Seyfried Schweppermann Band II - Thomas Zenkner - E-Book

Seyfried Schweppermann Band II E-Book

Thomas Zenkner

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Beschreibung

Im zweiten Band der Schweppermanntriologie muss sich Seyfried als Ritter und Schweppermann in der Zeit von 1280-1303 beweisen. Nach der Errettung seines Schwiegervaters Albrecht von Rindsmaul vor den Bambergern bekommt Seyfried seine Traumfrau Katharina, welche ihm im Laufe seines langen Lebens zehn Kinder schenken wird. Doch das Familienglück neiden ihm seine boshaften drei Schwager, die sich als Raubritter im Nürnberger Land hervortun und gegen die Seyfried und seine Freunde kämpfen müssen. Der Leser erlebt Ritterfahrten, Eroberungen oder Verteidigungen von Burgen und Städten, wie auch große Ritterturniere in Regensburg und Nürnberg, sowie der Rechtsprechung im Mittelalter mit. Drei verschiedene Könige spielen im zweiten Teil eine maßgebliche Rolle und fördern oder verstoßen Seyfried. Auch die Nürnberger Burggrafen, die bayerischen Herzöge und die Nordgaugrafen kommen in diesem Teil wieder vor. Der Leser wird Zeuge eines tragischen Judenpogroms in Nürnberg 1298 durch Rindfleisch, erlebt die Ermittlungen Seyfrieds im Falle der Nonne Christine Ebner. Für Spannung, Grusel, Erotik und Humor ist also auch beim zweiten Teil gesorgt. Kriminalisten spricht dieser zweite Band ebenso an, wie Mittelalter-, Heimat- und Geschichtsfreunde. Die außergewöhnliche Lebensgeschichte dieses Ritters versetzt alle Leser in eine mittelalterliche Welt der Extreme. Seyfried von Kammerstein alias Seyfried der Schweppermann wird am Schluss des zweiten Teiles zum Reichsschultheiß bestellt. Der Reichsschultheiß ist ein kaiserlicher oder königlicher Beamter, der seit Ende des 12. Jahrhunderts die Gerichtsbarkeit über die Bürger einer Reichsstadt ausübt. Straßen, Denkmäler, Brunnen, eine Schule und eine Kaserne sind nach dem berühmten bayerischen Ritter benannt. Die von seiner Familie gestiftete Glocke, "der Stürmer", läutet im Lauterachtal noch heute, wie zu seiner Siegesfeier und Beerdigung vor fast siebenhundert Jahren. Sein Grabstein und seine Ehrentumba befinden sich nahe beim Schrein von Anna, der früh verstorbenen Prinzessin von seinem Förderer, Kaiser Ludwig dem Bayern. Die Inschrift der Ehrentumba lautet: "Hier liegt begraben Seyfried Schweppermann. All sein Tun und Handeln war wohlgetan. Ein Ritter keck und fest, der zu Sündersdorf im Streit sein Bestes gab. Er ist nun tot, dem Gott genot, im Jahr des Herrn 1337".

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Es handelt sich auch bei diesem Buch, dem Band II, um einen historischen Roman, kein Geschichtsbuch. Dennoch versuchte ich, so nah wie möglich die Fiktion in Einklang mit den historischen Tatsachen zu bringen. Eine Art Zeitreise ins 13. und 14. Jahrhundert. Irrtümer des Autors sind nicht auszuschließen. Jede bewiesene Korrektur sei mir willkommen.

Kontakt über: www.autor-thomas-zenkner.de

Freue mich über jeden Eintrag in mein Gästebuch.

Recht herzlich bedanken möchte ich mich bei allen meinen Helfern, die mir seit 2011 beigestanden sind.

Wem Band I und Band II gefallen hat, dem verspreche ich mit Band III weitere spannende Abenteuer des Schweppermann´s und eine noch viel größere Lesefreude.

Thomas Zenkner

Inhaltsverzeichnis

Die Bamberger

Seyfrieds Hinterhalt

Seyfrieds kühnster Streich

Siegesfeier und besonderes Pulver

Liebe und dreifache Hochzeit

Besondere Gäste

Die Dreifachhochzeit

Tragische Ereignisse

Die Burgen am kleinen und rauen Kulm werden verkauft

Murach

Wernberg

Böse Überraschung

Prinz Hartmann von Habsburg

Verständigung

Ein besonderes Weihnachtsfest

Interessante Ansichten und Gespräche

Die Entführung

Die Rindsmauler Raubritter

Die Engländer

Die Aufständischen

Der Angiff auf Sconenberc

Die Verfolgungsjagd

Befreiungen, Beförderungen und Strafen

Kindsmörder

Das Turnier zu Regensburg und Prophezeiungen

Hellseherin Alraune vom Windloch

Das Fest

Heinrichs und Marias Abschied

Gescheiterte Reise nach England

Würzburg

Der unheimliche Spessart

Aschaffenburg

Frankfurt

Trebur

Burg Windeck

Wersau

Keine Gerechtigkeit

Rückreise und Heimkehr

Alena und Konrad von Kornburg

Das Zerwürfnis

Konrads überraschender Tod und Seyfrieds neue Liebe

Kehrtwendung, Hinterhalt und Menschenjagd

Gescheiterter Gegenschlag

Das Unglück

Versöhnung

Neuigkeiten

Neue Aufgaben

Seltsame Hochzeit

Kampf um Burg Thann

Waldemars Aufstieg

Besuch der Stiefbrüder und die Schlacht bei Worringen

Das Himmelfahrtskommando

Turnier- und Reichstagsvorbereitungen

Rachepläne des Königs

Das tragische Turnier zu Nürnberg

Burg Kipfenberg

Seyfried wird bischöflicher Feldhauptmann

Der Kampf mit den Kropfer Raubrittern

Überraschungen

Der kleine Ludwig

Christine Ebner

Troßberg

Tod Ludwig des Strengen

Die Reise nach Heidelberg

Heidelberg

Heimkehr und Rechtfertigung

Der Werwolf

Ankunft in Troßberg

Wer ist der oder die Täter?

Aufklärung und Hinrichtung

Klostereintritt von Elisabeth

Der neue König Adolf von Nassau

Fasching in Nürnberg

Ankunft des neuen Monarchen

Seyfried fällt in Ungnade

Kammerstein

Sohn Hartung wird Ritter

Familienprobleme

Zahlreiche Aufgaben eines Lehnsherrn

Gudrun und die gestohlenen Gänse

Gute und schlechte Nachrichten

Die Herausforderung

Das gescheiterte Attentat

Burg Zwernitz

Judenverfolgung durch Rindfleisch

Ankunft in Nürnberg

Unwillkommene Gäste

Der Verräter und Kindsmörder

Folgen des Rindfleisch-Aufstandes

Albrecht von Habsburg

Jung Seyfried wird Ritter und erlebt die Schlacht bei Göllheim mit

Reichstage in Nürnberg

Der Boarndlkramer greift um sich

Rudgers neue Liebe

Heldentaten und ihre Folgen

Einem neuen Abenteuer entgegen

Eine besondere Wildsau

Bensheim und Zwingenberg

Seyfried und Hartung bezwingen Zwingenberg

Der Schuss in den Allerwertesten

Der unnötige Zweikampf

Die Viehsteuer

Snaibach

Das finstere Loch

Heimkehr und Neuigkeiten

Grausame Gerechtigkeit

Feierlichkeiten

Burg Rothenberg

Der Gegenangriff

Beförderung und Ehrung

Die Bamberger

Voller Tatendrang galoppieren die frisch ernannten Schweppermänner Seyfried, Heinrich, Rudger und Schenk mit ihren Männern zur Grundisburg. Ihre Umhänge blähen sich durch die Geschwindigkeit auf und flattern wild im Wind. Es ist ein herrliches Bild, wenn die Schweppermänner mit ihren gut ausgebildeten Waffenknechten in ihren vollen Rüstungen, stolz ihr Wappen tragend, die Lanzen hochgereckt, keck ausreiten. Sie sind die Ordnungshüter Nürnbergs.

In einer kühlen Vollmondnacht kommen sie trotz umgestürzter Bäume gut voran und erreichen gegen Mitternacht ihr Ziel. Die Burg wirkt ruhig. Nichts weist auf Kampfhandlungen hin. Doppelwachen drehen gelassen pfeifend ihre Runden. Die Zugbrücke ist eingeholt, sämtliche Tore sind verschlossen. Seyfried bläst dreimal kräftig in sein Horn. Die Wachknechte packen ihre Waffen fester und spähen angestrengt in das Dunkel. Die vier durchgefrorenen Freunde traben alleine zum Tor der Vorburg und melden sich ordnungsgemäß an. Der Hauptmann der Wache wird geweckt. Baldwin ist ein gewissenhafter Dienstmann der Rindsmauler und eine bemerkenswerte Persönlichkeit. Er trägt eine Miene zur Schau, die alle Menschen von ihm fernhält, obwohl er ein kleiner, betriebsamer, drahtiger Mann, mit wachen Augen und einem sanften, angenehmen Wesen ist. Baldwin hat sich in der Schlacht am Marchfeld im Trupp der Pappenheimer ausgezeichnet. Er beginnt gleichmütig zu lächeln, als er die damaligen, diensteifrigen Postboten und Kampfgenossen erkennt.

„Seid mir gegrüßt. Werte Herren, was führt die Ritter Nürnbergs nachts an mein Tor?“ Seyfried erkennt ihn ebenso und antwortet besorgt zum gut geschützten Scharwachturm hinauf:

„Gott zum Gruße, Kamerad vom Marchfeld. Wir wissen, dass der ehemalige Reichsschultheiß, sowie der Bamberger Weihbischof mit einem großen Trupp hierher unterwegs sind. Sie planen, die Rindsmauler wegen einem Angriff auf eine Kapelle zur Rechenschaft zu ziehen. Unser Auftrag lautet, Euch in jeder Beziehung beizustehen und durch unsere Anwesenheit einen Angriff zu verhindern.“ Baldwin schnappt kurz nach Luft wie ein gestrandeter Fisch.

„Was sagt Ihr da? Verflucht, das klingt nach Ärger. Niemand unterrichtete mich, was vor sich geht, doch ich ahnte, es ist nichts Gutes. Seyfried von Hulloch, Ihr seid ein wackerer junger Herr. Ich vertraue Euch. Bis auf die Rindsmauler Frauenzimmer, einem Dutzend Wachknechte und den üblichen Burgbewohnern ist niemand hier. Alle ritten zu ihrer mit Stadtrecht versehenen Ortschaft Windsbach und besichtigen die dort neu errichteten Verteidigungswerke. Aus Neugierde begleiten sie viele Nachbarn. Ein Angriff auf ein solch starkes Geleit wäre schierer Wahnsinn“, meint der graubärtige Veteran selbstsicher.

„Ein Hinterhalt lässt eine Überlegenheit schnell dahin schmelzen und der Zustand der Angegriffenen spielt ebenso wie Ortskenntnisse eine nicht zu unterschätzende Rolle, Kamerad Baldwin. Auch Ihr und die Burgbewohner seid in Gefahr! Tempos fugit, die Zeit flieht! Bitte lasst mich und mein Gefolge über Nacht einrücken.“

„Es ist nicht meine Art, Euch abzuweisen, doch ohne die Erlaubnis eines der Familienangehörigen der Rindsmauler möchte ich keinesfalls die Verantwortung übernehmen. Wartet bis morgen früh und ich frage die Töchter, um Euch einzulassen.“ Ein ratloser, fast verzweifelter Unterton schwingt in seiner Stimme mit.

„Bitte erkundigt Euch jetzt bei den ehrsamen Fräulein und lasst uns die Nacht gemeinsam in der Sicherheit der Burg verbringen“, fragt nochmals Seyfried. Durch das Lärmen des Hornes sind die Töchter längst wach. Sie haben das Gespräch von ihren Fenstern aus belauscht und rufen ungeduldig Baldwin zu:

„Lieber Hauptmann, dies sind aufrechte Rittersleute. Lasst sie herein. Ihre Knechte verbleiben in der Vorburg, die Edlen geleitet zu uns in den Palas.“ Verunsichert erteilt er Befehl, die Zugbrücke herabzulassen und das Tor zu öffnen. Baldwin hat Angst einen verhängnisvollen Fehler zu machen und sich beim Burgherrn dafür rechtfertigen zu müssen.

Der Burggeistliche Rimbold protestiert aus dem Pfaffenstöckl. Auch die Anstandsdame Trude schüttelt den Kopf. Sie halten das Empfangen der Jungritter von ihren anvertrauten weiblichen Schützlingen für unsittlich und schreien Zeter und Mordio. Niemand schert sich um den Protest. Kaum eingelassen springt Katharina Seyfried um den Hals. Die über zwanzigjährige Elisabeth ist deutlich zurückhaltender. Macht ihm die griesgrämige Schwester seine Bemühungen obsolet? Die fast gleichaltrigen Jungritter erhalten als Begrüßungstrunk einen erstklassigen Falerner, einen italienischen Wein, keinen billigen Donauwein. Außerdem ergattern die Gäste, die für den Morgen festwerdende Schmalzmilch. Dies ist ein beliebtes Gericht. Dafür bringt man frische Milch mit Speckstücken, Safran und geschlagenen Eiern zum Kochen, bis die Masse stockt. Dann lässt man sie fest werden und schneidet sie in dicke Scheiben. Diese werden in der Pfanne gebraten und mit Nelken, Apfel- oder Birnenstückchen, Nüsse oder Pistazienkerne verziert, serviert. Gemeinsam schlemmen sie schnell im kalten Dürnitz und eilen nach einer eleganten Geste ihrer umworbenen Burgfräulein in ihre Kemenaten.

Die Nacht verbringt der dreiundzwanzigjährige Seyfried in Katharinas Bett. Seine Lippen streichen behutsam über ihre Schultern, ihren Hals und tasten sich in Bereiche vor, die noch kein Mann berührte. Seine Berührungen sind wie ein Hauch. Ihre Haut fühlt sich warm, weich und so glatt wie Samt an. Zärtlich flüstert er ihr Liebkosungen ins Ohr, während er ihren Körper erforscht. Langsam streicht er mit den Fingerspitzen über ihre harten Brustknospen. Katharina stockt der Atem. Seyfried senkt den Kopf und nimmt ihre Brustwarze sanft in den Mund. Mit einem Seufzer lässt Katharina die angehaltene Luft heraus. Herzrasen setzt ein, welches sie am ganzen Körper erbeben lässt. So sehr Seyfried sich auch müht, ruhig zu bleiben, flattern dennoch seine Nerven. Zwischen Katharinas Schenkeln sammelt sich heiße Flüssigkeit. Lustvolle Erwartung breitet sich als ziehender Schmerz in Seyfrieds Gemächt aus. Katharina scheint unfähig sich zu bewegen, bestaunt nur die sich abzeichnende Männlichkeit in Seyfrieds Bruche. Kurzzeitig vergisst sie Würde und Anstand. Alle Hemmungen scheinen abzufallen.

Abbildung 1 Grundisburg bei Grünsberg heute

„Fürwahr, eine Schönheit!“, flüstert Seyfried ihr zärtlich ins Ohr. Nie ist sie sich ihrer Weiblichkeit und der Folgen ihres Tuns mehr bewusst als in diesem Moment. Plötzlich setzt die neunzehnjährige Katharina eine widerborstige Miene auf, schiebt ihn von sich runter, setzt sich auf und bleibt trotz des Verlangens keusch.

„Ich bestehe darauf, als sittsame Jungfrau in die Ehe zu gehen. Akzeptiere es oder verschwinde!“ Ihre Entgegnung ist beißend scharf und für Seyfried wie ein entleerter Eimer Eiswasser über sein Geschlecht. Nach einem betretenen Schweigen nimmt der zerknirschte Seyfried den ihm sehr schwer fallenden Wunsch seiner Geliebten ernst und gibt sich versöhnlich.

Der Schweppermann weiß, dass hier in Nürnberg die Sitten strenger als im Grenzgebiet sind. Seine Gedanken kreisen einzig und allein um seine Katharina. Er will ihr jeden Wunsch von den Augen ablesen, selbst wenn es noch so schwerfällt.

Die folgenden Wochen verbringen alle glücklich und wachsam in der Grundisburg. Die unterschiedlichen Schwestern zeigen den Jungrittern einige Quellen, zahlreiche Grotten und Höhlen, eine besondere Klamm, sowie Bäche und Wege der näheren Umgebung. Die Franken, auch die in der Grundisburg, sehen der Ernte vertrauensvoll entgegen. Alles gedeiht prächtig. Auch die ausgedehnten Wälder sind mit Wild aller Art reichlich gefüllt und bei manchem Ausflug haben sie Jagdglück, so dass sich der Zehrgarden, ein Vorratsgewölbe, der Grundisburg füllt. Bei einem Ausritt zur nahen Thanner Burg erfahren sie von den befreundeten Nachbarn, dass ihr Burgherr, gemeinsam mit den Rindsmaulern aus Windsbach erwartet wird.

Es ist ein trüber Spätherbsttag und der Nebel ist so dicht, dass man seine eigene Hand nicht mehr vor Augen sieht. Auf dem Rückweg erzählt die rothaarige, äußerst eigensinnige Elisabeth eine schaurige Geschichte über einen drachenähnlichen Höllenhund, welcher in der Umgebung von Thann grausam mordet. Diese hier bekannte Bestie taucht von Zeit zu Zeit auf und sucht aus dem Nebel angreifend Opfer. Sogar Seyfried wird es mulmig und diese blutrünstige Geschichte bleibt in seinem Gedächtnis haften. Steil richtet er sich in den Steigbügeln auf und drängt alle mit Ungestüm voran, was wirklich nicht weit von Grobheit entfernt ist. Die Reiter sind nach dieser Aufklärung generell vorsichtiger. Alle sind froh, als sie wohlbehalten das kleine Grünsberg, den überwiegend aus Meierhöfen bestehenden landwirtschaftlichen Weiler, der zur Grundisburg gehört, erreichen. Seyfried und Rudger gefällt die Gegend, während Heinrich und Schenk diese Landschaft mit ihren hunderten von Bienenkörben abstoßend finden. Beide fühlen sich auch einsam. Liebeskummer quält Schenk, da sein Liebchen ihn diesmal nicht begleiten durfte und Heinrich vermisst seine Schwester Gudrun. Die Verliebten, Seyfried und Rudger, schwirren immer um ihre beiden Angebeteten herum und haben daher nur selten für die Einsamen Zeit.

Eines Tages taucht ein abgehetzter Bote aus Nürnberg auf. Seyfried verspürt nur leise Neugier, was er wohl von ihm will. Der Herold meldet sensationelle Neuigkeiten:

„Konrad von Kornburg reitet mit einer Einheit nach Windsbach, um für die Sicherheit der Rindsmauler zu sorgen. Die Situation spitzt sich gefährlich zu, denn die Bamberger wissen, dass die Rindsmauler zurück zur Grundisburg wollen. Brecht gleichfalls auf und reitet den Bedrohten ebenfalls entgegen! Eilt euch, werte Herren!“

Die voller Tatenlust lachenden Schweppermänner machen sich noch am selbigen Nachmittag mit ihren zwanzig Gefolgsleuten schleunigst in Richtung Windsbach auf. Elisabeth und Katharina schauen besorgt vom Zöller hinterher. Ihre unbedeckten, langen Haare wehen dabei im Wind. Alle Abreitenden tragen Wimpel geschmückte Lanzen. Diese sind zwar unhandlich und in den Wäldern unpraktisch, doch sie verleihen ein stattliches Aussehen und halten den Feind auf gebührenden Abstand. Im nahen Feichten, dem heutigen Feucht, erfahren sie von einem Zeidler, heute würde man Imker sagen:

„Unser Lehnsherr, der Pfinzinger, ist heute Morgen gemeinsam mit einer großen Einheit über Wendelstein weitergezogen.“ Seyfried ist bekannt, dass die Zeidler sehr angesehene und ehrliche Leute sind. Honig ist für die Nürnberger zur Lebkuchenherstellung ebenso wichtig wie das Bienenwachs für die vorgeschriebenen Kerzen bei den Messen. Demzufolge bestätigt sich Konrads Befürchtung. Sie erhöhen das Tempo und reiten der Schwarzach entlang nach Kornburg. Vom Tor aus schildert die herbeigeholte, hübsche, freundliche und mit einer Spitzhaube versehene Burgherrin Alena ihnen:

„Mein Konrad erschien in aller Herrgotts Frühe mit über dreißig Bewaffneten, um die Rindsmauler schützend nach Hause zu geleiten. Er sagte mir euer baldiges Erscheinen zu. Teilt ihr mit mir das Abendbrot? Übernachtet doch gleich bei mir?“ Rudger erwidert:

„Gerne würden wir Eure erstklassige Gastfreundschaft annehmen. Wir müssen Euren Gemahl schnellstmöglich unterstützen und daher dankend ablehnen.“

„Habt ihr um die Rindsmauler Töchter schon gefreit?“ Die beiden Anreitenden schütteln irritiert über diese indiskrete Frage die Köpfe und antworten der Neugierigen:

„Wir sind sehr zuversichtlich, dieses hehre Ziel baldmöglichst zu erreichen.“ Mit sehnsüchtigem Blick winkt Alena noch lange von den Zinnen. Geschwind geht es weiter nach Schwabach. Kurz darauf sehen sie eine Befestigung auf einer Kuppe.

„Der Ort gehörte einstmals dem Reichsritter Ramung von Kammerstein. Dieser war ein Held zu Zeiten des Stauferkaisers Friedrich. Er bewohnte diese große Burg südlich von Schwabach. Dieses Verteidigungswerk wurde zum Schutz einer Kreuzung und der wichtigen Burgunderstraße erbaut. Der siebzigjährige Ramung verstarb vor etwa zwanzig Jahren. Sein einziger Sohn gleichen Namens dient den Habsburgern. Seither ist der gering besiedelte Landstrich verwaist. Nur die umliegenden Meierhöfe, die landwirtschaftlichen Anwesen, welche zu Kammerstein gehören und diese versorgten, sind bewirtschaftet, während die Höhenburg eher einer Ruine gleicht. Als Verwalter fungiert der Burggraf von Nürnberg“, klärt sie einer der ortskundigen Knechte auf. Im Mondschein reiten sie an Kammerstein vorbei. Licht funkelt aus dem Bergfried.

„Ist die Burg bewohnt?“, erkundigt sich Seyfried bei dem Ortskundigen.

„Soweit ich weiß, lebt niemand mehr in dem schaurigen Gemäuer.“

„Der Schimmer zeigt zumindest im hohen Bergfried Menschen an“, meint Seyfried Schulter zuckend. Der müde Rudger hört aufmerksam zu und wendet sich flüsternd an Seyfried:

„Was, wenn unsere Feinde in der Burg nächtigen und den Rindsmaulern auflauern? Der Bergfried bietet eine weite Sicht. Das sichere Gemäuer lässt sich leicht verteidigen und zum Übernachten bietet es sich erstklassig an.“

„Vielleicht sollten wir mal einen Abstecher hinauf wagen. Falls nicht unsere Feinde drinnen schlafen, könnten wir selbst in Kammerstein lagern. Wir warten hier auf unseren Vorgesetzten Konrad und die Rindsmauler oder wir überlisten unsererseits den hervorstürmenden Angreifer. Obwohl wir nur wenige sind, können wir im Hinterhalt liegend gegen eine Übermacht obsiegen.“

„Dein Eifer ist bewundernswert, Freund Seyfried“, entgegnet Rudger. Einig trotten die Schweppermänner auf eine Lichtung. Dort unterrichten sie die Kriegsknechte über ihre gewagten Pläne. Rudger und seine Männer ruhen sich aus, während der unternehmungslustige Seyfried sich mit seinem Trupp zur Burg aufmacht. Sie klettern einen Graben hoch und Seyfried geht kurz in die Hocke. Tief geduckt geht er los und vergewissert sich mit einem kurzen Blick zurück, dass seine Kameraden hinter ihm sind. Sie bewegen sich so leise als möglich, doch das Schmatzen ihrer Stiefel in dem sumpfigen Boden lässt sich nicht vermeiden. Jeden Augenblick droht ihre Entdeckung und damit das Scheitern ihrer wichtigen Aufklärung. Sie huschen Ginsterbüsche entlang, an einem Schlehenstrauch vorbei und benutzen die Ginsterhecke als Sichtschutz. Die Wachen patrouillieren arglos vor dem Tor. Die mühsame Erkundung bergauf und durch dorniges Gestrüpp bestätigt die Annahme der Schweppermänner. An den Gambesons, einem Überwurf über die Kettenhemden, der am Torhaus postierten Wächter erkennen sie das wohlbekannte Wappen des Bamberger Bischofs. Plötzlich kommen zwei Wachen auf sie zu. Seyfried erstarrt, lauscht mit angehaltenem Atem, während sich seine Finger um den Schwertgriff klammern. Mit angespannten Muskeln will Seyfried schon aufspringen, doch die Posten machen sich an ihren Hosen zu schaffen und pissen im hohen Bogen über Seyfrieds Gebüsch, ihm mitten auf den behelmten Kopf. Die Bamberger bieseln so lange, dass der mucksmäuschenstille und bewegungslose Seyfried sich frägt, wie lange es diese Soldknechte mit der vollen Blase ausgehalten haben müssen. Schließlich nesteln sie ungeschickt an ihren Hosen herum, wandern wieder in die entgegengesetzte Richtung und schlendern geschäftig unterhaltend davon, ohne zu ahnen, dass ihnen der Tod im Nacken saß. Ein Weiterkommen durch das stark bewachte Tor ist kampflos unmöglich. Der patschnasse und verärgerte Seyfried hätte nur zu gerne die Stärke und die Anführer dieser Streitmacht in Erfahrung gebracht. Nach kurzer Ausspähung ziehen sie sich unbemerkt wieder zurück. Der schlaftrunkene Rudger lässt behutsam den Arschwind streichen als er sanft geweckt, über alles unterrichtet wird.

„Freu mich, dass du wieder bei mir bist“, sagt Rudger, sich seine Augen reibend. Seyfried rümpft die Nase und zeigt gar keine Begeisterung über das Wiedersehen:

„Mich freut es weniger, du fauler Stinker. Auf geht`s!“ Rudger nickt verständig, macht aber vorher seinem Freund abwiegelnd klar:

„Du duftest momentan auch nicht nach Lavendel.“ Fast lautlos folgt er mit seiner Schar. Ferner hat Seyfried einen Hohlweg entdeckt, den die Lauernden beim Herausreiten aus ihrem Versteck passieren müssen. Diesen plant er für den Hinterhalt zu nutzen. Kein anderer Platz eignet sich besser für dieses Unterfangen. Aus dieser hohlen Rinne gibt es bei Beschuss kein Entkommen. Alle verstecken sich rund um den Engpass hinter den Büschen. Auf der linken Seite sind Rudger und seine Gruppe, auf der rechten Seyfried mit seinen Streitern postiert. Zwei Knechte beließ man im Tal bei den Pferden. Einer davon soll Konrad entgegen reiten, um sie zur Hilfe zu holen. Nur ein laut schreiendes Käuzchen stört die Nachtruhe.

Seyfrieds Hinterhalt

Am folgenden Tag beginnt es schon früh in Strömen zu regnen. Alle frieren durch die klammen Kleidungsstücke und sehnen sich nach Wärme. Viele der Männer reiben sich die Hände, um wenigstens die steifgefrorenen Finger warm zu bekommen. Sie alle wirken angespannt und fingern pausenlos an ihren Waffen herum, als wären diese nicht längst in den bestmöglichen Zustand versetzt. Seyfried und Rudger dürfen nicht aufgeben, keine Schwäche zeigen. Ihnen muss es gelingen die Motivation ihrer Männer aufrecht zu erhalten. Ein Blick in die zu allen entschlossenen Gesichtern vertreibt ihre Zweifel sofort.

Plötzlich wird es in Kammerstein lebendig. Rösser wiehern und die Tore werden geöffnet. Aus den Regenschwaden nähert sich die berittene Einheit, Bamberger in weiten dunklen Umhängen, die Kapuzen weit über die Kettenhauben gezogen. Pferdehufe schlagen den Takt über die Zugbrücke, klackern den steinernen Burgweg herab; der Lärm wächst, kommt immer näher.

Wieder einmal behält Seyfried mit seiner Einschätzung Recht. Anhand der Geräusche bleibt den Lauernden allerdings unbekannt, wie viele Reiter sich ihnen nähern. Rudger und Seyfried geben Befehl, die Sehnen einzuhängen und die vor der Nässe geschützten Armbrüste zu spannen. Mit geübter Hand ziehen sie die Sehne am Spannhaken auf, dann schieben sie ihren Fuß in den eisernen Bügel am vorderen Ende der Armbrust, hängen die Sehnen in die Spannhaken am Gürtel ein und treten mit dem Fuß nach unten, bis diese einrasten, Bolzen aufgelegt und schussfertig. Dabei murmeln sie:

„Gott steh uns bei“, um den Fluch der Kirche über diese verruchte Waffe abzuwenden. Auch Seyfried betet kurz:

„Ach, reiner Christus aus dem Himmel, durch deinen bitteren Tod, hilf heut uns armen Sündern aus dieser Angst und Not, steh uns bei und halt unser Bayernland unter deinem Schirm und Schutz, bewahre uns vor Tod und Pein, wollen auch ganz artig sein. Amen.“ Die übrigen Streiter legen sich ihre zwei Wurfspieße zurecht. Für die, müden, ausgekühlt Wartenden dauert es gefühlt ewig, bis die ersten Bamberger auf sie zutraben. Die aufgewühlten, nervös Lauernden flüstern sich Witze zu, um die Anspannung zu lösen. Seyfried weist sie grob zurecht:

„Haltet Ruhe und fasst euch in Geduld!“ Er unterdrückt den aufwallenden Zorn, obwohl alle seine Streiter mit grimmiger Ruhe zuhören und vor allem, sofort schweigen. Das Hufgeklapper wird immer heftiger. Die Bischöflichen reiten wegen dem Niederschlag tief geduckt, einer hinter dem anderen auf sie zu. Ihre farbenprächtigen Standarten hängen nass herab; ihr buntes Wappenbild findet sich auf den Umhängen, der Pferdedecke wieder und ziert auch die schweren Schilde. Das Hufgeklapper schwillt immer weiter an. Es sind sicherlich weit mehr als doppelt so viele Männer. Eine fieberhafte Erregung ergreift sie. Erst als der tief eingeschnittene, schlammige Weg komplett mit den bischöflichen Schergen versehen ist, eröffnen die Nürnberger nach vereinbartem, diskretem Signal, gleichzeitig das Feuer. Seyfried springt in seiner Geht alle zum Teufel Haltung auf, strafft seinen Rücken, wirft als erster seinen Speer mit der ganzen Kraft seines Armes.

Über das Geräusch des eigenen angestrengten Atems in der Enge ihrer Helme hinweg, überhören die Bamberger das gefährliche Zischen, das klingt wie eine Böe in den Zweigen der Bäume. Erst beim zweiten Geschoßhagel recken die Überraschten ihre Hälse, der wiederum die vorderste Reihe der Reiter trifft und weiter dezimiert. Die Bamberger stürzen in einem wilden Durcheinander von Pferdebeinen und fallenden Waffen zu Boden und werden zu einem kaum zu bewältigenden Hindernis. Viele Sättel sind flugs geleert. Mindestens der Schrecken sitzt den Angegriffenen tief in den Gliedern. Trotziges Gebrüll und Schmerzensschreie zerreißen die Luft, als Pfeile, Speere und Bolzen sich durch die Beine der Reiter hindurch in den Sattel bohren, während andere in Hals oder Schulter getroffen werden und zusammensacken. Desto mehr zu Boden gehen umso größer wird das Chaos. Die Pferde steigen wiehernd vor Schmerz, und Streiter die dem Geschoßhagel entgingen, werden von den Hufen ihrer panischen Reittiere niedergestreckt. Mensch und Tier suchen nach einem Ausweg aus dieser Metzelei. Seyfried und seine Gruppe nehmen sich nun die Letzten im Hohlweg vor, um so viele wie möglich der Bamberger zu erwischen. Das unangenehme Zischen der Pfeile und Bolzen ist für viele von ihnen das letzte, was sie hören. Pferde und Reiter stürzen erneut in wildem Durcheinander verkeilt den Hohlweg hinunter. Dem Gejohle ihrer Männer ist zu entnehmen, dass ihre Geschosse reiche Ernte halten. Gequälte Schreie der Tiere und Menschen hallen erneut herauf. Das ausgeklügelte Manöver gelingt. Alles wird danach zu einer Belustigung. Die Schützen schließen Wetten ab, wen sie als nächstes mit einem Geschoss fällen wollen.

„Der hat Kampfgeist“, meint einer von Rudgers Männern.

„Und eine Menge Wut im Bauch“, schreit einer von Seyfrieds Leuten zurück, während sie wieder einen der Eingeklemmten vom Ross schießen. Mehrere Angreifer werden erneut getroffen, und der Weitermarsch stockt endgültig. Die Bischöflichen ducken sich und heben die Schilde schützend über den Kopf. Ein Bamberger hat Mumm und versucht den Hang zu erklimmen. Doch auch ihn ereilt sein Schicksal. Langsam bricht der Getroffene in die Knie, seine Hände greifen nach dem Schaft im Halse, seine weit aufgerissenen Augen blicken fassungslos, da er genau spürt, dass der Tod unaufhaltsam naht.

„Tot ist tot, er ist nur noch Fraß für die Würmer“, meint einer von Rudgers Männern breit grinsend. Verdattert über die Unverfrorenheit gibt die ausgesperrte Übermacht Fersengeld und sprengt aufgeregt schreiend in das Bollwerk zurück.

„Der Feind läuft davon wie die Hühner vor dem Fuchs. Es sind halt Bamberger Hasenfüße“, schreien die Sieger höhnisch hinterher und Rudger meint sarkastisch:

„Die Bamberger sind zumindest als Zielscheiben gut geeignet.“ Seyfried stößt einen Seufzer der Erleichterung aus. Ein Dutzend Verletzter bleiben jammernd unter ihren getroffenen Reittieren eingeklemmt. Um zu fliehen, versuchen sie vergeblich die schweren Leiber ihrer Rösser anzuheben. Die beiden Schweppermänner beenden den Waffengang mit einem Wink. Seyfried runzelt die Stirn, als ihm unvermutet der Wind kalten Regen ins Gesicht bläst. Sorgenfalten graben sich tief in seine Stirn ein, der Ausdruck in seinen himmelblauen Augen ist hart. Er gibt sich zu erkennen und brüllt mit mitleidloser scharfer Stimme:

„Ergebt euch! Jeder, der sein Ehrenwort gibt, sich widerstandslos gefangen nehmen zu lassen, dem soll geholfen werden. Wer sich nicht fügt, wird rücksichtslos erschlagen.“ Das schlüssige Argument siegt. Rudger und Seyfried steigen mit ungutem Gefühl in den blutdurchtränkten Hohlweg hinab. Sie ziehen die Bamberger hervor und helfen ihnen die rutschige Anhöhe hinauf zu gelangen. Zwei der Bischöflichen sind so schwer verletzt, dass man ihnen mit einem rasch geführten Dolchstich weitere Qualen erspart.

„Heilige Mutter Gottes beschütz uns“, keucht noch einer, bevor ihm der Dolch Seyfrieds ein schnelles Ende bereitet. Das gleiche Schicksal erleiden sechs getroffene Pferde. Es ist eine grausame, blutrünstige Zeit. Seyfried und Rudger plündern im Schnellverfahren die zwei Dutzend Toten. Sie werfen überwiegend nützliche Bekleidung und Waffen hinauf. Die zehn Gefangenen untersucht man notdürftig, soweit möglich verbindet man diese und fesselt sie an den Händen mit einem ledernen Schweifriemen. Zwei Wachen stellt man ab, um eine Flucht oder ein in den Rücken fallen zu verhindern. Einige knurren etwas Unverständliches, fügen sich allerdings widerstandslos in ihr Schicksal.

Laute Kommandorufe ertönen aus der Kammersteiner Burg, sowie das Quietschen der Tore und das Einlegen des Schubbalkens sind zu hören. Die Bamberger bereiten sich auf einen Angriff vor. Schon bald galoppiert aus dem Tal ein gewaltiger Reiterhaufen herauf. Anführer ist der Reichsschultheiß Konrad von Kornburg und Ritter Albrecht von Rindsmaul. Eine unglaubliche Erleichterung bricht sich Bahn.

Seyfried und Rudger winken sie heran. Konrad schlägt ihnen gratulierend auf die Schulter und bittet sie, die Stellung zu halten, bis alle vorübergezogen sind. Albrecht hebt überrascht eine Braue, dann pfeift er anerkennend durch eine Zahnlücke, schüttelt den beiden Jungrittern die Hand und entschuldigt sich für seine ungehobelten Manieren bei ihrem Kennenlernen. Mit schmeichelndem Ton sagt er zu ihnen:

„In meinen kühnsten Träumen hätte ich so etwas nicht erwartet. Ich sehe, ihr seid nicht nur äußerlich Männer geworden. Unsere Bevölkerung wird mit Hochachtung von euch sprechen und eure Feinde werden euch verfluchen. Ich kann nicht verhehlen, dass mir das sehr gut gefällt!“ Seyfried und Rudger schlagen ihre gepanzerten Hände auf den Brustkorb und danken artig und tief verbeugend für die gönnerhafte Aussöhnung und Lobpreisung. Albrecht ist sichtlich erfreut über die weitsichtige Handlungsweise und fügt in verschwörerischem Tonfall noch hinzu:

„Ich beginne langsam, euch zu mögen. Ich halte ein Fest zu euren Ehren. Meine Töchter freuen sich sicherlich auf ein Wiedersehen. Meinen Segen sollt ihr gerne haben!“ Seyfried und Rudger fühlen sich durch die Wertschätzung geschmeichelt und ihrem Ziel, die Rindsmauler Töchter zu freien, näher. Zwinkernd und sich vergnügt auf den Schenkeln schlagend vergessen sie kurzzeitig die Bamberger in Kammerstein. Albrecht schickt einen leeren Wagen herauf, um die gefangenen Verwundeten abtransportieren zu lassen. Laut rumpelt dieser mit den Stöhnenden der verbündeten Streitmacht hinterher.

Seyfried schleicht derweil alleine zur Kammersteiner Burg. Alle Wehrgänge sind besetzt. Sämtliche Tore geschlossen, nur die Zugbrücke wurde nicht eingeholt. Entweder lässt sich diese nicht mehr hochziehen oder aber der Feind plant überraschend auszubrechen. Der Gegner befürchtet einen Angriff und dessen über einhundert Streiter beziehen gute Verteidigungspositionen. Übermütig bestärkt sie Seyfried in diesem Irrglauben und gibt laute Befehle, als kommandiere er eine ganze Armee durch die Dornen bestückten Brombeerbüsche. Die angeblich Belagerten reagieren wie gewünscht und begeben sich nervös in Stellung. Seyfried ist unvorsichtig. Von den Wehrtürmen und Schießscharten haben die Eingeschlossenen ein gutes Schussfeld und Einsicht in das wild wuchernde Strauchwerk ringsum. Dennoch schleicht er vorwärts. Auffliegende Rebhühner verraten endgültig seinen Standort.

„Elende Mistviecher“, grollt Seyfried. Allein in feindlicher Umgebung verflucht er sich selbst für seinen Wagemut. Plötzlich zischt es durch die Luft. Bolzen schlagen dicht neben ihm ein und einige Pfeile verfehlen ihn nur um Haaresbreite. Der heftige Beschuss von der Mauer nimmt weiter zu und zwingt den Schweppermann kriechend wie ein Ferkel zu seinen Männern zurück. Spitze Zweige und Dornen mit Widerhaken zerkratzen ihm Hände und Gesicht. Das Gebüsch wird glücklicherweise schnell lichter. Rudger sucht seinen Freund. Er ist erleichtert, ihn unverletzt vorzufinden, schimpft aber gehörig:

„Hast du den Verstand verloren?“ Feixend erzählt der kindsköpfige Draufgänger den kopfschüttelnden Rudger von seiner Leichtsinnigkeit. Beide lachen erleichtert auf. Die wahnwitzige Tollkühnheit hätte schrecklich enden können. Ihre Männer sitzen abwartend auf dem Boden und beobachten die vorbeiziehenden und sich verändernden Wolken. Alle scheinen durch den leichten Sieg arglos zu sein. Seyfried, der die Stärke der Bamberger kennt, hat Todesangst und seine Eingeweide krampfen sich zusammen, aber er lässt es sich nicht anmerken. Wann werden die Bamberger kommen, um sie abzuschlachten?

Am frühen Nachmittag hört man das knarrende Öffnen des Tores. Unsanft weckt einer der Reisigen den eingeschlafenen Seyfried. Eilig legen sie sich wieder auf die Lauer. Argwöhnisch lassen sie ihre Blicke umherschweifen. Sie sind bereit jeden weiteren Ausbruch blutig abzuweisen. Kein Hufschlag oder Wiehern ist zu hören.

„Der Feind greift zu Fuß an, wünscht uns lautlos zu umzingeln“, ruft Rudger herüber und gibt von der anderen Seite Handzeichen. Er fordert unablässig zum Rückzug auf. Die Kraft seiner Worte wird noch von der Art und Weise unterstrichen, wie sich seine Stimme vor Anspannung überschlägt. Seyfried schüttelt zum wiederholten Mal stur den Kopf. Er bezweckt, dem möglichen Schwiegervater mehr Zeit zu geben, um sicher nach Hause zu kommen. Rudger versteht es, hält es aber für viel zu gefährlich und ruft die Vorsicht nunmehr ganz vergessend:

„Wir gefährden bei Verharren das Leben unserer Untergebenen und übrigens, Tote heiraten nicht.“ Seyfried blickt ihn scheel an und erwidert trocken:

„Ich bin bereit meinem Feind die Stirn zu bieten!“ Seine Arglosigkeit hat für Rudger und für alle ihre Begleiter etwas Erschreckendes. Was jetzt geschieht, stößt die Ausharrenden in die tiefsten Tiefen der Furcht hinab, denn in diesem Moment pfeifen ihnen schon einige Geschosse bedenklich nahe um die Ohren. Die Angreifer sind mindestens sechs zu eins überlegen und rücken ihre Schilde überlappend geschlossen vor. Dabei stoßen sie selbstsicher wüste Beleidigungen aus. Nur einmal feuern ihre Armbrustschützen die Waffen ab. Sämtliche Bolzen verfehlen ihr Ziel oder bleiben schadlos in den Schilden stecken. Seyfried erkennt nunmehr die Aussichtslosigkeit ihrer Lage und alle ergreifen angsterfüllt, unter ungezielten Beschuss die Flucht. Seyfried sind in seiner kauernden Haltung die Beine eingeschlafen. Es dauert eine Weile, bis sie ihm richtig gehorchen und er ist der letzte in seiner Gruppe der flieht. Jedes Ausrutschen, jeder Fehler kann sein letzter sein. Doch Fortuna weicht nicht von seiner Seite.

Der wütende Feind verfolgt sie zum Glück nur zu Fuß. Bei einem gleichzeitigen Einsatz von Berittenen, hätte es für die Flüchtigen übel ausgesehen. Ein seltsames Prasseln lässt sie zusammenfahren. Die Geschosse schlagen gefährlich nah vor ihnen und neben ihnen ein. Das Herz Seyfrieds schlägt in ihm ungestüm.

„Wir müssen schnellstens weg“, keucht Rudger Haken schlagend und reißt Seyfried am Arm zerrend mit. Die Freunde rennen um ihr Leben, bis sie durch eine Hecke schlüpfen und auf ihre grasenden Pferde auf der Lichtung treffen. Seitenstechen quält sie bei ihrem beschleunigten Rückzug. Wie durch ein Wunder entkommen alle unverletzt.

Rudger dehnt seine Schultern, und durch heftiges Stampfen prüft er den Sitz seiner schnell angelegten Sporen. Nach hastigem Aufsatteln springt Seyfried gekonnt auf sein feuriges Ross und hetzt in halsbrecherischer Geschwindigkeit auf die Straße zu. Alle seine tapferen Kämpfer galoppieren den mit gutem Vorsprung versehenen, möglichen Schwiegervater in spe hinterher. Ein Bamberger Ritter stellt sich gemeinsam mit einem Dutzend seiner Gesellen breitbeinig in den Weg. Der Anführer ist ein abstoßender Klotz von ungewöhnlicher Dummheit mit fauligen Zähnen, einem Schweinegesicht und kleinen Augen in großen Augenhöhlen. Er richtet seine kalten dunklen Augen auf sie.

„Legt eure Waffen nieder und ich verspreche euch, euer Tod soll schnell und schmerzlos sein!“, brüllt er breit grinsend durch seine verfaulten Zähne. Sein fragender Blick zieht tiefe Falten in seine Stirn.

„Euer schändliches Ansinnen lehnen wir entschieden ab! Der arrogante Kerl ist so berechenbar wie hässlich“, meint Rudger, während Seyfried aus vollem Halse schreit:

„Für Gott, unseren König, dem Herzog und der Liebe meines Lebens!“ Dabei schlägt er seinem Pferd die sporenlosen Fersen in die Flanken. Die beiden Schweppermänner setzen beherzt auf die Wucht des Anpralls und stürzen sich mit einem kriegerischen kollektiven Schrei auf die menschliche Straßensperre. Furchtlos folgen alle Gefährten. Unerschütterlich wollen auch die Bamberger standhalten und packen ihre gefürchteten langen Spieße, sogenannte Framen, fester. Die Männer stemmen die Füße gegen den Boden, damit sie den Zusammenstoß besser abfedern können.

Der Boden erdröhnt; gleich einer eisenklirrenden Lawine donnern sie auf die Front zu. Gewalt liegt in der Luft.

„Ich bete, dass Luzifers Heerscharen Euch in der Hölle erwarten!“, brüllt Rudger.

„Du hast das Herz am rechten Fleck“, entgegnet Seyfried. Die Beiden gehören zusammen wie Pech und Schwefel. Die Hufe ihrer Renner lassen Erdklumpen hinter ihnen hervor fliegen. Ohne Mühen werden die Bamberger zur Seite gedrängt und erhalten hierbei kräftig eins auf ihre Eisenhüte übergezogen. Wie wild schlagen sie auf den Feind ein und verschaffen ihren Waffen brutal Geltung.

„Verabreicht ihnen eine derbe Tracht Prügel! Diese unverschämten Strolche stellen sich wohl nie mehr einem Reitertrupp entgegen!“, kommentiert Rudger seine wüsten Taten hohnlachend. Seyfried erwidert belustigt:

„Diese Lehre dürften wohl schon viele gemacht haben! Wir kamen über die Bamberger, wie die Strafe Gottes!“ Wüste Drohungen, leere Racheschwüre und hasserfüllte Flüche begleiten sie. Die überwiegend verletzten Bamberger liegen im nassen Graben und können ihr Pech nicht fassen. Ihr schwer angeschlagener Anführer, das Bamberger Großmaul, wimmert vor sich hin und hält sich seinen ramponierten Kopf. Nur sein Helm verhinderte schlimmeres.

„Reitet weiter, wie die Teufel!“, beschwört Seyfried seine keuchenden Streiter. Rudger entgegnet aufgeregt:

„Gottlob folgt uns niemand!“ Der Präventivangriff gelingt; zumindest vorerst.

Beide wollen sich gar nicht vorstellen, was passieren würde, wenn die Bamberger sie erwischen würden. In halsbrecherischem Tempo jagen sie dahin. Speichelfetzen ihrer Reittiere fliegen aus den Nüstern, die Flanken glänzen dunkel vor Schweiß.

Seyfrieds kühnster Streich

Vor Schwabach erreichen sie eine Schmiede. Es stinkt nach Schlacke, geschmortem Leder und dem Rauch aus der Esse. Laut hämmert es und das Schnaufen des Blasebalges klingt wie das laute Fauchen eines Lindwurmes. Der Hammer fährt ohrenbetäubend auf den Amboss nieder, dieser scheint mit dem Arm des Schmiedes verwachsen zu sein. Dampf zischt aus einem Bottich in die Höhe, fauchend wie eine Wildkatze, als er das Eisen mit Zangen hinein taucht. Der muskulöse Schmied hat Funken verbrannte Hände, keine Augenbrauen mehr und zahllose Brandwunden. Viele der Rösser haben leichte Verletzungen und durch die Eile Hufeisen verloren. Eine Erneuerung ist unumgänglich und die Wunden müssen unverzüglich versorgt werden. Seyfried ist vorsichtig. Er schickt drei seiner Männer zurück, um auszukundschaften, ob und in welcher Intensität man sie verfolgt.

„Lasst euch in keine ernsthaften Gefechte verwickeln. Seid vorsichtig und warnt uns rechtzeitig!“ ruft Seyfried den mit dem Teufel um die Wette Reitenden noch hinterher. Während der schwerhörige Schmied sich die Rösser besieht und mit Rudger laut über den Preis verhandelt, wärmen sich alle am Feuer. Es ist für Mitte November sehr kalt geworden. Der Niederschlag wird durch eisigen Wind zu Schnee. Trotz der Nässe des Bodens bleibt dieser zu aller Überraschung liegen. Die ausgeschickten Späher melden aufgeregt:

„Der Feind ist noch mit seinen Verwundeten beschäftigt. Sie setzen uns mit Sicherheit bald nach.“ Seyfried muss, einen offenen Händel mit den kampferprobten und aus ganz anderem Holz geschnitzten, weit überlegenen Feinden vermeiden. Andererseits will er diese weiterhin aufhalten, fortlocken oder zumindest zur Teilung ihrer Streitmacht zwingen. Er zermartert sich den Kopf nach einer brauchbaren Idee. Wie ein Blitz durchfährt es ihn. Er läuft zum am Blasebalg stehenden Schmied und braucht lange, dem etwas einfältigen Schwerhörigen seine ungewöhnliche Bitte vorzutragen. Sein Vorschlag ist pfiffig und wohl durchdacht. Rudger ist völlig von der Rolle, als er hört, dass alle Rösser verkehrt herum beschlagen werden. Der Schwabacher bekommt für den ungewöhnlichen Auftrag guten Lohn versprochen. Der Handwerksmeister und seine als Gesellen dienenden Söhne freuen sich sichtlich. Weniger Verständnis zeigt der sparsame, kopfschüttelnde Kassenführer Rudger. Die nervös Wartenden treten frierend von einem Bein zum anderen, reiben sich die gefrorenen Hände und hauchen diese an, um sich ein wenig am Atem zu erwärmen. Manche Männer stärken sich mit kaltem Braten und Hafergrütze oder versuchen, an der Feuerstelle ihre Kleidung zu trocknen. Der Schmied nimmt eine Zange und taucht die Hufeisen in einen Wassertrog. Es dauert, bis alle Rösser verkehrt herum beschlagen sind. Die beunruhigten Schweppermänner lauschen immer wieder, ob der Feind sich nähert.

„Die Bamberger Rumsköpfe scheinen sehr bedacht hinterher zu ziehen“, meint Rudger schelmisch grinsend.

„Sie fürchten wohl einen erneuten Hinterhalt“, antwortet Seyfried zuversichtlich. Froh sind alle, als sie endlich weiter können. Gerade rechtzeitig, denn nun hören sie Hufschlag und schrilles Wiehern von den Pferden der herannahenden Verfolger. Seyfried bittet die Männer bei der Schmiede um Verschwiegenheit, während Rudger ihre Dienstleistung ohne Verhandlung bezahlt.

„Sputen wir uns! Wenn die uns erwischen, dann Gnade uns Gott!“

„Achtet auf das Glatteis“, unkt Rudger zu Seyfried zurück. Der Schmied hält ihnen dankend seine schwielige, verrußte Pranke hin. Seyfried schüttelt diese nur kurz und treibt sein Pferd zu einer schnelleren Gangart. Wegen den ungewohnten, verdrehten Hufeisen bocken viele Streitrösser. Die kräftigen Dextrariuse werden mit straff gehaltenen Zügeln, Schenkeldruck und nur wenn unbedingt nötig, mit den Sporen unter Kontrolle gebracht. Flott reiten sie in Richtung Zirndorf. Sie treiben die Reittiere immer härter an, pressen die Fersen in die Weichen, lassen sie so schnell laufen, wie ihre Beine können und noch ein wenig schneller.

Plötzlich auftauchende Ziegen fliehen vor ihnen und die kleine sechsjährige Ziegenhirtin wimmert und verbirgt ihr Gesicht in den zierlichen Händen. Zum Glück geschieht weder Mensch noch Tier ein Leid. Seyfrieds gerissener Schachzug geht auf. Niemand stürmt ihnen hinterher. Die Bamberger, so hören sie einige Monate später, haben total verwirrt über die Spurenlage und durch die Aussagen der Schwabacher keine akzeptable Erklärung für ihr Verschwinden und geben ihre Nachstellung endgültig auf. Die Ruhmestaten des jungen und durch seine geringe Körpergröße unscheinbaren Schweppermannes sprechen sich überall im Land rasch herum, fliegt von Mund zu Mund. Er hat in kürzester Zeit Berühmtheit erlangt und eine gewisse Bekanntheit obendrein. Überall heißt es nur:

„Dieser Seyfried ist ein gewitzter Bastard.“ Bei den Bambergern ist Seyfried sogar mit dem Teufel im Bunde. Konrad kann wieder einmal stolz auf sie sein. Albrecht von Rindsmaul bedankt sich mit der Erlaubnis, um seine Töchter zu werben. Ihm ist klar geworden, dass diese anfangs als Habenichtse Titulierten durch ihren gezeigten Mut und ihre Entschlossenheit eine große Zukunft vor sich haben. Die zukünftigen Schwager sehen die Heldentaten nüchterner, eher als glückliche Fügung und sind neidisch. Sie beschließen, Seyfried und Rudger zu ärgern, wenn möglich geschwind zu vertreiben. Die zehn gefangenen Verwundeten werden ohne Lösegeldforderung an den Bamberger Bischof ausgeliefert als ein Zeichen des guten Willens und als Friedensangebot. Ein Bote von Heinrich dem Streitbaren trifft daraufhin in Nürnberg ein. Dieser entschuldigt sich im Namen des Bischofs. Er rechtfertigt das übereifrige Verhalten, sowie sein Eingreifen mit einigen leicht durchschaubaren Phrasen. Konrad schickt den Überbringer mit dem Hinweis zurück, dass er nunmehr der Reichsschultheiß sei und er hoffe, wenn er Hilfe benötige, dass die beiden Bamberger Bischöfe ihm genauso schnell zur Hand gehen werden. Auf die durchschaubaren Ausreden geht er gar nicht ein. Sporenklirrend verlässt der bischöfliche Herold verwirrt den Saal. Er kann die respektlose Art im Umgang mit der heiligen Kirche gar nicht verstehen und schüttelt noch lange den Kopf darüber.

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Abbildung 2 Grundisburg innen

Siegesfeier und besonderes Pulver

Das Land befreit sich allmählich aus dem Würgegriff des strengen Winters und die Tage werden auch schon merklich länger. Der Wind ist nicht mehr so kalt und es gibt keinen Frost mehr in der Nacht. Langsam hebt sich die Stimmung in jeder Burg, in jedem Zuhause; besonders in der Grundisburg. Hier steht eine große Festlichkeit an.

Ein ganzer Ochse, zwei Schweine, drei Gänse, viel Federvieh aller Art und ein Kalb stecken an Spießen im offenen Küchenverschlag im Freien nahe der Burgküche. Über ein Dutzend kräftiger Männer muss antreten, um die Braten gleichmäßig im Burghof zu drehen. Ehrengäste sind Seyfried und Rudger, sowie dessen zwanzig Streiter. Sie nehmen die Ovationen gerne entgegen und freuen sich über die dreifachen Hochrufe sehr. Einzig Seyfried findet manches als übertrieben und die Schamröte steigt ihm zu Kopfe. Wenn man jemanden erst einmal zum Helden ernannt hat, hören sie mit dem Huldigen nicht mehr auf, was dem bescheidenen Seyfried gar nicht gefallen will.

Geröstete Bullenleber und Hoden gibt es in einer pikant gewürzten Pilztunke als besonderen Leckerbissen für die Helden. Irgendwo fiedelt ein Musikant erbärmlich drauflos, und die Menge schnattert wie die Elstern. Zahlreiche Ritter aus der Nachbarschaft haben sich ebenso zum Zechgelage verabredet. Konrad von Kornburg musste absagen. Er kämpft mit einem Aufstand der Nürnberger Oberschicht. Angeführt wird diese hinterhältige Rebellion vom ehemaligen Reichsschultheiß Berthold Pfinzing. Er hat mächtige Verbündete, darunter die abwesenden Ritter Stromer von Reichenbach und Haller von Hallerstein. Der achtbare, erst kürzlich verstorbene Vater Pfinzing war vor vier Jahren ebenfalls Reichsschultheiß geworden.

„Beim schmutzigen Verhalten seines Sohnes würde er sich im Grabe umdrehen“, lautet die einvernehmliche Meinung eingeladener Nachbarritter. Generell stößt es die Mehrzahl des Adels ab, wie sich die Stadträte und Krämer immer mehr Rechte herausnehmen. Durch ihren Reichtum treten sie selbstbewusster und arroganter ihnen gegenüber auf. Seyfried erfährt bei dem Gelage auch viel über die politischen Geschehnisse im Reich. König Rudolf hat, um Papst Nikolaus von den rebellierenden kirchlichen Kurfürsten zu entzweien, diesem die Zusage erteilt, auf die ehemals staufischen Reichsgebiete in Italien und Sizilien endgültig zu verzichten. Durch den teuren Kuhhandel stehen die drei falschen Kirchenfürsten ohne päpstlichen Schutz da. Die kirchlichen Kurfürsten sind längst zu mächtig geworden. Dazu sind diese zu ungestüm, zu selbstherrlich und sie fühlen sich dem Übergeordneten, dem Reich keineswegs verpflichtet. Rudolf war wie üblich dennoch gutmütig, statt den steten Quell des Ärgers und Unfriedens auszumerzen. Um einen Reichsfrieden zu erreichen, zwang er diese, das von ihnen tolerierte Raubritterunwesen und die begangene Falschmünzerei zu bekämpfen. Dieselben Bedingungen stellte er den weltlichen Fürsten im Reich. Außer den kämpfenden Wittelsbacher Herzögen sicherten es ihm alle zu. Im nächsten Jahr ordnet Rudolf in Nürnberg einen Reichstag an, um sich mit unserem Burggrafen auszusöhnen. Außerdem möchte er die schwierigen Wittelsbacher Herzogsbrüder wegen einiger verräterischer Bündnisse mit dem geschlagenen König Ottokar zur Rechenschaft ziehen. In Prag droht ein Bürgerkrieg. Der brandenburgische Markgraf Otto missbraucht den jungen Wenzel als Geisel und bedroht die Freiheit Böhmens. Er muss sich im nächsten Jahr für seine Vergehen, wie das Besetzen und Brandschatzen der bischöflichen Stadt und Burg Raudnitz, sowie das Plündern des bischöflichen Palais in Prag rechtfertigen. Rudgers Gesicht versteinert schlagartig. Er tobt, ist außer sich, verliert völlig die Beherrschung und unterbricht die Unterhaltung brüsk:

„Eure Ausdrucksweise ist für diese Untaten viel zu milde. Es klingt fast schon gemütlich. Übersetzt heißen eure harmlosen Worte, dass die Raudnitzer ihr Heim, Lebensgrundlage und wohl meist auch ihr Leben verloren haben. Jede Frau und jedes Mädchen mehrfach brutal vergewaltigt wurden und die wenigen Überlebenden einen Hungerwinter vor sich haben. Nun, das hört sich wohl nicht mehr so lustig an!“ Ein Beklemmungsgefühl macht sich breit. Seyfried beruhigt Rudger. Er ist der Einzige, der das Verhalten seines aufgebrachten Freundes versteht und es ihm nicht verübelt. Rudger stand auf der Seite der Böhmen und schätzt dieses Volk wegen ihrer Kultur, Geisteskraft und Freundlichkeit. Die angetrunkenen Anwesenden übergehen die etwas peinliche Situation und lenken mit Sprüchen wie: Aus Rebenblut quillt Herzensblut oder Bier her, oder ich fall um, ab. Der ebenfalls ignorierende Burgherr fordert lautstark auf, auf seine feuerfressenden Draufgänger anzustoßen. Alle, bis auf die drei Söhne des Hausherrn, mustern sie wohlwollend, erheben sich, prosten sich zu und stürzen in einem Zug einen vollen Becher dunkler Flüssigkeit hinunter. Seyfried verzieht angewidert das Gesicht nach dem Genuss der warmen Kräuterbrühe ohne Kohlensäure und Schaum, was sich hier Bier nennt. Unmengen an Alkohol lassen die Heldentaten der Geehrten immer unwirklicher werden. Es ist natürlich großartig, die Helden des Tages zu sein, aber auch sehr anstrengend. Viele Hände müssen sie drücken, viele Schulterschläge einstecken. Das Bankett scheint ewig zu dauern, ein Gang nach dem anderen wird aufgetragen. Während der Mahlzeit, als die Sonne schon tief über den Zinnen und Dächern der Grundisburg steht, erscheint ein ungeladener Gast.

„Hölle und Satansarsch! Wer begehrt zu solcher Stunde noch Einlass?“, fragt Hartmann in die Runde, schnallt sich seinen Schwertgurt um und begleitet den Bescheid gebenden Wächter zum Tor. Es ist der Krefelder Blidenmeister und Schüler von Albertus Magnus, Thaddäus Blamen. Sein Lehrmeister ist ein überall wertgeschätzter Universalgelehrter und hoher Kleriker, was ihm überall die Tore und Türen öffnet. Der etwa fünfzigjährige, vernarbte, spindeldürre Tüftler stellt sich tief verbeugend vor und setzt hinzu:

„Ich bin auf dem Weg nach Nürnberg und treffe mich dort mit einem Mönch wegen eines neuartigen Pulvers. Wir möchten uns mit Roger Bacon, dem Doctor Mirabilis, einen Erfinder, Alchemisten und Mystiker in England über das schwarze Pulver und seiner tollen Erfindung, einem aufsetzbaren Zauberrohr für Armbrüste und Ballisten, austauschen.“

„Es ist uns eine Ehre“, sagt der Burgherr mit weicher, hoher Stimme. Nur wenige der Anwesenden wissen, was ein Blidenmeister ist. Daher fragt man ihn nach seinem Handwerk. Mit müder und leidenschaftsloser Stimme gibt er Bescheid:

„Ich bin ein erfahrener Geschützmeister und konstruiere komplexe Waffen. Damit helfe ich, Verteidigungswerke und Mauern zu brechen oder zu überwinden. Manches Mal holen mich auch Baumeister, um ihre Festungswerke unangreifbar zu machen. König Rudolf hat nach mir geschickt und ich möchte ihm meine neuesten Schöpfungen vorstellen. Unser König erstrebt, ohne nennenswerte Verluste die Raubnester einiger bösartiger Strauchdiebe in seine Hand zu bekommen.“ Obwohl zu diesem Zeitpunkt, bis auf Seyfried, niemand mehr nüchtern ist, zeigen alle Interesse.

„Welche Erfindungen gegen Bollwerke habt Ihr gemacht?“ Thaddäus zögert, doch der gute Wein und das starke Bier lösen im Laufe des Abends die Zunge des kundigen Waffenbauers.

„Ich habe eine neuartige Rutte erfunden. Dieses Gewerfe ist eine Art Balliste. Es schleudert nach dem Prinzip eines riesigen Streitbogens in schneller Schussfrequenz Geschosse mit großer Wucht über weite Entfernungen. Weiterhin habe ich einen Mauerbohrer erdacht. Das schwere Gerät kann mit durch Reibung erzeugter Hitze geschwind durch das dickste Mauerwerk dringen und dieses schnell zum Einstürzen bringen. Momentan arbeite ich an einem Tonnelon. Dies ist eine Vorrichtung, um höher als die Verteidiger auf den Wällen zu sein und diese aus erhöhter Position zu beschießen. Die Mechanik passt sich jedweder Mauergröße an und ist damit für Belagerungen unersetzlich. Das magische Pulver ist noch in der Entwicklungsphase. Zahlreiche Experimente zeigen, dass die Dosierung sehr schwierig ist. Die Zerstörungskraft kann ich bisher nicht sicher bemessen. Albertus Magnus experimentierte damit, um in seinen wundervollen Gärten schwere Gesteinsbrocken oder Wurzelwerk zu entfernen. Bei richtiger Anwendung lassen sich damit sogar Berge wegsprengen.“ Vor lauter Staunen bleibt den Zuhörern der Mund offenstehen. Der irritierte Gastgeber und dessen Söhne zweifeln, ziehen ihre Stirn kraus und stoßen fast gleichzeitig boshaft hervor:

„Allmächt, das glaub ich nimmermehr!“ Der Burgkaplan mustert den Blidenmeister skeptisch und spuckt seine Worte heraus wie schimmeliges Brot:

„Das Streben nach Wissen ist eine Einflüsterung des Teufels! Der Herr der Finsternis ist es, der Euch verleitet mehr zu erfahren als es Euch zusteht.“ Obwohl Seyfried im Kastler Kloster Schriften über ein geheimnisvolles byzantinisches Feuer gelesen hat, glaubt er dem Waffenexperten auch nicht. Marquard wird sogar beleidigend:

„Man sollte Euch verrückten Aufschneider das Pulver hineinstopfen.“ Der Großwaffenbaumeister ist über den Skeptiker entrüstet und fordert, ein Experiment wagen zu dürfen. Er benötigt hierzu einen schweren Gusseimer, etwas Holzkohle, ein dünnes, mit Öl getränktes Seil und etwas Mauerschimmel. Wieder einmal klappt ob dieser einfachen Wünsche den Feiernden der Kiefer herunter. Alle hätten mit Fledermausflügeln, Lurchblasen oder Froschaugen gerechnet und keinesfalls mit solch harmlosen Zutaten. Schnell wird alles Gewünschte herangeschafft. Der Blidenmeister verbeugt sich und geht nach draußen. Konzentriert geht Thaddäus an seine Aufgabe. Er holt eines seiner Säckchen unter seinem Wams hervor und schüttet den unbekannten Inhalt in den Eimer. Hier befinden sich bereits die Holzkohle und die grün bläulichen Ausblühungen vom Mauerwerk. Er geht mit dem Behälter in den hinteren Teil des Burghofes, schlägt die Feuersteine aneinander, die Funken fliegen und entzünden die Schnur. Es qualmt kurz und Schwefelgeruch steigt auf. Alles schaut neugierig, der feurigen Schlange hinterher. Die sprühenden Funken verschwinden im Eimer.

Thaddäus sucht Schutz hinter dickem Mauerwerk. Alle Gäste schauen belustigt in den lichten Burghof. Eine knisternde, greifbare Spannung liegt in der Luft. Die Wächter lachen über das zu erwartende Spektakel. Sie machen sich lustig und rufen Unflätiges. Es geschieht lange Zeit nichts und deshalb beginnen die Gastgeber über den Fremden zu schimpfen. Argwöhnische Blicke und geflüsterte Mutmaßungen gibt es zuhauf.

„Schneidet dem Maulhelden die Eier ab“, schlägt Hartmann seinen Dolch zückend vor. Hartmann beachtet die lebhafte Zustimmung kaum, die seine letzten Worte finden, setzt unmittelbar fort: „Danach hängen wir diesen Prahler an der Zinne auf!“ In dem Moment als sich die Menschen bereits abwenden, steigt eine hohe Stichflamme aus dem Kübel und ein ohrenbetäubender Donnerschlag zerreißt die Stille. Ein heißer Luftzug wie der Atem eines Drachen umfährt sie. Der Gusseimer ist verschwunden, stattdessen befindet sich ein Krater dort. Die Luft ist erfüllt von einem Gestank nach faulen Eiern. Der Burgherr hustet, es klingt seltsam gedämpft in Seyfrieds Ohren. Das Entsetzen über diese Demonstration sitzt tief. Viele der sternhagelvollen Benommenen glauben, der Leibhaftige ist aus dem Gefäß gefahren. Ängstlich laufen sie von den Fenstern weg und schreien:

„Der Teufel holt uns! Gott sei uns gnädig!“ Rimbold ist der glatzköpfige und nüchterne Burgprediger, sowie der bigotte Lehrer der jungen Rindsmauler. Er kann sich gar nicht mehr beruhigen. Er brüllt noch immer starr vor Schreck:

„Hexenwerk, Hexenwerk! Werft den teuflischen Alchemisten aus der Burg oder noch besser in den Kerker!“ Außer dem zerrissenen Behälter und einer gesprungenen Rundglasscheibe ist absolut nichts passiert. Ein vorher arg lustiger Wächter hat Gehörprobleme. Er versichert:

„Bei mir läuten ständig laute Glocken.“ Marquard zeigt dem Wachknecht einen Vogel, als er die Stimmung hebend aufklärt:

„Der dushärerde Rohard hat noch nie richtig zugehört. Wer weiß, wie lange es bei ihm schon in der hohlen Birne läutet.“ Bis auf den erzürnten Hausgeistlichen lachen alle schallend. Thaddäus macht mit einem Grinsen, das am besten als hämischschuldbewusst beschrieben ist, einen Schritt auf sie zu.

„Ihr wolltet es doch sehen“, verteidigt sich der Blidenmeister immer wieder wiederholend.

„Aus Eurem Mund kommt der Unflat des Teufels!“, schreit der verbitterte und übellaunige Burgkaplan Rimbold. Der Burgherr wünscht die mächtige Kirche keinesfalls zu reizen und wirft vergleichsweise milde gestimmt den Blidenmeister eigenhändig hinaus. Die Explosion übt eine morbide Faszination auf Seyfried aus und sein Interesse für diesen Wissenschaftler ist geweckt.

„Mein Gerechtigkeitsempfinden ist empfindlich gestört durch die ablehnende Behandlung dieses interessanten Mannes. Außerdem möchte ich etwas von diesem geheimnisvollen Pulver erwerben?“, weiht er seine Freunde flüsternd ein, bevor er dem Verspotteten folgt. Rudger hebt einen Finger und warnt seinen Freund:

„Der Begegnung mit diesem Feuerwerker, sehe ich mit gemischten Gefühlen entgegen.“ Er will seinem Freund folgen, doch durch den Alkoholgenuss lässt er es schließlich doch bleiben. Seyfried steht als Einziger so nüchtern vom Tisch auf, wie er sich hingesetzt hatte. Der rüde, in den sehr tiefen Burggraben geworfene Erfinder Thaddäus Blamen stößt einen gellenden Schrei im Fallen aus. Er scheint jedoch unverletzt, denn man hört ihn mit sich selbst über seine eigene

Abbildung 3 Seyfried beim Ausritt aus der Grundisburg

Dummheit schimpfen. Er schleicht wieder nüchtern, tropfnass davon. Spornstreichs verfolgt ihn Seyfried mit seinem Pferd.

Unweit von Grünberg findet er den betrübten Wissenschaftler. Er steht wie angewurzelt unter einer kahlen, knorrigen Eiche, deren weit ausladende Äste und Zweige mit großer Geste nach ihm zu greifen scheinen. Erst als der berittene Seyfried vor ihm steht, verneigt er sich und bittet um Gnade. Er glaubt, der Burgherr hat den jungen Helden geschickt, um ihm, dem als Hexenmeister Bezichtigten, ein schnelles Ende zu bereiten. Thaddäus schaut Seyfried verwundert an, als sich dieser zu ihm setzt und eine gegrillte Schweinshaxe, sowie einen Laib Brot zur Stärkung dabei hat. Sein stilles Stoßgebet scheint gewirkt zu haben, denkt er für sich. Die laue Nacht im Freien verbringen sie mit Fachsimpelei über die neuesten Waffentechniken und die dafür passende Zeit, diese zu präsentieren. Thaddäus murmelt sauertöpfisch:

„Ich habe den Bogen überspannt und mit meiner Angeberei schlafende Hunde geweckt. Es ist sündhaft und wider Gottes Gesetz, sich hochmütig zu brüsten.“ Etwas später fügt er bei: „Wie laut der finstere Wald in der Nacht ist? Ständig knistert es, die Baumwipfel rauschen geheimnisvoll und unheimliche Tiergeräusche sorgen bei ängstlichen Menschen für Furcht.“ Seyfried beruhigt den leichenblassen Mann, der geradezu verstört wirkt. Beide schließen normalerweise keinesfalls schnell Freundschaft. Doch mit dem Ritter Seyfried von Hulloch, einem der jüngsten und formidabelsten Schweppermänner des Landes, macht es Thaddäus bedenkenlos. Einen Beutel mit den hergestellten schwarzen Körnern schenkt er Seyfried und gibt ihm wertvolle Verhaltensweisen im Umgang mit dem giftigen, explosiven Pülverchen obendrein. Der Jungritter lässt seinen neugewonnenen Freund aufsitzen und bringt ihn sicher in die Reichsstadt. Unterwegs erzählt ihm Thaddäus von Meister Albertus Magnus umstrittenem Credo:

„Der Mensch steht im Mittelpunkt der Schöpfung, zwischen Stoff und Geist, zwischen Zeit und Ewigkeit.“ Seyfried bringt den Satz nicht aus dem Kopf. Er bedauert es sehr, diesem berühmten Geistlichen, Wissenschaftler und Philosophen noch nie begegnet zu sein. Seyfried klärt im Gegenzug den von der Burg begeisterten Bliddenmeister über diese doppelte Festung auf:

„Die weitläufige Nürnberg Burg krönt die ihr zu Füßen liegende Pegnitzstadt. Der vor allem in Kriegszeiten überlebensnotwendige über einhundertfünfzig Fuß tiefe Brunnen, musste tief in den Felsen getrieben werden. Nicht immer waren die Burggrafen mit den Königen und Kaisern befreundet. Deshalb besitzen beide Burgen alles, was in schweren Kriegszeiten auch gegeneinander wichtig ist.“ Thaddäus kann es kaum glauben, dass man sich auf so engem Raum bekriegen kann.

Liebe und dreifache Hochzeit

Der Frühling und Sommer 1281 vergeht für Seyfried, Rudger und Schenk mit zweierlei. Zum einen mit ihrer Liebe, welche die drei Paare in vollen Zügen genießen und zum anderen mit den beleidigenden Schikanen und üblen Streichen, welche ihnen die drei Rindsmauler Brüder bereiten. Ersteres besteht aus romantischen Ausritten, Baden und Fischen, gemeinsam eng umschlungen die vorbeiziehenden Wolken oder nachts die Sterne zu betrachten, aus langen ausgedehnten Spaziergängen mit lustigen, gruseligen oder außergewöhnlichen Geschichten, Lagerfeuerromantik und bei schlechtem Wetter stehen Gesellschaftsspiele, Tanzen und Unterhaltung auf dem Programm. Rudger und Schenk vergnügen sich noch zusätzlich mit der Beizjagd und dem Musizieren. Katharina und Seyfried kommen sich beim Mitsommerfest näher. Er zieht sie an sich und drückt seine Lippen auf ihre. Er lässt seine Hände über ihren Rücken gleiten und diesmal drückt sie ihre Hüfte an ihn. Sie tanzen eng umschlungen, bis es dunkelt, und kuscheln sich in einer nach Wildblumen duftenden Sommerwiese zusammen. Katharinas Wange liegt an seiner, Seyfried hört ihren fliegenden Atem, fühlt ihre geschmeidigen Glieder und wie sie in lodernder Leidenschaft zittert und bebt. Viele Worte wechseln sie nicht, halten sich bei den Händen und blicken sich tief in die Augen, als sich ein Naturschauspiel besonderer Art auftut. Langsam steigt der sichelförmige Mond über die Wipfel und überflutet die Lichtung mit seinem silbrigen Licht. Blaue und rote Glühwürmchen schwirren am Waldrand entlang. Man könnte meinen, die Insekten bieten ihnen einen Tanz dar. Es scheint ihnen wie ein Zeichen des Himmels. Nie in ihrem ganzen Leben vergessen sie die sternenklare und romantisch laue Sommernacht mit den Glühwürmchen, den herunterfallenden Sternschnuppen, sowie ihre ersten innigen Küsse. Ihre Freude kennt keine Grenzen mehr.

Zweites ist an manchem Tag kaum auszuhalten. Marquard liebt es, Steinchen in die Stiefel Seyfrieds und Rudgers zu werfen, ihre Kleidung einzufärben oder ihre Beinlinge an peinlichen Orten aufzuschneiden. Hartmann rempelt die Liebenden häufig an oder beobachtet sie lästig. Albrecht ist der älteste der drei Brüder und dennoch der Albernste. Er schneidet die Sattelgurte durch, verriegelt das kleine Tor, damit auch jeder genau weiß, wann die Liebenden nach Hause kommen, gibt Blaubeerfarbe in die Getränke, versteckt bei den Schwestern Mäuse, legt gerne stinkende Fische in die Betten der verliebten Gäste und schwärzt sie ständig beim Burgherrn an. Heinrich lässt es sich von Anfang an nicht gefallen. Er hat gar nichts zu verlieren. Eines schönen nachmittags erwischt er Marquard und Albrecht im Pferdestall, als sie die Leiter zum Heuschober ansägen. Heinrich weiß ebenso wie die Schabernack Treiber, dass Elisabeth gerne mit Rudger dort oben herumbalgt. Was genau in der Stallung vor sich gegangen ist, erfährt niemand. Die drei Brüder machen seither einen großen Bogen um Heinrich. Richtig schlimm mit diesen nervenden Belästigungen wird es erst, nachdem ihr Beschützer Heinrich seine Schwester Gudrun in Lupburg aufsucht.

Katharina und Seyfried tollen in dem durch die wildromantische Klamm schlängelnden fränkischen Schwarzach. Sie glauben sich unbeobachtet und ahnen nichts von dem derben Scherz, der ihnen bereitet wird. Sämtliche Kleidungsstücke rauben die Schurken. Splitternackt müssen sie um Einlass in die Burg bitten. Diese Schmach verzeiht der eher kleine Seyfried niemals den zukünftigen Schwagern und entwickelt eine große Abneigung gegen das Dreigestirn. Burgherr Albrecht findet diesen Streich rundweg daneben. Er bestraft alle drei Söhne mit einem Tag im Stock. Der Stock ist eine feste Schandgeige für Kopf, Beine und Hände. Obwohl Seyfried und Katharina als Geschädigte die Erlaubnis vom Burgherrn bekommen, das schmollende Trio mit einer Gerte zu malträtieren, unterlassen sie es. Das Paar schämt sich, da die Übeltat nicht nur in der Burg publik wurde. Die ungezogenen Jungritter müssen ein hartes Martyrium ertragen. Einige Tage benötigen sie, um sich davon zu erholen und weitere zwei Wochen, bis sie wieder in gewohnter Manier auf die Verliebten einhacken.

Ende September trifft ein Kurier aus Nürnberg ein. Er vermeldet stolz:

„Unser Burggraf hat durch seine Gemahlin einen strammen Stammhalter namens Johann bekommen. Alle Menschen in seinen Landen sollen ein Glas auf den zukünftigen Fürsten heben und ihn ins Gebet einschließen, so die Anweisung des stolzen Vaters.“ Die Burgbewohner applaudieren. Seltsam verhält sich dabei nur Elisabeth. Ihr ist seit einigen Tagen in der Früh schlecht. Es ist für die Burgbewohner kaum zu glauben, dass ihre Launen noch übler wurden. Anfang Oktober werden Seyfried, Schenk und Rudger zum Burgherrn gebeten. Dieser sitzt wutschnaubend auf seinem Podest und starrt bösartig auf Elisabeth. Die Tochter weint bitterlich und hält sich ihren angeschwollenen Bauch. Vater Albrecht kommt wie gewohnt schnell zur Sache. Er stützt sich auf seine Ellbogen und streichelt sich nachdenklich durch seinen Bart als er sagt:

„Ihr seid junge Männer und wollt freilich euren Spaß. Doch nunmehr hattet ihr ohne Gottessegen genug davon. Rudger, Ihr habt mich sehr enttäuscht. Konntet Ihr nicht bis zum Frühjahr warten, um Dampf abzulassen?“ Schenk und Seyfried zucken mit den Schultern, während Rudger noch überraschter dreinblickt. Nach einem Räuspern setzt der besorgte Vater fort:

„Ich toleriere vieles, jedoch wisst ihr genau, dass ich mit der Kirche alles andere als gut stehe und diese schwarzen, gierigen Aasvögel über uns lauernd kreisen. Rudger, ich fordere dich auf, umgehend um die Hand meiner Tochter zu ersuchen und dasselbe gilt freilich auch für dich, Seyfried. Schenk, eigentlich stammt Ihr aus einem adeligen Haus und Euer Mädel ist nur eine Bürgerliche. Das hübsche Kind ist wegen Euch Hals über Kopf aus ihrer ehrsamen Familie entflohen. Für Euch wird es nunmehr genauso Zeit Verantwortung zu übernehmen. Ob nun zwei oder drei Paare heiraten, ist mir einerlei. Jedoch dulde ich in meiner Burg keinerlei weitere Unschicklichkeiten vor der Hochzeit. Auch ich habe meine Prinzipien. Einen baldigen Termin hierfür finden wir gemeinsam, sofern ihr einverstanden seid. Alles Weitere entscheidet Gott.“ Ausgerechnet Rudger zögert am längsten. Alle starren ihn verständnislos an. Nur Elisabeths verweinten Augen weiten sich in gespielter Verwunderung. Mit jedem verstrichenen Augenblick wird Albrechts Brechreiz vor Wut schlimmer. Seyfried schüttelt sofort die Hand des Burgherrn. Schenk lacht und freut sich, als hätte er einen Dauergewinn fürs Nichtstun gewonnen. Endlich willigt Rudger ein, sein Gesichtsausdruck ist allerdings keinesfalls der, eines glücklichen Bräutigams. Freilich zeigen die zukünftigen Schwager über die Ereignisse ebenso wenig Freude. Ihre Streiche werden noch derber. Besonders für den freudigsten Tag hecken sie üble Gemeinheiten aus. Diesmal jedoch bereitet auch Seyfried, Rudger und Schenk, ihren steten Peinigern, eine Überraschung, welche noch lange für Gesprächsstoff sorgt. Bald darauf beordert man die Schweppermänner nach Nürnberg zurück. Der Abschied fällt ihnen bis auf Schenk schwer. Dieser setzt weiterhin bei seiner Braut Gertrud auf die Tarnung als Knecht, um seine Liebschaft unverdrossen fortzusetzen. Seyfried sieht es ungern. Das Mädchen aus Redwitz könnte sie in eine gefährliche Lage bringen. Wer weiß, warum Konrad sie nach Nürnberg einbestellt hat? Lange drücken sich Katharina und Seyfried aneinander. Deutlich kühler läuft das Lebewohl zwischen Rudger und seiner Elisabeth. Der beobachtende Burgherr vermutet, es könne an der fehlenden Erziehung einer anständigen Mutter liegen. Albrechts lebenslustige Ehefrau ist nicht, wie allgemein verlautet wurde, im Kindbett gestorben, sondern ihrem Gemahl und ihren Verpflichtungen davongelaufen. Albrecht trägt seither schwarz.

„Die Mutter meiner Kinder ist einfach mit einem fahrenden Vagabunden durchgebrannt. Nicht einmal einem adeligen Minnesänger ist sie gefolgt, nein, einem dahergelaufenen Schurken und Tunichtgut hat sie sich an den Hals geworfen“, schimpfte der Vater schon oft in den Kreisen seiner engsten Familie. Bei schönstem Wetter verlassen sie die Burg.