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„Selbstwert ist kein Zufall“ ist ein traumasensibles 12 Wochen-Programm zur Stärkung des Selbst. Es begleitet Leser:innen auf einem achtsamen Weg zu innerer Sicherheit, Selbstwirksamkeit und Selbstmitgefühl – fundiert, körpernah und beziehungsbasiert. Mit einem klaren Modell („Das Haus des Selbst“), zahlreichen Übungen, Reflexionsimpulsen und Praxisbeispielen schafft dieses Buch einen Raum für echte Selbstbegegnung. Kein Ratgeber im klassischen Sinn, sondern eine Einladung, wieder in Verbindung mit sich selbst zu kommen – würdevoll, heilsam und in eigenem Tempo.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 137
Veröffentlichungsjahr: 2025
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DANKSAGUNG
Dieses Buch ist durch die Menschen entstanden, denen ich in meiner Ar-beit begegnen durfte – als Klientinnen und Klienten, als Wegbe-gleiter/-innen, als stille Spiegel.
Ich danke euch, die ihr mir mit so viel Mut und Verletzlichkeit Einblick in euer Inneres gewährt habt. In eurer Sehnsucht, euch selbst näherzukom-men, habt ihr den Raum geöffnet, in dem dieses Buch wachsen konnte.
Eure Geschichten haben den Boden bereitet. Sie haben mich gelehrt, wie-viel Kraft im ehrlichen Hinsehen liegt – und wie kostbar der Moment ist, in dem ein Mensch beginnt, sich selbst zu vertrauen, auch wenn es keinen sicheren Anfang gab.
Ich danke auch allen Kolleginnen und Kollegen, Lehrerinnen und Leh-rern und stillen Mitträgerinnen und Mitträgern, die meine Sicht auf das Selbst mitgeprägt haben – durch Fachlichkeit, Präsenz oder einfach durch Dasein. Euer Vertrauen, euer Ringen, euer Weitergehen sind die tragen-den Elemente dieses Buches – nicht nur als Inspiration, sondern als Be-ziehungserfahrung, die ich mitnehmen durfte. Danke, dass ich euch ein Stück begleiten konnte.
Und danke, dass du – während du das hier liest – vielleicht selbst beginnst, innerlich begleitet zu sein.
Nicole Katzenschlager
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Es ist nie zu spät,
eine sichere innere Welt aufzubauen -
selbst wenn sie dir
niemand beigebracht hat.
– frei nach Bowlby & Brisch
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Nicole Katzenschlager
Selbstwert
ist kein
Zufall
sondern entsteht aus erlebter Wirksamkeit und emotionaler Sicherheit.
Das 12 Wochen-Programm für ein gesundes Selbst
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© 2025 Nicole Katzenschlager
www.emotions-counselor.com
Umschlag, Illustration: tredition.com
Lektorat: Lilly Dippold
Satz & Layout: W4media & event GmbH
Illustrationen: AdobeStock.com
Druck und Distribution im Auftrag der Autorin
tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5
22926 Ahrensburg, Deutschland
ISBN
Paperback: 978-3-384-54256-4
e-Book: 978-3-384-54257-1
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist die Autorin verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne ihrer ausdrücklichen Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag der Autorin, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung „Impressumservice“,
Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Deutschland.
Kontaktadresse nach EU-Produktsicherheitsverordnung: [email protected]
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Inhaltsverzeichnis
WARUM DIESES BUCH? 17
Wie ihr dieses Buch am besten nutzt und euch die praktischen
Übungen unterstützen 20
Die emotionale Herausforderung des Übergangs von Paar zu Eltern 23 Warum Bindung der Schlüssel zu einer stabilen Elternschaft ist 29
Emotionale Sicherheit in der Elterschaft – Bindung als Schlüssel
zur stabilen Partnerschaft 32
Praxisbeispiel: Wenn Eltern sich verlieren 35
Übung: Unsere gemeinsame Reise bewusst beginnen 38
ELTERN WERDEN – WIE EURE BINDUNG EUCH JETZT FORMT 41
Schwangerschaft – Die erste Veränderung als Paar 41
Übung: Wir heissen dich herzlichen willkommen 43
Stillzeit – Nähe, Rollenverteilung und Intimität 45
Wie Paare Nähe und Intimität trotz Stillzeit bewahren können 47
Übung: Unser Kraftanker – Verbundenheit als Elternpaar stärken 49
Praxisbeispiel: Vom Paar zum Elternteam 52
DIE PSYCHOLOGISCHE TRANSFORMATION
VOM PAAR ZUM ELTERNPAAR 54
Bindungstheorie: Wie unsere Vergangenheit unsere Elternschaft
beeinflusst 56
Wie Schwangerschaft und Elternschaft alte Bindungsmuster aktivieren 57
Die drei Phasen der Beziehungsdynamiken beim Elternwerden 58
Selbsttest: Welcher Bindungstyp bin ich? 60
Bindungstraumata und ihre Auswirkungen 64
Wie sich unterschiedliche Bindungstypen als Eltern verhalten 69
Übung: Unsere gemeinsame Entwicklung reflektieren 71
Praxisbeispiel: Vom Liebespaar zum Elternteam 73
Inhaltsverzeichnis
DAS GESUNDE SELBST - WARUM SELBSTWERT KEIN ZUFALL IST 17
Übung: Mein erster Eindruck meines Selbst 22
DAS SELBST ALS SYSTEM 23 Übung: Wie bin ich heute mit mir selbst in Beziehung? 29
WOCHE 1 - DEINE BASIS: WAS SELBSTWERT WIRKLICH IST 31
Zur Orientierung: Was emotionale Sicherheit bedeutet und
warum sie fehlt 38
WOCHE 2 - KLAR DENKEN: DEINE INNEREN ÜBERZEUGUNGENNEU BETRACHTEN 40
Zum Innehalten: Wenn alte Muster wieder auftauchen 49
WOCHE 3 - WAS DIR ZUGESETZT HAT: SCHAM, KRITIK UND
EMOTIONALE MUSTER 51
Zur Vertiefung: Was Selbstregulation wirklich bedeutet und
wie du dich in dir halten kannst 60
Übung: 3 Schritte zur Selbstregulation im Alltag 62
Praxisbeispiele: Wie Regulation sich anfühlen kann 63
WOCHE 4 - IN DIR ANKOMMEN: SELBSTWERT IM KÖRPER
VERANKERN 64
Zur Vertiefung: Was Integration bedeutet 72
Praxisbeispiel: Gelebte Integration 73
Zwischenhalt: Das Haus des gesunden Selbst - dein Weg bis hierher 75
Übung: Was ich über mich gelernt habe 76
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BIN ICH VERLUSTÄNGSTLICH ODER BINDUNGSVERMEIDEND? 75
Wie zeigen sich Verlustängste und Bindungsvermeidungen
nach der Geburt 76
Übung zur Stressregulaton gemeinsam und individuell 78
Häufige Konflikte: Nähe-Distanz-Probleme, Überforderung, Unsicherheit 81
Wie individuelle Bindungsmuster unser Elternsein beeinflussen 83
Wie Bindungsmuster Stress und Konflikte in der Elternschaft beeinflussen 84
Bewusste Reflexion für eine sichere Eltern-Kind-Bindung 85
Praxisbeispiel: Wenn Bindungsmuster aufeinandertreffen 86
DIE GROSSE HERAUSFORDERUNG FÜR PAARE NACH DER GEBURT 88
Emotionale Distanz: Wir haben uns entfremdet 88
Streit um Kleinigkeiten: Warum es oft um tiefere Bindungsthemen geht 91
Rollenteilung und Erwartungsdruck: “Wer bin ich jetzt für dich?” 93
Übung: Unser Bindungsprofil verstehen – wie wir auf Stress reagieren 95
Praxisbeispiel: Wenn Elternschaft alte Bindungsmuster aktiviert 97
DIE BINDUNGSTYPEN IN DER ELTERNROLLE 100
Verlustängstliche Eltern: “Habe ich jetzt weniger Bedeutung für dich? 101
Bindungsvermeidende Eltern: „Ich brauche mehr Abstand, um nicht
erdrückt zu werden“ 104
Wie man als Paar reagiert, ohne in destruktive Muster zu fallen 106
Übung: Unser Bindungskompass“ – Wie wir als Eltern reagieren 109
Praxisbeispiel: Zwei verschiedene Bindungswelten als Eltern 111
BINDUNGSSICHERE KOMMUNIKATION –
SO VERMEIDET IHR ESKALATIONEN 113
Wie Gespräche über Sorgen und Stress sicher geführt werden 114
Die Rolle des „Kuschel- und Bindungshormons“ Oxytocin 117
Techniken zur Förderung einer sicheren Elternbindung 119
Übung: Der sichere Hafen – unser persönlicher Bindungsanker 122
Praxisbeispiel: Wie Bindungsunterschiede die Beziehung nach der Geburt belasten 124
WOCHE 5 - SELBSTMITGEFÜHL ENTWICKELN: WIE DU IMPATHIE LERNST 77
Zur Vertiefung: Warum Selbstmitgefühl oft inneren Widerstand
auslöst 84
WOCHE 6 - SANFT WERDEN: DEN INNEREN KRITIKER
VERSTEHEN UND VERWANDELN 86
Zur Orientierung: Selbstführung - wie du dein inneres Team
koordinierst 95
Praxisbeispiel: Selbstführung im Alltag 97
WOCHE 7 - DU DARFST DICH FÜHLEN: IMPATHIE IM
ALLTAG LEBEN 99
Zur Vertiefung: Vom Spüren ins Handeln - warum Fühlen
nicht passiv ist 105
WOCHE 8 - DEINE STÄRKEN FEIERN: DANKBARKEIT UNDGESUNDER STOLZ 108
Übung: Ich danke mir - meine persönliche Würdigung 121
Zwischenhalt: Dein Haus des gesunden Selbst - was sich
bisher entwickelt hat 128
WOCHE 9 - SICHERHEIT IN DIR: SELBSTFÜRSORGE
UND STABILITÄT 130
Zur Orientierung: Entscheidungen spüren, nicht nur denken 136 Mini-Übung: Entscheidungen im Körper spüren -
ein 3-Schritte-Check-in 138
Praxisbeispiel: Entscheidung in Verbindung 139
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DIE WEITERGABE DER BINDUNGSMUSTER 128
Wie Eltern emotionale Wunden aus der Kindheit nicht an ihr
Baby weitergeben 130
Wie Eltern ihre eigenen Bindungsverletzungen heilen können,
während sie erziehen 133
Übung: Mein inneres Kind und ich 135
Praxisbeispiel: Die Angst, alte Muster zu wiederholen 137
DIE KRAFT DER CO-REGULATION -
WARUM BABYS EURE EMOTIONALE SICHERHEIT BRAUCHEN 139
Die biologische Basis der Co-Regulation 141
Bindungstraumasensible Familienberatung für eine sichere
Eltern-Kind-Bindung 143
Übung: Unsere Sprache der emotionalen Sicherheit –
wie wir unserem Kind Geborgenheit vermitteln. 148
Praxisbeispiel: Elternschaft als emotionale Prüfung 150
BELASTUNG DURCH SCHLAFMANGEL, ROLLENVERTEILUNG
UND UNSICHERHEITEN 153
Wie Stress die emotionale Verbindung beeinflusst 154
Warum viele Streitigkeiten in der Frühelternzeit Bindungskrisen sind 158
Wege, sich als Paar gegenseitig zu stützen 161
Übung: Unser Energie-Check-in: Was brauche ich wirklich? 163
Praxisbeispiel: Zwischen Überforderung und neuen Routinen 165
Wenn elternschaft anders beginnt, als geplant 167
Fehlgeburt, Frühgeburt oder gesundheitliche Probleme des Babys 167
Wie Eltern mit Trauer und Überfoderung umgehen, ohne sich
voneinander zu entfernen 171
Unterstützung für emotionale Wunden in der Elternzeit 173
Übung: Wir als Team – unsere gemeinsame Resilienz stärken 175
Praxisbeispiel: Der schwierige Start ins Elternsein 176
WOCHE 10 - DEIN SCHATTEN DARF MIT:
ALTE MUSTER INTEGRIEREN 140
Zur Vertiefung: Was echtes Selbstvertrauen ist und warum es sich
manchmal noch nicht so anfühlt 149
Mini-Check-in: Wo war ich verlässlicher, als ich dachte? 150
Praxisbeispiel: Leises Selbstvertrauen 151
WOCHE 11 - DER WANDEL BEGINNT IN DIR:
VOM WIDERSTAND ZUR VERÄNDERUNG 152
Zum Innehalten: Du bist nicht mehr dieselbe/derselbe -
innere Veränderung erkennen und würdigen 161
WOCHE 12 - SELBSTWIRKSAMKEIT UND VERBUNDEN BLEIBEN 163
ABSCHLUSS UND TRANSFER 170
Das Haus des gesunden Selbst - deine innere Landkarte 175
Übung: Wie erlebe ich heute meine Beziehung zu mir selbst
im Vergleich zu Beginn? 178
Abschließender Gedanke: Du bist auf deinem Weg 180
Literaturverzeichnis (APA 7. Auflage) 182
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NÄHE, INTIMITÄT UND MENTAL LOAD 179
Warum sich körperliche und emotionale Nähe verändert –
und warum das okay ist 181
Wie man sich als Paar emotional und körperlich wieder annähert 185
Übung: Die 10-Minuten-Verbindung 187
Praxisbeispiel: Zwischen Elternsein und Paarbleiben 188
MENTAL LOAD UND FAIRE AUFGABENVERTEILUNG 190
Praktische Tools für eine gerechte Rollenverteilung 194
Übung: Unsere mentale Last sichtbar machen 196
Praxisbeispiel: Die unausgesprochene Last 198
DAS GEHEIMNIS LANGANHALTENDER PARTNERSCHAFTEN
NACH DER GEBURT 199
Warum emotionale Resonanz und kleine Rituale wichtiger sind,
als große Gesten 201
Übung: Emotionale Resonanz und wirkungsvolle Paar-Rituale 203
Die Reise des Bindungsaufbaus als Elternpaar 206
Zusammen wachsen – nicht auseinanderfallen 209
Praxisbeispiel: Ein Paar zwischen Liebe, Elternschaft und Alltagsstress 212
ZUSÄTZLICHE ARBEITSBLÄTTER
Bindungstypentest für Paare 216
Kommunikationsleitfaden für Paare 218
Reflexionsbogen für Paare – “Unser Wochen-Check-In” 220
Die 10-Minuten-Regel für emotionale Verbindung 222
Checkliste: 10 Dinge, die wir uns jeden Tag sagen sollten 224
Unser emotionaler Notfall-Kit für stressige Zeiten 226
Unser persönlicher Leitfaden, wie wir mit Konflikten umgehen 228
Liebe im Alltag – Unser persönlicher Beziehungsvertrag 230
Unsere individuelle und gemeinsame Selbstfürsorge-Strategie 232
Literaturverzeichnis und wissenschaftliche Quellen 234
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VORWORT
Vielleicht spürst du einen Wunsch nach mehr: mehr Halt, mehr innere Klarheit, mehr Verbindung mit dir selbst.
Vielleicht begleitet dich aber auch eine stille Sehnsucht – nach einem Gefühl, das du nicht benennen kannst, aber vermisst.
Dieses Buch öffnet dir einen Raum, in dem du dich dir selbst zuwenden darfst – in deinem Tempo, mit deiner Geschichte.
Es geht nicht um Veränderung. Es geht um Beziehung. Um Kontakt mit deinem Inneren – Schritt für Schritt.
Selbstwert entsteht dort, wo wir uns gehalten, gesehen und innerlich sicher erleben dürfen. Er ist kein Geschenk. Und auch kein Ergebnis von Anstrengung. Er wächst – in Resonanz, in Bindung, in Echtheit.
Ein gesundes Selbst ist nicht ein einziges Gefühl. Es ist ein System: lebendig, vielschichtig, manchmal widersprüchlich, aber immer entwicklungsfähig.
Dieses Selbst setzt sich aus verschiedenen Anteilen zusammen: Selbstwahrnehmung, Selbstakzeptanz, Selbstempathie, Selbst-wirksamkeit, Selbstführung, Selbstvertrauen, Selbstliebe und der inneren Erfahrung von Würde.
Diese Anteile brauchen Raum. Sie brauchen Beziehung. Und sie brauchen oft bewusste Begleitung, um sich zeigen zu können.
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In den kommenden zwölf Wochen wirst du eingeladen, mit dir selbst in Verbindung zu gehen.
Nicht durch Druck – sondern über Erfahrung, Berührung und Verlangsamung. Dabei begleitet dich ein Modell: das Haus des Selbst.
Dieses Haus hat ein tragendes Fundament, verbindende Räume und ein schützendes Dach. Jeder dieser Bereiche steht für einen Teil deines inneren Erlebens – verbunden, voneinander abhängig, gemeinsam wachsend.
Ein Haus wird dann bewohnbar, wenn es von innen her erlebt werden kann.
Dieses Buch öffnet dir viele Wege dorthin – über Wissen, über Praxis, über Beziehung.
Ich wünsche dir eine Reise, die dich nicht irgendwohin führt – sondern Schritt für Schritt zu dir.
Nicole KatzenschlagerMauritius, 2025
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DAS GESUNDE SELBST
WARUM SELBSTWERT
KEIN ZUFALL IST
Das Selbst entsteht dort, wo wir mit uns selbst in Beziehung sein dürfen.
– inspiriert von Daniel J. Siegel
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Manche Menschen spüren ihren Selbstwert kaum – oder nur dann, wenn sie leisten, sich anpassen oder durchhalten. Vielleicht kennst du auch die Frage: „Ist da überhaupt etwas in mir, das zählt?“
Selbstwert ist kein Gefühl, das einfach auftaucht. Er ist auch keine Fähigkeit, die man sich antrainiert. Selbstwert ist ein inne-rer Zustand, der in Beziehung entsteht (Bowlby, 1969; Ainsworth, 1978; Schore, 2003).
Wenn wir in unseren frühen Jahren Resonanz, Sicherheit und emotionale Verlässlichkeit erleben dürfen, entsteht in uns ein inneres Wissen: Ich bin okay. Ich bin wichtig. Ich bin wirksam.
Viele Menschen wachsen jedoch in einem Umfeld auf, in dem sie sich selbst schützen, anpassen oder übergehen müssen. Ihr Erleben bleibt oft ungespiegelt, ihre Gefühle unberührt –und ihr Selbstbild wird nicht getragen von innerer Sicherheit, sondern von Mangel oder Überforderung (Brisch, 2011; Neff, 2003).
Die Forschung zeigt: Das Selbst entwickelt sich nicht aus Wissen – sondern aus Beziehung. Und es kann sich immerweiterent-wickeln – auch im Erwachsenenalter (Siegel, 2012; Fonagy et al., 2002).
Unser Selbst besteht aus Erinnerung, körperlich-emotionalen Zuständen, Beziehungserfahrungen und in-eren Haltungen (Stern, 2004; Greenberg, 2011; Porges, 2011).
Es entsteht nicht nur durch das, was wir denken – sondern auch durch das, was wir fühlen, erleben, handeln und wie wir uns selbst begegnen.
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Die Neurobiologie zeigt: Was wir immer wieder erleben, veran-kert sich im Gehirn – häufig implizit, oft ohne Worte (LeDoux, 2002; Cozolino, 2010; van der Kolk, 2014). Gerade in der Kindheit, wenn unser Nervensystem noch formbar ist, prägen sich innere Muster besonders tief (Schore, 2003; Porges, 2011).
Bindungstheorie und Emotionsforschung machen deutlich:Kinder brauchen Resonanz, um sich selbst spüren zu können (Siegel, 2012; Brisch, 2011). Wenn das fehlt, bleibt der Zugang zur inneren Welt oft vage – und mit ihm auch der Kontakt zu echtem Selbstwert (Greenberg, 2011; Neff, 2003).
Klaus Grawe formuliert es so: „Was du durch dein eigenes Handeln erreicht hast, darauf kannst du stolz sein.“ (Grawe, 2004). Diese erlebte Wirksamkeit ist ein zentrales Element für ein gesundes Selbst.
Selbst entsteht in Bindung – und wächst durch Handlung.
Es braucht Sicherheit und Bewegung.
Es braucht Beziehung und Eigenkontakt.
In diesem Buch lernst du das Selbst nicht als Zustand kennen, sondern als System, ein inneres Haus mit drei Ebenen:
1. Das Fundamentsteht für Selbstwahrnehmung, Selbstakzep-tanz und Selbstempathie – für deine innere Stabilität.
2. Die tragenden Räumestehen für Selbstverbindung, Selbst-wirksamkeit und Selbstführung – für deine Handlungsfähigkeit und Ausrichtung.
3. Das Dachsteht für Selbstwertgefühl, Selbstvertrauen und Selbstliebe – für das, was in dir wachsen darf, wenn du ge-halten bist.
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Du brauchst keine dieser Ebenen zu beherrschen. Es genügt, wenn du dich ihnen langsam zuwendest – mit deiner Neugier, deinem Tempo, deiner inneren Würde.
Wir arbeiten in diesem Buch mit Erkenntnissen aus der Neuro-biologie, der Polyvagaltheorie, der Bindungs- und Emotionsfor-schung sowie mit Methoden aus EFIT, NLP, somatischer Körper-arbeit und weiteren aktuellen Ansätzen.
Dieses Buch schenkt dir keine Anweisungen. Es bietet dir Begleitung – in Form von Sprache, Struktur und Beziehung.
Du darfst dich dir selbst annähern –auch wenn du noch nicht spürst, wie das geht.
Du darfst dir zuhören – auch wenn du deine Stimme noch nicht kennst.
Und du darfst erleben, was entsteht, wenn dein innerer Raum gesehen wird.
GESUNDES SELBST
SELBSTLIEBE
SELBSTVERTRAUEN
SELBSTWERTGEFÜHL
SELBST-
VERBINDUNG
SELBST-
WIRKSAMKEIT
SELBSTLIEBE
SELBSTVERTRAUEN
SELBSTWERTGEFÜHL
SELBSTFÜHRUNG
SELBSTWAHRNEHMUNGSELBSTAKZEPTANZ
SELBSTEMPATHIE
SELBSTREGULATION
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Mein erster Eindruck meines Selbst
✵ Wenn du an dein Selbst denkst, mit all den Selbstanteilen – was zeigt sich?
✵ Welches Bild hat dein Haus des Selbst? Gibt es innere Räume, die belebt wirken?
✵ Gibt es Anteile, die vorsichtig, fremd oder verschlossen erscheinen?
✵ Was könnte entstehen, wenn du dich mit allem darin anschaust – ohne Ziel, aber mit Gegenwart?
✍ Zeichne doch dein Haus wie es jetzt aussieht – und danneines wie du es dir wünscht, mit all den Gefühlen die da-bei entstehen, ob du dieses in bunten Buchstaben festhältst oder in Ergänzungen der Räume des Daches oder des Fun-daments.
→In der nächsten Woche schauen wir auf deinen Aus-gangspunkt: Auf das, was du über dich gelernt hast – und auf das, was in dir einen neuen Boden bekommen kann.
Was ist ein Reflexionsimpuls?
Ein Reflexionsimpuls ist eine Einladung, dich selbst bewusster wahrzunehmen. Er stellt keine Aufgabe im klas-sischen Sinn, sondern öffnet einen Raum zum Nachspüren, Beobachten und Verstehen.
Die Impulse in diesem Buch dienen dazu, dich mit deiner inneren Welt in Kontakt zu bringen – achtsam, respektvoll und in deinem eigenen Tempo. Du entscheidest, wie tief du gehen möchtest und was gerade stimmig für dich ist.
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DAS SELBST ALS SYSTEM
Das Selbst entwickelt sich in der Interaktion – durch Beziehung, Spiegelung und sichere Bindung entsteht innere Kohärenz.
– Daniel U. Siegel
Wenn wir vom Selbst sprechen, denken viele an eine feste Identität oder ein inneres Bild, das einmal entsteht und dann bleibt. Doch moderne Psychologie und Neuro-wissenschaft zeigen: Das Selbst ist kein statisches Kon-strukt, sondern ein dynamisches System – ein lebendiger Prozess aus Beziehung, Gefühl, Handlung und Körper-erleben (Siegel, 2012; Stern, 2004; Porges, 2011).
In der frühen Kindheit bildet sich unser Selbst in der Inter-aktion mit anderen. Wir lernen, wie wir uns selbst erleben dürfen – durch