. Er weiß darum, daß es schwer ist, sein Kind zu bleiben. Er weiß, daß es schwer ist, seiner Einladung zu folgen. Er weiß, daß es schwer ist, hier zu leben. Er weiß das. Deswegen will er mich bewahren. Vertraue ich ihm? Traue ich ihm das zu?
Er paßt auf mich auf. Ich darf mich in seine Hände legen. Bei ihm finde ich Geborgenheit, wirkliche Geborgenheit. Nur bei ihm.
Und ich darf ihm alles anvertrauen. Vor allem darf ich ihm andere anvertrauen. Ich darf meine Lasten und Sorgen abgeben. Sorgen um mich, Sorgen um andere. Er paßt auf.
Er kennt die Situation, in der ich stecke. Er kennt die Gefahren. Er weiß, wie kompliziert alles ist. Ich muß ihm nur vertrauen.
Ich bin ein geliebter und bewahrter Berufener. Gott lädt mich ein zu seinem Fest, weil er mich liebt. Er opfert Diener für mich, er opfert sogar seinen Sohn. Und all das, obwohl ich das gar nicht verdient habe. Einfach nur aus Liebe. Einfach nur weil er mich mag. Nur deshalb bin ich wertvoll. Nur wegen ihm. Seine Liebe macht mich wertvoll. Nicht wie ich aussehe, auftrete oder was auch immer. Letzten Endes zählt nur Gott. Er ist der einzige, der es wert ist, daß ich ihm vertraue. Nur er. Weil er mich liebt. Und weil er weiß, wie zerbrechlich meine Beziehung zu ihm ist. Ich sitze noch nicht am Tisch, ich bin auf dem Weg. Doch auf diesem Weg werde ich begleitet von seiner Liebe und seinem Schutz. Er umgibt mich, trägt mich, hebt mich auf, paßt auf mich auf. Er tut alles für mich, daß ich mit ihm Hochzeit feiere. Kann es eine größere Liebe geben?
Doch zu welcher Gruppe gehöre ich? Bin ich satt und eingefahren? Lehne ich sein Angebot ab, vielleicht sogar mit einer frommen Begründung? Oder gehöre ich zu den Leuten, die sein Angebot zu schätzen wissen? Die wissen, wieviel er für sie getan hat, die um seine Liebe wissen, weil sie selber sehen, wie liebesbedürftig sie sind. Schwach, krank, zerbrochen. So stelle ich mir die zweite Gruppe an Gästen vor. Alles Leute, die in dieser Welt nicht viel zählen. Aber die wissen, was es heißt, nicht geliebt zu sein. Was es heißt, nicht angenommen zu sein. Aber die auf einen Gott der Liebe vertrauen. Die auf seine Liebe und auf seinen Schutz vertrauen.
2) Friede und Barmherzigkeit und Liebe möge euch immer reichlicher zuteil werden!
Drei Sachen wünscht Judas der Gemeinde: Barmherzigkeit, Friede und Liebe. Friede kommt in fast allen Briefköpfen vor, Barmherzigkeit noch bei den beiden Timotheusbriefen, während Liebe nur hier bei Judas auftaucht.
All dies möge in der Gemeinde groß werden, wachsen, sich vermehren. Die Gemeinde soll voll werden davon.
Judas setzt also schon Akzente, was für ihn wichtig ist. Barmherzigkeit ist meistens verbunden mit dem Schwächeren. Auf die Schwachen zu achten, das ist wichtig für eine Gemeinde. Überall in dieser Welt herrscht das Gesetz des Starken. Und in der Gemeinde? Achten wir auf die, die vermeintlich nicht so viel können? Geben wir uns Mühe, mit ihnen ihre Gaben zu entdecken? Oder beachten wir nur die, die stark sind, ausgeprägte Begabungen haben und auf keinen Fall in einer Gruppe untergehen?
Doch Barmherzigkeit meint eigentlich gar nicht so sehr das eben beschriebene, sondern vielmehr das Wiederaufhelfen, Mittragen und Helfen. Barmherzigkeit sieht den anderen in seiner Schwachheit, in seinen Problemen. Sie geht daran nicht vorbei. Sondern sie hilft dem anderen, wieder hoch zu kommen, weiterzugehen und zu gesunden.
Friede kommt in allen Briefköpfen vor. Es ist der übliche Wunsch. Welche Gemeinde möchte schon Spaltungen? Ich muß nur leider bei mir oft genug feststellen, daß ich lieber einen faulen Frieden eingehe, als einen Konflikt. Daß ich Dinge unausgesprochen lasse, nur damit alles so weiter läuft. Bloß keinen Aufruhr, keine Spannungen, keine Unruhe. Aber ist das nicht auch christlich? In Röm 12, 18 fordert Paulus dazu auf, Frieden mit anderen zu halten. Doch was ist das für ein Frieden, wo es unter der Oberfläche ganz anders aussieht? Wo es sich zusammenbraut, Stein für Stein dazu kommt, bis es nicht mehr geht und vielleicht der große Knall kommt. All das ist doch kein Frieden!
Das ist pure Heuchelei! Bitte recht freundlich. Nichts als Heuchelei. Ist Gott auch so? Lächelt er mir freundlich zu, während er innerlich denkt: Was für ein Idiot? Mit so einem Gott will ich nichts zu tun haben. Heuchelei ist Unwahrhaftigkeit, ist Lüge. Heuchelei bringt vielleicht äußeren Frieden, aber keinen inneren. Heuchelei tötete jede Wahrheit im Keim.
Natürlich kann ich auch nicht herumrennen und jedem sagen, was ich an ihm auszusetzen habe. Aber ich merke nur bei mir, daß ich viel zu oft den leichten Weg gehe. Daß ich viel zu oft ein Lächeln aufziehe und nichts sage, nur um des lieben Friedens willen.
Doch wahrer Friede und auch wahre Liebe ist nur dort möglich, wo die Wahrheit herrscht. Auch wenn die Wahrheit weh tut.
Und diese drei: Barmherzigkeit, Friede und Liebe mögen uns immer reichlicher zuteil werden. Das Verb steht im Passiv. Das heißt, wir können nicht aktiv werden, um dies bekommen. Wir können darum nur bitten und es uns schenken lassen.
Mir geht es viel zu oft bei solchen Versen, daß ich mir von nun an vornehme, barmherziger, friedvoller und liebesvoller zu sein. Aber all das ist Blödsinn. Wir können dies von uns nicht vollbringen. Wir können es uns schenken lassen. Das ist ein gewaltiger Unterschied. Es befreit mich von dem Druck, ja so zu sein, wie es hier steht. Ich muß doch all das fühlen, sonst bin ich doch kein Christ, oder?
Nein, wir dürfen die Hände aufmachen und auf Gott vertrauen, daß er all das in uns vermehrt. Er wird uns nicht alles auf einmal schenken. Er wird es uns so schenken, wie wir fähig sind, es aufzunehmen. Das einzige, was mir bleibt, ist, mich zu öffnen. Mich zu öffnen für seine Barmherzigkeit, für seinen Frieden, für seine Liebe. Mich ihm hinzugeben, mich ihm zu öffnen.
Luther hat einmal gesagt, daß alle unsere guten Werke Todsünden sind. Nämlich da, wo ich Gottes Gnade verdienen möchte, entferne ich mich von Gott. Da, wo ich meine Heiligung selber in die Hand nehmen will, entferne ich mich von Gott. Da, wo ich gute Werke tu aus mir selber heraus, entferne ich mich von Gott.
Gott schenkt uns die Fähigkeit dazu, gute Werke zu tun. Ja, er bereitet sogar diese guten Werke vor (Eph 2,10). Er wirkt, er ist der Gute.
Ich brauche einfach nur die Hände zu öffnen, mein Herz ihm öffnen und ansonsten einfach nur leben. Versuchen einfach nur zu leben. Und darauf vertrauen, daß sein Geist größer wird in mir. Und darauf vertrauen, daß er mich verändert, damit ich fähig werde zu guten Werken.
In der Passivität ist kein Druck. In der Passivität ist kein Zwang. Da ist nur ein sich hingeben, ein sich öffnen. Da darf ich so sein, wie ich bin. Und ich brauche anderen nicht vorspielen, wie brav und lieb und nett ich doch bin. Da darf ich so sein, wie ich bin: Ehrlich.