Set the Night on Fire - Robby Krieger - E-Book

Set the Night on Fire E-Book

Robby Krieger

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Beschreibung

Robby Krieger, legendärer Doors-Gitarrist und vom Rolling Stone zu den 100 größten Gitarristen aller Zeiten gezählt, bricht nach über 50 Jahren sein Schweigen, um Fakten und Fiktion zu trennen und seine Geschichte von der kometenhaften Karriere seiner Band, seinen eigenen dunkelsten Momenten und dem berühmtesten blauen Auge des Rock 'n' Roll zu erzählen. Robby Krieger nimmt die Leser mit an die Orte des Geschehens: das Pfandhaus, in dem er seine erste Gitarre kaufte.

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HEEL Verlag GmbH

Gut Pottscheidt53639 KönigswinterTel.: 02223 9230-0Fax: 02223 9230-13E-Mail: [email protected]

Deutsche Ausgabe:© 2022 HEEL Verlag GmbH

Originalausgabe: This edition published by arrangement with Little, Brown and Company, New York, New York, USA.All rights reserved.© 2021 by Robby Krieger Little, Brown and CompanyHachette Book Group1290 Avenue of the Americas, New York, NY 10104littlebrown.com

Titel der Originalausgabe:Set The Night On Fire. Living, Dying, and Playing Guitar with The DoorsISBN 9780316243346

Deutsche Ausgabe:Übersetzung aus dem Englischen: Jaqueline Dubois, BerlinKorrektorat: Kai Schmid, EssenSatz: Regine Ermert, KölnProjektleitung: Ulrike Reihn-Hamburger

Alle Rechte, auch die des Nachdrucks, der Wiedergabe in jeder Form und der Übersetzung in andere Sprachen, behält sich der Herausgeber vor. Es ist ohne schriftliche Genehmigung des Verlags nicht erlaubt, das Buch und Teile daraus auf fotomechanischem Weg zu vervielfältigen oder unter Verwendung elektronischer bzw. mechanischer Systeme zu speichern, systematisch auszuwerten oder zu verbreiten. Ebenso untersagt ist die Erfassung und Nutzung auf Netzwerken, inklusive Internet, oder die Verbreitung des Werkes auf Portalen wie Google Books.

– Alle Rechte vorbehalten –

Printed in Czech Republic

ISBN 978-3-96664-386-3

Leben, Sterben und Gitarrespielen mit den Doors

rObby Krieger MIT Jeff Alulis

HEEL

Inhalt

Das Henry Hudson Hotel

Die Schlimmste Frisur im Rock ’N’ Roll

Beware the Stare that threatens all Mankind

Wicked go the Doors

Send my Credentials to the House of Detention

Das Wohnzimmer

Das Krawall-Konzert

Guitarras Ramiréz

Drei Wörter

Zwischen Clark und Hilldale

Unbekannte Soldaten

Auf der Suche nach Erleuchtung – Teil 1

Ronny

Auf der Suche nach Erleuchtung – Teil II

Elf Minuten, einundvierzig Sekunden

Schmerz ist etwas, das man mit sich trägt, wie ein Radio

Das erste Album

Ich und Willie

Love Street

1967

Let’s feed Ice Cream to the Rats

Die Teenage Awards Music ­International Show

Strange Days

Lynn

Das Lebenswerk

Pam

Ein sehr großer Schuh

Carry me, Caravan, take me away

Das Fest der Auferstehung

Waiting for the Sun

Ship of Fools

Time to aim your Arrows at the Sun

Keep your Eyes on the Road, your Hands upon the Wheel

Der Vorfall

Der 27er-Club

Den Drachen Jagen

Waylon

The Soft Parade

Das Veilchen

Die Flügel des Wahnsinns

Der Prozess

One froggy Evening

Daraus kann man einen Film machen

Morrison Hotel

Blaue Jacarandas

Unmoralische Natur

The New Creatures

Der andere Prozess

L.A. Woman

In Anerkennung

Other Voices und Full Circle

Der King

This is the End

Das beste Par-3-Loch in Amerika

An American Prayer

Beruf: Musiker, Organist

Nirvana

Danksagung

Bildnachweis

Dieses Buch ist meiner Ehefrau Lynn Ann Veres gewidmet, die seit (bisher) 50 Jahren an meiner Seite ist. Sie ist der einzige Mensch, der mich so sein lässt, wie ich bin, und deshalb werde ich sie immer lieben.

Das Henry Hudson Hotel

„Robby! Hier spricht Gott! Wir werden dich aus diesem Universum schmeißen!“

Es war nicht Gott am Telefon. Es war Jim Morrison. Ich legte auf.

Der Anruf kam zu nachtschlafender Zeit im Herbst 1966. Die Doors waren gerade in New York City angekommen, wo wir einen einmonatigen Gig in der Diskothek Ondine spielten, das Mischen unseres Debütalbums abschlossen und einen Promofilm für unsere erste Single drehen sollten. Wir spielten jede Nacht fünf halbstündige Sets und waren erst kurz vor Sonnenaufgang fertig. Ich nahm alles an Schlaf mit, was ich bekommen konnte.

Unser Anwalt hatte für uns einen Aufenthalt im Henry Hudson Hotel in Midtown Manhattan arrangiert. In der Etage über uns hatten die Chambers Brothers eine Reihe von Suiten angemietet und so kifften wir uns nach dem Ende unserer jeweiligen Gigs öfters gemeinsam zu. An unseren freien Abenden erkundete ich mit Drummer John Densmore die Jazz-Clubs im Village. Tagsüber besuchten Keyboarder Ray Manzarek und seine Freundin verschiedene Museen. Obwohl das New Yorker Publikum unsere Songs noch gar nicht kannte, schien es uns zu mögen, und die örtlichen Groupies waren fasziniert von den mysteriösen Wesen aus Kalifornien. Ich hatte mit einigen von ihnen kurze Affären, darunter auch Rory Flynn, ein 1,80 m großes Model, das ich aus Kalifornien kannte, und das zufällig Errol Flynns Tochter war. Später fand ich heraus, dass die Groupies im Ondine ihre Notizen miteinander verglichen und ihre Eroberungen bewerteten. Nach Rory erhielt ich nicht mehr viel Aufmerksamkeit, deshalb muss ich wohl nicht allzu gut abgeschnitten haben.

Wir waren eine junge Band auf dem Weg nach oben. Wir hatten viel Grund zum Feiern und – wie immer – feierte Jim heftiger als wir anderen.

Am Abend nach dem Anruf von Gott gingen wir zu einem Thanksgiving-Essen im Haus unseres Produzenten Paul Rothchild in New Jersey, und Jim feierte so sehr, dass er mitten am Esstisch mit Pauls Frau flirtete. Paul nahm es gelassen. Als er uns später zurück ins Hotel fuhr, griff Jim ihm immer wieder ins Haar, sodass er ins Schlingern geriet und fast einen Unfall baute. Zurück im Hotel brauchte es die ganze Band, um Jim in sein Zimmer zu verfrachten. Wir hofften, wir könnten ihn einfach ins Bett befördern, wo er herunterkommen und einschlafen würden. Stattdessen zog er sich nackt aus und sprang aus dem Fenster.

Jim hatte eine bestimmte Technik für diese Fenstersprünge entwickelt. Ich hatte das schon ein paar Mal beobachten können. Damals bewohnten John und ich ein Haus in Laurel Canyon, und eines nachts kam Jim vorbei, als wir gerade ein paar Mädels da hatten. Er beschloss, sie zu erschrecken, indem er losrannte und von unserem Balkon hechtete. Sein Sprung umfasste eine perfekt abgepasste Drehung, dank derer er sich an der Brüstung festhalten konnte, wo er dann einige Zeit hing, bis er die Aufmerksamkeit erregt hatte, die er wollte. Dann zog er sich wieder hoch, zur nach Luft schnappenden Erleichterung und erhöhtem Herzschlag der anwesenden Weiblichkeit, die das Ganze beobachtet hatte.

Unser Haus in Laurel Canyon war jedoch nur zweistöckig. Dieses Mal hing Jim Dutzende Etagen über dem gnadenlosen Beton­boden und dem hupenden Verkehr der 58ten Straße. Seiner unnötigen Nacktheit nach zu urteilen, war er noch betrunkener als sonst, deshalb hatte ich nicht viel Vertrauen in seinen Halt.

Wir stürzten durch das Zimmer, um ihn wieder hineinzuziehen. Wären wir nicht da gewesen, hätte er sich vermutlich nicht retten können. Andererseits – wären wir nicht da gewesen, wäre er vermutlich nicht aus dem Fenster gesprungen, um uns zu erschrecken. Nachdem wir ihn wieder im Zimmer hatten, warf Jim mich auf sein Bett. Während John und Ray das Fenster absicherten, hielt er mich fest und wand sich spaßeshalber auf mir, als wollte er mich begatten. Ok, es waren die Sechziger, aber ganz so weit ging es bei mir dann doch nicht. Ich schubste ihn von mir und vom Bett, und sah zu, wie er kichernd auf dem Boden saß.

Im Rückblick denke ich, dass Jim unterbewusst durchaus verstanden hatte, dass John oder Ray diese griechisch-römische Impromptu-Verführung niemals zugelassen hätten. Jim war stets davon getrieben, seine Grenzen auszutesten, und selbst im betrunkensten Zustand war er sich stets bewusst, wo diese Grenzen genau waren. In dieser Nacht sah er mich als das Bandmitglied mit dem größten Sinn für Humor, also war ich die Grenze, die er austesten wollte.

Heute finde ich das Ganze ziemlich komisch, aber damals war mir gar nicht nach Lachen zumute. Ich war zwanzig Jahre alt, das jüngste Bandmitglied. Ich hatte keinerlei Handhabe gegenüber den Jungs und ich wusste nicht, wie ich mit einem derartigen Ausmaß an Chaos umgehen sollte. Ich stand ständig am Scheideweg zwischen dem Ruhm als Rock ’n’ Roll-Star und der Aufgabe, die Überreste unseres Sängers vom Gehweg zu kratzen.

Die nächste Stunde über blieben wir in Jims Zimmer, während er sich schließlich beruhigte und einschlief. Am nächsten Tag begrüßte er mich, als sei nichts geschehen. Jim erinnerte sich nur selten an seine betrunkenen Eskapaden. Ich erzählte ihm, was er angestellt hatte, und es war, als hörte er eine Geschichte über jemand anderen. Seine Antwort war, wie fast immer, so etwas wie: „Wow, das ist ja schrecklich“ oder „Oh, ’tschuldigung. Das ist mir gar nicht aufgefallen.“

Seine Entschuldigungen waren so einfach wie hypnotisch. Ich weiß bis heute nicht, wie er uns dazu brachte, ihm auch nur die Hälfte von seinem ganzen Mist zu vergeben. Wenn er nüchtern war, konnte man einfach nicht wirklich sauer auf ihn sein. Vom Fenstersims hängen, nackt mit mir auf dem Bett herum rollen, alles das, nachdem er uns vor unserem Produzenten blamiert und mich mitten in der Nacht mit Scherzanrufen geweckt hatte – warum tat ich mir das eigentlich an? Wie kann eine simple Entschuldigung all das wieder gut machen? Warum blieb ich bei dieser Band, wenn einer der Hauptdarsteller wild entschlossen schien, alles kaputt zu machen?

Ich wusste nur eins – ich konnte nicht einfach gehen. Wir spielten immer noch in kleinen Clubs und waren weltweit nahezu unbekannt, aber ich konnte unsere Zukunft deutlich vor mir sehen. Ich wusste, Jim konnte ein so großer Rockstar werden wie kaum einer vor ihm, und ich wusste, die Doors konnte die größte Rockband Amerikas werden. Egal was sonst noch passieren würde, für mich gab es kein Zurück.

Zwei Monate später brachten wir unser Debütalbum heraus, das meinen Instinkt bestätigen und die Flugbahn unseres Lebens für immer verändern sollte. In den folgenden Jahren sollte ich aber immer wieder an eine Lektion erinnert werden, die ich im Henry Hudson Hotel gelernt hatte: Jim Morrison mochte nicht Gott sein, aber er hatte definitiv die Macht, mich jederzeit aus seinem Universum zu werfen.

Die Schlimmste Frisur im Rock ’N’ Roll

Ein Kritiker sagte einmal, ich hätte „die schlimmste Frisur im Rock ’n’ Roll“. Das hat zwar weh getan, aber ich muss zugeben, er hatte nicht unrecht. Schon mein ganzes Leben kämpfte ich mit einem krausen „Jewfro“, und so hatten mein Freund Bill Wolff und ich eines Tages die brillante Idee, mit Ultra Sheen zu experimentieren, einer Glättungscreme, deren Zielkundschaft in erster Linie Afroamerikaner waren. Das Ergebnis war erstaunlich. Wolff – so nannten wir ihn alle – sagte: „Du siehst fast aus wie dieser Idiot Bryan MacLean“, wohl das größte Kompliment, dass er mir jemals gemacht hatte. MacLean war der Gitarrist von Love, und sein glänzender Haarschopf ähnelte dem vom Rolling Stones-Gitarristen Brian Jones. Ich weiß nicht, ob ich so gut aussah wie MacLean oder Jones, aber auf jeden Fall war es eine deutliche Verbesserung zu meinem üblichen „Vogelnest“.

Unser Glättungscreme-Experiment fand eine Woche vor unserem Vorstellungstermin bei den Doors statt. Wolff stellte sich als erster vor und ich war echt erstaunt, dass sie ihn nicht nahmen. Er hatte viel mehr Erfahrung und war technisch besser als ich. Wir hatten zusammen Unterricht im Spielen der Flamenco-Gitarre genommen, eine Jug-Band gegründet, als Teil eines Folk-Trios gespielt und auch schon mit Doors-Schlagzeuger John Densmore in einer Acid Rock-Band gejammt. Mein Haar saß jedoch besser, und meine Fähigkeit, Slide Guitar zu spielen, gab am Ende den Ausschlag.

Wenn ihr heute in ein Musikgeschäft geht, könnt ihr einen professionellen Bottleneck aus verchromtem Stahl, glasierter Keramik, leichtem Titan, Borosilikatglas oder gar Carbonfasern kaufen. Als Wolff und ich das Gitarrespielen lernten, zerschlugen wir einfach Flaschen und verwendeten den Hals. Meine Favoriten waren billige kalifornische Sektflaschen, weil sie die perfekte Form hatten und das Glas etwas dicker war als bei anderen Weinflaschen. Manchmal machten wir uns die Mühe und klebten die scharfkantigen Ränder ab oder schmolzen sie ein, meist ließ ich sie aber einfach so, wie sie waren. Ich dachte mir, sollte ich mal irgendwo in eine Kneipenschlägerei geraten, könnte das vielleicht ganz praktisch sein.

Wolff und ich hörte unheimlich gerne Platten von Blind Willie Johnson, Blind Lemon Jefferson, Blind Willie McTell, den Five Blind Boys of Alabama … der Verlust ihres Augenlichtes segnete sie offenbar mit einem wahnsinnigen Gefühl für die Slide Guitar. Wir hatten keinen Lehrer, der uns die richtige Slide-Technik beibringen konnte, deshalb bemühten wir uns so gut wir konnten, es uns selbst anzueignen. Ursprünglich war ich ein Purist und spielte nur Akustik, aber kurz vor meinem Vorspielen bei den Doors hatte ich mich in den Sound des Bottleneck Slides bei der E-Gitarre verliebt.

Und so transportierte ich an einem Herbsttag des Jahres 1965 meine E-Gitarre, meinen Verstärker und meinen als Waffe einsetzbaren Bottleneck zu einem Parkplatz hinter einem Bürogebäude in Santa Monica. Am Rand des Parkplatzes befand sich eine Gasse und in dieser Gasse stand ein kleines, heruntergekommenes Haus. In dem Haus wohnte ein Typ namens Hank, der es den Doors netterweise erlaubte, sein Yamaha-Piano zu verwenden und in seinem vollgestopften Wohnzimmer zu proben. Keine Nachbarn bedeutete keine Beschwerden wegen der Lautstärke.

Ich hatte alle Bandmitglieder schon einmal kennengelernt, deshalb musste ich mich nicht vorstellen. Zudem hatte mir John eine Kopie ihres Demotapes mit sechs Songs gegeben; ich war also gut vorbereitet. Der erste Song, den wir jemals zusammen spielten, war mein Favorit vom Demo: „Moonlight Drive“. Die Demoversion war viel energiegeladener und bluesiger als die Version, die wir später aufnahmen, und Jim sang in einem vibrierenden, hohen Register, das Doors-Fans heute kaum wiedererkennen würden. Der Gitarrenpart verlief wie erwartet im Takt mit dem Piano. Ich spielte brav mit.

Dann fragte ich sie, ob ich etwas ausprobieren dürfte. Ich setzte meinen Bottleneck auf und wir spielten den Song erneut, aber diesmal wob ich ein trillerndes, breites Slideriff ein. Mit meinem Flamenco-Zupfen und meinem Muddy-Waters-Bottlenecking unterschied ich mich wohl von allen anderen Kandidaten. Jim fuhr total auf den Sound des Bottlenecks ab und meinte, die Doors sollten das bei jedem Song einsetzen. Und so bekam ich die Position anstelle von Wolff. Wir brauchten nur einen Song, bis sich alle sicher waren, dass es sich richtig anfühlte.

Der Effekt der Glättungscreme ließ nach einigen Monaten nach und mein sexy Wuschelkopf sah wieder wie zerfranste Stahlwolle aus. Inzwischen hatte ich mich zum Glück als unersetzlich erwiesen, und die Doors konnten mich so wenig loswerden, wie ich die schlimmste Frisur im Rock ’n’ Roll loswerden konnte.

Ich probte noch einmal mit den Doors in Hanks Haus, als ein Freund von Jim aufkreuzte. Jim zerrte ihn in ein Hinterzimmer, knallte die Tür zu und begann in voller Lautstärke zu brüllen. Während ihr gedämpftes Geschrei durch die Wände drang, konnte ich mir einen Reim darauf machen, worum es ging: Anscheinend hatte der Typ Jim bei einem Drogendeal beschissen. Ich weiß nicht, um welche Drogen es ging, ob es zu viel oder zu wenig war oder ob das Geld nicht gestimmt hatte – auf alle Fälle klang es so, als würden sie sich da hinten gegenseitig umbringen wollen.

Ray, John und ich waren peinlich berührt und gaben einige Kommentare ab, aber sonst taten wir so, als sei nichts passiert. Es war das erste Mal, dass wir ob des irrationalen Verhaltens Jim Morrisons die Köpfe in den Sand steckten, und es war das erste Mal, dass ich etwas von Jims verstörender, dunkler Seite mitbekam. In diesem Moment sah ich es nicht als die rote Flagge, die es war; soweit ich wusste, hatte Jim guten Grund, den Kerl anzubrüllen. Bis zu diesem Punkt war er jedoch extrem zurückhaltend gewesen, deshalb war diese plötzliche Kehrtwende äußerst verblüffend.

Während wir weitere Songs durchgingen und versuchten, den Lärm auszublenden, stand ich verunsichert da und dachte „Dieser Typ ist unser Sänger?“

Schließlich tauchten Jim und sein Kumpel wieder auf. Die Situation wurde niemals erklärt. Jim war offensichtlich stinksauer, und die Probe war vorüber.

Beware the Stare that threatens all Mankind

Ich frage mich manchmal, ob ich mich so mit den berühmten blinden Bluesmusikern identifizierte, weil das Universum nicht gerade nett zu meinen Augen war. Wenn man alte Promotionfotos von den Doors anschaut, sieht man mich oft mit zusammengekniffenen Augen, weil ich so empfindlich auf all die hellen Blitzlichter reagierte. In den 1990er-Jahren hatte ich zwei LASIK-Operationen, aber die Wirkung ließ nach einigen Jahren nach, und dann bekam ich den Grauen Star und musste deswegen operiert werden. Schließlich wurde im linken Auge eine radiäre Keratotomie vorgenommen, bei der Schnitte in der Hornhaut gemacht wurden, um die Weitsichtigkeit zu korrigieren, an der ich seit der Star-OP litt. Die Iris in meinen rechten Augen kann sich nicht mehr richtig zusammenziehen, nachdem ich von einem Tennisball getroffen wurde (ironischerweise geschlagen von einem Augenarzt).

Als Junge, der im stets sonnigen Kalifornien aufgewachsen war, war ich sportlich und selbstbewusst. Mein Zwillingsbruder Ronny und ich waren schon früh exzellente Golfspieler, wir waren beide in der Turnmannschaft der Schule und wurden beim Ballspielen stets als erste ausgewählt. Ich liebte Baseball, und ich bin sicher, ich hätte mehr daraus gemacht, hätte sich mein Augenlicht auf dem Höhepunkt meiner Little-League-Karriere nicht so verschlechtert. Es wurde immer schwieriger, den scheiß Ball überhaupt noch zu sehen. Schließlich wurde ich ins rechte Außenfeld verbannt, in der Hoffnung, der Ball würde nicht in meine Richtung fliegen, damit ich mich nicht weiter blamierte. Auch meine Schulnoten sackten ab, weil ich die Tafel kaum erkennen konnte. Als ich eines Tages auf ein Flugzeug am Himmel zeigte, das gar nicht da war, zählten meine Eltern endlich eins und eins zusammen und ließen mir eine Brille machen.

Nur Streber trugen Brillen! Ich war ein cooler Typ. Ich war beliebt! Eine Brille würde all dem ein Ende machen. Sobald ich morgens das Haus verließ, steckte ich die Brille in die Tasche, bis ich wieder nach Hause kam. Meinen Eltern fiel auf, dass meine Noten gar nicht besser wurden und wieder zählten sie eins und eins zusammen. Kontaktlinsen waren damals noch ganz neu auf dem Markt. Es waren harte Plastiklinsen, die nicht genug Sauerstoff ans Auge ließen, deshalb konnte man sie nur kurze Zeit tragen, aber alles war besser als uncool zu wirken.

Ich nahm den Aufwand und die Unannehmlichkeiten bei Tragen von Kontaktlinsen so gut an, dass ich zu einem Versuchskaninchen für Hollywood wurde. In dem Horrorfilm „Das Dorf der Verdammten“ aus dem Jahr 1960 kam eine Gruppe gruseliger Kinder vor, mit hypnotischen Kräften und glühenden Augen. Vor Produktionsbeginn machte ich eine Probeaufnahme um zu zeigen, wie der Effekt im Film aussehen würde. Ich vermute, mein Augenarzt hatte mich vorgeschlagen; Dr. Roberts sagte, ich wäre sein jüngster Kontaktlinsenpatient aller Zeiten. Die Linsen, die sie für den Film angefertigt hatten, waren harte, golden angemalte Plastiklinsen mit einem winzigen Loch in der Mitte, durch das man hindurchsehen konnte. Die Linsen waren noch unangenehmer als meine normalen Linsen, deshalb musste mir ein Crewmitglied ständig Augentropfen geben, die die Schmerzen betäubten. Anfangs war es total aufregend, in einem echten Filmatelier mit den ganzen Lichtern und den großen Kameras zu sein, aber nach einigen Stunden, als die Tropfen nachließen, hielt ich es kaum noch aus. Ich bemühte mich, tapfer zu sein, aber es war schnell klar, dass sie niemals eine Gruppe von Kindern dazu bekommen würden, diese Folterinstrumente zu tragen und damit zu schauspielern. Ich liebte den Film, als er herauskam, aber vermutlich aufgrund meiner furchtbar schmerzhaften Probeaufnahme ließen sie die gefärbten Kontaktlinsen weg und schufen die glühenden Augen in der Nachbearbeitung.

Dank meiner normalen Kontaktlinsen konnte ich zwar einigermaßen gut sehen, aber meine Noten verbesserten sich kaum, und mein sportliches Selbstbewusstsein war dahin. In der Mittelschule erblühte dann die Akne in meinem Gesicht und ich legte einiges an Gewicht zu. Bis auf einige wenige ließen mich alle meine Freunde aus der Grundschule im Stich. Ich wurde von einem der beliebtesten Kinder der Schule zum totalen Außenseiter, und die älteren Schüler schikanierten mich gnadenlos. Der Rest meines Selbstbewusstseins wurde mir ausgeprügelt, und so verwandelte ich mich von dem beliebten extrovertierten Jungen zu dem schüchternen, ruhigen Typen, der ich heute bin.

Zum Glück war ich nicht der Einzige, der so eine linkische Phase durchmachte. Bill Wolff war stets an meiner Seite und auch mein Zwillingsbruder Ronny war ein treuer Gefährte. Keith Wallace lebte neben dem Orangenhain, wo wir uns Blutorangenschlachten lieferten, und Steve Davidson ließ uns seinen älteren Bruder bespitzeln, während dieser versuchte, seine Freundinnen flachzulegen. Wir verbrachten jedes Wochenende unser Mittelschuljahre auf der fortwährenden Suche nach einer Party, aber selbst, wenn wir eine gefunden hätten, hätten wir uns höchstwahrscheinlich nicht getraut, hineinzugehen.

Unsere anderen Ventile waren Zerstörung und Vandalismus. Eines nachts brach ich mit meinen Freunden in eine im Bau befindliche Wohnsiedlung ein. Wir zerschlugen Fensterscheiben, verstopften alle Waschbecken und drehten das Wasser auf. Wir rechtfertigten unsere Handlungen mit dem Protest gegen die Überentwicklung der Gegend, aber letzten Endes waren wir nur gelangweilt – und sexuell frustriert.

Irgendwie kamen wir mit unserem Mist immer durch – bis Bill und ich einmal beschlossen, uns auf der Baustelle der neuen Palisades High School ein Feiglingsrennen mit zwei Traktoren zu liefern. Die Bauarbeiter hatten die Schlüssel in der Zündung stecken lassen – wie sollten wir dieser Versuchung widerstehen? Wie sich herausstellte, lassen sich Traktoren ziemlich schwer fahren, mit ihren ganzen Hebeln und dem Kram. Wir setzten sie zwar in Bewegung, konnten sie aber nicht richtig bedienen, und so krachten wir schließlich zusammen und ergriffen die Flucht. Ich weiß nicht, wer uns gesehen oder erkannt hat, aber einige Zeit später stand die Polizei vor unserer Tür. Ich werde den Ausdruck der Enttäuschung auf dem Gesicht meiner Mutter niemals vergessen. Ich hatte ihr das Herz gebrochen.

Danach hielt ich mich von derartiger Zerstörung fern, aber in der Highschool fand ich dann andere Möglichkeiten, Unsinn zu machen. Mein Freund Roy Thompson hatte einen älteren Cousin, Steve Scott, der bereits einen Führerschein hatte; er „borgte“ sich gerne mal den ’57 Chevy Kombi seiner Mutter aus, mit dem wir auf der Suche nach einem Abenteuer durch die Gegend fuhren. Eines nachts stahlen wir eine Kiste mit fünfzig Schraubenschlüsseln, die hinter einem Eisenwarenladen stand, einfach nur, weil wir es konnten. Ein anderes Mal entdeckten wir einen Wagen voll mit Gang-Mitgliedern, zeigten ihnen den Mittelfinger und ergriffen die Flucht. Steve kannte die Gassen von Santa Monica wie seine Westentasche. Der Kombi hatte nicht viel PS unter der Haube, aber Steve konnte jeden ausmanövrieren. Und falls unsere Verfolger uns zu nahekamen, bewarfen Roy und ich sie mit den geklauten Schraubenschlüsseln.

Roy, Steve und ich veranstalteten unsere eigenen erbärmlichen kleinen Partys, indem wir zu Biermärkten fuhren und dort die halb leeren Fässer klauten (für uns waren sie halb voll). Eine der örtlichen Street Gangs – entweder die Dukes oder die Gents – bezahlten uns sogar einmal dafür, Bier für eine Abschlussparty zu besorgen, da wir immer damit angaben, wie leicht wir Fässer heranschaffen konnte. Wir versuchten alles aufzutreiben, was möglich war, aber ausgerechnet an diesem Abend waren alle Fässer nahezu leer. Wir luden unsere Beute in einem nahen gelegenen Park ab, wo die Party bereits in vollem Gange war. Das waren alles weiße Jungs, wie direkt aus der West Side Story entsprungen, mit ihrem Gangnamen auf den Collegejacken aufgestickt, aber im Vergleich zu uns waren sie trotzdem ganz schön harte Burschen. Als ihnen klar wurde, dass wir ihnen fast leere Fässer verkauft hatten, ergriffen wir im Chevy von Steves Mutter die Flucht, während sie uns Baseballschläger schwingend verfolgten.

Meine Eltern versuchten, meinen Bruder und mich von den Unruhestiftern, die wir Freunde nannten, fernzuhalten, weil natürlich nichts von dem Ganzen unsere Schuld gewesen sein konnte: Wir waren brave kleine Engelchen, die unter schlechtem Einfluss standen! Ich machte jedoch immer wieder Ärger, und meine Noten wurden immer schlechter, und als sich herausstellte, dass ich die elfte Klasse wiederholen musste, sahen meine Eltern endlich den Tatsachen ins Auge. Sie schrieben mich an einer Privatschule, der Menlo School, nahe des Silicon Valleys ein. Die Schule war mehr als 350 Meilen von all den schlechten Einflüssen – wie Bill Wolff – entfernt, mit denen ich so viel Zeit verbrachte.

Dummerweise hatten Bills Eltern ein Jahr zuvor die genau gleiche Idee gehabt. Anstatt 350 Meilen zwischen uns zu legen, verfrachteten sie uns unwissentlich in den gleichen Schlafsaal.

Bill Wolff und ich in unseren Menlo-Uniformen

✦ ✦ ✦

In der Grundschule mussten sich alle Schüler morgens um den Fahnenmast herum versammeln und die Hand auf das Herz legen, während ein Schüler namens Loring Hughes das Signalhorn blies, als die Flagge gehisst wurde. Alle Schüler konzentrierten sich auf die Flagge, nur ich konzentrierte mich auf das Signalhorn. Ich weiß nicht, ob es der Klang war oder die Tatsache, dass Loring die Aufmerksamkeit der gesamten Schule hatte, aber in diesem Moment wurde mein Wunsch geboren, Musiker zu werden. Ich nahm Trompetenunterricht, aber in der Schulband setzten sie mich ziemlich weit nach hinten und bald degradierten sie mich dazu, rhythmisch auf die Basstrommel zu schlagen.

Die Gitarre war das nächste Instrument, das mein Interesse weckte. Zum ersten Mal zupfte ich bei meinem Freund Bob Wire ein bisschen darauf herum als ich zwölf war, und ich suchte immer wieder nach Ausreden, um mehr Zeit mit ihm und seiner Gitarre zu verbringen. Ich war fasziniert von den Gitarristen in meiner Nachbarschaft, wie Henry Vestine, der später für Canned Heat spielen sollte. Immer wenn ich an seinem Haus vorbeilief, hörte ich den flüssigen Sound seiner E-Gitarre, schwer mit Hall und Tremolo. Weniger bekannt, aber für mich viel einflussreicher, war Hial King, der neben der Gitarre auch ein Meister des Saxofons und des Schlagzeugs war. Seine Spielkunst beeindruckte mich definitiv, viel entscheidender war aber sein Look. Auf den ersten Blick bemerkten die meisten Leute vermutlich nur seine schmalzige Haartolle und seine auf Hochglanz polierten Pennyloafers. Hinter der Fassade war er jedoch klein und plump und sah kaum besser aus als ich, der unbeholfene Außenseiter. Trotzdem waren alle Mädchen an ihm interessiert. Mir ging ein Licht auf: Die Gitarre könnte meine Rettung sein.

Als ich in Menlo ankam, gab es dort auch einen Burschen aus Hawaii, Keoki King, der mir gegenüber wohnte und eine alte Martin 000-21 Akustikgitarre besaß. Er hatte sie in einer Scheune auf der Ranch seines Vaters gefunden, deshalb machte sie damals nicht viel her. Ich hoffe, er hat sie trotzdem aufgehoben, denn heute wäre sie Tausende wert. Da er selbst nicht viel Gitarre spielte, lieh er sie mir bereitwillig aus. Nach dem Unterricht wurden wir in unsere Schlafsäle gesperrt, wo es für mich wenig zu tun gab außer zu lernen oder auf Keokis Gitarre herumzuzupfen. Meine Wahl stand fest.

Ich spielte Keokis Gitarre beinahe jeden Abend in Menlo, bis ich endlich ein eigenes Instrument bekam: eine traditionelle Flamencogitarre aus leichtem Zedernholz mit einem Griffbrett aus Ebenholz, gebaut von dem meisterhaften mexikanischen Gitarrenbauer Juan Pimentel. Nachdem ich sie einmal in die Hand genommen hatte, legte ich sie eigentlich so gut wie nie mehr ab. Meine Theorie, die Gitarre wäre der Schlüssel zur Coolness, bestätigte sich: Jeder in der Schule wollte plötzlich mein bester Freund sein, damit er mal die Juan Pimentel spielen konnte.

Neben der ausgedehnten Probenzeit eröffnete mir Menlo durch die anderen Schüler aus dem ganzen Land neue musikalische Horizonte. Zum ersten Mal hörte ich Robert Johnson. Und B.B., Albert und Freddie King. Den Blues. Den echten Blues. Zudem befanden wir uns gerade auf dem Höhepunkt des amerikanischen Folk-Revival, wodurch ich Joan Baez, Ramblin’ Jack Elliott, Lead Belly und – meinen absoluten Favoriten – Bob Dylan kennenlernte.

Abgerundet wurde die Mischung durch eine kräftige Dosis Flamenco. Mein Vater hatte eine Schallplatte, die Dos Flamencos hieß, ein bezauberndes Ballett der klassischen Gitarre von Jaime Grifo und Niño Marvino. Das komplexe, filigrane Werk machte mich sprachlos. Bill Wolff und ich beschlossen, wir würden die nächsten Dos Flamencos werden. Noch waren wir jedoch Dos Gitarrenanfänger.

In den Sommerferien teilten Bill und ich uns die Kosten für Gitarrenunterricht bei zwei namhaften Flamencolehrern: Peter Evans und Arnold Lessing. Sie spielten regelmäßig im Casa Madrid auf dem Pico Boulevard, wo sie traditionelle spanische Tänzerinnen begleiteten, die Bill und mich mit ihren ausdrucksstarken Bewegungen und ihren wirbelnden Sevillana-Röcken in den Bann zogen. Dank regelmäßigem Unterricht und eifrigem Üben verbesserten wir uns recht schnell von fürchterlich zu nicht schlecht. Als wir dann in die Schule zurückkehrten, feilten wir jeden Abend nach der Ausgangssperre an unserer Technik.

Neben den feinen, ätherischen Klängen des Flamencos fühlte ich mich auch zu dem klobigen, kitschigen Sound der Jug-Band-Musik hingezogen. Nun, vielleicht nicht so sehr zu dem Sound als vielmehr zu dem Image. Die Typen auf dem Cover des ersten Albums von Jim Kweskin and the Jug Band sahen wie Spinner aus, wie bekiffte Spinner, und bekifft zu sein war cool. Wolff rannte sofort los und kaufte eine Sonnenbrille mit runden blauen Gläsern, wie die, die Jug-Musiker Fritz Richmond auf dem Albumcover trug, einige Jahre bevor John Lennon mit seiner runden Sonnenbrille zum Trendsetter wurde. Die Musik selbst war so kompromisslos kitschig, dass sie beinahe wie ein Protest wirkte. Meine Schulkameraden und ich schlichen uns hinaus und besuchten Auftritte von Jim Kweskin und Dave Van Ronk in den Clubs der Bay Area. Wir sahen auch die eine oder andere Show von Mother Cree’s Uptown Jug Champions mit Jerry Garcia, Ron „Pigpen“ McKernan und einem weiteren Menlo-Schüler namens Bob Weir – die drei sollten später The Grateful Dead gründen. In der Schule redeten alle stets darüber, wie cool Bob Weir und die Jungs von Mother McCree sind, und so dachten sich meine Freunde und ich, wir könnten doch auch die coolen Typen sein, über die alle reden, wenn wir eine eigene Jug-Band gründen.

Das Schöne an der Jug-Band-Musik ist, dass man nicht allzu viele echte Instrumente braucht. Ich spielte Gitarre, Wolff war an Gitarre und Waschbrett wiederzufinden, Scott spielte Kazoo, Jerry spielte Waschwannenbass und Phinizy sang und spielte den Jug. Wir nannten uns die Back Bay Chamber Pot Terriers, was Phinizys Idee war. Er stammte aus der Back-Bay-Gegend von Boston. Der Rest von uns war in Kalifornien geboren und aufgewachsen, deshalb machte der Name nicht viel Sinn. Wir hatten aber gehört, dass man cool sei, wenn man aus der Back Bay kam; zudem hatte Phinizy schon einmal eine Band mit diesem Namen und wollte ihn unbedingt wieder verwenden. Von all den Bands, in denen ich im Laufe der Jahre gespielt habe, war das sicher nicht der blödeste Name.

Wir traten einmal auf, bei einem Treffen der Frauengruppe unserer Schule. Wir gingen davon aus, dass wir im Hintergrund ein bisschen Musik machen sollten, während sich die Damen unterhielten. Als wir jedoch ankamen, fanden wir eine richtige Bühne vor, mit ordentlichen Stuhlreihen voller gut gekleideter Damen, die uns erwartungsvoll ansahen.

Wir spielten eine Reihe Jug-Band-Covers, überwiegend von Jim-Kweskin-Songs wie „Washington at Valley Forge“. Mit dem tschk-tschk-tschk des Waschbretts und einem Chor, der „Voe doe dee o doe“ sang, war das objektiv gesehen ziemlich alberne Musik und sicherlich nicht das, was ein Saal voller Mütter erwartet hatte. Während wir spielten, fühlte ich mich extrem verlegen, aber sie waren begeistert! Sie sprangen nicht von den Stühlen und tanzten oder so, aber es schien, als seien ihr Lächeln und ihr Applaus ehrlich gemeint. Vielleicht waren sie einfach gnädig zu uns, aber ich stand zum ersten Mal auf einer Bühne und die Bestätigung der Zuschauer – selbst, wenn sie nur aus höflich klatschenden älteren Damen bestanden – reichte aus um, mich darin zu bestätigen, dass es sicher nicht das letzte Mal gewesen war.

Die Back Bay Chamber Pot Terriers

✦ ✦ ✦

Keoki war ein guter Freund, nicht nur, weil er mir seine Gitarre lieh, sondern auch, weil er mich seiner Schwester Jeanie vorstellte. Sie besuchte eine Mädchenschule, eine halbe Meile von Menlo entfernt. Wir trafen uns bei Schultänzen, gingen zusammen surfen, und sie war eines der ersten Mädchen, mit dem ich herumfummelte. Eines Abends stellten wir uns die Zukunft vor und redeten darüber, wo wir uns selbst sahen. Ich sagte, ich würde professioneller Gitarrist werden. Ich fragte mich, ob sie mir das wohl glaubte.

Wicked go the Doors

Wenn ich auf mein Leben zurückblicke, sehe ich nichts in Reihenfolge. Ich erinnere mich an Augenblicke. Gefühle. Meine Erinnerungen sind selten zusammenhängend oder gar logisch sortiert. Manchmal werden sie von einem alten Foto hervorgerufen, von einem Song oder, wie einmal, vom Geruch von Tränengas.

Den Geruch von Tränengas kann man eigentlich nur schwer beschreiben, denn wenn man ihn riecht, ist man schon viel zu sehr mit den Auswirkungen beschäftigt. Im Jahr 2009 traten Ray und ich in Bogota, Kolumbien, auf, als das Militär versuchte, die Show zu stoppen, indem sie Kanister mit Tränengas in den Saal feuerten und die Ausgänge von außen blockierten. Ich sah die Wolke nicht einmal – ich spielte Gitarre, und plötzlich musste ich fürchterlich würgen. Ray und ich stoppten mitten im Song während unsere Augen anfingen zu tränen. Die Zuschauer gerieten in Panik. Wir zogen uns hinter die Bühne zurück, wo unser Manager feuchte Handtücher unter die Tür unseres Umkleideraums stopfte. Unsere Crew verteilte Wasser an die Zuschauer und Sanitäter rannten herum und behandelten verletzte Personen. Die Soldaten bedrohten unsere Jungs, aber nach etwa einer Stunde zogen sie sich endlich zurück und die Tränengaswolke löste sich auf. Wir konnten unser Set vor einer dankbaren Menge beenden. Es war nicht gerade die angenehmste Erfahrung, aber sie versetzte mich zurück in der Zeit und ermöglichte es mir, mich besser in das hineinzuversetzen, was Jim damals in der New Haven Arena durchgemacht hatte.

Das berüchtigte New Haven Konzert wird in jeder Erzählung unser Bandgeschichte aufgeführt, deshalb schätze ich, ich sollte hier meine Version davon zum Besten geben. Und vielleicht meinen Teil der Verantwortung übernehmen.

Es war das Ende eines aufregenden Jahres: Unser Song „Light My Fire“ hatte im Sommer 1967 alles verändert, und im Herbst gesellte sich unser zweites Album „Strange Days“ in den Charts zu unserem Debütalbum in den Top 5. Jims Trinkgewohnheiten hatten sich parallel zu unserem Erfolg gesteigert, und so wechselten wir Band- und die Crewmitglieder sich an Auftrittstagen damit ab, ihn so nüchtern wie möglich zu halten. Am 9. Dezember 1967 war mir diese Aufgabe zugekommen. Jim und ich genossen mit unseren jeweiligen Begleiterinnen ein ruhiges Abendessen vor unserer Show in New Haven, Connecticut. Er trank nicht mehr als üblich, aber seine übliche Trinkmenge war mehr als für normale Menschen üblich. Ich war noch immer auf der Suche nach einer erfolgreichen Strategie, Jim zur Mäßigung zu bemühen. Diskutieren klappte nicht. Nichts zu sagen auch nicht. Ihn zu ermutigen auch nicht. An diesem Abend entschied ich mich für sanfte Nörgelei. „Bist du sicher, dass du das noch bestellen willst? oder „Komm schon, Kumpel, wir müssen in zwei Stunden auftreten“.

Das ging daneben.

Später am selben Abend war ich gerade in meinem Umkleideraum, als ich Jim schreien hörte. Wir alle rannten los, um zu sehen, was passiert war, und fanden Jim vor, der gerade einige Polizisten anbrüllte, die ihrerseits zurückschrien. Nach und nach reimten wir uns zusammen, was vorgefallen war: Jim fummelte gerade mit seiner Begleiterin in einer Duschkabine herum, als ihn ein Polizist entdeckte und ihn für einen Fan hielt, der sich heimlich Backstage geschlichen hatte. Jim wurde angeblich frech, und der Polizist besprühte ihn angeblich mit Pfefferspray. Ich glaubte die Story ansatzlos. Jim liebte es, sich mit der Polizei anzulegen, und die wartete nur auf einen Vorwand.

Als ich ihn Bogota das Tränengas einatmete, war es natürlich nicht das Gleiche, wie Pfefferspray direkt in die Augen zu bekommen. Nachdem er seine Augen gründlich ausgespült hatte, erschien Jim wieder relativ fit. Wie sich später herausstellte, war einer der Gründe, warum die Polizei vom Pfefferspray der Sechziger zum heutigen Tränengas wechselte, dass es gegen Betrunkene keine Wirkung zeigte. Und so war es im Nachhinein gesehen vermutlich ganz gut, dass meine Nörgelei beim Abendessen wirkungslos gewesen war – Jims Trinkerei hatte am Ende den Abend gerettet!

Die Show selbst – zumindest der Teil, den wir spielen konnten – lief ziemlich gut. Das Pfefferspray hatte Jim wohl ein wenig ausgenüchtert. Als wir gerade begannen, „Back Door Man“ zu spielen, setzte Jim zu seiner inzwischen berühmten Tirade über den kleinen blauen Mann in seinem kleinen blauen Anzug mit der kleinen blauen Mütze an, der ihn Backstage vorübergehend geblendet hat. Die Menge jubelte, während wir hinter ihm weiterspielten. Wie bei allen großartigen Doors-Konzerten schufen wir auch hier wieder einen besonderen Moment. Eine bestimmte Verbindung zu einem bestimmten Publikum, die nur an diesem bestimmten Abend da war. Ich war mir der Dutzenden von Polizisten, die im Dunkeln warteten, gar nicht bewusst, bis auf einmal alle Lichter angingen.

Plötzlich waren wir umzingelt. Ein Polizeileutnant marschierte auf die Bühne und Jim hielt ihm das Mikrofon hin. „Sag was du willst, Mann.“ Selbst da war ich noch nicht wirklich beunruhigt. Was wollten sie denn machen, ihn verhaften? Auf der Bühne? Mitten im Konzert? Weil er eine absolut wahre Geschichte erzählte?

Wie sich herausstellte, hatten sie genau das vor. Die Polizisten packten Jim, und die Zuschauer flippten aus. Ray, John und ich standen schockiert da.

Der Name Bill Siddons sollte Doors-Fans eigentlich besser bekannt sein, ist er doch der unbekannte Held unserer Bandgeschichte. Bill war damals unser Tourmanager, und das Managen einer Tour ist ein echter Knochenjob. Du arbeitest bis zum Umfallen, aber nur selten dankt dir jemand für all das, was du richtig machst. Geht aber etwas schief, geht’s dir sofort an den Kragen, selbst wenn du gar nichts dafür kannst. Fast jede Band da draußen hat einen Tourmanager, den sie nicht genug zu schätzen weiß. Jedoch der Tourmanager zu sein, der hinter den Doors aufräumen musste – das war nochmal eine andere Nummer.

Bill – damals gerade neunzehn Jahre alt – war derjenige, der eingriff, als Jim Backstage mit Pfefferspray besprüht wurde, und nun warf er sich auf den Polizisten und schrie: „Lass’ ihn in Ruhe!“ Als Ray, John und ich ihm schließlich von der Bühne folgten, saß Jim schon hinten im Polizeiwagen, und Bill war damit beschäftigt, unsere Ausrüstung vor der tobenden Meute zu beschützen.

Für diesen Vorfall gab es keinerlei Präzedenzfall. Im Jahr 1908 war der italienische Opernsänger Carlo Albani in Boston bei einer Aufführung von „Der Troubadour“ von der Bühne weg verhaftet worden (wegen eines schwebenden Verfahrens), aber da ließ man ihn seinen Auftritt vorher beenden. Dies war das erste Mal seit Beginn der Aufzeichnungen, dass ein Musiker mitten im Konzert auf der Bühne verhaftet wurde. Kein Wunder, dass wir nicht wussten, wie wir uns nun verhalten sollten.

Bill rief unsere Manager an, unsere Manager riefen unseren Anwalt an, unser Anwalt rief bei der Polizei an und Jim wurde auf Kaution freigelassen, die Bill aus unseren Einnahmen des Abends bezahlte. Nichts davon war Jims Schuld, und so war auch keine seiner typischen Entschuldigungen notwendig.

Einige Wochen später erschien der Vorfall als Artikel im Life-Magazin, illustriert mit wunderbaren Live-Fotos. In der ganzen Aufregung hatte die Polizei nämlich einen Life-Reporter, einen Jazzkritiker der Village Voice sowie einen Fotografen mit verhaftet. Jetzt hatten wir die Presse komplett auf unserer Seite und Jims Verhaftung sollte, im Gegensatz zu der des italienischen Opernsängers Carlo Albani, in die Annalen der Musikgeschichte eingehen. Wir waren begeistert von dem Artikel und den Fotos. Jim wirkte wie ein aufrechter Rebell und die Polizisten wie verklemmte Deppen. Man musste nicht einmal ein rebellischer Teenager sein, um das Ganze so zu sehen – selbst meine Eltern waren auf unserer Seite, als sie die Story lasen.

Es war jedoch nicht unser Ding, länger bei einer Sache zu verweilen. Sobald sich der Staub gelegt hatte, machten wir einfach weiter und sprachen nicht mehr groß darüber. Die Geschichte sollte sich jedoch als Augenblick der doppeldeutigen Mythenbildung entpuppen, nach dem nichts mehr so war wie vorher. Wir wurden zu „gesetzlosen“ Legenden der Gegenkultur. Wir hatten aber auch eine Erwartung von Chaos geschaffen. Unsere Zuschauer waren nicht mehr so sehr daran interessiert, ihren eigenen besonderen Moment mit uns zu erschaffen, sondern wollten lieber der Moment in New Haven nacherleben. Die Schlagzeile des Life fasste den Weg, auf dem wir uns nun befanden, perfekt zusammen: „Wicked Go The Doors“.

Am 9. Dezember 2012 – auf den Tag genau 45 Jahre nach Jims Verhaftung – spielte ich in New Haven mit meiner Jam-Band Robby Krieger’s Jam Kitchen. Hinter der Bühne kam ein Mann auf mich zu und stellte sich als Sohn des Polizisten vor, der Jim damals mit Pfefferspray besprüht hatte. Er war höflich und nett, und er war in die Fußstapfen seines Vaters getreten und Polizist geworden. Er entschuldigte sich offiziell für das Verhalten seines Vaters. Im Namen der Band, der sein Vater zum Ruhm verholfen hatte, nahm ich an.

Send my Credentials to the House of Detention

In den Siebzigern nahmen sie den Romilar-Hustensaft vom Markt, da ihn zu viele Teenager benutzten, um high zu werden. Im Jahr 1964 war ich einer dieser Teenager.

Eines Abends, als wir gerade Ferien hatten, berauschten Bill Wolff, mein Bruder Ronny, einige andere Kids und ich uns gerade mit Romilar, als die Bullen die Tür eintraten. Sie interessierten sich weder für uns noch für den Hustensaft – wir waren einfach zur falschen Zeit am falschen Ort. Der falsche Ort war das Haus eines Drogendealers. Die falsche Zeit war der Abend, an dem dieser Dealer versucht hatte, Drogenfahndern in Zivil zwei Kilo Gras zu verkaufen.

Ich hatte zwei Tüten Gras in meiner Unterhose versteckt, aber selbst nach zwei separaten Leibesvisitationen fanden die Cops den Stoff nicht. Als ich später in Hollywood in der Ausnüchterungszelle saß, fragte ich meinen Zellenkumpel Wally – der wegen Mordes da war – was ich mit dem Gras machen sollte. Er meinte, wir sollten es rauchen, da es wohl für lange Zeit seine letzte Chance wäre, high zu werden. Der unverkennbare Geruch brachte erstaunlicherweise nicht die Polizisten auf den Plan, aber unsere anderen Zellgenossen meinten, wir sollten gefälligst teilen. Alles in allem kein schlechter Abend.

Meine Eltern waren hingegen weniger amüsiert. Genau wegen dieser Dinge hatten sie mich ja nach Menlo geschickt. Mein Vater war stinksauer, als mein Name und der meines Bruders oder, besser gesagt, unser Familienname in einem Artikel über die Razzia im Santa Monica Evening Outlook aufgeführt wurde. So sauer wie er war, trotzdem half er Ronny und mir aus der Patsche. Er heuerte einen erfahrenen Anwalt an, Grant Cooper, der später Sirhan Sirhan verteidigen würde, den Typen, der Bobby Kennedy ermorden sollte. Es war ein totaler Overkill für unsere lächerliche kleine Verhaftung, aber es funktionierte. Obwohl wir gerade Achtzehn geworden waren, überzeugte Grant Cooper das Gericht, uns als Jugendliche zu behandeln. Wir erhielten eine Bewährungsstrafe.

Den Dealer kannten wir gar nicht persönlich. Ein Gitarrist, den wir auf dem Sunset Strip kennengelernt hatten und der uns ein paar Gramm verkaufen wollte, nahm uns mit zu dem Haus. Als das ganze Drama überstanden war, ließ Grant Cooper uns mit einem weisen Rat zurück: „Hört auf, mit Musikern herumzuhängen!“

Meine Eltern hassten zwar den ganzen Ärgerden ich machte, während ich mit Musikern abhing, aber sie hassten deswegen die Musik nicht. Mein Vater besaß eine eindrucksvolle Plattensammlung. Viele Boogie-Woogieplatten mit 78 Umdrehungen von schwarzen Künstlern – Platten, die man in den anderen Häusern unserer gut situierten Gegend in Pacific Palisades wohl nicht so häufig gefunden hätte. Und er hatte viele klassische Sinfonien und Märsche von John Philip Sousa. Tatsächlich entstand meine Liebe zur Musik bereits, als Dad mir zum ersten Mal Prokofiews Peter und der Wolf vorspielte, als ich ganz klein war.

Stuart Krieger war ein ernster Mann. Glatze. Anzüge. Fuhr einen Buick. Im Grunde war er die Verkörperung des klassischen Vaters in den Sechzigern. Er studierte Luftfahrttechnik an der UCLA und der CalTech und arbeitete mit Rüstungsunternehmen an der Entwicklung von Tragflächen für Militärflugzeuge. Nicht wenige Nazis fanden dank der Flugzeuge, bei deren Konstruktion mein Vater geholfen hatte – z. B. die Lockheed P-38 Lightning und die Northrop P-61 Black Widow –, den Tod. Er arbeitete auch an frühen Versionen von Northrops Nurflügler und war Teil des Teams in der streng geheimen Skunk Works Einrichtung. Später gründete er sein eigenes Ingenieurbüro, Planning Research, das erfolgreich genug war, um an der New Yorker Börse gelistet zu werden – zu diesem Zeitpunkt tauschte er dann seinen Buick gegen einen Maserati Ghibli. Er arbeitete sehr viel damit seine Familie ein schönes Leben haben konnte, aber er nahm sich auch die Zeit, mein Little League-Baseballteam zu trainieren. Wir verstanden uns gut (wenn ich nicht gerade verhaftet wurde), aber er war die Verkörperung des Spießers. Ich liebte und respektierte ihn, aber ich wollte niemals so werden wie er.

Marilyn Krieger war das Yin zum Yang meines Vaters. Sie färbte sich die Haare blond und tat was sie konnte, um ihr Idol Marilyn Monroe zu imitieren. Während mein Vater Sousa hörte, stand meine Mutter auf Sinatra. Während mein Vater seine ganze Freizeit auf dem Golfplatz verbrachte, malte sie und lehrte mich den Umgang mit Ölfarben. Sie brachte mir auch das Bisschen bei, was sie über das Klavierspielen wusste. Ihr Repertoire war auf ein einziges Lied beschränkt, „My Dearest Dear“, aus einem britischen Musical aus dem Jahr 1939, das sie wunderbar spielte und sang. Sie liebte es, im Radio neue Musik zu entdecken, und so entdeckte sie auch – für mich extrem wichtig – Elvis. Seine Single „Hound Dog“ mit der B-Seite „Don’t Be Cruel“ lief schon bald in Dauerschleife in unserem Haus.

Ich kann mich über das Umfeld, in dem ich aufwuchs, beim besten Willen nicht beschweren. Ich erlebte ein gesundes Gleichgewicht aus Wissenschaft und Kunst, und wir waren privilegiert und finanziell gut aufgestellt. Das Leben in Pacific Palisades, einem wohlhabenden Vorort nördlich Santa Monicas, bedeutete Ruhe und Sicherheit – und leichten Zugang zum Strand. Die Türen in unserer Nachbarschaft waren niemals verschlossen. Mein Bruder und ich trampten die Küste auf und ab ohne Angst, entführt oder ermordet zu werden. Wir blieben mit unseren Skateboards bis weit nach Einbruch der Dunkelheit draußen, und unsere Eltern mussten sich niemals Sorgen machen. Meine Familie hatte sogar eine Putzfrau und eine Teilzeitköchin. Im Vergleich zu uns sah Beaver Cleaver wie Sid Vicious aus. Und so rebellierte ich, wie jeder Teenager, der keinen Grund zum Rebellieren hatte.

Menlo sollte mich wieder auf Spur bringen, aber gerade dort rauchte ich zum ersten Mal Gras. Mein Freund Scott – der Kazooist der Back Bay Chamber Pot Terriers – importierte Zeug, das er Boo nannte, von seinen Freunden in New York. Wir wussten damals nicht, dass das Gras war. Es hatte einen coolen Namen und wir rauchten es in verschnörkelten Opiumpfeifen, die wir in Chinatown gekauft hatten. Als der Rausch einsetzte, fing ich unkontrollierbar an zu kichern, weil ich mich selbst als König vorstellte und alle anderen im Zimmer waren meine Untertanen. Keine Ahnung, was daran so lustig war, aber ich konnte nicht aufhören zu lachen.

Boo war perfekt, um uns zu Unsinn anzustiften, ohne dass wir ernsthaften Schaden anrichteten, aber wie alle meine Jugendsünden holte auch das mich schließlich ein. Nachdem Bill Wolff und ich die Highschool abgeschlossen hatten, fuhren wir in seinem Auto herum, als wir von einer Polizeistreife angehalten wurden. Wolff hatte ein paar Gramm Weed bei sich und fragte: „Was machen wir jetzt?“

Bezugnehmend auf einen alten Witz über den Lone Ranger und Tonto sagte ich: „Was soll das heißen ‚wir’, weißer Mann?“

Ich war high. Es erschien mir witzig.

Ich sagte Wolff, er solle es in seine Unterhose stecken, da ich ja aus früherer Erfahrung wusste, dass sie seinen Schritt vielleicht nicht kontrollieren würden. In seiner Panik warf er es stattdessen aus dem Fenster, was die Bullen natürlich sahen. So landeten wir im West L. A. Polizeirevier, voller Panik, weil alle anwesenden Beamten uns zum Narren hielten:

„Hol’ mal jemand die Schere, wir haben ein Paar Langhaarige hier. Das wird ein Spaß!“

Sie brachten uns in den Männerknast in der Innenstadt, wo wir uns nackt ausziehen mussten, mit einem Entlausungsmittel eingesprüht und in steife, schlecht sitzende Gefängniskleidung gesteckt wurden. Man sagte uns, da wir vorbestraft waren, würden wir mindestens zwei Jahre bekommen.

Diesmal lachten und rauchten wir nicht mit unseren Zellengenossen. Ich lag alleine auf meiner Pritsche im Dunkeln und dachte darüber nach, was es bedeuten würde, tatsächlich zwei ganze Jahre meines Lebens weggesperrt zu werden. Vor Angst konnte ich nicht schlafen. Die Wände, die Gitterstäbe – dieses Mal was das alles echt.

Am nächsten Morgen gaben sie mir Frühstück und ließen mich laufen.

Ich hatte verdammtes Glück. Sie wussten, dass der Wagen Bill gehörte, und sie sahen ihn das Gras aus dem Fenster werfen. Und so verurteilten sie ihn und gaben sich nicht mit mir ab. Zum Glück musste er nicht in den Knast, aber es war ein Warnschuss für die möglichen Konsequenzen unserer albernen Rebellion. Ich schränkte meinen Graskonsum danach drastisch ein und hatte niemals welches bei mir, aus Angst vor einer erneuten Verhaftung. Ich wollte aber immer noch mit gewissen Substanzen herumexperimentieren, die mir helfen konnten, eine neue Perspektive zu erlangen. Diesmal wollte ich es aber auf legale Weise probieren, z. B. mit LSD.

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Etwa fünfzig Jahre nach der Verhaftung von Wolff und mir, kamen am Flughafen von Austin zwei Polizisten auf mich zu, als ich nach einem Gig meiner Band, der Robby Krieger Band, nach Hause fliegen wollte. Die Flughafencops informierten mich mit ernster Miene, dass ihre Hunde eine kleine Menge Gras in einer meiner eingecheckten Golftaschen erschnüffelt hätten. Vermutlich war es seit Monaten dort, in eine Ecke gestopft, längst vergessen. Ich zeigte den Cops meine Erlaubniskarte, medizinisches Marihuana zu besitzen. Sie dankten mir und gingen weiter. Wie haben sich die Zeiten geändert!

Das Wohnzimmer

Eines Tages, kurz nachdem ich in die neunte Klasse gekommen war, spielte ich mit meiner Familie Golf im Riviera Country Club. Ich stand neben der Golfball-Waschmaschine am vorderen Abschlag des vierten Loches, als mein Vater vom hinteren Abschlag, siebenundzwanzig Meter hinter mir, den Ball abschlug. Der Ball zischte durch die Luft und traf meinen Schädel. Ich fiel wie vom Blitz getroffen um.

Nachdem ich wieder zu mir gekommen war, brachte mich meine Mutter ins Krankenhaus (während mein Vater und mein Bruder weiterspielten). Ich hatte einen Schädelbruch, und als Teil meiner Behandlung musste ich besondere Antibiotika einnehmen, von denen ich fürchterlichen Durchfall bekam. Ich verbrachte Wochen mit einer Diät aus Joghurt und Ginger Ale, mit dem Ergebnis, dass ich fast zwanzig Kilo verlor, die ich nie wieder zunahm. Persönlich würde ich die Diät nicht empfehlen, aber das Ergebnis sprach für sich. Die Mädels wollten immer noch nichts mit mir zu tun haben, aber zumindest gewann ich mein Selbstvertrauen zurück und konnte wieder auf dem Surfboard balancieren. Ich wage stark zu bezweifeln, dass mich die Doors genommen hätten, wäre ich noch übergewichtig gewesen, deshalb müsste ich meinem Dad letzten Endes für den Schädelbruch danken.

Ich sollte ihm auch für die Empfehlung unsere Bandanwaltes, Max Fink, danken, der ein weiterer der vergessenen Helden der Doors-Geschichte ist. Wir sollten zu seinen berüchtigtsten Klienten werden, aber vor uns vertrat er z. B. schon Lucille Ball und Desi Arnaz. Als Jim in New Haven verhaftet wurde, war es Max, der ihn wieder rausholte und am Ende erreichte, dass die Strafe auf fünfundzwanzig Dollar reduziert wurde. Er half uns mit Verträgen, Papierkram, dem Managementpersonal, Prozessen und jedem anderen juristischen Sumpf, in den wir hineingerieten. Er war es, der unseren Aufenthalt im Henry Hudson Hotel in New York arrangierte. Wir dachten, er hätte für uns einen tollen Preisnachlass für die Zimmer ausgehandelt, aber ich bin ziemlich sicher, dass wir den vollen Preis bezahlten und er dafür Prozente bekam. Max war ein Hai, aber er war unser Hai.

Mein Dad schlug Max etwa zu dem Zeitpunkt vor, als die Doors zum dritten Mal probten oder zumindest versuchten, zu proben. Bei Hank konnten wir nicht mehr aufkreuzen, deshalb stellte ich unser Haus zur Verfügung. Mein Vater arbeitete eh den ganzen Tag, deshalb konnten wir so viel Krach machen, wie wir wollten. Ray, John und ich bereiteten das Equipment im Wohnzimmer vor, während wir auf Jim warteten. Aber der tauchte niemals auf. Nach einer Stunde machte Ray ein paar Anrufe.

Schließlich fanden wir heraus, dass Jim in dem verstaubten kleinen Städtchen Blythe, etwa auf halber Strecke zwischen Los Angeles und Phoenix, im Knast saß. Nach dem, was wir uns zusammenreimen konnten, war Jim mit seinen Freunden Felix und Phil in die Wüste gefahren und hatte dabei in einer Bikerbar angehalten. Irgendwer sagte was, was er lieber nicht hätte sagen sollen, und es kam zu einer Schlägerei. Die Bullen kamen, nahmen alle mit und Jim verbrachte die Nacht in der Ausnüchterungszelle. Ich hab niemals alle Details erfahren. Ich weiß nicht einmal, wie Jim nach Hause gekommen ist. Ich glaube Ray ist rausgefahren und hat ihn eingesammelt. Mein Dad nahm das zur Kenntnis, ebenso wie andere Vorfälle in der Anfangszeit der Band. Er stellte den Kontakt zu Max Fink her und sagte: „Ihr werdet einen guten Rechtsanwalt brauchen.“

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Heute muss ich fast lachen, wenn ich daran zurückdenke, aber als ich ihn kennenlernte, hinterließ Jim keinen großen Eindruck bei mir. Eine Woche vor meinem Vorspielen brachte John Densmore ihn mit zu mir nach Hause, um mich für ihre neue Band zu rekrutieren. Jim war ruhig. Er trug dunkle, unauffällige Kleidung. Er hatte so gar nichts von einem Rockstar. Sie sagten, ihre Band hieße The Doors.

Wenn ich ehrlich sein soll … ich fand das ziemlich blöd.

Jim erklärte, der Bandname sei von Aldous Huxleys „Die Pforten der Wahrnehmung“ (org. „The Doors of Perception“) inspiriert, was ich zufälligerweise ein Jahr zuvor gelesen hatte. Ich konnte wohl bei Jim punkten, weil ich die Anspielung verstand, trotzdem gefiel mir der Bandname nicht besonders. Für jemanden, der Huxleys Buch nicht kannte, würde es keinen Sinn ergeben. Ich dachte, würde die Band sich stattdessen „Perception“ (dt. „Wahrnehmung“) nennen, hätte das zumindest einen gewissen Klang. „The Beatles“ hatte einen Klang, „The Rolling Stones“ hatte einen Klang. „The Doors“ hatte … nichts.

Die Musik auf den sechs Songs ihres Demotapes war ganz ok, aber die Texte von „Moonlight Drive“ und „End of the Night“ gingen mir noch lange, nachdem Jim und John gegangen waren, nicht aus dem Kopf. Die hatten etwas. Vielleicht wäre ich trotzdem nicht zum Vorspielen gegangen, wenn da nicht der Vertrag mit Columbia Records gewesen wäre. Ich war vor allem beeindruckt, weil der Typ, bei dem sie unterschrieben hatten, Billy James war, der schon mit Bob Dylan gearbeitet hatte. Der Sänger, der Bandname und die Musik waren nicht so der Hammer, aber der Deal mit Columbia Records war klasse. Also warum nicht?

Einige Monate, nachdem ich zu den Doors gestoßen war, spazierte Jim in das Büro von Columbia, high, mit einer enormen Dosis Acid intus. Ich habe keine Ahnung, was er dort sagte oder tat; alles was er uns erzählte war, dass Billy und er sich mit einigen Bossen des Plattenlabels getroffen hätten. Jim schien sehr stolz auf sich selbst zu sein. Wenn er Acid genommen hatte glaubte er, die Gedanken anderer Menschen kontrollieren zu können: „Sie haben mir aus der Hand gefressen. Ich sagte ihnen einfach, wie es ist. Wir werden Columbias größte Band sein.“ Kurz darauf fanden wir heraus, dass sie uns fallengelassen hatten.

Kann sein, dass sie uns so oder so fallengelassen hätten. „Unterschrieben“ war ein nebulöser Begriff. Die Doors hatten einen Entwicklungsvertrag, ­etwas, das die Verlage an Dutzende Künstler gleichzeitig aushändigten. Die Band, die bekannt wurde, die behielten sie, die anderen mussten gehen. Billy James glaubte an die Doors und hatte hart daran gearbeitete, bei seinen Bossen Enthusiasmus für uns zu wecken, aber das Demotape war amateurhaft und wir bekamen kaum Auftritte. Jim durchgeknallter Auftritt vor den Columbia-Bossen hatte dann unser Schicksal besiegelt. Billy James tat es leid, uns gehen zu sehen, aber wie es manchmal so ist, arbeitete er am Ende doch noch mit uns, als er nämlich einen Job bei Elektra Records annahm. Schon früh prophezeite er uns das Folgende über Jim Morrison:

„Wenn er jemals Macht bekommt – macht euch auf was gefasst!“

Ray sah etwas in Jim, als dieser am Strand von Venice Beach zum ersten Mal ein Lied für ihn sang, und von diesem Eindruck hat er niemals abgelassen. John sah etwas in Jim, dass ausreichte, um mich zum Vorspielen bei der Band zu bewegen. Ich sah es nicht. Zumindest nicht am Anfang. Nicht so wie Ray und John. Ich mochte Jim als Menschen. Er hatte eine sanfte Natur, wenn er nicht gerade Drogendealer anbrüllte, in Kneipenschlägereien geriet oder Plattendeals platzen ließ. Selbst meine Mutter fand ihn charmant – sie sah ihn als höflichen Südstaaten-Gentleman. Er schrieb tolle Songtexte, aber noch war er nicht der schmachtend singende Sexgott in Lederhosen. Alles was ich sah, war ein introvertierter Bursche mit zittriger Stimme und Cordhosen.

Jim hatte damals nur selten einen festen Wohnsitz. Entweder lebte er auf dem Dach seines Freundes Dennis Jacobson, bei Ray oder dem einen oder anderen Mädchen. Man wusste nie, wo Jim in einer bestimmten Nacht schlafen würde, und er selbst wusste es auch nicht. Als meine Eltern zu einer mehrwöchigen Europareise aufbrachen, bot ich Jim an, bei uns zu wohnen. Er brachte ein paar zerfledderte Notizbücher voller Gedichte mit. Ich nahm meine Gitarre zur Hand.

Wir hatten bei unseren Proben mit der Band bereits an Songs wie „Break on Through“ oder „Light my Fire“ gearbeitet, aber dies war meine erste Gelegenheit, allein mit ihm zu komponieren. Jim hatte die Texte für Songs wie „Strange Days“, „The Crystal Ship“ und „Waiting for the Sun“. Ich hatte Texte und Musik für „Love Me Two Times“ und „You’re Lost Little Girl“ – Ich zeigte Jim einen von Ravi Shankar inspirierten Raga, an dem ich arbeitete, und er holte einige Strophen für einen Song heraus, den er „The End“ nannte. Wir tauschten Ideen zu Licks und Texten aus und freundeten uns durch die Begeisterung für die Komposition neuer Musik an, die nur so aus und heraus floss.

So wie Ray und John sah ich „es“ endlich.

Mit Jim zu komponieren war eine einzigartig inspirierende Erfahrung, die ich bis heute niemals replizieren konnte. Während Jim bei uns wohnte, benahm er sich im Großen und Ganzen wirklich gut. Mein Großvater war da, um auf uns aufzupassen, was mir ziemlich peinlich war. Er war ein ruhiger alter Mann, der sich im Hintergrund hielt. Ich entschuldigte mich für seine Anwesenheit aber Jim sagte: „Nein Mann, er ist cool. Ich mag ihn.“ Ebenso wie Jim mich mit seiner gewalttätigen Seite schockiert hatte, so konnte er auch ausgesucht höflich sein. Er trank in dieser Zeit wenig, deshalb war er der nette, freundliche, witzige Jim, den man einfach mögen musste. Vielleicht würde das mit der Band ja doch funktionieren.

Aber eines Abends, als er bei uns wohnte, zog Jim mit meinem Bruder Ronny um die Häuser, und sie wurden von der Polizei angehalten. Jim ließ eine Schimpftirade über Bullen los, die ich – gerade im modernen Kontext – heute wirklich nicht wiederholen möchte. In etwas anderen Worten beschuldigte Jim die Polizisten, sie würden ihre Waffen nur tragen, um ihre ungewöhnlich kleinen Genitalien zu kompensieren. Er verwendete mehrfach ein ausgesprochen hässliches Schimpfwort für Homosexuelle und behauptete weiter sie wären – aufgrund ihrer zuvor erwähnten winzigen Genitalen und ihrer Homosexualität – zu feige die Waffen überhaupt zu benutzen.

Zum Glück erschossen die Polizisten sie nicht, um ihnen das Gegenteil zu beweisen. Dafür landeten Jim und mein Bruder beide im Knast, und diesmal musste ich die Kaution stellen. Es war ein dunkler Punkt in unserer sonst so angenehmen und produktiven Zeit zusammen, aber zum Glück litt weder die kreative Energie noch die neue Beziehung zwischen Jim und mir darunter. Ich war mir noch immer sicher, dass die Doors eine rosige Zukunft hatten.

Wir würden aber einen guten Anwalt brauchen.

Das Krawall-Konzert

Manchmal werde ich über das berüchtigte Krawall-Konzert befragt. Ich muss denjenigen dann immer bitten, etwas genauer zu werden. Meist bezieht es sich auf eine Show im Chicago Coliseum im Mai 1968. Den Berichten zufolge lud Jim das Publikum auf die Bühne ein, ein Fan sprang vom ersten Rang und am Ende zerstörte die Meute die Stühle und Absperrungen.

Ich kann mich nicht daran erinnern.

Ich war weder zu betrunken noch zu stoned. Und ja, ich werde älter, aber ich glaube, daran liegt es auch nicht. Jim lud das Publikum immer auf die Bühne ein. Und Stühle sind meist die ersten Opfer eines Krawalls. Was den Typen angeht, der vom ersten Rang sprang, vielleicht hab ich gerade auf mein Fretboard geschaut? Ich erinnere mich aber nicht daran, dass nach der Show jemand sagte: „Man, habt ihr den Kerl gesehen, der vom ersten Rang gesprungen ist?!“ Man müsste meinen, dass das durchaus etwas ist, über das wir uns Backstage unterhalten hätten.

Ich wünschte, ich könnte mehr Einblicke in das Krawall-Konzert in Chicago geben oder meine Perspektive dazu loswerden, aber am Ende war es nur ein weiterer Abend auf Tour mit den Doors. In Phoenix spielten wir auf der State Fair vor Tausenden Menschen. Jim forderte mehrere Hundert von ihnen auf, auf die Bühne zu klettern. Die Polizei beendete die Show, wir bekamen ein dauerhaftes Auftrittsverbot in Phoenix und ich kann mich an nichts davon erinnern.