Sexueller Missbrauch an Kindern - Gabriele Amann - E-Book

Sexueller Missbrauch an Kindern E-Book

Gabriele Amann

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Beschreibung

Sexueller Missbrauch an Kindern ist ein komplexer Problembereich mit großer gesellschaftlicher Tragweite und oftmals schwerwiegenden Folgen für die Betroffenen. Der vorliegende Band liefert einen zusammenfassenden Überblick zu Themen und Konzepten, die ein fundiertes Verständnis dieses Gegenstandsbereichs ermöglichen, wobei sowohl die Seite der Opfer als auch jene der Täter fokussiert wird. Einleitend behandelt der Band die Grundlagen des Problembereichs, nimmt begriffliche Abgrenzungen vor und berichtet Daten zur Häufigkeit und Verbreitung. Die Entstehungsfaktoren werden ausführlich in ihrer gesamten Komplexität dargestellt, wie unterschiedliche Facetten der Tätermotivation oder Einflüsse von inneren und äußeren Hemmnissen. Ein weiteres, zentrales Kapitel setzt sich mit den Initialeffekten und Langzeitfolgen auseinander, die ein sexueller Missbrauch nach sich ziehen kann. Zusätzliche Schwerpunkte des Bandes bilden eine differenzierte Betrachtung von Bewältigungsstrategien und die Behandlung der Opfer. Unter dem Blickwinkel der Psychotherapieforschung werden psychotherapeutische Strategien dargestellt und diskutiert – mit dem Ziel, eine fundierte Indikationsstellung und Therapieplanung zu ermöglichen. Das abschließende Kapitel stellt unterschiedliche Konzepte und Strategien zur Prävention von sexuellem Missbrauch umfassend vor und behandelt diese kritisch unter dem Blickwinkel ihrer empirischen Evidenz. Der Band liefert neben wertvollem Grundlagenwissen auch praxisbezogene Erkenntnisse für alle Fachpersonen, die sich in Forschung, Beratung, Therapie und weiteren Berufsfeldern mit dem Thema "Sexueller Missbrauch an Kindern" auseinandersetzen.

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Gabriele Amann

Sexueller Missbrauch an Kindern

Grundlagen, Therapie und Prävention

Ao. Univ. Profin. Drin. Gabriele Amann, geb. 1960. 1978–1984 Studium der Psychologie in Salzburg. 1984 Promotion. 1983–1999 Assistentin am Institut für Psychologie, Abteilung für Klinische Psychologie, Gesundheitspsychologie und Psychotherapie an der Paris Lodron Universität Salzburg (PLUS). 1999 Habilitation an der Universität Dortmund. Seit 1992 eingetragene Klinische und Gesundheitspsychologin sowie Psychotherapeutin. Seit 1999 Professorin am Fachbereich Psychologie der PLUS, Leitung der Arbeitsgruppe Forensische und Klinische Psychologie des Kindes und Jugendalters. 2009–2020 eingetragene Gerichtssachverständige.

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Umschlagabbildung: © shutterstock.com/PolitePie

Satz: Matthias Lenke, Weimar

Format: EPUB

1. Auflage 2023

© 2023 Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen

(E-Book-ISBN [PDF] 978-3-8409-3022-5; E-Book-ISBN [EPUB] 978-3-8444-3022-6)

ISBN 978-3-8017-3022-2

https://doi.org/10.1026/03022-000

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|5|Vorwort

Seit den 1990er Jahren ist „sexueller Missbrauch“ einer meiner zentralen Arbeitsschwerpunkte – sowohl in meiner wissenschaftlichen Forschung als auch in meiner psychotherapeutischen, klinisch-psychologischen und forensischen Praxis. Bis dahin war dieses Thema für mich nur peripher bedeutsam. Erst als im Rahmen einer paartherapeutischen Behandlung ein Klient seinen sexuellen Missbrauch offengelegt hatte, begann ich mich intensiver mit sexuellem Missbrauch auseinanderzusetzen, und sukzessive wurde mir die gesellschaftliche Tragweite dieses Problems und dessen Relevanz für die Entwicklung vieler Kinder bewusst. In dieser Zeit sah ich mich häufig mit deutlichen Vorbehalten konfrontiert, mit denen viele Teile unserer Gesellschaft und auch die wissenschaftliche Community diesem Thema gegenübertraten. Von Wissenschaftlern wurde das Thema häufig als „zu politisch“ abgelehnt, und auch in der universitären Lehre mussten deutliche Widerstände überwunden werden, um den Studierenden eine fundierte Auseinandersetzung mit diesem Thema zu ermöglichen. Auch heute noch fühlen sich viele Menschen durch dieses Thema in unterschiedlicher und oft widersprüchlicher Weise emotional angesprochen, doch ist inzwischen eine deutlich sachlichere und fundiertere Diskussion möglich.

In den letzten Jahren wurde ich vielfach von Kolleg:innen angesprochen, wann es eine überarbeitete Auflage des mit meinem Kollegen Rudolf Wipplinger herausgegebenen Buches Sexueller Missbrauch. Überblick zu Forschung, Beratung und Therapie. Ein Handbuch geben würde. Immer wenn ein neuer systematischer sexueller Missbrauch entdeckt und auf breiter Ebene öffentlich diskutiert wurde, häuften sich diese Anfragen – und dies kam seit Erscheinen der letzten Auflage des Buches im Jahr 2005 häufig vor. Das angesprochene Buch war in die Jahre gekommen und aktuelle Entwicklungen und neuere empirische Evidenz waren darin nicht mehr abgebildet. Eine vierte Neuauflage erschien uns aber nicht zielführend und sinnvoll. So reifte die Entscheidung, in einer Monografie den Themenkomplex deutlich kompakter darzustellen und zu diskutieren als im doch sehr umfangreichen Herausgeberwerk. Auf der Grundlage der im Herausgeberbuch dargestellten Erkenntnisse sollte in dieser Monografie die Weiterentwicklung der empirischen Evidenz in allen wesentlichen Bereichen komprimiert erörtert werden. Neben aktuellen Erkenntnissen und Entwicklungen sollten daher auch bewährte Konzepte als Basis dieser Entwicklungen dargestellt und diskutiert werden.

|6|Das Ziel des nun vorliegenden Buches ist, einen zusammenfassenden Überblick zu Themenstellungen und Konzepten zu liefern, die ein fundiertes Verständnis des Problembereiches „sexueller Missbrauch an Kindern“ aufbauen und fördern. Die Arbeit an diesem Buch war vom Bemühen getragen, neben der Darstellung der empirischen Evidenz in relevanten Bereichen immer auch die Praxisrelevanz der Forschungsergebnisse zu thematisieren und aus den vorliegenden Erkenntnissen abzuleiten. Bei der Arbeit am Buch hatte ich sowohl Forscher:innen als auch Praktiker:innen unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen im Auge. Neben Psycholog:innen, Pädagog:innen, Psychotherapeut:innen und Mediziner:innen sollte das Buch auch für Personen anderer Berufsgruppen interessant sein.

Eingangs setzt sich das Buch mit grundlegenden Fragen zum Thema „sexueller Missbrauch“ auseinander, welche die Arbeit in diesem Themenfeld sowohl in der Forschung als auch in der Praxis begleiten. Die dargestellten internationalen Daten zur Verbreitung von sexuellem Missbrauch unterstreichen sowohl die weltweite Verbreitung als auch die hohe gesellschaftliche Bedeutung von sexuellem Missbrauch. In Kapitel 2 (Entstehungsfaktoren) geht es um die Frage, wie es zu einem sexuellen Missbrauch kommt, welche Bedingungen für dessen Vorkommen verantwortlich zu machen sind und welche Faktoren das Risiko für einen sexuellen Missbrauch erhöhen. In diesem Zusammenhang werden unterschiedliche Theorien und vielfältige Erkenntnisse dargestellt und diskutiert. Ziel war, die große Fülle an vorliegenden Daten und Erkenntnissen in einem bewährten Modell systematisierend zu integrieren. Einen breiten Raum im Buch nehmen Folgen ein (Kapitel 3), die ein sexueller Missbrauch nach sich ziehen kann. Die Entstehung der großen Vielfalt an Initialeffekten und Langzeitfolgen, die oft in komplexer Weise funktional miteinander verknüpft sind, wird anhand unterschiedlicher psychologischer und neurokognitiver Modelle erklärt, und es werden Daten zu spezifischen Risikofaktoren und deren Vorkommen beschrieben. Modelle zur Entstehung von Folgen sind untrennbar mit der Frage verbunden, wie Opfer eines sexuellen Missbrauchs das Erlebte bewältigen. Daher wird in Kapitel 4.2 die Bandbreite an Strategien dargestellt, die Opfer einsetzen, und diese werden hinsichtlich ihrer Funktionalität kritisch diskutiert. Erkenntnisse der Bewältigungsforschung wiederum bilden eine wichtige Grundlage für die Entwicklung psychotherapeutischer und präventiver Strategien. Das Kapitel 5 (Psychotherapie der Opfer) soll einen Überblick geben, welche spezifischen psychotherapeutischen Strategien und Methoden sowohl für kindliche als auch für erwachsene Opfer entwickelt wurden. Anhand der zentralen Erkenntnisse der Psychotherapieforschung in diesem Bereich wird die Wirksamkeit der unterschiedlichen Strategien kritisch diskutiert und die Empfehlungen wichtiger Fachgesellschaften werden zusammenfassend dargestellt. Die Ausführungen sollen Praktiker:innen bei einer fundierten und differenzierten Indikationsstellung unterstützen. Im abschließenden Kapitel 6 werden unterschiedliche Strategien der Prävention von sexuellem Missbrauch, die im Verlauf der Zeit entwickelt wurden, im Überblick dargestellt und |7|hinsichtlich ihrer unterschiedlichen Zielsetzungen und ihrer empirischen Evidenz kritisch diskutiert. Dabei werden Möglichkeiten aufgezeigt, die Effektivität dieses sehr wichtigen Bereiches zu erhöhen.

Ich möchte mich an dieser Stelle bei den Studierenden, die ich im Verlauf der Jahre kennenlernen durfte, für die vielen anregenden Diskussionen bedanken. Diese erbrachten wertvolle Impulse für meine Arbeit. Dank gilt auch meinen Klient:innen, deren psychotherapeutische Behandlungen oft mit großen Herausforderungen verbunden war, die aber auch die Chance boten, zu lernen und in wichtigen Bereichen meine Kompetenzen zu erweitern. Mein besonderer Dank gebührt jedoch meinem Kollegen und Partner Rudolf Wipplinger, ohne dessen immer verlässliche und wertvolle Unterstützung vieles nicht möglich gewesen wäre. Mit seiner großen Bereitschaft zum kritischen Diskurs und zum Hinterfragen bestehender Denkansätze und Strategien hat er wesentlich zur Erweiterung meiner Expertise und meines Erfolges beigetragen.

Salzburg, im Juni 2022

Gabriele Amann

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1  Grundlagen

1.1  Sexueller Missbrauch – Entwicklungen und Abgrenzung

1.1.1  Historische Entwicklung sexueller Kontakte zwischen Erwachsenen und Kindern

1.1.2  Sexueller Missbrauch – eine Begriffsklärung

1.1.3  Möglichkeiten einer Definition – Definitionskriterien

1.1.4  Definitionen – inhaltliche Schwerpunkte

1.1.5  Definition von sexuellem Missbrauch – ein Beispiel

1.1.6  Resümee

1.2  Häufigkeit von sexuellem Missbrauch – internationale Daten im Vergleich

1.2.1  Datenquellen – epidemiologische Studien vs. behördliche Statistiken

1.2.2  Internationale Daten zur Verbreitung von sexuellem Missbrauch

1.2.3  Große Varianz der Prävalenzen – Ursachen

1.2.3.1  Soziale und kulturelle Faktoren

1.2.3.2  Faktoren der Untersuchungsmethodik

1.2.4  Opfercharakteristika

1.2.5  Tätercharakteristika

1.2.6  Tatcharakteristika

1.2.7  Spezialbereich: Konsumenten von Kinderpornografie

1.2.8  Resümee

2  Entstehungsfaktoren

2.1  Motivation des Täters

2.1.1  Emotionale Kongruenz mit Kindern

2.1.2  Mängel in der Bedürfnisbefriedigung

2.1.3  Sexuelles Arousal – Pädophilie

2.1.4  Emotionsfokussiertes Coping

2.1.5  Psychische und psychopathologische Auffälligkeit

2.1.6  Opfer-Täter-Entwicklung

2.1.7  Jugendliche Sexualstraftäter

2.1.8  Integratives Modell

2.2  Innere Hemmnisse

2.2.1  Verzerrte kognitive Denkmuster

2.2.2  Persönlichkeitsvariablen

2.2.3  Alkohol- und Drogenmissbrauch

2.3  Äußere Hemmnisse

2.3.1  Mythen über sexuellen Missbrauch

2.3.2  Strafdrohung – strafrechtliche Verfolgung

2.4  Widerstand des Opfers

2.4.1  Relevante Faktoren

2.4.2  Täterstrategien – „Grooming“

2.5  Resümee

3  Folgen

3.1  Ätiologische Modelle

3.1.1  Bindungsrelevante Faktoren – Bindungsdynamik

3.1.2  Modell der traumatogenen Dynamiken

3.1.3  Neurokognitives Modell von Traumatisierungen

3.1.4  Kognitiv-emotionales Modell von Traumatisierungen

3.2  Methodische Aspekte

3.3  Initialeffekte

3.3.1  Ergebnisse von Metaanalysen

3.3.2  Spezifische Fragestellungen und Störungsbereiche

3.3.2.1  Folgen unterschiedlicher Traumata in der Kindheit

3.3.2.2  Intervenierende Variablen

3.3.2.3  Geschlechtsspezifische Effekte

3.3.2.4  Kleinkinder

3.3.2.5  Posttraumatische Belastungsstörung – Trauma-Entwicklungsstörung – komplexe Posttraumatische Belastungsstörung

3.3.2.6  Sexualisiertes Verhalten

3.3.2.7  Bindungsverhalten

3.3.2.8  Somatische Beschwerden

3.3.2.9  Akzeleration

3.3.2.10  Aggressive Verhaltensstörungen

3.3.2.11  Psychosen

3.3.2.12  Neurokognitive Effekte

3.3.2.13  Eltern – familiäres System

3.4  Langzeitfolgen

3.4.1  Empirische Evidenz

3.4.2  Ergebnisse von Metaanalysen

3.4.3  Spezifische Fragestellungen und Störungsbereiche

3.4.3.1  Folgen unterschiedlicher Traumata

3.4.3.2  Geschlechtsspezifische Effekte

3.4.3.3  Schuld, Scham und Ekel

3.4.3.4  Depression

3.4.3.5  Somatische Beschwerden und Probleme

3.4.3.6  Angst

3.4.3.7  Posttraumatische Belastungsstörung

3.4.3.8  Dissoziative Störungen

3.4.3.9  Borderline-Persönlichkeitsstörung

3.4.3.10  Selbstverletzendes Verhalten

3.4.3.11  Psychosen

3.4.3.12  Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS)

3.4.3.13  Substanzmissbrauch

3.4.3.14  Delinquenz

3.4.3.15  Sexualverhalten

3.4.3.16  Reviktimisierung

3.4.3.17  Partnerschaft

3.4.3.18  Anpassung

3.5  Resümee

4  Bewältigung

4.1  Bewertung des sexuellen Missbrauchs und dessen Folgen

4.1.1  Dysfunktionale Bewertungen

4.1.2  Protektive Bewertungen – Resilienzfaktoren

4.2  Strategien der Bewältigung

4.2.1  Vermeidendes Coping

4.2.2  Widerstand gegen den Missbrauch

4.2.3  Offenlegung – Suche nach Unterstützung

4.2.4  Konfrontation – kognitive Umstrukturierung

4.3  Prozesse und Reaktionen im Umfeld des Opfers

4.3.1  Soziale Unterstützung durch Eltern

4.3.2  Soziale Unterstützung durch Familie und Freundeskreis

4.3.3  Professionelle Unterstützung

4.4  Resümee

5  Psychotherapie der Opfer

5.1  Allgemeine Hinweise

5.2  Therapeutische Beziehung

5.3  Psychotherapeutische Prinzipien

5.3.1  Empfehlungen internationaler Gesellschaften

5.3.2  Ansätze, Elemente und Strukturen in der Psychotherapie von Missbrauchsopfern

5.4  Empirische Evidenz

5.4.1  Psychotherapie mit kindlichen Opfern

5.4.2  Psychotherapie mit erwachsenen Opfern

5.5  Spezifische psychotherapeutische Strategien – ausgewählte Beispiele

5.5.1  Kognitiv-emotionale Verarbeitung – Veränderung der inneren Repräsentationen

5.5.2  Ängste

5.5.3  Dissoziative Störungen

5.5.4  Sexualisiertes Verhalten – Sexualisierung

5.5.5  Partnerschaft – Sexualität

5.5.6  Empowerment

5.5.7  Gruppentherapie

5.6  Psychotherapie mit kindlichen Opfern eines sexuellen Missbrauchs

5.7  Resümee

6  Prävention von sexuellem Missbrauch

6.1  Entwicklung von Maßnahmen zur Prävention von sexuellem Missbrauch

6.2  Formen von Prävention

6.3  Prävention durch Öffentlichkeitsarbeit

6.3.1  Ziele und mögliche Inhalte von Öffentlichkeitsarbeit

6.3.2  Kampagnen gegen sexuellen Missbrauch

6.4  Prävention durch politische Initiativen

6.4.1  Legislative und Judikative

6.4.2  Prävention durch Beratung und Therapie

6.4.3  Prävention in Institutionen

6.5  Prävention durch Eltern, in der Schule und im Kindergarten

6.6  Präventionsprogramme für Kinder

6.6.1  Wirksamkeitsstudien – methodische Aspekte

6.6.2  Empirische Evidenz

6.6.3  Kritik an den Präventionsprogrammen

6.7  Prävention durch Maßnahmen für (potenzielle) Täter und Tätertherapie

6.7.1  Erziehung und Schule

6.7.2  Risikogruppen

6.7.3  Psychotherapie der Täter

6.8  Resümee

Literaturverzeichnis

|13|1  Grundlagen

1.1  Sexueller Missbrauch – Entwicklungen und Abgrenzung

1.1.1  Historische Entwicklung sexueller Kontakte zwischen Erwachsenen und Kindern

In der Geschichte der Menschheit sind sexuelle Kontakte zwischen Erwachsenen und Kindern vielfach belegt. Selbst sexuelle Kontakte zwischen erwachsenen Männern und sehr kleinen Mädchen waren in der Antike keine Seltenheit und wurden durch Schriften wie die Bibel und den Talmud sogar begünstigt. In dieser Zeit konnte ein Mädchen ab dem Alter von 3 Jahren und einem Tag durch Beischlaf verlobt werden. Wenn der Vater des Mädchens zustimmte, war dies legitim (Rush, Bartoszko & Miller, 1991). Es mussten noch viele Jahrhunderte vergehen, bis einem Kind das Recht auf Selbstbestimmung zuerkannt wurde. Ein Kind war Eigentum des Vaters, der in jeder Hinsicht das Verfügungsrecht über seine Kinder besaß. In der Antike war es nicht nur erlaubt, sondern sogar ehrenwert, wenn ein Vater seine Tochter zur Prostitution „verlieh“. Zur Schande wurde es nur, wenn dies ein Mädchen ohne die Zustimmung des Vaters tat. Kinder wurden als Sachwert angesehen, und wurden diese von jemand anderem „beschädigt“, beispielsweise, indem ihnen ohne Zustimmung des Vaters die Unschuld genommen wurde, so stand dem Vater ein angemessener Schadensersatz zu (Trube-Becker, 2005).

Von frühen sexuellen Kontakten waren jedoch nicht nur Mädchen betroffen, sondern auch Jungen. Ein von der intellektuellen Oberschicht im antiken Griechenland vertretenes pädagogisches Konzept sah die „Knabenliebe“ als normale und übliche Interaktion zwischen Lehrern und Schülern vor. Übergab ein Vater seinen Sohn einem Lehrer zur Ausbildung, so übertrug er ihm damit auch die Verfügungsgewalt über diesen, und der Junge hatte dem Lehrer zu dienen – auch in sexueller Hinsicht (DeMause, 1980/2007; Trube-Becker, 2005).

Erst ab dem Spätmittelalter, mit der Verbreitung der christlichen Verhaltensvorschriften, kam es zur Verurteilung von sexuellen Kontakten zwischen Erwachsenen und Kindern. Obwohl das kanonische Recht die Kinderehe verbot, war sie |14|dennoch auch in dieser Zeit weit verbreitet. Zum einen wurde das Alter von 7 Jahren als gesetzliches Mindestalter für eine Verlobung bzw. Heirat eines Mädchens angesehen, zum anderen wurde nach Kirchenmeinung ein Mädchen durch vaginale Penetration reif für die Ehe (Trube-Becker, 2005). In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass die Verurteilung von sexuellen Kontakten zwischen Erwachsenen und Kindern in erster Linie das Fehlverhalten der Erwachsenen fokussierte und die potenzielle Schädigung der betroffenen Kinder dabei keine Rolle spielte. Erst im Zuge der Aufklärung wurde die Kindheit als wichtige Entwicklungsphase erkannt, die durch derartige Übergriffe gefährdet würde (Cunningham & Ehrhardt, 2006). So wurden dem Wohl der Kinder und den Rahmenbedingungen für eine gedeihliche Entwicklung zunehmend Beachtung geschenkt und zu Beginn des 19. Jahrhunderts erste Kinderschutzeinrichtungen gegründet. Hier standen jedoch in erster Linie körperliche Misshandlungen und die Vernachlässigung von Kindern im Vordergrund. Die Thematisierung von sexuellen Übergriffen war demgegenüber noch bis zum Ende des 20. Jahrhunderts weitgehend ein Tabu.

Auch die Arbeiten von Sigmund Freud dürften hier ihren Beitrag geleistet haben. Betrachten wir die Werke von Freud in ihrer Gesamtheit, so fällt auf, dass Freud in seinen Theorien und Konzepten zu sexuellen Kontakten zwischen Erwachsenen und Kindern im Verlauf der Jahre einen deutlichen Wandel vollzogen hat. In seiner Verführungstheorie, dem Kernstück seiner frühen Arbeiten zur Hysterie, führt Freud die Symptomatik seiner Patientinnen auf frühe sexuelle Traumata zurück. Seine Ausführungen aus dieser Zeit stellen außer Zweifel, dass er die Schilderungen seiner Patientinnen von sexuellem Missbrauch in der Kindheit auf realer Grundlage fußend und erlebnisfundiert einschätzt und zugleich die Verantwortung für die Übergriffe den erwachsenen Personen – zumeist Familienmitgliedern – zuschreibt (Freud, 1991). Diese Konzeption gibt er in seinen späteren Arbeiten zum Ödipuskomplex jedoch auf. Hier rückt Freud den Kastrationskomplex ins Zentrum seiner Theorien, den er für das Entstehen von inzestuösen Wünschen und Fantasien bei Mädchen verantwortlich sieht (Freud, 1996). Damit rückt er von der eindeutigen Verantwortungszuschreibung an die Erwachsenen ab, die er noch im Rahmen seiner Verführungstheorie vertreten hatte, und befeuert auf diese Weise wesentlich die allgemein oft vertretene Auffassung des „verführenden Kindes“. Auch seine Annahme, dass hier Fantasie und Wirklichkeit oft verschwimmen würden, dient in der Folge als wissenschaftlicher Beleg für die weit verbreitete Ansicht, dass Schilderungen von Kindern über derartige Erlebnisse dem Bereich der Fantasie zuzuordnen wären.

Die zunehmende Thematisierung der Problemfelder der häuslichen und sexuellen Gewalt gegen Frauen und Kinder ist dem Feminismus zu verdanken, der sich in den 1970er Jahren zunehmend verbreitete. Die gleichzeitig stattfindende sexuelle Revolution und Liberalisierung konterkarierte aber aus heutiger Sicht manche der im Verlauf stattfindenden Bestrebungen um den Kinderschutz. Unter |15|dem Deckmantel einer freien und liberalen Sexualität wurde versucht, sexuelle Kontakte zwischen Erwachsenen und Kindern zu enttabuisieren und zu legalisieren. Diese Auffassung wird bis heute noch von manchen Gruppierungen vertreten (Kerscher, 1973; Potrykus & Wöbcke, 1974). Die Vereinigung der Sexualwissenschaft veranstaltete im Mai 1983 in Utrecht ein Symposium mit dem Titel „Inzest – Gewagte Beziehung oder Ausbeutung?“, in welchem die Diffamierung der Väter angeprangert wurde (Rijnaarts, 1991). Aus Berichten direkt Betroffener wissen wir heute, dass in manchen der sich in dieser Zeit etablierenden neuen Lebensformen – den Kommunen – die freie und offene Sexualität nicht nur zwischen den erwachsenen Mitgliedern gelebt wurde, sondern auch Kinder involviert waren. Das Verbot sexueller Kontakte zwischen Kindern und Erwachsenen wurde als Beschränkung der sexuellen Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes gesehen, und der Kampf gegen autoritäre Strukturen, überkommene Ideologien und Beschränkungen der persönlichen Freiheit schloss auch diesen Bereich mit ein. Diesem gut gemeinten Ansatz liegt jedoch ein grundlegender Fehler zugrunde. Die Funktionen und Strukturen einer erwachsenen Sexualität werden auf Kinder übertragen und dabei wird außer Acht gelassen, dass die Sexualität der Kinder anderen Prinzipien folgt (Quindeau & Brumlik, 2012). Kindliche Sexualität und sexuelle Bedürfnisse von Kindern unterscheiden sich grundlegend von jenen der Erwachsenen. Die Überlegenheit von Erwachsenen in Autorität, Macht und Wissen führt zwangsläufig dazu, dass diese sich an ihren eigenen Bedürfnissen orientieren. Bereits Ferenzci (1933) wies auf die Gefahr hin, dass Erwachsene eigene Wünsche und Vorstellungen als die des Kindes interpretieren.

In gleicher Weise wie in Politik und Gesellschaft gewann das Thema „sexueller Missbrauch“ gegen Ende des 20. Jahrhunderts auch in der wissenschaftlichen Forschung zunehmend an Bedeutung. Wies die deutschsprachige Datenbank „Psyndex“ im Jahr 1987 15 Publikationen und die englischsprachige Datenbank „Psychlit“ 72 Publikationen zu diesem Thema auf, so ist im Jahr 1995 mit 113 bzw. 723 ein enormer Zuwachs einschlägiger Veröffentlichungen festzustellen. Für das Jahr 2018 verzeichnet das weltweite und internationale wissenschaftliche Literatursuchsystem „LibWeb“ (www.lib-web.org) 1 638 Einträge zum Thema „sexual abuse“.

1.1.2  Sexueller Missbrauch – eine Begriffsklärung

Der Begriff sexueller Missbrauch wird nicht nur im wissenschaftlichen Kontext, sondern auch in der Alltagssprache breit verwendet und ist allgemein verständlich, dennoch werden in diesem Zusammenhang auch andere Begriffe und Bezeichnungen gebraucht. Deshalb erscheint eine Begriffsklärung angezeigt, um den Bedeutungshintergrund und Bedeutungsumfang des Begriffes „sexueller Missbrauch“ zu klären und festzulegen und somit einen eindeutigen und präzisen Gebrauch des Begriffes sicherzustellen. Dies soll Missverständnissen vorbeugen.

|16|Waren früher Begriffe wie „Unzucht“, „Notzucht“, „Blutschande“ oder „Beziehungsschande“ bzw. „sodomy“ und „incest“ in Verwendung, um das Phänomen der sexuellen Kontakte zwischen Erwachsenen und Kindern zu beschreiben, so hat sich ab den 1990er Jahren zunehmend der Begriff „sexueller Missbrauch“ und „sexual abuse“ durchgesetzt. Diese Entwicklung gründet sich im Wesentlichen auf eine sich zunehmend veränderte Sichtweise und Einschätzung dieses Phänomens. Als begonnen wurde, sich von wissenschaftlicher Seite ernsthaft mit diesem Phänomen auseinanderzusetzen, geschah dies in erster Linie unter dem Fokus des „Triebverbrechens“ von psychisch kranken und amoralischen Einzeltätern1 (z. B. Krafft-Ebing, 1912/1984). Durch die gesellschaftlichen Entwicklungen rückte jedoch zunehmend das Konzept des „Machtmissbrauchs“ in den Fokus der wissenschaftlichen Auseinandersetzung und der Erklärung dieses Phänomens (z. B. Brockhaus & Kolshorn, 1993). Dies schlug sich entsprechend auch in der Terminologie und den gesellschaftlichen und politischen Diskussionen nieder.

Hinter der Begriffswahl von Autor:innen steht zumeist die Motivation, einen Schwerpunkt in der Auseinandersetzung mit dem Phänomen zu setzen und diesen auch den Rezipient:innen gegenüber zu verdeutlichen. Wird bei „Inzest“ bzw. „incest“ (z. B. Joyal, Carpentier & Martin, 2016) der enge Verwandtschaftsaspekt in den Vordergrund gerückt, werden bei der Verwendung von Begriffen wie „sexuelle Gewalt“ (z. B. Kavemann & Lohstöter, 1993), „sexuelle Misshandlung“ (z. B. Glöer & Schmiedeskamp-Böhler, 1993), „sexual maltreatment“ (z. B. Armiento, Hamza, Stewart & Leschied, 2016) oder „sexuelle Verletzung“ (z. B. Breitenbach, 1994) eher körperliche Aspekte oder Aspekte der Schädigung betont. Die Verwendung des Begriffs „sexueller Übergriff“ (z. B. Conen, 2005) unterstreicht den Aspekt der Grenzverletzung, während Begriffe wie „sexuelle Ausbeutung“ (z. B. Gloor & Pfister, 1996), „sexual exploitation“ (z. B. Mitchell et al., 2017) oder „sexueller Missbrauch“ (z. B. Fegert, Hoffmann, König, Niehues & Liebhardt, 2015) die Ausnutzung eines Machtverhältnisses kennzeichnen. Die Verwendung von Begriffen wie „sexuelle Belästigung“ bzw. „sexual molestation“ (z. B. Gönültaş & Sahin, 2018; Staudinger, 1998) will möglicherweise den Einschluss von leichteren Formen wie Nichtkontakthandlungen betonen.

In diesem Buch soll einheitlich ab hier der Begriff „sexueller Missbrauch“ verwendet werden. Zum einen, weil er sich gegenüber der Vielzahl anderer verwendeter Begriffe zunehmend durchgesetzt hat, um sexuelle Kontakte zwischen Erwachsenen und Kindern zu benennen. Zum anderen, weil der Bedeutungshintergrund dieses Begriffes am „wertneutralsten“ einzuordnen ist. Weder impliziert er eine Verharmlosung, die mit Begriffen wie „Belästigung“ oder „Übergriff“ möglicher|17|weise verbunden werden, noch schließt er Aspekte wie Gewalt, Verletzung oder Schädigung explizit mit ein, die Begriffe wie „sexuelle Gewalt“ oder „sexuelle Misshandlung“ nahelegen. Auf den Zusatz „Kind“ wird bewusst verzichtet, um den Begriff „sexueller Missbrauch“ ausschließlich auf sexuelle Kontakte zwischen Erwachsenen und Kindern sowie kognitiv beeinträchtigten Personen einzuschränken. Diese klare begriffliche Trennung erscheint wichtig, weil ungewollten sexuellen Kontakten zwischen erwachsenen Personen eine andere Qualität zukommt. In der Regel ist das Gefälle von Autorität, Macht und Wissen zwischen Erwachsenen und Kindern deutlich größer und die kindliche Psyche fragiler – mit entsprechend schwerwiegenderen Konsequenzen im Hinblick auf Folgen.

1.1.3  Möglichkeiten einer Definition – Definitionskriterien

Oftmals ist es erstaunlich, welch unterschiedliche und manchmal auch widersprüchliche Ergebnisse die wissenschaftliche Forschung erbringt. Diese Divergenzen sind häufig darauf zurückzuführen, dass in der Beschreibung des Untersuchungsgegenstandes zwar derselbe Begriff verwendet wird, eine genauere Betrachtung jedoch verdeutlicht, dass in den Studien tatsächlich deutlich voneinander abweichende Aspekte des Untersuchungsgegenstandes untersucht wurden. In diesem Zusammenhang ist interessant, dass eine weltweite Befragung von Expert:innen, was als sexueller Missbrauch gesehen wird, auf deutliche Unterschiede in der Bedeutungszuschreibung hinweist. Besteht hinsichtlich des Verhaltens von Personen, die dem Opfer nahestehen, noch eine hohe Übereinstimmung, unterscheiden sich die Einschätzungen in anderen Kontexten, wie der Missbrauchshandlung, deutlich (Dubowitz, 2017). Daher ist für eine unmissverständliche und klare Kommunikation eine präzise und eindeutige Definition jenes Gegenstandes, über den kommuniziert werden soll, von zentraler Bedeutung. Dies ist eine wichtige Voraussetzung, um eindeutige wissenschaftliche Aussagen zu treffen. Wissenschaftliche Erkenntnisse und Aussagen zu den Entstehungsbedingungen und den Folgen von einem sexuellen Missbrauch werden erst verständlich, wenn wir wissen, auf welchen Gegenstandsbereich genau sich diese Aussagen beziehen, d. h. wie in diesem konkreten Fall sexueller Missbrauch definiert wurde. In der epidemiologischen Forschung, bei der Erhebung von Prävalenzraten zum sexuellen Missbrauch, kommt der Definition eine zentrale Bedeutung zu und sie erklärt die hohe Varianz der gefundenen Raten. Auch für die Entwicklung präventiver Strategien und den Vergleich ihrer Effektivität ist eine einheitliche Definition von sexuellem Missbrauch entscheidend (Mathews & Collin-Vézina, 2019). In Kapitel 1.1.4 wird dies noch expliziter behandelt werden.

Eine Definition ist eine Festsetzung, die einen zumeist neuen oder unbekannten Begriff durch bekannte Begriffe erklärt. In einer Definition werden somit Wörter und deren Bedeutungen gleichgesetzt – auf der einen Seite steht der zu definie|18|rende Begriff, auf der anderen Seite die definierenden Begriffe (Bunge, 1967). Eine sinnvolle und brauchbare Definition ist nur dann gegeben, wenn diese Definition vollständig jene Merkmale enthält, welche für die Definition signifikant sind. Zudem sollten diese Merkmale operationalisierbar, d. h. überprüfbar sein. Darüber hinaus darf eine Definition nicht zirkulär erfolgen, d. h. ein Begriff darf nicht unter Verwendung desselben Begriffs erklärt werden.

Eine Analyse der Veröffentlichungen zum Thema „sexueller Missbrauch“ ergibt eine hohe Zahl von unterschiedlichsten Definitionen des Gegenstandsbereiches. Man ist sogar versucht zu sagen, dass beinahe so viele Definitionen wie Autor:innen in diesem Bereich existieren. Eine ausführlichere und detaillierter Analyse kann bei Wipplinger und Amann (2005) nachgelesen werden. Auf der Grundlage dieser Analyse ist es möglich, Merkmale bzw. Definitionskriterien zu isolieren, die von den jeweiligen Autor:innen herangezogen werden, um „sexuellen Missbrauch“ zu definieren. Betrachten wir die gängigen Definitionskriterien unter dem Blickwinkel ihrer Operationalisierbarkeit, lassen sich zentrale Kriterien von weiteren Kriterien unterscheiden (siehe Tabelle 1.1). Es fällt auf, dass sich neuere Definitionen zumeist auf zentrale Kriterien beschränken, und weitere Kriterien gehäuft in älteren Definitionen zu finden sind. Hier dürfte die Erkenntnis um die Notwendigkeit von brauchbaren, d. h. eindeutigen Definitionskriterien ihren Niederschlag gefunden haben.

Tabelle 1.1:  Definitionskriterien für „sexuellen Missbrauch“

Zentrale Kriterien

Weitere Kriterien

Alter des Opfers

Altersdifferenz zwischen Opfer und Täter

Art der sexuellen Handlung (Ausmaß, Dauer)

Absicht des Täters

fehlendes Einverständnis des Opfers

Missachtung des Willens des Opfers

mangelnde Empathie für das Opfer

Sich-missbraucht-Fühlen beim Opfer

Folgen für das Opfer

Ausübung von Zwang und Gewalt durch den Täter

Zwang zur Geheimhaltung

kulturelle Hintergründe

Art der Beziehung zwischen Opfer und Täter

Das Alter des Opfers stellt ein wesentliches Definitionskriterium dar und wird in nahezu allen Definitionen berücksichtigt. Wir finden jedoch eine große Schwankungsbreite, die im Wesentlichen von 12 (z. B. Dos Santos Silva & de Oliveira Barroso-Júnior, 2016; Miron & Orcutt, 2014) bis 18 Jahre (z. B. Choudhry et al., 2018) reicht. Auch eine Altersdifferenz zwischen Opfer und Täter fließt mit einer gewissen |19|Schwankungsbreite in viele Definitionen ein. Bei Elliger und Schötensack (1991) liegt die Altersdifferenz bei +/– 2 Jahre, bei Huang, Zhang, Momartin, Huang und Zhao (2008) oder Aakvaag et al. (2016) muss der Täter 5 Jahre älter sein als das Opfer. Das Kriterium der Altersdifferenz zwischen Opfer und Täter wurde eingeführt, um sexuelle Kontakte zwischen Gleichaltrigen, die im Rahmen der sexuellen Entwicklung von Kindern durchaus üblich sind, als sexuellen Missbrauch auszuschließen. Dennoch ist es fraglich, ob derartige, zwischen Kindern einer vergleichbaren Altersstufe stattfindende Kontakte tatsächlich von beiden Seiten gewollt und damit nicht doch als sexueller Missbrauch zu qualifizieren sind. Bereits Brockhaus und Kolshorn (1993) haben hierzu kritisch ausgeführt, dass sich Gleichaltrige unterschiedlich entwickeln können und es somit möglich ist, dass einer der Beteiligten seinen Wissens- oder Kompetenzvorsprung ausnutzt, um dem anderen Handlungen zur Verwirklichung eigener Ziele aufzuzwingen.

Auch im Hinblick der Art der sexuellen Handlung finden wir eine große Bandbreite. Prinzipiell wird hier zwischen Kontakthandlungen und Nichtkontakthandlungen unterschieden. Manche Definitionen beschränken sich auf Kontakthandlungen (z. B. Afifi et al., 2016), andere setzen sogar Penetration voraus, was man allerdings vorwiegend in älteren Studien findet (z. B. Choquet, Darves-Bornoz, Ledoux, Manfredi & Hassler, 1997). So fordert Bagley (1995), sexuellen Missbrauch möglichst auf Kontakthandlungen zu beschränken, da diese mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Schädigung und psychischen Beeinträchtigungen des Opfers führen. Demgegenüber folgen viele Autor:innen der sehr frühen Empfehlung von Finkelhor und Hotaling (1984) und schließen auch Nichtkontakthandlungen in ihre Definition von sexuellem Missbrauch ein, um das Problemfeld des sexuellen Missbrauchs in seinen unterschiedlichsten Facetten abzubilden (z. B. Pereda, Abad & Guilera, 2016).

Eine Broschüre des CDC (Centers of Disease Control and Prevention) in den USA (Leeb, Paulozzi, Melanson, Simon & Arias, 2008) liefert im Zuge ihrer Definition von sexuellem Missbrauch eine sehr umfassende Auflistung entsprechender Handlungen. In dieser Definition wird zwischen drei Arten von sexuellen Handlungen unterschieden: Kontakthandlungen mit Penetration, Kontakthandlungen ohne Penetration und Nichtkontakthandlungen. Im Bereich der Kontakthandlungen mit Penetration werden Genital-Genital-Penetrationen, Mund-Genital-Penetrationen und genitale Penetrationen durch das Einführen von Hand, Finger oder Gegenständen aufgelistet, wobei der genitale Bereich den Penis, die Vulva und den Anus umfasst. Die Penetration kann auch geringfügig sein und zudem können dabei auch dritte Personen involviert sein. Kontakthandlungen ohne Penetration umfassen ein intentionales Berühren von Genitalien, Anus, Leistengegend, Brüsten, Innenseiten der Oberschenkel und Gesäß, sowohl nackt als auch bekleidet. Darunter fallen sowohl Berührungen des Kindes als auch Berührungen durch das Kind, auch an dritten Personen. Als Nichtkontakthandlungen werden genannt: Das Kind mit sexuellen Aktivitäten zu konfrontieren (beispielsweise durch Porno|20|grafie, Exhibitionismus oder Voyeurismus), Aufnahmen des Kindes in sexuellen Posen oder bei sexuellen Handlungen anzufertigen, sexuelle Belästigungen des Kindes, das Kind der Prostitution zuführen oder diese zu unterstützen.

Das Kriterium der Absicht des Täters umfasst im Wesentlichen den Umstand, dass Täter ihre Opfer zur Befriedung ihrer eigenen Bedürfnisse benutzen, wobei neben sexuellen Bedürfnissen auch weitere Bedürfnisse, wie das Bedürfnis nach Machtausübung oder nach Nähe, zu berücksichtigen sind (z. B. Gloor & Pfister, 1996).

Das fehlende Einverständnis des Opfers wird in vielen Definitionen angesprochen (z. B. World Health Organization [WHO], 2006). Hier handelt es sich dennoch um ein problematisches und entsprechend auch sehr umstrittenes Kriterium. Um sein Einverständnis geben zu können, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein. Das Kind muss über entsprechendes Wissen und eine entsprechende Urteilskompetenz verfügen und sein Einverständnis eigenständig und freiwillig treffen können. Es muss die von ihm gewünschte Handlung als sexuelle Handlung einordnen können, über ein ausreichendes, diesen Bereich betreffendes Wissen verfügen und auch abschätzen können, welche kurz- und langfristigen Konsequenzen diese Handlung nach sich ziehen kann. Nur unter diesen Voraussetzungen ist eine informierte Zustimmung des Kindes möglich. Zudem müsste das Kind seine Entscheidung ohne Zwang oder Druck frei treffen und seine Zustimmung jederzeit widerrufen können. Es kann ausgeschlossen werden, dass dieser komplexe Zusammenhang von Ressourcen, Möglichkeiten und Rahmenbedingungen bei Kindern tatsächlich vorliegt. Dennoch wird von Laien und in manchen wissenschaftlichen Ansätzen die These vertreten, dass Kinder sexuellen Handlungen mit Erwachsenen zustimmen können (Baurmann, 1991; Ondersma et al., 2001; Rind, Tromovitch & Bauserman, 1998).

In vielen Definitionen wird auch die Missachtung des Willens des Opfers angesprochen. „Gegen den Willen des Kindes“ ist eine häufig verwendete Formulierung (z. B. Hébert, Amédée, Blais & Gauthier-Duchesne, 2019). Dieses Kriterium setzt jedoch voraus, dass Kinder hinsichtlich der Handlungen, die von ihnen gewünscht werden, zu einer Willensbildung fähig sind. Vergleichbar mit der informierten Zustimmung fußen auch die Willensbildung und Willensäußerung auf ähnlichen Voraussetzungen und kommen auf der Basis eines vergleichbar komplexen Prozesses zustande. Daher ist auch dieses Kriterium trotz seiner breiten Akzeptanz als problematisch einzustufen (siehe auch Bange, 1994).

Als weiteres Definitionskriterium ist die mangelnde Empathie für das Opfer zu nennen. Manche Autor:innen führen die mangelnde Einfühlung des Täters hinsichtlich des Erlebens seines Opfers als einen ergänzenden Aspekt in die Definition von sexuellem Missbrauch ein (z. B. Richter-Appelt, 1995). Dieses Kriterium ist quasi als Bindeglied zu sehen zwischen der Absicht des Täters, seine eigenen Bedürfnisse zu befriedigen, dabei die Gefühle und das Erleben des Opfers nicht zu beachten und letztlich gegen den Willen des Kindes zu handeln.

|21|Hinter dem Kriterium des Sich-missbraucht-Fühlens steht der Versuch, das Erleben des Opfers heranzuziehen, um einen sexuellen Missbrauch von anderen Handlungen abzugrenzen (z. B. Gaenslen-Jordan, Appelt & Osterroht, 1990). Doch das Erleben der Opfer ist so vielfältig und weist so viele Facetten auf, dass nicht alle Opfer das Gefühl haben, missbraucht zu werden bzw. missbraucht worden zu sein. Aufgrund dieser Divergenz zwischen subjektivem Erleben und objektivem Geschehen ist auch dieses Kriterium hinsichtlich seiner Brauchbarkeit kritisch zu hinterfragen. Ein derartiges Erleben wird vielmehr von den Rahmenbedingungen des Missbrauchs, dem Selbstbild des Opfers und den gesellschaftlichen Normen und Werten abhängen (Finkelhor, 1979/2014).

Als weiteres, das Opfer betreffende Kriterium werden häufig Folgen für das Opfer in die Definition von sexuellem Missbrauch integriert. Zumeist erfolgt ein Hinweis auf das mit dem Missbrauch verbundene Trauma und auf kurz- oder langfristige Folgen (z. B. Bagley & King, 1991). Auch bei diesem Definitionskriterium besteht das Problem, dass nicht alle Opfer von sexuellem Missbrauch Traumafolgestörungen entwickeln (z. B. Kendall-Tackett, Meyer Williams & Finkelhor, 2005), wodurch die Brauchbarkeit dieses Kriteriums ebenfalls infrage zu stellen ist.

Um den Hintergrund bzw. die Rahmenbedingungen von sexuellem Missbrauch näher darzustellen, lassen manche Autor:innen Strategien von Tätern in ihre Definitionen einfließen. Hinweise auf die Ausübung von Zwang und Gewalt durch den Täter oder den Zwang zur Geheimhaltung sind häufig zu finden (z. B. Bange & Deegener, 1996). Wie bei den anderen „weiteren Definitionskriterien“ gilt auch für diese Kriterien, dass sie als Definitionsmerkmale wenig brauchbar sind, weil nicht alle Täter diese Strategien einsetzen. Eine Aufnahme dieser Kriterien in die Definition hätte zur Folge, dass viele Fälle von sexuellem Missbrauch nicht als sexueller Missbrauch zu klassifizieren wären (Bange, 1994). Viele Täter setzen ihre Missbrauchshandlungen ohne den Gebrauch von körperlicher Gewalt um. Zwar nutzen sie das bestehende Machtverhältnis und ihre Überlegenheit, eine nicht zu vernachlässigende Zahl der Täter verzichtet jedoch auf den Einsatz von direktem Zwang, indem sie beispielsweise negative Konsequenzen oder Gewalt nur androht. Eine etwas spezifischere Strategie in diesem Zusammenhang ist der Zwang zur Geheimhaltung. Hier droht der Täter den Opfern für den Fall, dass sie den Missbrauch offenlegen, mit negativen und z. T. schwerwiegenden Konsequenzen für sie selbst oder deren Angehörigen. So wird beispielsweise damit gedroht, dass die Mutter oder der Vater das Kind nicht mehr lieb hätten, das Kind in ein Heim käme oder den Liebsten etwas Schlimmes passieren würde.

Die Abgrenzung von sexuellem Missbrauch und „normalen“ zwischenmenschlichen Interaktionen ist nicht immer einfach. Dies gelingt oft nur über eine genauere Spezifikation des Kontextes und der Rahmenbedingungen der Missbrauchshandlungen. Um diesem Gesichtspunkt Rechnung zu tragen, werden von manchen |22|Autor:innen Aspekte integriert, die sich unter dem Kriterium der kulturellen Hintergründe zusammenfassen lassen (z. B. Kempe & Kempe, 1984). So existieren große kulturelle Unterschiede dahingehend, welche Interaktionen zwischen Personen bzw. zwischen den Geschlechtern und Generationen aufgrund bestehender kultureller Normen toleriert werden. Dies schließt auch den Umgang mit Nacktheit, den Umgang mit dem eigenen Körper oder dem Körper anderer ein. Diese Unterschiede reichen bis in Subkulturen einer Gesellschaft, selbst Familien unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Tabus, die sich aber abhängig vom Alter der Kinder und dem Situationskontext auch wieder ändern.

Wenn Autor:innen sich in ihren Ausführungen auf bestimmte Formen von sexuellem Missbrauch beziehen, wie den Inzest oder den intrafamiliären Missbrauch, so schlägt sich dies entsprechend in der Definition nieder, indem die Art der Beziehung zwischen Opfer und Täter genauer spezifiziert wird. Deshalb ist auch dieses Kriterium in manchen Definitionen von sexuellem Missbrauch zu finden (z. B. Hirsch, 2013; Trepper & Barrett, 1991).

1.1.4  Definitionen – inhaltliche Schwerpunkte

Um sich einen Überblick zu den vielfältigen Definitionsversuchen zu verschaffen, ist es neben der Analyse der Definitionskriterien möglich, Definitionen hinsichtlich ihrer inhaltlichen Schwerpunktsetzung zu ordnen und entsprechend zu klassifizieren, wobei innerhalb einer Definition durchaus mehrere inhaltliche Schwerpunkte vorkommen können.

Die in Fachkreisen am häufigsten getroffene Unterscheidung von Definitionen bezieht sich auf die Weite bzw. Enge einer Definition. Enge Definitionen sind präzise formuliert und versuchen durch die Anwendung von zentralen und gut operationalisierbaren Kriterien einen sexuellen Missbrauch gegenüber anderen Handlungen klar abzugrenzen. Entsprechend beschränken diese Definitionen die sexuellen Handlungen auf Kontakthandlungen, in vielen Fällen sogar ausschließlich auf Kontakthandlungen mit Penetration. Zudem werden bei engen Definitionen zumeist niedrigere Altersgrenzen vorgegeben, um tatsächlich nur kindliche Opfer zu erfassen. Der Vorteil von engen Definitionen ist, dass sie eine möglichst homogene und trennscharfe Stichprobe garantieren. Der Nachteil besteht darin, dass sexueller Missbrauch nicht in all seinen Facetten abgebildet wird und damit die Generalisierbarkeit der gewonnen Daten und Erkenntnisse nur bedingt gegeben ist.

Demgegenüber schließen weite Definitionen die unterschiedlichsten Formen von sexuellem Missbrauch, d. h. auch Nichtkontakthandlungen, mit ein und erfassen zumeist auch ein breiteres Altersspektrum, das manchmal bis zum Erwachsenenalter des Opfers reichen kann. Weite Definitionen zielen darauf ab, sexuellen Miss|23|brauch in seiner gesamten Bandbreite zu erfassen. Dies bringt jedoch mit sich, dass möglicherweise auch Fälle eingeschlossen werden, die keinen sexuellen Missbrauch im eigentlichen Sinn darstellen, und somit auf dieser Grundlage gewonnene Erkenntnisse bzw. Ergebnisse nicht mehr eindeutig zu interpretieren sind.

Neben der Klassifikation von engen und weiten Definitionen, die als Kontinuum zu verstehen ist, lassen sich noch weitere Schwerpunktsetzungen finden. Definitionen lassen sich in gesellschaftliche, feministische, entwicklungspsychologische, klinische und juristische Definitionen einteilen.

Gesellschaftliche Definitionen weisen in besonderem Maß auf die in unserer Gesellschaft verankerten Autoritäts- und Gewaltstrukturen hin, von welchen die Interaktionen zwischen Erwachsenen und Kindern wesentlich bestimmt werden. Sie betonen, dass Erwachsene und Kinder über ein unterschiedliches Ausmaß an Ressourcen verfügen und dies zu einem deutlichen Machtgefälle zwischen Erwachsenen und Kindern führt. Aufgrund dieses Machtgefälles ist es erwachsenen oder jugendlichen Tätern möglich, ihre Bedürfnisse und Interessen jüngeren Kindern gegenüber durchzusetzen.

Feministische Definitionen sind gesellschaftlichen Definitionen ähnlich, treffen jedoch im Hinblick auf das Geschlecht des Opfers und Täters eine eindeutige Festsetzung. So wird sexueller Missbrauch als die Ausnutzung der männlichen Macht- und Autoritätsverhältnisse gegenüber weiblichen Opfern verstanden, als sexualisierte Gewaltanwendung, die ihre Wurzeln in den patriarchalen Gesellschaftsstrukturen hat. Selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, dass weibliche Opfer und männliche Täter deutlich überwiegen (Kendall-Tackett, Williams & Finkelhor, 1993), ist diese Geschlechterfestsetzung problematisch, da ein sexueller Missbrauch von männlichen Opfern und Täterinnen damit ausgeschlossen wird.

Demgegenüber werden von entwicklungspsychologischen Definitionen Aspekte der kindlichen Entwicklung betont. Entwicklungspsychologische Definitionen weisen auf den Entwicklungsstand des Kindes hin und die damit verbundenen Mängel an physischen, psychischen und kognitiven Fähigkeiten und Ressourcen, die dafür verantwortlich sind, dass Kinder und Jugendliche die gesamte Tragweite von sexuellen Handlungen nicht einschätzen können und es ihnen somit auch nicht möglich ist, derartigen Handlungen zuzustimmen.

Der Schwerpunkt klinischer Definitionen liegt in der Betonung des Traumas, das einem sexuellen Missbrauch innewohnt, und den Störungen und Problemen, die ein sexueller Missbrauch nach sich ziehen kann. An klinischen Definitionen ist problematisch, dass nicht in allen Fällen eine Traumatisierung stattfindet und kein eindeutiger Zusammenhang zwischen sexuellem Missbrauch und bestimmten Folgestörungen besteht. Vielmehr können beinahe alle psychischen Störungen und Auffälligkeiten als Folge von sexuellem Missbrauch auftreten und zudem kann |24|– wie bereits erwähnt – auch ein gewisser Anteil der Opfer von sexuellem Missbrauch symptomfrei bleiben (siehe dazu auch Kapitel 3). Unter konsequenter Anwendung klinischer Definitionen würden wir diesen Personen absprechen, sexuell missbraucht worden zu sein, denn diese Definition setzt fest, dass nur jene Personen missbraucht worden sind, die ein Trauma erlebt und Folgestörungen entwickelt haben. Eine klinische Definition wäre nur sinnvoll und brauchbar, wenn es zwischen diesen Variablen spezifische und eindeutige Zusammenhänge geben würde.

Juristische Definitionen – auch normative Definitionen genannt (Bange, 2004) – finden wir in den Gesetzestexten zum Sexualstrafrecht. Als Grundlage für die Rechtsprechung zielen sie darauf ab, einen sexuellen Missbrauch eindeutig von anderen Handlungen abzugrenzen und damit falsch-positive Urteile zu vermeiden. Ein wesentliches Merkmal juristischer Definitionen sind ihre möglichst eindeutigen und überprüfbaren Kriterien. Im österreichischen Strafgesetzbuch finden wir sie im 10. Abschnitt, „Strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung“, wobei der sexuelle Missbrauch an Kindern spezifisch in den §§ 206 und 207 erfasst ist (Rechtsinformationssystem des Bundes, 2018a, 2018b). Im Deutschen Strafgesetzbuch sind die juristischen Definitionen zum sexuellen Missbrauch im Wesentlichen im 13. Abschnitt, „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“, zusammengefasst. Sexueller Missbrauch an Kindern wird durch die §§ 176, 176a und 176b erfasst. Inzest wird im 12. Abschnitt, „Straftaten gegen den Personenstand, die Ehe und die Familie“, unter § 173 beschrieben (dejure.org Rechtsinformationssysteme). Im Schweizer Strafgesetzbuch finden wir die entsprechenden Gesetzesnormen im Zweiten Buch, 5. Titel, „Strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität“, und im 6. Titel, „Verbrechen und Vergehen gegen die Familie“ (Art. 213), (Schweizerische Eidgenossenschaft, 1991a, 1991b). Es fällt auf, dass im Schweizer Strafgesetzbuch der Terminus „sexueller Missbrauch“ nicht aufscheint, die einschlägigen Artikel tragen den Titel „sexuelle Handlungen“ (Art. 187, 188).

1.1.5  Definition von sexuellem Missbrauch – ein Beispiel

Im Jahr 1999 organisierte die WHO eine Tagung internationaler Expert:innen, um das Problemfeld des sexuellen Missbrauchs zu diskutieren und konkrete Initiativen zu implementieren. Im Rahmen dieser Tagung einigten sich die Teilnehmenden auf folgende Definition von sexuellem Missbrauch, die bis heute allen einschlägigen Publikationen der WHO zugrunde liegt.

Child sexual abuse is the involvement of a child in sexual activity that he or she does not fully comprehend, is unable to give informed consent to, or for which the child is not developmentally prepared and cannot give consent, or that violate the laws or social taboos of society. Child sexual abuse is evidenced by this activity between a child and |25|an adult or another child who by age or development is in a relationship of responsibility, trust or power, the activity being intended to gratify or satisfy the needs of the other person. This may include but is not limited to:

The inducement or coercion of a child to engage in any unlawful sexual activity.

The exploitative use of child in prostitution or other unlawful sexual practices.

The exploitative use of children in pornographic performances and materials (WHO, 1999, pp. 15 f.).

Diese Definition schließt mehrere der oben genannten Kriterien mit ein. Das Alter des Opfers wird mit der Lebensspanne der Kindheit festgesetzt, jedoch ohne eine konkrete Altersgrenze vorzugeben. Auch hinsichtlich der Altersdifferenz zwischen Täter und Opfer wird auf eine konkrete Altersspanne verzichtet, es wird nur auf einen Alters- oder Entwicklungsvorsprung des Täters hingewiesen. Die Art der sexuellen Handlung wird nicht näher spezifiziert, sie wird lediglich als sexuelle Aktivität bezeichnet, die das Opfer nicht zur Gänze versteht, die nicht seinem Entwicklungsstand entspricht oder die gegen gesetzliche Vorschriften bzw. gesellschaftliche Tabus verstößt. Der Definition angeschlossen werden einige Beispiele mit dem expliziten Hinweis auf deren Unvollständigkeit. Im Hinblick auf die Absicht des Täters wird ausgeführt, dass diese der Befriedigung seiner Bedürfnisse diene. Auch auf das Kriterium des Einverständnisses des Opfers wird Bezug genommen. So wäre das Opfer aufgrund seiner Entwicklung nicht fähig, dieses Einverständnis zu erteilen. Als Hinweis auf kulturspezifische Aspekte ist die Nennung von kulturellen Tabus zu werten. Die Art der Beziehung zwischen Opfer und Täter wird als Verantwortungs-, Vertrauens- oder Machtverhältnis charakterisiert. Soll eine inhaltliche Einordnung dieser Definition versucht werden, ist sie eindeutig der Klasse der entwicklungspsychologischen Definitionen zuzuordnen, auch wenn ergänzend gesellschaftliche Aspekte angesprochen werden. Insgesamt betrachtet ist diese Definition als weite Definition zu klassifizieren, denn die Festsetzungen in allen drei zentralen Kriterien sind wenig präzise und lassen viel Interpretationsspielraum offen.

1.1.6  Resümee

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass eine große Fülle an Definitionen von sexuellem Missbrauch existiert, die sich inhaltlich in vielen Bereichen zum Teil deutlich voneinander unterscheiden. Definitionen sind natürlich nicht unabhängig vom Kontext zu sehen, für den sie formuliert werden. Abhängig von den Zielen, die eine Definition zu erfüllen hat – ob sie der Gesetzgebung dient, einer wissenschaftlichen Studie zugrunde liegt oder in die Öffentlichkeitsarbeit einfließt –, wird jeweils eine andere inhaltliche Schwerpunktsetzung erfolgen und die verschiedenen Definitionskriterien unterschiedlich ausformuliert und präzisiert werden. Im Zentrum hat immer die Frage zu stehen, ob die Art und Weise, wie sexueller Missbrauch definiert wird, brauchbar und zielführend für den jewei|26|ligen Anwendungskontext ist. Weitere wichtige Fragen wären, ob der für sexuellen Missbrauch festgesetzte Bedeutungsumfang angemessen verdeutlicht wird und die Definition die Missbrauchshandlungen hinreichend von anderen Handlungen in diesem Kontext abgrenzt. Gerade im Rahmen wissenschaftlicher Forschung wurde erkannt, dass die Definitionen, die den jeweiligen Forschungsvorhaben zugrunde gelegt werden, zwingend vereinheitlicht werden müssen. Nur dann sind die auf internationaler Ebene erhobenen Daten auch tatsächlich miteinander vergleichbar (Veenema, Thornton & Corley, 2015).

1.2  Häufigkeit von sexuellem Missbrauch – internationale Daten im Vergleich

Sexueller Missbrauch ist ein weltweites, in allen Kulturen, Gesellschaften und sozialen Schichten vorkommendes Problem. Die Studien in diesem Bereich sind vielfältig und methodologisch uneinheitlich. Entsprechend ist die Datenlage zur Verbreitung von sexuellem Missbrauch insgesamt oft widersprüchlich, was es teilweise erschwert, eindeutige und verlässliche Schlussfolgerungen abzuleiten.

1.2.1  Datenquellen – epidemiologische Studien vs. behördliche Statistiken

Auf der Suche nach Daten zur Verbreitung von sexuellem Missbrauch stützt sich die Literatur im Wesentlichen auf zwei Quellen: einerseits epidemiologische Studien, andererseits Daten aus Statistiken von Polizei, Gerichten, Jugendhilfe-, Beratungs- oder Behandlungseinrichtungen.

In den behördlichen Statistiken und in Statistiken von Einrichtungen werden Fälle von sexuellem Missbrauch aufgelistet, die in irgendeiner Form aktenkundig geworden sind. Hier kann es sich um Anzeigen oder gerichtliche Verurteilungen, aber auch um Falldaten von Jugendämtern, Beratungsstellen o. Ä. handeln, wo ein sexueller Missbrauch offengelegt wurde. Diese Statistiken geben Aufschluss über die Inzidenz von sexuellem Missbrauch, weil hier ausschließlich neue Fälle von sexuellem Missbrauch aufgelistet werden. Das Unwissen oder die fehlenden Möglichkeiten betroffener Kinder, sich mitzuteilen, Gefühle wie Scham, Angst vor Stigmatisierung oder anderen negativen Folgen für die Betroffenen selbst oder deren Familien, aber auch der Wunsch oder der Zwang nach Geheimhaltung sind zentrale Faktoren, die Opfer davon abhalten, einen sexuellen Missbrauch offenzulegen. Daher lässt sich über diese Statistiken nur ein geringer Teil der neuen Fälle von sexuellem Missbrauch erfassen (Gilbert, Kemp et al., 2009). Sie bilden nur einen mehr oder minder kleinen Ausschnitt der „wahren“ Inzidenz |27|von sexuellem Missbrauch. Diesen aktenkundigen Fällen steht eine Vielzahl an Fällen gegenüber, die weder offengelegt noch angezeigt werden, die Rate der verurteilten Fälle ist insgesamt noch geringer (WHO, 2006). Dem sog. „Hellfeld“ steht somit ein „Dunkelfeld“ gegenüber, dessen Ausmaß lediglich geschätzt werden kann.

Dunkelzifferschätzungen stützen sich auf die Erkenntnis, dass eher schwere Fälle von sexuellem Missbrauch oder eher Fälle mit einem Täter, der nicht dem persönlichen Nahbereich des Opfers entstammt, offengelegt oder angezeigt werden. Auf der Grundlage der geschätzten Dunkelziffern in den einzelnen fallspezifischen Bereichen wird die Dunkelziffer dann für den gesamten Bereich des sexuellen Missbrauchs hochgerechnet. Oftmals sind diese Berechnungsprozesse jedoch nicht nachvollziehbar (z. B. Bauhofer, 1991) oder auch fehlerhaft (z. B. Baurmann, 1991). Dies verdeutlicht die Schwierigkeit und Komplexität derartiger Schätzungen sowie die Problematik der Interpretation, mit welcher diese Zahlen behaftet sind. Deshalb müssen die Verlässlichkeit und Brauchbarkeit derartiger Daten zumeist in Zweifel gezogen werden. Entsprechend wird in neueren wissenschaftlichen Publikationen auf Angaben von Dunkelziffern und Daten zur Inzidenz gänzlich verzichtet (z. B. WHO, 2006). Auch Ernst (2005) hat auf diese Problematik hingewiesen und die ausschließliche Verwendung von Prävalenzdaten aus repräsentativen Erhebungen gefordert.

Ein Großteil der vorliegenden Daten zur Prävalenz von sexuellem Missbrauch wurde aus retrospektiven Kohortenstudien gewonnen. Dazu wird eine möglichst repräsentative Stichprobe von Personen aus der Bevölkerung nachträglich befragt, ob sie in ihrer Kindheit missbraucht wurde. Diese Studien unterscheiden sich zum Teil deutlich hinsichtlich der Repräsentativität der Stichprobe, der Basis der Stichprobengewinnung oder der Altersspanne der befragten Personen. Eine Stichprobe kann sich beispielsweise aus Freiwilligen zusammensetzen, die sich auf einen Aufruf hin melden, oder es kann eine Untersuchung an ausgewählten Schulen eines Landes durchgeführt werden. Es kann aber auch eine auf eine bestimmte Altersspanne bezogene repräsentative Stichprobe aus dem Melderegister eines Landes untersucht werden.

In manchen Fällen werden auch Daten aus Fall-Kontroll-Studien von klinischen Stichproben vorgelegt. Hier werden zumeist klinische Populationen nach Missbrauchserlebnissen befragt, um sie mit Raten von nicht missbrauchten Personen in klinischen Gruppen oder nicht klinischen Gruppen vergleichen zu können. Diese Fall-Kontroll-Studien geben in erster Linie Aufschluss über die Bedeutung von sexuellem Missbrauch als Risikofaktor für die Entwicklung von Störungen und Krankheiten. Schlüsse über die Verbreitung von sexuellem Missbrauch in der Gesamtbevölkerung lassen sich daraus jedoch keine ziehen. Einschränkend gilt hier zusätzlich, dass diese Studien eigentlich nicht klinische Stichproben untersuchen, sondern Inanspruchnahmestichproben, denn nicht alle Personen mit psy|28|chischen Störungen nehmen tatsächlich eine Behandlung oder Beratung in Anspruch (Ernst, 2005). Echte epidemiologische Fall-Kontroll-Studien, in welchen Stichproben klinischer und nicht klinischer Fälle aus einer Bevölkerungsstichprobe miteinander verglichen werden, sind ausgesprochen selten (z. B. Welch & Fairburn, 1994, 1996).

Neben der Art der Stichprobe ist die im Rahmen der Studie erzielte Ausschöpfungsquote ein weiterer zentraler Aspekt für die Interpretation und Brauchbarkeit der gewonnenen Daten. Während bei repräsentativen Konvenienzstichproben, wie bei Untersuchungen in Schulen oder Universitäten, mit einer Rücklaufquote von 90 % zu rechnen ist, reduziert sich bei Bevölkerungsstichproben die Quote auf 40 % bis 70 %, wobei die Grenze einer akzeptablen Ausschöpfungsquote bei 60 % bis 70 % anzusiedeln ist (Ernst, 2005). Es hat sich gezeigt, dass die Ausschöpfungsquote die ermittelten Prävalenzen beeinflussen dürfte, selbst wenn die Ergebnisse in diesem Punkt durchaus widersprüchlich sind. So finden sich im Review von Gorey und Leslie (1997) niedrigere Prävalenzen bei hoher Ausschöpfung, in der Metaanalyse von Ma (2018) zeigte sich der gegenteilige Effekt, und Stoltenborgh, van IJzendoorn, Euser und Bakermans-Kranenburg (2011) fanden die höchsten Prävalenzen bei mittlerer Ausschöpfung. Für eine schlüssige Interpretation der erhobenen Daten sind daher immer ergänzende Informationen zu den Studienverweiger:innen wie Geschlecht, Alter oder Bildungsgrad wichtig.

Die Art der Stichprobe und die Ausschöpfungsquote bestimmt, wie allgemeingültig die Ergebnisse sind. So muss bei einer Konvenienzstichprobe, die aus Studierenden besteht, bedacht werden, dass es sich hier um eine spezifische Population handelt, die aus besser gebildeten jungen Menschen aus zumeist besseren sozialen Verhältnissen besteht und somit streng genommen nicht repräsentativ für die Bevölkerung eines Landes einzuschätzen ist. Selbst bei Schüler:innen stellt sich die Frage der Generalisierbarkeit der Ergebnisse. So konnten Edgardh und Ormstad (2000) zeigen, dass bei Schulabbrecher:innen 2.5-fach höhere Prävalenzen zu finden sind als in einer Schulpopulation.

Abschließend sei darauf hingewiesen, dass keine epidemiologische Studie die „wahre Prävalenz“ ermitteln kann – selbst dann nicht, wenn sie unter idealen methodischen Bedingungen und mit einer optimalen Ausschöpfungsquote durchgeführt wurde. Es wird nie gelingen, alle positiven Fälle zu identifizieren, die Befragten können Vorfälle vergessen haben oder diese nicht als sexuellen Missbrauch qualifizieren. Den Befragten kann es unangenehm sein oder sie wollen aus Scham nicht darüber nachdenken bzw. Informationen darüber preisgeben. Abhängig von der individuellen Einstellung, aber auch von den kulturspezifischen Besonderheiten im Umgang mit sexuellen Themen kann die Bereitschaft, über sexuellen Missbrauch zu reden, höchst unterschiedlich sein (Runyan, 1998). So kann der gesellschaftliche Druck auf Mädchen, ihre Jungfräulichkeit zu bewahren, oder bei |29|Jungen das Tabu gegenüber homosexuellen Erfahrungen diese Bereitschaft wesentlich beeinflussen. Darüber hinaus wird jede Stichprobe auch falsch-positiv identifizierte Fälle enthalten, wo sexuelle Erlebnisse fälschlicherweise als sexueller Missbrauch eingestuft werden oder auf der Grundlage unterschiedlichster Motivationen ein sexueller Missbrauch bejaht wird, ohne dass ein realer Hintergrund existiert.

1.2.2  Internationale Daten zur Verbreitung von sexuellem Missbrauch

Studien zur Prävalenz von sexuellem Missbrauch haben in den 1970er Jahren in den USA ihren Anfang genommen. Dem Ziel, konkrete Daten zur Verbreitung von sexuellem Missbrauch vorzulegen, folgten sukzessive weitere Länder – anfangs vor allem Länder aus dem westlichen Kulturkreis. Heute liegen uns weltweit Daten aus allen Kontinenten vor, und es existieren kaum noch Regionen, wo bisher noch keine Erhebungen durchgeführt wurden. Obwohl alle diese Studien dasselbe Ziel verfolgen – die Verbreitung von sexuellem Missbrauch zu erheben –, existieren manchmal grundlegende Unterschiede in der Untersuchungsmethodik. Die Erhebungen unterscheiden sich in der untersuchten Stichprobe, in der Stichprobengewinnung und in der Definition von sexuellem Missbrauch, d. h. welche Handlungen erhoben werden, wo die Grenze für das Alter des Opfers festgesetzt wird und ob auch das Alter des Täters berücksichtigt wird. Zudem werden unterschiedliche Erhebungsmethoden eingesetzt, beispielsweise wird ein Interview durchgeführt oder ein Fragebogen vorgelegt. Große Unterschiede gibt es auch in der Detailliertheit der Erhebungen, beispielsweise mit wie vielen Fragen der sexuelle Missbrauch erfasst wird.

Internationale länderspezifische Daten zur Verbreitung von sexuellem Missbrauch sind in Tabelle 1.2 aufgelistet. Diese Tabelle ermöglicht sowohl einen länderübergreifenden Vergleich als auch eine Gegenüberstellung der Daten über die Jahre hinweg. Es werden die Daten der Metaanalyse von Finkelhor (1994) präsentiert, der ersten Metaanalyse über Studien, die weltweit zu diesem Thema bis zum Jahr 1993 durchgeführt wurden. Verglichen werden diese Daten mit den Ergebnissen der Metaanalyse von Pereda, Guilera, Forns und Gómez-Benito (2009a, 2009b), eine Analyse der weltweit bis 2007 veröffentlichten Studien. Hier handelt es sich um eine neuere Metaanalyse, die einen länderspezifischen Vergleich ermöglicht. Tabelle 1.2 führt jeweils die ermittelten Raten für weibliche und männliche Opfer an. Nur die Studie aus der Dominikanischen Republik (Ruiz, Valdez des Nova & Gacia, 1986; zit. nach Finkelhor, 1994) gibt keine geschlechtsspezifischen Raten an. Die Lücken in der Tabelle ergeben sich aus dem Fehlen von Daten im jeweils analysierten Zeitraum – sowohl bezogen auf das jeweilige Land als auch auf das jeweilige Geschlecht.

|30|Tabelle 1.2:  Internationale Prävalenzdaten im Vergleich (Angaben in %)

Erhebungsland

Finkelhor (1994)

Pereda et al. (2009a, 2009b)a

weiblichb

männlichb

weiblichb

männlichb

Australien

28

9

42

19

Belgien

19

China

8

5

Costa Rica

32

13

Dänemark

14

7

Deutschland

10

4

Dominikanische Republik

33

El Salvador

17

Finnland

7

4

0.5

Frankreich

8

5

0.9

0.6

Griechenland

16

6

Großbritannien

12

8

17

11

Irland

7

5

Israel

31

16

Jordanien

27

Kanada

18

8

13

4

Malaysia

8

2

Marokko

9

Neuseeland

32

17

3

Niederlande

33

Norwegen

19

9

19

4

Österreich

36

19

Portugal

3

3

Schweden

9

3

13

3

Schweiz

11

3

31

11

Singapur

16

Spanien

23

15

10

15

Südafrika

34

29

44

60

Tansania

31

25

Türkei

28

USA

27

16

33

9

Anmerkung: a gerundeter Mittelwert aus den analysierten Studien des jeweiligen Landes; b Angaben in %

|31|Beim Vergleich der Daten fällt vor allem eine sehr hohe Varianz auf. Sie reicht bei männlichen Opfern von 0.5 % in Finnland bis 60 % in Südafrika. Auch innerhalb der Länder besteht eine hohe Schwankungsbreite, so findet sich in Australien von 1994 bis 2009 eine Zunahme der Raten bei den Mädchen von 28 % auf 42 % und bei den Jungen von 9 % auf 19 %. In Frankreich hingegen ist Abnahme von 8 % auf 0.9 % bei den Mädchen bzw. 5 % auf 0.5 % bei den Jungen zu verzeichnen. Die Gründe für diese hohe Variation der Daten, ob diese beispielsweise durch methodische Variablen bedingt werden oder kulturelle bzw. soziale Besonderheiten der jeweiligen Stichprobe dafür verantwortlich sind, werden in Kapitel 1.2.3 diskutiert.

An dieser Stelle werden die Daten unter Vernachlässigung dieser insgesamt gesehen großen Schwankungsbreite zusammengefasst und verglichen. So lässt sich schließen, dass die Raten über die Jahre hinweg relativ stabil geblieben sind. Die Raten jener Länder, aus welchen in beiden Zeiträumen Daten vorgelegt wurden, bleiben im Großen und Ganzen auf vergleichbarem Niveau bestehen. In Südafrika, den USA oder Australien bleiben die Raten relativ hoch, in Frankreich oder Schweden relativ gering. Zudem veranschaulicht Tabelle 1.2, dass zunehmend auch aus asiatischen oder afrikanischen Ländern Prävalenzdaten vorgelegt wurden. Betrachten wir die Datenlage insgesamt, so weisen nahezu alle Ergebnisse auf eine weite Verbreitung dieses Phänomens hin – sowohl bei Mädchen als auch bei Jungen.

Im konkreten Ländervergleich ergeben sich bei den Daten von Pereda et al. (2009a, 2009b) geschlechtsübergreifend die höchsten Raten in Südafrika, Tansania und Australien, die mit Abstand geringsten Raten weist Frankreich auf. Insgesamt gesehen sind die Raten der weiblichen Opfer in Australien, Costa Rica, Israel, Neuseeland, den Niederlanden, Österreich, Südafrika, Tansania und den USA zwischen 20 % und 30 % oder darüber anzusiedeln. Raten von unter 10 % ergeben sich in China, Finnland, Frankreich, Malaysia, Marokko und Portugal. Alle anderen Länder liegen zwischen 10 % und 20 %. Bei den männlichen Opfern finden sich in Jordanien, Südafrika, Tansania und der Türkei Raten zwischen 20 % und 30 % oder darüber, in Australien, Costa Rica, Israel, Österreich, Spanien und den USA zwischen 10 % und 20 %, in den anderen Ländern darunter.

Über Pereda et al. (2009a) hinausgehend wurden in den letzten Jahren noch weitere nationale und auch internationale Metaanalysen und Reviews durchgeführt. Tabelle 1.3 liefert einen vergleichenden Überblick wichtiger weiterführender Analysen – auch aus Ländern wie Japan oder Indien, zu welchen bei Finkelhor (1994) und Pereda et al. (2009a) noch keine Daten vorgelegen haben. Die Tabelle gibt neben den Definitionskriterien auch Aufschluss über den analysierten Zeitraum und die Breite der Datenbasis der jeweiligen Analysen. Bei den Analysen aus Indien, Japan und der Schweiz handelt es sich um keine Metaanalysen im eigentlichen Sinn, sondern um eine Zusammenfassung der Daten der im jeweiligen Zeitraum durchgeführten Studien. Dies erklärt das Fehlen von kumulierten und gemittelten Prävalenzen und auch die große Spannweite der Daten.

|32|Tabelle 1.3:  Nationale und internationale Metaanalysen und Reviews zur Prävalenz von sexuellem Missbrauch

Zeitraum der Studien

Anzahl der Studien

Altersgrenze

Definition

Weiblichb

Männlichb

International

(Pereda et al., 2009b)

bis 2007

100

17

Kontakt- und Nichtkontakthandlungen

19.7

7.9

International

(Stoltenborgh et al., 2011)

1980–2008

331

18

Kontakt- und Nichtkontakthandlungen

18

7.6

International

(Barth, Bermetz, Heim, Trelle & Tonia, 2013)

2002–2009

55

18

Kontakthandlungen mit Penetration

9

3

Kontakthandlungen ohne Penetration

13

6

Kontakt- und Nichtkontakthandlungen

31

17

Australien

(Moore et al., 2015)

bis 2014

23

18

Kontakt- und Nichtkontakthandlungena

11.6

4.5

Kontakthandlungen mit Penetration

6.9

5.2

Kontakthandlungen ohne Penetrationa

26.8

10.4

China

(Ji, Finkelhor & Dunne, 2013)

bis 2012

27

18

Kontakthandlungen mit Penetration

1.0

0.9

Kontakthandlungen

9.5

8.0

Kontakt- und Nichtkontakthandlungen

15.3

13.8

China

(Ma, 2018)

1980–2016

125

18

Kontakt- und Nichtkontakthandlungen

8.9

9.1

Indien

(Choudhry et al., 2018)

2006–2016

51

18

Kontakt- und Nichtkontakthandlungen

4–41

5–57

Japan

(Tanaka, Suzuki, Aoyama, Takaoka & MacMillan, 2017)

bis 2013

8

18

Kontakt- und Nichtkontakthandlungen

1.0–64.3

0–60.7

Schweiz

(Schönbucher et al., 2011)

1993–2010

15

18

Kontakthandlungen mit Penetration

1.0–5.6

0.8–1.2

Kontakthandlungen

4.8–37.0

1.7–22.0

Nichtkontakthandlungen

0.6–34.0

1.1–15.0

Anmerkung: a Ergebnisse beruhen auf unterschiedlicher Datenbasis; b Angaben in %

|33|Abschließend sollen noch neuere Prävalenzraten für den deutschsprachigen Raum ergänzt werden. Die größte in den letzten Jahren vorgelegte Einzelstudie untersuchte eine repräsentative Stichprobe in Deutschland im Umfang von 11 428 Personen im Alter von 18 bis 40 Jahren. Die Befragung dieser Personen erbrachte Prävalenzraten für Kontakthandlungen bis zu einer Altersgrenze von 16 Jahren für weibliche Opfer in Höhe von 7.4 % und für männliche Opfer in Höhe von 1.5 % (Stadler, Bieneck & Pfeiffer, 2012).

Zusammenfassend ergibt sich auf der Grundlage der vorliegenden weltweiten Prävalenzdaten bei Mädchen eine durchschnittliche Prävalenz von 18 % bis 20 % und bei Jungen eine Rate von 8 %. Trotz der großen Heterogenität der Daten und mancher Studien, die von diesen Werten deutlich abweichen, ist von einer Verbreitung von sexuellem Missbrauch in diesem Umfang auszugehen. Auch die Daten von Einzelstudien weisen auf Raten hin, die sich in diesem Rahmen einordnen lassen (z. B. Hébert et al., 2019). Auch wenn einzelne Befunde auf eine Reduktion der Prävalenzen in den letzten Jahren hinweisen (z. B. Finkelhor, Turner, Ormrod & Hamby, 2010; Stadler et al., 2012), scheinen insgesamt die Raten über die Jahre hinweg relativ stabil zu bleiben. Bereits Ernst (1997) ging aufgrund der zu dieser Zeit vorliegenden epidemiologischen Studien aus Europa und den USA von 10 % bis 15 % betroffener Mädchen und 5 % betroffener Jungen aus, wobei sie die Altersgrenze mit 16 Jahren festsetzte. In neueren Studien beträgt die Altersgrenze demgegenüber fast durchgängig 18 Jahre (siehe Tabelle 1.3).

Die vorliegenden Daten sprechen insgesamt gesehen für eine Geschlechterverteilung von 2.5 : 1 bis 3 : 1. Auch an diesem Verhältnis scheint sich im Verlauf nichts geändert zu haben, wenn wir diese Verteilung mit den Daten von Finkelhor (1994) vergleichen. Jedoch weisen nicht alle Länder bzw. Regionen dieses Geschlechterverhältnis auf. Bereits bei Finkelhor (1994) weisen die Raten von Südafrika eine vergleichbare Höhe der Prävalenzen bei Mädchen und Jungen auf und widersprechen dem allgemeinen Trend. Im Verlauf der Jahre wurden nun vermehrt Daten aus weiteren Ländern wie China, Indien oder Japan vorgelegt (siehe Tabelle 1.3), die in den 1980er oder 1990er Jahren noch fehlten. Hier finden sich ebenso entgegen dem internationalen Trend vergleichbare Raten bei Jungen und Mädchen. Bestätigt wird dieser Befund auch von Stoltenborgh et al. (2011), die sowohl für Afrika als auch für Südamerika vergleichbare Raten für Mädchen und Jungen nachweisen (siehe Tabelle 1.4, Seite 35).

Insgesamt belegen die Prävalenzdaten, dass sexueller Missbrauch weltweit ein ernstzunehmendes Problem ist, das nicht nur zu einer erheblichen Schädigung der Opfer führen kann, wie später noch ausgeführt wird, sondern auch mit einem erheblichen Schaden für die Gesellschaft verbunden ist. Fast alle Studien konnten mehr oder minder hohe Raten von sexuellem Missbrauch finden. Nur in jeweils einer chinesischen und japanischen Studie wurde eine Missbrauchsrate von 0 % ermittelt (Ross et al., 2005; Tsuboi et al., 2015). Die insgesamt robuste und stabile |34|empirische Evidenz wurde in der Folge auch von den politischen Entscheidungsträger:innen wahrgenommen und akzeptiert. Besonders in den westlichen Ländern, aber auch international, wurden zahlreiche Initiativen ins Leben gerufen, die sich um die Prävention von sexuellem Missbrauch bemühen und versuchen, adäquate Unterstützungssysteme für Betroffene sowie Behandlungsmöglichkeiten zu etablieren (z. B. WHO, 2003, 2006).

1.2.3  Große Varianz der Prävalenzen – Ursachen

Prinzipiell stellt sich die Frage, welche Faktoren für die große Varianz in den weltweiten Prävalenzzahlen verantwortlich sind. Hier sollten zwei Bereiche genauer betrachtet und diese in ihrer Auswirkung auf Prävalenzen eingehender diskutiert werden. Einerseits können tatsächliche regionale Unterschiede bzw. dahinterstehende soziale oder kulturelle Faktoren zu diesen Divergenzen führen, andererseits können aber auch Faktoren der Untersuchungsmethodik diese Unterschiede bedingen.

1.2.3.1  Soziale und kulturelle Faktoren

Hinsichtlich der Frage, ob weltweit bestimmte Regionen existieren, in welchen die Verbreitung von sexuellem Missbrauch höher ist, ergeben sich relativ konsistente Befunde für Afrika. Dieser Kontinent weist über viele Studien hinweg übereinstimmend die höchsten Prävalenzzahlen auf (siehe Tabelle 1.4). Nach Lalor (2004) sind dafür unterschiedliche Faktoren verantwortlich. Einerseits existiert in Afrika, wo Infektionen mit sexuell übertragbaren Krankheiten wie HIV relativ häufig sind, der Mythos, dass sexuelle Kontakte mit Jungfrauen oder sehr jungen Mädchen helfen, diese Erkrankungen zu heilen. Auch wird bei kindlichen Sexualpartner:innen die Gefahr einer HIV-Infektion als geringer eingestuft. Andererseits sind in Afrika traditionelle Strukturen und Werte vielerorts verloren gegangen, viele Menschen sind entwurzelt und kämpfen mit großer Armut, und auch Kinder tragen u. a. durch Prostitution zum Überleben ihrer Familien bei.

Detaillierte Ergebnisse über die Prävalenzraten in den unterschiedlichen Regionen bzw. Kontinenten der Welt sind in Tabelle 1.4 zusammengefasst. In der Metaanalyse von Pereda et al. (2009b) weist Afrika mit Abstand die höchsten Prävalenzen auf, gefolgt von Ozeanien, an weiterer Stelle Amerika und mit geringerem Abstand Asien und Europa. Bei Stoltenborgh et al. (2011), die im Gegensatz zu Pereda et al. die Daten geschlechtsspezifisch auswerten, rangiert bei den männlichen Opfern Afrika an erster Stelle. Bei den weiblichen Opfern ist dies hingegen Australien. Allerdings sind bei den Mädchen die Differenzen z. T. relativ gering, sodass Australien, Afrika und Nordamerika der Kategorie mit höheren Prävalenzen (20 % bis 22 %) zuzuordnen sind, Südamerika, Europa und Asien hingegen niedrigere Prävalenzen (11 % bis 14 %) aufweisen. Bei den männlichen Opfern bilden |35|Afrika und Südamerika die obere Kategorie (13 % bis 20 %) gefolgt von Nordamerika, Australien, Europa und Asien (4 % bis 8 %). Insgesamt sollten diese Daten aber aufgrund ihrer Heterogenität mit einer gewissen Vorsicht interpretiert werden.

Tabelle 1.4:  Prävalenzraten in unterschiedlichen Regionen

Pereda et al. (2009b)

Stoltenborgh et al. (2011)

Region

Gesamt

Region

Weiblich

Männlich

Afrika

34.4

Afrika

20.2

19.3

Amerika

15.8

USA/Kanada

20.1

8.0

Südamerika

13.4

13.8

Asien

10.1

Asien

11.3

4.1

Europa

9.2

Europa

13.5

5.6

Ozeanien

23.9

Australien

21.5

7.5

In diesem Zusammenhang wird auch diskutiert, ob der Entwicklungsstand einer Region als entscheidender Faktor für die regionalen Unterschiede in den Prävalenzen zu sehen ist. Veenema et al. (2015) vermuten, dass niedrige Prävalenzraten in wenig entwickelten Ländern letztlich auf die fehlenden Ressourcen für die Forschung und das öffentliche Gesundheitswesen zurückzuführen sind. Dieser Mangel führe in der Folge zu deutlichen Wissensdefiziten über sexuellen Missbrauch sowohl auf professioneller Seite als auch in der Bevölkerung. Allerdings sind hier die Ergebnisse nicht einheitlich. Stoltenborgh et al. (2011) konnten nachweisen, dass sich bei Jungen in geringer entwickelten Regionen höhere Prävalenzen finden lassen als in höher entwickelten Regionen. Demgegenüber zeigt sich bei Barth et al. (2013) nur bei den Mädchen ein Zusammenhang. Es waren in hoch und niedrig entwickelten Regionen die höchsten Prävalenzzahlen bei Mädchen zu finden, deutlich höher als in Regionen mit moderater Entwicklung.