Seine Kraft hat mich stark gemacht - Stormie Omartian - E-Book

Seine Kraft hat mich stark gemacht E-Book

Stormie Omartian

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Beschreibung

Die bekannte Autorin, Stormie Omartian, gewährt einen neuen Blick in ihr Leben: Sie erzählt von ihrer gewalttätigen Mutter, ihrem Drogenkonsum, dem Erfolg in Hollywood, Selbstmordabsichten und Okkultismus. Und sie erzählt von dem Wendepunkt, der die Heilung und ein neues Leben brachte. Dieser spannende Bericht zeigt, warum Stormie Omartian auf das Gebet vertraut. Lassen Sie sich hineinnehmen in die bewegende Lebensgeschichte und werden Sie ermutigt, die Kraft Gottes in Ihr Leben einzuladen.

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Seitenzahl: 354

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Der SCM Verlag ist eine Gesellschaft der Stiftung Christliche Medien, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.

ISBN 978-3-7751-7367-4 (E-Book)ISBN 978-3-7751-5767-4 (lieferbare Buchausgabe)

Datenkonvertierung E-Book:Satz & Medien Wieser, Stolberg

© der gekürzten deutschen Ausgabe 2017SCM-Verlag GmbH & Co. KG · Max-Eyth-Straße 41 · 71088 HolzgerlingenInternet: www.scm-verlag.de; E-Mail: [email protected]

Originally published in English under the title: Out of DarknessCopyright © 2015 by Stormie OmartianPublished by Harvest House PublishersEugene, Oregon 97402www.harvesthousepublishers.com

Soweit nicht anders angegeben, sind die Bibelverse folgender Ausgabe entnommen:Neues Leben. Die Bibel, © der deutschen Ausgabe 2002 und 2006 SCM-Verlag GmbH &Co. KG, Witten.Weiter wurden verwendet:Bibeltext der Schlachter Bibelübersetzung. Copyright © 2000 Genfer Bibelgesellschaft.Wiedergegeben mit der freundlichen Genehmigung. Alle Rechte vorbehalten.Übersetzung: Susanne Naumann (SuNSiDe)Umschlaggestaltung: Kathrin Spiegelberg, Weil im SchönbuchTitelbild: Michael Gomez, Nashville, TennesseeSatz: Satz & Medien Wieser, Stolberg

Inhalt

Dank

Vorwort

Flucht

Abstieg

Ein Leben in Finsternis

Endgültige Hoffnungslosigkeit

Verpasste Chancen

Tödliche Entscheidungen

Wahrheit ohne Freiheit

Das wahre Licht

Nicht schuldig

Begegnung mit dem Erlöser

Die Schlüssel zum Gottesreich

Der Schritt aus der Dunkelheit

Vom Opfer zur Täterin

Ein unvorstellbares Wunder

Verborgene Unversöhnlichkeit

Friede über alles Verstehen

Verfolgt

Aufbruch ins Gelobte Land

Das große Beben

Die Umkehr

Zwischen Leben und Tod

In Gesundheit und Krankheit

Ein sicherer Ort

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

Dank

Ich danke meinem Mann Michael Omartian für seine Treue zu Gott und zu mir.

Ich danke meinen Gebetspartnern Suzy, Susan und Roz, die seit mehr als dreißig Jahren mit mir zusammen beten, für all ihre Fürbitten für mich und meine Familie. Ich würde gerne darum beten, dass euch die Segnungen, die ich durch euer unbeirrbares Beten erlebt habe, hundertfach vergolten werden, aber ich möchte Gott mit dieser Zahl keine Grenze setzen!

Ich danke meinem Sohn Christopher, meiner Schwiegertochter Paige, meiner Tochter Amanda und meinem Schwiegersohn Dallas für ihre Liebe und Unterstützung. Und ich danke meiner Enkelin Scarlett Grace für die große Freude, die sie mir und meiner Familie immer wieder bereitet. Ich liebe euch alle mehr, als ich sagen kann.

Und schließlich danke ich Bob Hawkins, LaRae Weikert, Tim Moore, Terry Glaspey und den anderen Mitarbeitern von Harvest House Publishers für ihre unermüdliche Hilfe.

Mein besonderer Dank gilt L. Rae, T. Glass und B. Hawk für alle die einzigartigen Gelegenheiten, bei denen wir miteinander über die Zukunft gesprochen und darüber nachgedacht haben, wie wir Gott am besten dienen können. Eure Freundschaft ist seit 30 Jahren eine Quelle der Freude und Ermutigung.

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser,in den ersten dreißig Jahren meines Lebens war ich überzeugt, dass kein Mensch auf der ganzen Welt mehr Narben auf der Seele haben konnte als ich. Inzwischen weiß ich, dass das nicht stimmt. Kaum hatte ich angefangen, Bücher zu schreiben und mit meiner Geschichte an die Öffentlichkeit zu gehen, kamen die Menschen auf mich zu und offenbarten mir ihre eigenen, der meinen so ähnlichen Geschichten aus den verborgensten Winkeln ihrer Seele. Viele dieser Geschichten waren unfassbar grausam. Meine Annahme, ich sei der einzige Mensch mit solchen Verletzungen, war grundfalsch gewesen.

Früher wurde über derlei Dinge nicht gesprochen. Sie wurden verschwiegen, weil man fürchtete, bei den anderen keinen Glauben zu finden oder sogar die Schuld oder doch eine Teilschuld an dem Widerfahrenen zugesprochen zu bekommen. Im Hinblick auf seelisches Leid befanden wir uns damals noch im finstersten Mittelalter. Zwar leben wir, was das betrifft, auch heute noch nicht im Zeitalter der Aufklärung, aber es ist doch schon einiges sehr viel besser geworden.

Zu seelischen Verwundungen kommt es nicht nur in der Kindheit. Ein Mensch kann eine wunderbare Kindheit haben und dennoch später im Leben durch die Grausamkeit anderer, durch eigene Fehler oder schlicht und einfach durch schicksalhafte Ereignisse Narben davontragen. Doch was auch immer der Grund für diese Narben ist: Diese Menschen müssen aus der tiefen Dunkelheit, in der sie leben, herausgeholt werden.

In diesem Buch erzähle ich davon, wie ich darum gekämpft habe, meine Vergangenheit zu überwinden. Ich wollte frei sein von der seelischen Verletzung, die ich wegen der Misshandlungen, die ich in meiner Kindheit erlitten hatte, mit mir trug. Und ich wollte niemals ein Mensch sein, der selbst Kinder misshandelt. Jeder Mensch trägt Verletzungen mit sich. Ganz gleich, welcher Schmerz, welche Enttäuschung, welche Lebensumstände Sie ins Dunkel gestürzt haben: Es gibt einen Weg, der Sie wieder ins Licht führt und heil macht.

Dabei geht es nicht darum, anderen die Schuld an dem zu geben, was in unserer Vergangenheit passiert ist. Zum Heilungsprozess gehört es auch, die Verletzungen loszulassen und selbst die Verantwortung für unser Leben zu übernehmen. Wir müssen weitergehen. Mein Ziel ist es, Ihnen die Quelle meiner Heilung zu zeigen.

Da es sich um eine wahre Geschichte handelt, habe ich manche Namen geändert. (Diese wurden mit * gekennzeichnet.)

Ich habe bereits 1986 in Stormie über die ersten fünfunddreißig Jahre meines Leben berichtet. Damals begann ich das Buch mit dem Wendepunkt in meinem Leben. Meine neue Biografie setzt dagegen mit der tiefen Finsternis ein, in der ich lebte und die dazu führte, dass ich meinen Zustand erkannte und Hilfe fand. Das meiste von dem, was in den siebenunddreißig Jahren danach geschah, habe ich noch öffentlich erzählt. Nun ist es an der Zeit, die ganze Geschichte zu erzählen. Ich möchte damit zeigen, dass man den Weg aus der Dunkelheit heraus finden kann, wenn man sie erst einmal erkannt hat.

Wir alle haben uns schon einmal in einer solchen dunklen Lebensphase befunden. Es gibt so unvorstellbar viele Menschen, die ähnliches oder schlimmeres emotionales Leid als ich erfahren haben. Ich erzähle meine Geschichte, damit auch Sie aus der Dunkelheit den Weg der Heilung finden, die Sie erwartet. Ich hatte diese Heilung damals verzweifelt nötig und ich habe sie gefunden. Und ich erlebte eine Verwandlung, die ich mir nie hätte träumen lassen. Wenn mir das gelungen ist, gelingt es auch jedem anderen, der es wirklich versucht.

Ich bete dafür, dass dieses Buch meinen Leserinnen und Lesern Heilung, Befreiung, Erneuerung und Verwandlung bringt und ihnen zeigt, dass Gott ihrem Leben einen Sinn gegeben hat. Ich wünsche ihnen allen auf diesem Weg Gottes Segen.

In LiebeStormie Omartian

Der, der das wahre Licht ist, das alle Menschen erleuchtet,sollte erst noch in die Welt kommen.

Johannes 1,9

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

Flucht

Rasch lief ich an dem Wachmann vor dem Eingang des riesigen CBS-Gebäudes vorbei. Er kannte mich seit Jahren und winkte mich schon lange einfach durch. Dann fuhr ich mit dem Aufzug nach oben und ging den langen Flur hinunter auf die riesige Tonbühne, wo The Glen Campbell Goodtime Hour aufgezeichnet wurde, und prallte beinahe mit dem Regisseur zusammen.

»Tut mir leid, dass ich mich verspätet habe, Jack«, entschuldigte ich mich, wie schon so oft.

»Du arbeitest zu viel, Stormie«, ermahnte der Regisseur mich streng, aber trotzdem liebenswürdig. Er wusste, dass ich an den drei Tagen in der Woche, in denen ich nicht bei der Glen Campbell Goodtime Hour auftrat, bei einer anderen lokalen Fernsehproduktion mitarbeitete, was bedeutete, dass ich so gut wie keine Freizeit hatte. Er sah mich an, als zweifle er an meinem Verstand. Sein Verhalten mir gegenüber war stets von einer väterlichen Güte geprägt, die ich sehr zu schätzen wusste.

Ich mochte nicht zugeben, dass ich zu unsicher war, um irgendeine Arbeit abzulehnen, und nahm Zuflucht zu einem Scherz: »Sie lassen mir keine Ruhe, Jack. Blonde Dummchen sind dieses Jahr sehr angesagt, weißt du?«

Er umarmte mich kurz und sagte dann: »Geh schnell in die Maske. Cher ist krank und kann den Sketch mit Glen nicht machen. Du musst für sie einspringen.«

»Was!«, rief ich überrascht. Mit einem Schlag hatte ich fürchterliches Lampenfieber.

»Du bist so groß wie sie, ihr Kostüm wird dir passen«, meinte er zuversichtlich. »Außerdem lernst du schnell, du wirst also keine Probleme mit dem Text haben. Und nicht zuletzt hast du ihnen schon oft bei den Proben zugesehen und kennst die Einsätze.«

Jacks Vertrauen in mich überraschte mich immer wieder. Trotzdem fragte ich: »Und was ist mit meinem eigenen Sketch mit Glen?«

»Du schaffst beides. Chers Garderobiere hilft dir beim Umziehen. Ich schicke jemand rüber, der den Text mit dir durchgeht, sobald du in der Maske fertig bist.«

Eigentlich war ich ursprünglich als eine der vier Sängerinnen und Tänzerinnen in Glens Show angeheuert worden, doch inzwischen spielte ich auch in Sketchen mit.

Ich lief in die Maske und ließ mich in den Stuhl des Visagisten fallen. »Ich brauche ein Wunder, Ben. Ich soll heute den Star spielen, und dafür musst du mich schön machen«, erklärte ich lachend.

Ben Nye und sein Vater waren ausgezeichnete Maskenbildner, beide hatten einen hervorragenden Ruf in der Branche. Ich brauchte mir also keine Sorgen zu machen. Müde schloss ich die Augen und versuchte, ruhig zu atmen und mich zusammenzureißen. Es war erst acht Uhr morgens und ich war bereits völlig erschöpft. Ich machte zwei Fernsehshows in der Woche und jede freie Stunde dazwischen war mit Aufzeichnungen und Werbesendungen ausgefüllt. Ich war geradezu besessen von meiner Arbeit, denn sie half mir, die negativen Empfindungen im Zaum zu halten, die mich ständig umtrieben und mein Leben bedrohten: das tiefe Gefühl der Unzulänglichkeit, die Furcht, irgendwann hungrig und obdachlos auf der Straße zu sitzen, die Depressionen und die Angst.

Ich kämpfte praktisch jeden Tag mit Depressionen. Die meiste Zeit meines Lebens, spätestens seit meinem dreizehnten Lebensjahr, erwachte ich morgens mit dem Gedanken: Soll ich mich heute umbringen oder schaffe ich noch einen Tag? Auch heute Morgen um fünf war es so gewesen. Als mein Wecker klingelte, blieb ich im Bett. Ich konnte mich nicht rühren und versuchte, zu einem Entschluss zu kommen. Du hast eine Aufgabe, sagte ich mir. Du wirst einen großartigen Sketch mit Glen Campbell machen. Die Proben sind gut gelaufen.

Schließlich entschied ich mich. Nein, heute kann ich mich nicht umbringen. Wenn ich mich bewähre, entdeckt vielleicht jemand mein Talent. Dann werden mich alle mögen und es wird mir richtig gut gehen. Heute Morgen hatte ich nur ein paar Minuten gebraucht, bis ich aufstehen konnte, doch manchmal dauerte es Stunden. Leider hielt ich mich immer nur für so gut, wie mein letzter Auftritt gewesen war. Wenn ein Auftrag beendet war, war es auch mit dem guten Gefühl für mich selbst und mein Leben zu Ende.

»Du siehst großartig aus!«, sagte Ben, während er zum Abschluss noch meine falschen Wimpern tuschte.

»Und du bist ein Genie, Ben.« Ich lächelte ihm dankbar zu und ging in Chers Garderobe. Es war die Nobelgarderobe mit dem großen Stern. Die Crew hatte Chers Namen abgenommen und einen Zettel mit meinem Namen an die Tür geklebt. Ich musste lachen, aber ich wusste ihre Unterstützung zu schätzen. Ich bewunderte Cher, die damals Anfang zwanzig war. Für mich war sie eine der schönsten Frauen, die ich je gesehen hatte. Es tat mir leid, dass sie krank war, aber gleichzeitig war ich begeistert, für sie einspringen zu dürfen.

»Hi, Maggie«, begrüßte ich die Garderobiere.

»Stormie, wir sind spät dran.« Ihre Sorge galt nicht nur mir. Jacks Zeitplan war äußerst knapp und die Garderobiere war dafür verantwortlich, dass der Star fertig angezogen zum richtigen Zeitpunkt auf dem richtigen Platz auf der Bühne stand. Eine Assistentin brachte mir meinen Text. Maggie half mir beim Ankleiden, während ich ihn rasch durchlas.

»Die Besetzung für die erste Szene sofort auf die Bühne«, verkündete der Regieassistent über Lautsprecher genau in dem Moment, in dem Maggie den Reißverschluss meines Kostüms schloss. »Passt perfekt«, sagte sie strahlend.

Ich lief an meinen Platz vor der Kamera, der durch ein Stückchen blaues Klebeband auf dem Boden gekennzeichnet war.

Glen Campbell kam herein und umarmte mich fest. »Wie geht es dir heute Morgen?«, fragte er lächelnd.

»Großartig!«, log ich. »Sehe ich aus wie Cher?« Ich fuhr mir nervös mit den Händen durch mein langes blondes Haar und blinzelte mit meinen blauen Augen. Im Vergleich zu der dunkeläugigen, schwarzhaarigen Schönheit fühlte ich mich wieder einmal schrecklich unzulänglich.

»Du siehst fantastisch aus!«, meinte Glen in seiner üblichen liebenswürdigen, ermutigenden Art. Er war ein wunderbarer Chef. Ich bewunderte nicht nur sein Talent, sondern auch ihn als Mensch.

»Kameras bereit? Fünf, vier, drei, zwei, eins … Action!«

Ich kannte die Einsätze noch genau und mithilfe von Stichwörtern kam ich fehlerfrei durch meinen Text.

»Großartig!«, erklang Jacks Stimme über den Lautsprecher. »Noch einmal und wir haben es. Gute Arbeit, Stormie. Ich wusste, dass du es schaffst!« Ich freute mich über sein Lob und fragte mich gleichzeitig, warum ich selbst nie stolz auf meine Leistung sein konnte.

Als ich später auf dem Rückweg in die Garderobe war, sagte eine der anderen Sängerinnen zu mir: »Das Kostüm steht dir blendend, Stormie. Schade, dass du nicht auch Chers Stimme hast.«

»Ja, und ihr Geld«, antwortete ich lachend, damit sie nicht merkte, wie verletzt ich war.

Es mochte eine völlig unschuldige Bemerkung gewesen sein, doch sie rief mir ein weit zurückliegendes Ereignis ins Gedächtnis. Eine unerklärliche Angst schnürte mir die Brust zusammen und tief in meinem Bauch stieg ein krampfartiger Schmerz auf, bis hoch in meine Kehle, sodass ich nicht mehr sprechen konnte. Ich bekam kaum noch Luft und hatte das Gefühl, ersticken zu müssen. Jetzt musste ich so schnell wie möglich irgendwohin, wo ich allein war, in einer Toilette, einer Garderobe oder einem leeren Probensaal.

»Ich bin gleich wieder da, Maggie«, würgte ich noch heraus, dann rannte ich an ihr vorbei in die Toilette für die Schauspielerinnen.

Drinnen schloss ich die Kabinentür ab und ließ mich gegen die Wand fallen. Dabei kämpfte ich gegen ein krampfhaftes Schluchzen an, das mich zu überwältigen drohte. Die Bauchschmerzen wurden so schlimm, dass ich nur noch sterben wollte. Als ich mich endlich so weit gefasst hatte, dass ich wieder hinausgehen konnte, tat ich, als sei nichts geschehen. Die Fassade zu wahren, war mir immer das Allerwichtigste.

»Alles in Ordnung, Süße?«

»Klar, Maggie. Mir war nur kurz ein bisschen übel«, antwortete ich und ging mit einem Lachen über das Ganze hinweg.

Ich atmete auf, obwohl ich innerlich noch immer zitterte. Doch es war mir wieder einmal gelungen, meine Panikattacken vor den anderen zu verbergen. Diese Anfälle waren der Grund, weshalb ich niemand nah an mich heranließ. Wie sollte ich mein Verhalten einem anderen erklären, wenn ich es selbst nicht verstand? Meiner Ansicht nach rührten die Panikattacken daher, dass ich irgendwie seltsam war – eine Außenseiterin eben. Wenn ich engere Freundschaften zugelassen hätte, hätte eines Tages jemand Zeuge eines solchen Anfalls werden können –, und eine Zurückweisung hätte ich nicht ertragen. Außerdem waren in meinen Augen alle anderen perfekt und ich konnte im Vergleich mit ihnen nur verlieren. Je besser ich einen Menschen kennenlernte, desto stärker musste ich mich mit ihm vergleichen und desto deutlicher wurden mir meine vielen Mängel. Deshalb hielt ich es für besser, die anderen auf Abstand zu halten.

Nach einer weiteren Kostümprobe nahmen wir gegen fünfzehn Uhr eine Livesendung mit Studiopublikum auf. Alles ging glatt und ich war sehr erleichtert.

»Gute Arbeit, Stormie«, rief mir ein strahlender Jack auf dem Weg nach draußen zu. »Wir sehen uns dann in ein paar Wochen.«

»In ein paar Wochen?«, fragte ich. Doch bevor er antworten konnte, fuhr ich fort: »Ach so, ja. Die zweiwöchige Pause, weil Glen nicht da ist. Klar. Bis dann.«

All mein Mut verließ mich. Bei der anderen Fernsehsendung, in der ich auftrat, war gerade eine dreizehnwöchige Staffel zu Ende gegangen. Das bedeutete, dass ich die nächsten vierzehn Tage gar keine Arbeit hatte. Schon der Gedanke ängstigte mich zu Tode. Wenn ich nicht arbeitete, kam ich überhaupt nicht mehr aus meinen Depressionen heraus. Ich hatte festgestellt, dass mir Drogen halfen, und in den späten Sechzigerjahren waren sie auch leicht erhältlich – im Grunde genommen war es schwieriger, sie zu meiden, als sie zu konsumieren. Auch psychedelische Drogen waren weit verbreitet, doch wer sie nahm, rastete regelmäßig aus und nicht wenige landeten sogar in der Psychiatrie. Daher wollte ich kein LSD nehmen, die Gefahr, dass ich in eine solche Klinik eingewiesen wurde, war auch so schon groß genug. Kokain kam für mich ebenfalls nicht infrage. Ich hatte immer noch meine Grundsätze. Mir reichte schlichtes Marihuana.

Ich hatte herausgefunden, dass ich mit dem Leben zurechtkam, solange ich entweder arbeitete oder high war. Dabei achtete ich sorgfältig darauf, beides nicht zu vermischen. Ich war viel zu sehr Profi, um etwas so Dummes zu tun, wie während der Arbeit zu trinken oder Joints zu rauchen. Meine Arbeit bedeutete mir viel zu viel; ich hätte sie nie wegen so etwas aufs Spiel gesetzt.

In jener Nacht nahm ich ein paar Schlaftabletten und ging ins Bett, voller Angst vor dem nächsten Tag. Wie erwartet, wachte ich am späten Vormittag auf und dachte: Du taugst nichts. Warum bringst du dich nicht um?

Gestern warst du ganz in Ordnung, aber das war gestern, noch einmal wirst du bestimmt nicht eine solche Leistung bringen.

Du wirst überhaupt nie mehr irgendetwas zustande bringen.

Wen willst du hinters Licht führen? Alle wissen doch, dass du zu nichts taugst.

Du bist ein Nichts, ein Niemand.

Langsam, unausweichlich senkte sich die Depression über mich wie eine dicke, schwere Decke. Als ich mich nicht mehr gegen sie wehren konnte, wusste ich, dass ich im Begriff war, in eines meiner »schwarzen Löcher« zu fallen.

Die beiden nächsten Wochen funktionierte ich kaum noch. Ich lag im Bett, konnte weder lesen noch fernsehen und stand nur für die allernötigsten Verrichtungen kurz auf. Das Einzige, was mich aus diesem Loch hätte herausholen können, wäre ein Anruf mit einem Jobangebot gewesen. Doch es rief niemand an.

Als die Arbeit für The Glen Campbell Goodtime Hour wieder aufgenommen wurde, kehrte ich mit den üblichen gemischten Gefühlen zu CBS zurück. Ich konnte es kaum erwarten, wieder zu arbeiten, litt jedoch unter der ständigen Angst, dass irgendjemand meine Unfähigkeit und meine Ängste bemerken könnte. Am Tor winkte ich dem Wachmann zu. »Hattest du einen schönen Urlaub, Stormie?«, rief er.

»Großartig!«, antwortete ich. »Nur viel zu kurz!«

»Schon klar«, sagte er und lachte. Ich lachte mit. Wieder einmal war es mir gelungen, mein wahres Ich zu verstecken.

Ein paar Wochen später war ich bei meinem Freund Rick* und backte ein Blech Brownies – mit einer beträchtlichen Menge Marihuana, die er dem Teig beigemischt hatte. Rick aß ein paar, den Rest verzehrte ich. Schokolade war eine meiner großen Schwächen, und wenn ich erst einmal angefangen hatte, konnte ich nicht aufhören, bis alles weg war.

Wenn man Marihuana isst, wird man langsamer high, als wenn man es raucht, doch dafür hält die Wirkung umso länger an. Ich hatte nicht darauf geachtet, wie viel ich gegessen hatte. Zuerst wurde mir schwindelig, ich machte alberne Bemerkungen und kicherte, dann war ich plötzlich wie betäubt. Mir wurde klar, dass ich viel zu viel Marihuana zu mir genommen hatte. Eine erdrückende Schwere breitete sich in meinem Körper aus, ich glaubte, sterben zu müssen.

»Ich muss mich hinlegen«, sagte ich atemlos zu Rick, stolperte zum Sofa und ließ mich, mit dem Gesicht nach unten, darauf fallen. Dann klammerte ich mich an ein Kissen. Das Zimmer begann sich so rasend schnell um mich herum zu drehen, dass ich glaubte, mich aufzulösen. Schon bald konnte ich mich nicht mehr bewegen, ich war wie gelähmt. Mein Körper fühlte sich an wie tot, doch mein Geist war höchst lebendig, gefangen, unfähig zu fliehen.

Wo ist Rick? Warum hilft er mir nicht? Ich rief seinen Namen oder glaubte zumindest, ihn zu rufen. Doch er antwortete nicht.

Etwa sechs Stunden später gelang es mir schließlich, den Kopf zu heben. Rick lag im Schlafzimmer und schlief. Es dauerte zwei Stunden, bis ich mich in die Küche gequält hatte. Ich wusch mir mit kaltem Wasser das Gesicht und holte mir etwas zu trinken.

Wie dumm ich war! Wieder einmal hatte ich mich mit Drogen beinahe selbst umgebracht. Ich musste mein Leben in Ordnung bringen oder ich würde mich selbst zerstören – aber mir fehlte die Kraft dazu. Irgendetwas in mir trieb mich, immer wieder schlechte Entscheidungen zu treffen – Entscheidungen, die in den Tod führen. Jeden Tag dachte ich an Selbstmord, dabei wollte ich gar nicht wirklich sterben. Aber ich sah einfach keinen anderen Weg, dem unerträglichen Schmerz zu entkommen.

Eines Morgens gegen halb fünf fing mein Bett plötzlich an zu schwanken. Ein lautes Rumpeln im Innern der Erde zeigte mir, dass es sich um ein heftiges Erdbeben handelte. Die Erde bebte stärker, als ich es je erlebt hatte. Ich rechnete jeden Moment damit, dass die Decke und die Wände unter dem Gewicht der Wohnung über mir einstürzen und ich auf grauenvolle Weise sterben würde – zermalmt, verstümmelt, völlig allein. Das Beben war so stark, dass es jeden in große Angst versetzt hätte, aber da Angst mein Normalzustand war, geriet ich in absolute Panik.

Ich rannte zur Schlafzimmertür, hinaus auf den Flur. Die Gewalt des Erdbebens schleuderte mich gegen die Wände des schmalen Durchgangs zum Wohnzimmer. Im Wohnzimmer fiel ich mit einem harten Aufprall gegen den Sofatisch. Mit dem Telefon in der Hand stolperte ich zurück in den Flur, wo ich immer noch am sichersten war. Dort ließ ich mich zu Boden fallen und versuchte zu wählen, doch die Erschütterungen waren so stark, dass ich ständig die Tasten verfehlte. Ich versuchte es drei oder vier Mal, ehe ich bemerkte, dass das Telefon tot war. Das Stromnetz in unserer Gegend war zusammengebrochen. Auch die Straßenlaternen draußen waren erloschen. In völliger Finsternis ließ ich das Telefon fallen, kroch zum Türpfosten und klammerte mich daran fest, um nicht weiter ständig gegen die Wände geschleudert zu werden. »Gott, hilf mir!«, betete ich. »Bitte, Gott, hilf mir!« Ich hatte noch nie solche Angst gehabt.

Endlich ließ das Beben nach und die Sonne ging auf. Rasch lief ich zu meinem Auto und fuhr, so schnell ich konnte, zu Rick. Auf den Straßen lagen Glasscherben, Müll und umgestürzte Bäume. Noch auf dem Weg kam das erste Nachbeben. Ich fuhr an den Straßenrand und hielt an, um nicht mit einer der gerissenen Hochspannungsleitungen in Kontakt zu geraten. Die Straße vor mir bewegte sich auf und ab, als sei sie aus Gummi. Risse taten sich auf; ich hatte Visionen, wie die Erde sich öffnete und mich verschluckte und kein Mensch jemals mehr von mir hörte. Als das Nachbeben vorüber war, fuhr ich vorsichtig weiter.

Auf dem Weg zu Rick beschloss ich, dass ich nicht länger alleine wohnen wollte. Ich hatte nicht den Mut, ohne Trauschein mit einem Mann zusammenzuleben, aber eine Mitbewohnerin kam nicht infrage, weil ich die Zärtlichkeiten eines Mannes brauchte. Auch die geduldigste Frau hätte meinen Strom von ständig wechselnden Partnern nicht toleriert.

Die Ehe war der einzige Ausweg und Rick war der plausibelste Kandidat. Ihn kannte ich von allen Männern, mit denen ich mich getroffen hatte, am längsten. Wir kamen gut miteinander aus. Was bedeutete eine Beziehung schon, außer zusammen zu essen und miteinander zu schlafen? Außerdem war er einer der wenigen meiner Freunde, die nicht verheiratet waren. Ich landete nicht selten bei Männern, die sich gerade von ihrer Frau getrennt hatten – oder vielmehr vorhatten, sich zu trennen, wie ich erst im Nachhinein herausfand. Sie kamen als Ehemänner naturgemäß weniger infrage. Rick war zwar nicht meine erste Wahl, doch ich dachte, dass zwei Ehejahre mit anschließender Scheidung in gegenseitigem Einvernehmen dem Alleinleben vorzuziehen seien.

In den folgenden Wochen versuchte ich, Rick zu einem Heiratsantrag zu bewegen. Ich schmeichelte, bat, drohte und schmollte. Ich sagte ihm, ich wolle nicht mehr allein leben, und wenn er mich nicht heiratete, würde ich mit ihm Schluss machen. Eines Abends willigte er endlich ein: »Gut, ich heirate dich. Wir machen finanziell halbe-halbe. Ich leiste eine Anzahlung auf ein Haus, wenn du die Ratenzahlungen und alle anderen Rechnungen übernimmst.«

Ich war einverstanden. Damals verdiente ich mehr als er, aber ich wäre ohnehin mit allem einverstanden gewesen, was er vorschlug.

Rick leistete eine Anzahlung auf das Haus, das wir uns ausgesucht hatten, und wir begannen mit den Hochzeitsvorbereitungen. Seine Familie war katholisch und er bestand auf einer katholischen Trauung, obwohl ich ihn in all den Jahren nicht ein einziges Mal das Wort Gott hatte aussprechen hören. Mir war es gleich, ich wäre auch mit einer buddhistischen Zeremonie einverstanden gewesen. Ich wollte einfach nur einen männlichen Mitbewohner.

Ein paar Wochen vor der Hochzeit rief eine meiner Freundinnen aus der Musikszene an und bat mich, bei einer christlichen Veranstaltung mit ihr zusammen zu singen. Terry hatte mir mindestens die Hälfte all meiner Studioverträge vermittelt und viele Fernsehshows mit mir zusammen gemacht. Ihr Vorschlag bedeutete drei Tage Arbeit, die mir mehr als gelegen kamen.

Die Arbeit erwies sich von Anfang an als friedlich und angenehm – ein völliger Gegensatz zu dem Stress und dem Druck, die ich aus Hollywood gewohnt war. Außer Terry, die mir gesagt hatte, dass alle Anwesenden Christen seien, kannte ich niemand im Studio. Meine Freundin sagte aber auch keinem, dass ich nicht Christin war. Terry sprach oft mit mir über Gott und ihre Gemeinde und ich fand alles, was sie erzählte, immer sehr schön – für sie.

Nun beobachtete ich diese Leute ganz genau. Für mich gab es im Großen und Ganzen zwei Gruppen von Christen: Entweder waren sie unsensibel und schäbig und betrieben eine geradezu brachiale Missionierung mit ihren Bibeln in der Hand oder sie waren fade, langweilig, uninteressant und besaßen keinerlei Persönlichkeit.

Die Christen, die ich bei dieser Gelegenheit kennenlernte, waren anders. In gewisser Weise waren sie tatsächlich langweilig, weil nicht ein einziger von ihnen trank, rauchte, Drogen nahm oder auf Partys ging. Ich fragte mich, was sie wohl zu ihrer Unterhaltung machten. Und doch wirkten sie irgendwie sehr anziehend auf mich. Sie waren warmherzig und fürsorglich, und wenn ich mit ihnen zusammen war, fühlte ich mich geborgen und sicher. Außerdem behandelten sie mich wie jemand ganz Besonderen, überhaupt nicht wie die Außenseiterin, die ich eigentlich für sie war.

In unserer ersten Pause stellte Terry mich einem jungen Mann vor, von dem sie mir schon vor ein paar Wochen erzählt hatte. Ich dachte, sie wollte uns verkuppeln, deshalb war ich sehr zurückhaltend, aber trotzdem neugierig. Doch in dem Augenblick, in dem ich ihn sah, war es um mich geschehen. Er hatte dichtes dunkles, lockiges Haar, wunderschöne olivfarbene Haut, große, ausdrucksvolle braune Augen und war armenischer Herkunft. Die Intensivität und Entschlossenheit, die er ausstrahlte, machten ihn außerordentlich anziehend für mich. Ich verliebte mich sofort in ihn.

»Stormie, ich möchte dir Michael Omartian vorstellen«, sagte Terry und ließ uns gleich darauf allein. Michael war warmherzig und freundlich, ich genoss seine Gesellschaft in vollen Zügen. Wenn ich mit ihm sprach, lebte ich in einem anderen Raum, in dem niemand außer uns beiden existierte.

Von nun an verbrachten wir in den Pausen jede Minute miteinander. Der Gesprächsstoff ging uns nie aus. Einmal verließen alle außer Michael und mir das Studio und gingen Kaffee trinken. Er setzte sich ans Klavier und spielte ein bisschen, ich lehnte mich dagegen, beobachtete seine Hände und hörte aufmerksam zu.

Als das Stück beendet war, sagte ich überrascht: »Michael, du bist einer der besten Pianisten, die ich je gehört habe.«

Er lächelte, blickte auf die Tasten hinunter und schüttelte den Kopf. »Das ist sehr nett von dir, aber es war alles andere als leicht, Arbeit zu finden.« Ich hörte den frustrierten Musiker heraus.

»Das ist nur eine Frage der Zeit. Du hast ein großes Talent und es wird nicht lange dauern, bis dich alle kennen.« Ich lebte und arbeitete lange genug in Hollywood, um sicher zu sein, dass ich ihm damit eine Tatsache sagte und nicht nur schmeichelte.

»Das hängt davon ab, was Gott für mich will.«

»Gott? Was hat denn Gott damit zu tun?«

»Weißt du etwas über Jesus, Stormie?«

»Klar. In meinem Ethikbuch steht, dass er ein guter Mensch war. – Spiel mir noch ein Lied vor«, bat ich, um das Thema zu wechseln.

Er tat es und ich beobachtete ihn genau, während er spielte. Er war unglaublich attraktiv. Er besaß ein Selbstvertrauen und eine Energie, die ich unwiderstehlich fand. Und je mehr er mir gefiel, desto größer wurde meine Verwirrung. Was mache ich hier eigentlich?, fragte ich mich. Ich hatte keine Ahnung.

Am Ende des dritten Tages lud ich Michael zu einem Gesundheits-Getränk in mein Appartement ein. Er war mehrere Wochen krank gewesen und litt seitdem unter einem unangenehmen Druckgefühl im Kopf. Da ich mich seit längerer Zeit mit gesunder Ernährung befasste, wusste ich, dass ich ihm helfen konnte.

»Hi, Michael«, begrüßte ich ihn begeistert, als ich die Tür öffnete, denn ich freute mich, ihn wiederzusehen.

»Hallo«, antwortete er kühl. Ich fuhr förmlich zurück angesichts der plötzlichen Verwandlung des warmherzigen, freundlichen Menschen, den ich im Studio kennengelernt hatte.

Wir unterhielten uns ein bisschen, während ich ihm ein Getränk aus Bierhefe, Weizenkeimen, Lecithin, Vitamin C, Acidophilus-Bakterien und Grapefruitsaft mischte. Er trank – und war ganz offensichtlich überzeugt, dass ich ihn umbringen wollte. Doch meine Glaubwürdigkeit war gerettet, als sein Kopf nach zwanzig Minuten anfing, klarer zu werden.

Wir unterhielten uns noch ein bisschen, doch er blieb die ganze Zeit einsilbig. Irgendwie war er plötzlich völlig verändert. Im Studio war er aufgeschlossen und freundlich gewesen, jetzt war er mehr als zurückhaltend. Ich begriff es nicht. Vielleicht hatte ich seine Freundlichkeit missverstanden. Oder vielleicht war es ihm unangenehm, so spät abends mit mir in meiner Wohnung allein zu sein, schließlich war er Christ. Oder aber er durchschaute mich und sah Dinge, die ihm nicht gefielen.

Als er ging, war ich sehr traurig. Im Studio hatte ich mich in seiner Gesellschaft so wohlgefühlt, doch unser jetziges Treffen war anstrengend gewesen. Das bestärkte mich in meiner Überzeugung, dass es keine wirklich guten Beziehungen gab, sondern nur gerade eben erträgliche. Man musste also einen erträglichen Mann finden und das Beste daraus machen, bis es Zeit wurde, weiterzugehen zum Nächsten. Ich würde nur heiraten, weil ich nicht allein leben konnte und Rick noch der Erträglichste der Männer war, die ich kannte. Wir würden ganz gut miteinander auskommen; vielleicht schafften wir es tatsächlich zwei Jahre.

Obwohl ich die Tatsache akzeptiert hatte, dass eine potenziell fantastische Beziehung zu diesem jungen Mann gar nicht erst zustande gekommen war, gelang es mir nicht, die Gedanken an Michael Omartian ganz abzuschütteln. Er hatte etwas an sich, das ich liebte. Etwas, das über das rein Körperliche hinausging, aber ebenso fassbar war. Ich konnte es nicht benennen, doch es war die gleiche Lebendigkeit, die ich von meiner Freundin Terry kannte.

Zwei Wochen später bat sie mich, mit ihr zusammen ihren Freund Paul Johnson zu besuchen, einen bekannten christlichen Musiker. Es stellte sich heraus, dass Michael einer seiner beiden Mitbewohner war. Sie lebten zusammen in den Hügeln von Sherman Oaks, in einem schönen, großen, modernen Haus mit riesigen Fenstern, von denen aus man die ganze Stadt überblickte. Die Aussicht war überwältigend – und fast noch überwältigender war es, wenn man sich umdrehte und die drei gut aussehenden jungen Männer betrachtete. Alle drei wirkten rein, gesund, voller Lebenskraft und besaßen gleichzeitig jene angenehme liebevolle, unwiderstehliche Art, die ich so schwer beschreiben konnte.

Dieses Mal war Michael nicht kühl, nur vorsichtig. Wie bei unserem letzten Treffen schwebte ich auch heute irgendwo zwischen Himmel und Erde, während wir uns unterhielten. Er lud mich für den folgenden Abend zum Essen ein und ich nahm an.

Im Restaurant unterhielten wir uns anfangs über Dinge, Orte und Menschen, kamen dann aber ziemlich rasch auf das Thema Gefühle. Michael gestand mir, dass er sich in meiner Wohnung plötzlich so anders verhalten hatte, weil Terry ihm von meinen Heiratsplänen erzählt hatte. Er war verwirrt und völlig ratlos gewesen. »Terry glaubt, dass du einen großen Fehler machst, und ich denke genauso, Stormie«, sagte er eindringlich.

»Ich weiß, dass ich einen Fehler mache, aber ich kann es nicht ändern. Das Ganze ist auf dem Weg und ich kann es nicht mehr aufhalten.« Ich schluckte und versuchte, die Tränen zurückzudrängen.

Ich konnte ihm nicht sagen, dass ich panische Angst hatte, allein zu leben, dass ich es nicht anders verdient hatte und dass kein Mann mich noch haben wollen würde, wenn er herausfand, wie ich wirklich war. Ich glaubte nicht, dass es wirklich gute Beziehungen gab – jedenfalls nicht für mich.

Von jetzt an traf ich mich jeden Abend mit Michael, zehn Abende lang, bis zu meiner Hochzeit. Rick fragte nie, wo ich hinging, und wollte sich auch nie mit mir treffen. Er wohnte damals noch bei seiner Mutter. Eines Abends kam Michael in meine Wohnung, um mich abzuholen. Kurz darauf schaute Rick vorbei und ich stellte die beiden einander vor. Rick ging sehr schnell wieder und bat mich nie um eine Erklärung. Dieser Zwischenfall war bezeichnend für unsere verworrene Beziehung.

Rick und ich hatten ganz eindeutig keine Basis für eine Ehe. In den zwei Wochen vor der Hochzeit sahen wir uns kaum. Es war verrückt. Ich wusste, dass Michael überzeugt war, ich könne das Ganze einfach abblasen, aber mein Leben war völlig außer Kontrolle geraten. Es bewegte sich in rasender Geschwindigkeit spiralförmig abwärts und ich war sicher, dass nur eine Heirat meinen Aufprall auf felsigem Grund noch verhindern konnte.

Am Abend vor der Hochzeit traf ich mich mit Michael, wir wollten Abschied nehmen. Er holte mich aus meiner Wohnung ab. Im Auto war ich so deprimiert, dass ich kaum reden konnte, weil ich wusste, dass wir einander nie wiedersehen würden.

»Was machst du nur, Stormie?«, fragte er; seine Stimme klang angespannt vor lauter Enttäuschung. »Du heiratest einen Mann, den du nicht liebst. Alle halten es für einen großen Fehler, ich weiß, dass es ein großer Fehler ist. Noch kannst du alles absagen – warum tust du es nicht?«

»Ich kann nicht, Michael«, rief ich. »Ich weiß, dass es dumm klingt, aber ich kann nicht.« Nicht ich, sondern meine Angst und meine riesigen emotionalen Bedürfnisse trafen diese Entscheidung. Der Schmerz und die Selbstzweifel waren stärker als meine Vernunft. Aber das konnte ich ihm nicht sagen. Er würde es nicht verstehen.

Er fuhr an den Straßenrand, nahm meine Hand und sagte: »Du weißt, dass ich dich sehr liebe.«

»Ich liebe dich auch«, sagte ich, schmiegte mich in seine Arme und fing an zu weinen. »Ich liebe dich mehr, als ich je einen Menschen geliebt habe.«

»Warum sagst du das Ganze dann nicht ab?«, fragte er wütend.

»Ich kann nicht«, schluchzte ich, »ich kann einfach nicht.«

Es muss ihn völlig verwirrt haben. Kein normaler Mensch würde sich so verhalten. Schließlich zwang mich niemand, zu heiraten, ich hatte mich selbst dazu entschlossen.

Ein paar Wochen zuvor, als Michael versucht hatte, mit mir über Jesus zu reden, hatte ich es nicht hören wollen. Für mich war das Christentum gleichbedeutend mit intellektuellem Selbstmord – ich wollte schlicht und einfach nichts davon hören. Jetzt wünschte ich, ich hätte ihm zugehört, aber es war zu spät. Auch wenn es mir schwerfiel, die Reinheit und Klarheit unserer Beziehung aufzugeben, wusste ich doch, dass ich Michael vergessen und mich ganz der Aufgabe widmen musste, zu überleben. Als wir uns verabschiedet hatten, ging ich ins Bett und weinte mich in den Schlaf. Ich weinte so bitterlich wie jemand, der um einen geliebten Menschen trauert.

Am nächsten Morgen erwachte ich wie üblich depressiv und mit Selbstmordgedanken. Das Gefühl totaler Vergeblichkeit, das mich erfüllte, war stärker denn je. Ich würde heiraten. Es war der einzige Ausweg für mich und doch hatte ich das Gefühl, auf dem direkten Weg in die Hölle zu sein.

Ich überwand meine Morgendepression, indem ich mir einredete, dass die Ehe auf jeden Fall besser war, als allein zu leben. Einen Moment lang dachte ich an Michael, doch ich war sicher, dass er inzwischen erkannt hatte, wie ich wirklich war, und mich ganz bestimmt abgewiesen hätte. Das wäre dann endgültig mein Untergang gewesen. Ich musste mich mit einem gewissen Grad an Sicherheit zufriedengeben und damit, dass meine schreckliche Einsamkeit und Angst ein wenig leichter wurden. Ich brauchte einen Ort, an den ich gehörte, ganz gleich, unter welchen Bedingungen.

Völlig gleichmütig und leidenschaftslos ließ ich die Hochzeitszeremonie über mich ergehen. Doch die Ehe brachte mir nicht den ersehnten Ausweg.

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Abstieg

»Rick, könntest du bitte das Frühstücksgeschirr abräumen und schon mal kurz vorspülen? Ich spüle es dann richtig, wenn ich heute Abend nach Hause komme«, rief ich. Es war acht Uhr morgens und ich musste dringend los, wenn ich den Termin mit meiner Sprachtherapeutin nicht verpassen wollte.

»Das ist nicht meine Aufgabe«, entgegnete er.

»Was genau ist eigentlich deine Aufgabe?«, versetzte ich scharf. »Wir sind jetzt seit anderthalb Jahren verheiratet und du hast in dieser Zeit genau vier Tage gearbeitet. Du könntest wenigstens mal eine Stunde aufs Fernsehen verzichten oder einen Abend nicht bei deiner Mutter, sondern zu Hause verbringen und mir bei der Hausarbeit helfen. Ich kann doch nicht immer alles alleine machen!«

Ich hatte von Anfang an gewusst, dass Rick eine ungewöhnlich starke Mutterbindung hatte und seine Mutter mehr liebte, als er mich je lieben würde. Er wollte, dass ich war wie sie, und ich tat auch mein Bestes, ihre guten Eigenschaften zu übernehmen, aber ich konnte nie mit ihr mithalten. Er kritisierte mich, weil er mich ändern wollte, doch ich reagierte darauf meist gekränkt und verkroch mich in mein Schneckenhaus.

»Die Autoversicherung ist heute fällig«, mahnte er und ignorierte einfach, dass ich ihn gerade gebeten hatte, mir bei der Hausarbeit zu helfen.

»O nein! Das sind über sechshundert Dollar! Kannst du nicht die Hälfte zahlen?«, bat ich ihn.

»Das war nicht abgemacht. Ich habe die Anzahlung für das Haus geleistet, du zahlst alles andere«, erinnerte er mich gnadenlos.

Ich hatte bald erkannt, dass unsere finanzielle Abmachung ziemlich ungerecht war. Ich zahlte für sehr viel mehr als er bezahlt hatte, aber ich war einverstanden gewesen und jetzt gab es kein Zurück.

Als ich das Haus verließ, knallte ich die Tür hinter mir zu. Durchs Fenster sah ich, wie Rick sich wieder vor den Fernseher setzte, wo er den Rest des Tages sitzen würde, während das schmutzige Geschirr auf dem Tisch stehen blieb. Bei unseren Absprachen vor der Hochzeit scheine ich mich ziemlich verkalkuliert zu haben«, dachte ich, während ich zu meiner Sprechtrainerin fuhr.

Das Zusammenleben mit einem Mann entsprach definitiv nicht meinen Erwartungen. Meine Einsamkeit war von Tag zu Tag gewachsen und mit ihr meine Angst und meine Selbstzweifel. Inzwischen war ich der Ansicht, dass es mir wahrscheinlich besser ginge, wenn ich allein geblieben wäre. Wenigstens hatte ich damals finanziell nur für mich selbst sorgen und nur meine eigene Unordnung aufräumen müssen. Da ich ständig einen übervollen Terminkalender hatte und Rick mich in keiner Weise unterstützte, war ich immer öfter wütend auf ihn. Wir redeten kaum noch miteinander, und obwohl wir miteinander schliefen, gab es abgesehen von diesen Gelegenheiten keinerlei Zuneigung oder Zärtlichkeit zwischen uns. Ich brauchte mehr von ihm, als er mir geben konnte, und nahm ihm übel, dass er es mir nicht geben konnte. Im Grunde wollte ich, dass er mich liebte und bewunderte, doch das konnte er nicht. Er hatte seine eigenen Probleme, seine eigene Depression und ich war so tief in meiner gefangen, dass ich mich nicht mit seiner befassen konnte. Ich hatte keine Ahnung, was er sich von unserer Beziehung wünschte – doch ganz sicher bekam er es nicht.

»Hi Gloria«, begrüßte ich meine Sprechtrainerin. »Tut mir leid, dass ich zu spät komme.« Ich ging hinter ihr her in das gemütliche, rustikale Wohnzimmer, das damals typisch für so viele Häuser in den Hügeln von Beverly Hills war.

»Du siehst müde aus, Stormie. Und warum nuschelst du so?«, fragte sie tadelnd.

»Ich bin müde und außerdem habe ich mich gerade mit Rick gestritten.« Ich versuchte, langsam zu sprechen und zu beherzigen, was sie mir beigebracht hatte.

Jahrelang nahm ich nun schon bei verschiedenen Spezialisten Sprachtherapie und hatte den Sprachfehler, unter dem ich seit meiner Kindheit litt, ganz gut in den Griff bekommen. Unzählige Stunden mühseliger, langweiliger Übungen hatten anfangs nur minimale Verbesserungen gebracht. Als Kind hatte ich versucht, das Problem zu verbergen, indem ich entweder still war oder alles, was ich sagen wollte, sorgfältig einstudierte. Deshalb erschien mir auch die Schauspielerei so verlockend: Ich konnte meinen Text üben, mit meinen Sprachtherapeuten einstudieren und dann klar und deutlich sprechen.

Gloria hatte mir mehr geholfen als alle anderen. Neben unseren regelmäßigen, zweimal wöchentlich stattfindenden Sitzungen übte sie fast jede meiner Rollen sorgfältig mit mir ein. Heute Morgen sollte sie mir helfen, den Text für die nächste Comedy-Folge zu lernen. Die Probe war für zehn Uhr im CBS-Studio angesetzt.

»Beruhige dich erst einmal! Du redest viel zu schnell«, ermahnte sie mich, als ich begann. »Und du nuschelst.«

Ich versuchte es erneut. »Nein. Das ist zu nasal. Fang noch mal an.«

Eine Minute später unterbrach sie mich abermals. »Stormie, deine Kehle ist viel zu angespannt. Nimm einen Weinkorken zwischen die Zähne und probiere es noch einmal.« Ich öffnete pflichtschuldigst den Mund, damit sie mir den Korken geben konnte. »Jetzt sprich aus dem Zwerchfell heraus, nicht aus der Kehle.«

Beharrlich wiederholte ich den Text. Falsche oder schlechte Sprechgewohnheiten abzulegen, ist sehr viel schwieriger, als von Anfang an die richtigen zu lernen. Wir arbeiteten eine gute Stunde, dann war ich so erschöpft, dass ich zitterte. Die Depression und eine wachsende Verbitterung gegenüber Rick forderten ihren Tribut. Ich war häufig krank und fühlte mich alt und hässlich. Es war, als stürbe ich innerlich ab. Alle Entscheidungen, die ich in meinem Leben getroffen hatte, weil ich dachte, dass sie mich retten könnten, führten stattdessen innerlich zu meinem Tod. Manchmal fühlte ich mich, als lebten andere Personen in mir, die ich nicht kontrollieren konnte. Das lag möglicherweise an den Drogen, die ich im Laufe der Jahre genommen hatte, oder an der Beschäftigung mit okkulten Praktiken, die bei mir nicht selten zu außerkörperlichen Erfahrungen geführt hatten.

Als ich Gloria bezahlt hatte und gehen wollte, schaute sie mich mit dem gleichen Ausdruck an, den ich schon bei so vielen Menschen gesehen hatte. Er schien zu sagen: »Stormie ist so ein nettes Mädchen mit so viel Potenzial. Ich frage mich, was für ein Problem sie hat.«

Ich fuhr über den Canyon zu CBS, voller Vorfreude auf die Arbeit, aber gleichzeitig wie immer auch voller Angst. Da ich in meinem Privatleben so unglücklich war, stürzte ich mich mehr denn je in die Arbeit. Wir fingen gerade mit einer neuen Staffel der Glen Campbell Goodtime Hour an und ich hatte im ersten Beitrag einen ziemlich großen Part erhalten. Darüber hinaus machte ich so viele Studioaufnahmen und Werbesendungen wie möglich und hin und wieder hatte ich auch kleine Film- und Fernsehrollen. Vor allem Letztere machten mir großen Spaß. Damals war CBS mein eigentliches Zuhause, mehr jedenfalls als unser Haus am Benedict Canyon.

An diesem Abend kam ich früher als sonst aus dem CBS