Sieben Gründe, warum wir nicht so gut sind, wie wir sein könnten - Peter Schmidt - E-Book

Sieben Gründe, warum wir nicht so gut sind, wie wir sein könnten E-Book

Peter Schmidt

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Beschreibung

Fragt man nicht Wissenschaftler, sondern Alltagsmenschen, was eigentlich so viel Leid und Unglück in der bisherigen Menschheitsgeschichte verursacht hat – geschätzte bis zu dreieinhalb Milliarden Tote, also etwa die halbe gegenwärtige Weltbevölkerung, allein in allen bisherigen Kriegen – dazu Folter, Hunger, Vergewaltigung, Unterdrückung, Mord durch Inquisition, Mord aus politischer Willkür, profaner Alltags-Mord, selbstherrliche Gerichte, Amokläufer, Psychopathen, Selbstmordattentäter und Sprengstoffanschläge – und dies bis in die jüngste Gegenwart. Anhand von sieben Thesen und exemplarischen Fällen – darunter auch dem Holocaust als wohl grausamstem Verbrechen der Menschheitsgeschichte – wird gezeigt, dass dieser weltweite gesellschaftliche Zustand weitgehend stabil ist, sich bestenfalls graduell und in Wellenbewegungen zum Positiven verändert, aber ohne entscheidenden Phasen- oder Qualitätssprung – und warum die Prognose für wesentlichen und nachhaltigen Fortschritt negativ ist. –– Trotzdem liegt in einem besseren Verständnis unserer allgemeinen Lebensziele ein großes Potential positiver Veränderung. Indem wir die klassischen Moralbegründungen an unseren tatsächlichen Wertentscheidungen messen, lässt sich der weltweite Level von Lebensqualität um ein Vielfaches steigern …

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Peter Schmidt

Sieben Gründe, warum wir nicht so gut sind, wie wir sein könnten

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

ZUM BUCH

ÜBER DEN AUTOR

INHALT

Ist der Holocaust Ansichtssache?

THESE 1 „Analytische Defizite“

THESE 2 „Die Raubtiergesinnung des Homo sapiens“

THESE 3 „Die Krankheit des Bewertens“

Das Ich-liebe-meine-Mutter-Modell

THESE 4 „Zwanghafte Lagerbildung“

THESE 5 „Unzureichendes Lebensverständnis“

THESE 6 „Fehlende Selbstkontrolle“

THESE 7 „Motivation aus dunklen Quellen“

WEITERE TITEL VON PETER SCHMIDT

Impressum neobooks

ZUM BUCH

Fragt man nicht Wissenschaftler, sondern Alltagsmenschen, was eigentlich so viel Leid und Unglück in der bisherigen Menschheitsgeschichte verursacht hat – geschätzte bis zu dreieinhalb Milliarden Tote, also etwa die halbe gegenwärtige Weltbevölkerung, allein in allen bisherigen Kriegen – dazu Folter, Hunger, Vergewaltigung, Unterdrückung, Mord durch Inquisition, Mord aus politischer Willkür, profaner Alltags-Mord, selbstherrliche Gerichte, Amokläufer, Psychopathen, Selbstmordattentäter und Sprengstoffanschläge – und dies bis in die jüngste Gegenwart …

... dann werden sie zu Recht auf unsere menschliche Habgier verweisen, auf Egoismus, Verachtung, Niedertracht, Gleichgültigkeit, Enttäuschung, Hass und Rache, Vergeltungsdenken, Aggressivität und Lust am Bösen …

… und übersehen dabei, dass sich darüber hinaus eine der menschlichen Spezies eigene Krankheit des Bewertens diagnostizieren lässt, die solchen Motiven wesentlich zugrunde liegt. Neben weiteren Defiziten wie analytischer Schwäche, fehlender Selbstkontrolle, zwanghafter Lagerbildung, unzureichendem Lebensverständnis, Motivationen aus – wenn man so sagen will –„dunklen Quellen“ und der allseits bekannten Raubtiergesinnung des Homo sapiens.

Anhand von sieben Thesen und zahlreichen exemplarischen Fällen – darunter auch dem Holocaust als wohl grausamstem Verbrechen der Menschheitsgeschichte – wird gezeigt, dass dieser weltweite gesellschaftliche Zustand weitgehend stabil ist, sich bestenfalls graduell und in Wellenbewegungen zum Positiven verändert, aber ohne entscheidenden Phasen- oder Qualitätssprung – und warum die Prognose für wesentlichen und nachhaltigen Fortschritt negativ ist …

Trotzdem liegt in einem besseren Verständnis unserer allgemeinen Lebensziele ein großes Potential positiver Veränderung. Indem wir die klassischen Moralbegründungen an unseren tatsächlichen Wertentscheidungen messen, lässt sich der weltweite Level von Lebensqualität um ein Vielfaches steigern …

ÜBER DEN AUTOR

INHALT

Analytische Defizite

Die Raubtiergesinnung des Homo sapiens

Die Krankheit des Bewertens

Zwanghafte Lagerbildung

Unzureichendes Lebensverständnis

Fehlende Selbstkontrolle

Motivation aus dunklen Quellen

Ist der Holocaust Ansichtssache?

THESE 1 „Analytische Defizite“

Das Schafherden-Modell

THESE 2 „Die Raubtiergesinnung des Homo sapiens“

Das Wolfsrudel-Prinzip

Geldstrafen für Kartellsünder

Millionäre als Herrscher der Welt

Spionage – schamloses Ausforschen der Opfer

Der gegenwärtige Zustand der Welt und das verführerische Bild moderaten Fortschritts

Das Ich-bombe-dich-weg-Prinzip

Ist die Aufklärung steckengeblieben?

THESE 3 „Die Krankheit des Bewertens“

Das Schweißfuß-Käse-Modell

Das Ich-liebe-meine-Mutter-Modell

Haben wir Bewertungen oder „haben uns“ die Bewertungen?

Bloßes Wertmeinen

„Meinung“ statt Bewertung

Die fehlende Definition des Positiven und Negativen im Leben als analytisches Defizit

Beliebigkeitsbewertungen

Haben Bewertungen Zwangscharakter? Können Bewertungen wahnhaft sein?

Das Vier-Apfelstücke-Modell

Wertkämpfe und geistiger Dornröschenschlaf

THESE 4 „Zwanghafte Lagerbildung“

Die Blau-Rot-Grün-Hypothese

Lagerbildung zwischen Staaten

THESE 5 „Unzureichendes Lebensverständnis“

Zehn Gebote, Goldene Regel, Kategorischer Imperativ

Subjektiver Wertpluralismus statt Wertobjektivismus

Das Kistenmodell der Gesellschaft

Das (auf der Hand liegende) Nichtbeteiligungs-Modell

Das Beteiligungsprinzip

THESE 6 „Fehlende Selbstkontrolle“

Willensfreiheit

Hitler auf dem Obersalzberg

THESE 7 „Motivation aus dunklen Quellen“

Man soll öfters dasjenige untersuchen, was von den Menschen meist vergessen wird, wo sie nicht hinsehen und was so sehr als bekannt angenommen wird, dass es keiner Untersuchung mehr wert erachtet wird.

Georg Christoph Lichtenberg

Anhand von sieben Thesen lässt sich zeigen, warum wir (wohl) nicht mehr damit rechnen können, jemals weltweit jenes Maß an Positivität zu verwirklichen, das eigentlich möglich wäre, weil es, zumindest potentiell, in der Natur der Sache liegt.

Genauere Analysen als bisher belegen, dass wir weit unter unseren Möglichkeiten bleiben, den Level an Lebensqualität so weit anzuheben, wie es mit mehr Einsicht in die Zusammenhänge des gesellschaftlichen Ganzen, in unsere emotionale und mentale Verfassung und die Hindernisse, die wir uns selbst in den Weg legen, realisierbar erscheint.

Das Ergebnis dieser – nennen wir es Desorientiertheit – sind, von unserem alltäglichen zwischenmenschlichen Desaster abgesehen, allein in den bisherigen Kriegen der Menschheitsgeschichte Legionen sinnlose Tote, ist unendlich viel Leiden, Angst und Schmerz. Hochrechnungen und Schätzungen reichen von 455 Millionen (Matthew White: „Atrocitology: Humanity's 100 Deadliest Achievements“) bis 3,5 Milliarden (Michael Sheehan: “The Changing Character of War).

Durch Mao starben bis zu 70 Millionen Menschen. Unter Pol Pot kam jeder dritte Kambodschaner ums Leben. Hitler wird für bis zu 6 Millionen Tote allein während des Holocaust verantwortlich gemacht, bei insgesamt 60 Millionen Toten des Zweiten Weltkriegs. Schätzungen von Opfern der „Stalinschen Säuberungen“ gehen ebenfalls in die Millionen. Namen, die gewissermaßen nur stellvertretend stehen für unseren immerwährenden Hang, zu töten, zu zerstören, zu quälen, destruktiv zu sein, auf Kosten anderer zu raffen, auszubeuten, zu versklaven, herabzusetzen und zu unterdrücken.

Die exorbitante Negativität des Homo sapiens scheint eine feste Größe zu sein.

Was uns fehlt, sind offenbar genauere Einsichten in den Charakter unserer Destruktivität – und damit auch unserer verpassten Möglichkeiten. Doch nur von einem Mangel zu wissen, bedeutet nicht auch schon, daraus für unser Handeln Konsequenzen zu ziehen. Erkenntnis allein reicht nicht aus …

Hier bietet sich unter anderem die Analyse des womöglich größten Verbrechens der Menschheitsgeschichte an, um die Tragweite und tragische Dimension unserer befremdlichen Selbstvergessenheit hinsichtlich der Ziele des Lebens zu verdeutlichen.

Ist der Holocaust Ansichtssache?

Die Liste der Holocaust-Leugner weltweit ist viele Seiten lang – von Deutschland über zahlreiche europäische Staaten, die arabische Welt bis hin zu Australien, Japan und den USA –, obwohl der Holocaust unter den meisten Historikern als gut gesicherte Tatsache gilt.

„Sechs Millionen kann nicht stimmen. Es können maximal 340.000 in Auschwitz umgekommen sein“, so ein NPD-Mitglied.

Al-Ahram, Kairo, älteste ägyptische Zeitung: „Es gab überhaupt kein Chelmno, kein Dachau, kein Auschwitz! An diesen Orten standen lediglich Desinfektionsanlagen.“

Der ehemalige iranische Präsident Ahmadinedschad relativierte den Holocaust und sah ihn zumindest als nicht erwiesen an. Unter dem Titel International Conference on «Review of the Holocaust: Global Vision», berief er in Teheran eine Konferenz ein, an der zahlreiche internationale Holocaustleugner teilnahmen.

Angesichts derart unterschiedlicher Auffassungen stellt sich die Frage:

Wie war es möglich, dass so viele Menschen, obwohl sie schon während des Nationalsozialismus durch Kriegsheimkehrer und Insider davon erfahren hatten, das Thema mehr oder weniger negierten? Lediglich aus Angst vor Strafe und Repressalien der nationalsozialistischen Diktatur, wie oft angenommen wird? Oder weil man am Ausmaß der Verbrechen zweifelte („Davon haben wir nichts gewusst“)? Und warum wurde das Thema in Deutschland nach dem Krieg so lange tabuisiert? Vor allem aber, wieso ist es selbst heutzutage in gewissen Kreisen noch umstritten? Selbst ein ehemaliger italienischer Regierungschef unterstellte den Deutschen unlängst, wenn auch zweifellos demagogisch verallgemeinernd:

"Berlusconi-Tirade: 'Für Deutsche haben die KZs nie existiert'. Silvio Berlusconi hat die Deutschen indirekt als Holocaust-Leugner bezeichnet." (SPIEGEL 4/2014)

Ist der Holocaust womöglich doch in irgendeiner Weise Ansichtssache? Oder, noch gewagter gefragt, sogar so etwas wie „Geschmackssache“?

Die Antwort auf diese provokative Frage, die jeden Menschen, der hinsichtlich seines Selbstverständnisses nicht längst das Handtuch geworfen hat, nach so unfassbar viel Leid in den Vernichtungslagern des Nationalsozialismus befremden muss, wirft zugleich Licht auf eines unserer wohl größten intellektuellen Defizite:

die Analyse jener Motivationen und Gründe, die uns in der Menschheitsgeschichte immer wieder zu Schlächtern haben werden lassen, zu Mördern, Ausbeutern, Sadisten und schweigenden gesellschaftlichen Mitläufern.

Bewertungen können subjektiv sein, Geschmacksurteile sind bekanntlich per definitionem subjektiv, stellen also keine Beschreibung rein objektiver und allgemeingültiger Daten unser Erfahrungsrealität dar, wenn auch objektive Erfahrungsdaten daran beteiligt sein mögen. Sondern ihr wesentlicher Grund liegt im Subjekt, das seinen ganz persönlichen, relativen Anteil, z. B. durch subjektives Fühlen, beisteuert.

„Objektive und allgemeingültige Daten der Erfahrungsrealität“ – was ist damit gemeint?

Beispiel für eine subjektive Veränderung in Wahrnehmungen:

Im Alltag wie auch in der Erkenntnistheorie gehen wir davon aus, dass ein weiter entfernter Gegenstand nicht kleiner ist als ein naher. Er erscheint nur kleiner, eben bedingt durch seine Entfernung.

Wir messen ihm aber „an sich“, d.h. unabhängig vom Bewusstsein, eine gleichbleibende Größe bei. „Kleiner“ und „größer“ sind offenbar subjektive Faktoren, hinzugefügt durch unseren Wahrnehmungsapparat, aber nicht am Objekt selbst befindlich. Es gibt also subjektive „Verfälschungen“ des Objekts, die allerdings im praktischen Erkennen und Handeln, hier z. B. bei der Einschätzung der Entfernung, ihren Sinn haben.

Ähnlich – dann allerdings nicht mehr subjektiv verstanden – sind wohl die meisten Menschen, auch Physiker und Erkenntnistheoretiker, z.B. im Sinne des sogenannten „Kritischen Realismus“ anstelle von naivem Realismus, davon überzeugt, dass die Strecke, die ein Körper im Raum zurücklegt, eine tatsächliche Bewegung ist und nicht einfach bloß wahrgenommen, also nur so erscheinend.

Selbst wenn es kein menschliches Bewusstsein gäbe, nehmen wir gemeinhin noch an, dass ein Gegenstand sich durch den Raum bewegen kann, es sei denn, wir halten wie die erkenntnistheoretischen Idealisten alles nur für einen „Bewusstseins-Traum“, und unabhängig vom Bewusstsein existiert überhaupt keine Welt.

Eigenschaften, Bestimmungen dagegen, die abhängig vom Subjekt sind, werden nicht als „objektiv“, „ansichseiend“, also unabhängig vom Subjekt angesehen. So verstanden sind Geschmacksurteile offensichtlich subjektiv.

In dieser Analyse wird es weniger um strittige historische Tatsachen, um Opferzahlen, um Leugner des Holocaust, um politische Motive oder wissenschaftliche Gründe oder Beweise für historische Richtigkeit gehen, als vielmehr um die auf der „Metaebene unseres Bewusstseins“ zu findenden Gründe unseres Umgangs mit ähnlich exemplarischen Verbrechen der Menschheitsgeschichte. Solche Gründe werden gemeinhin z. B. in bequemem Mitläufertum gesehen, in mangelnder Empathie, in Angst vor Repressalien und Nachteilen.

Unsere Meta-Analyse wird dagegen zeigen, dass es eine Reihe weitgehend unbemerkter zusätzlicher Faktoren hoher Wirksamkeit gibt, die die bedauerliche Prognose rechtfertigen, dass wir kaum Chancen haben, unsere gewohnten Verhaltensweisen zu ändern.

Aber lässt sich denn überhaupt über den Holocaust moralisch streiten? Kann es hier Zweifel und berechtigte abweichende Meinungen geben?

Was ist eigentlich das genaue Kriterium, um zwischen Ansichtssache, Geschmackssache und „wahren“ moralischen und menschlichen Werten zu unterscheiden?

Indem wir das womöglich größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte mit der Frage „Kann die Bewertung des Holocaust Ansichtssache sein?“ zum Anlass einer Klärung unserer wohlverstandenen eigentlichen Interessen im Leben nehmen, vermögen wir unseren Blick zu schärfen für einen bisher so gut wie völlig übersehenen moralischen Sachverhalt, der vielleicht das Leiden nicht beendet, aber uns wenigstens in klarerem Wissen über die Gründe unseres Versagens scheitern lässt …

THESE 1 „Analytische Defizite“

Schon ein zehnjähriges Kind hätte eigentlich zur Zeit des Nationalsozialismus bei durchschnittlicher Intelligenz erkennen können, dass Juden kein gemeinsames Merkmal (z. B. charakterlich, physisch, ideologisch, religiös, der Abstammung nach) haben, für das es einen Grund geben könnte, sie in Konzentrationslager zu verbringen und zu ermorden.

Der Nachteil der Intelligenz

besteht darin, dass man

ununterbrochen gezwungen

ist, dazuzulernen.

(George Bernard Shaw)

Wie auch immer man das Judentum und den „Juden“ definiert – z. B. als historisches jüdisches Volk, als Religionsgemeinschaft, als „Rasse“ oder als Ethnie, durch kulturelle Merkmale wie Sprache, geografische Herkunft, Traditionen, Gebräuche und Geschichte und/oder Abstammung – im Grunde liegt doch selbst für das schlichteste Gemüt nach kurzem Nachdenken auf der Hand, dass zahllose Menschen sich hinsichtlich der Propagandathesen gegen das Judentum in einer Art geistigem Dornröschenschlaf befanden …

Hätte man Hitler gefragt, was denn genau der jüdische Besitzer des Kaufhauses an der Ecke, das jüdische Mütterlein mit ihrem Ziegenstall im Dorf, der Geldverleiher im Mittelalter, der Gemüsehändler nebenan, der Rabbi in der Synagoge und das jüdische Kind auf der Schulbank an negativen Charaktereigenschaften, bösartigen Absichten und amoralischer oder krimineller Vergangenheit gemeinsam haben, sei es nun als einzelnes Merkmal oder Gruppe, dann wäre es ihm kaum möglich gewesen, solche Gemeinsamkeiten nachzuweisen.

Der wissenschaftlich weitgehend abgelehnte Rassenbegriff, z. B. als „semitische Rasse“, ändert an diesem analytischen Defizit praktisch nichts. Denn selbst wenn man einen genetischen Unterschied feststellen könnte (was zur Zeit des Nationalsozialismus wissenschaftlich ohnehin nicht möglich war), hätte das kaum Aussagekraft für den jeweils individuellen Charakter, negative Merkmale zu konstatieren, da dieser sich dynamisch entwickelt, zum Beispiel im kulturellen Wechselspiel, in der Erziehung, und man jeden Fall gesondert betrachten muss.

Laut Hitler haben Juden im Wesentlichen folgende Eigenschaften, Motive und Absichten:

1) Schädigung der arischen Rasse durch Vermischung mit minderwertigem jüdischem Blut, durch die deren Untergang droht.

2) Verschwörung zur „wirtschaftlichen Eroberung der Welt“, deren politischer Unterjochung und zur „Weltherrschaft“.

3) Schädigung und Senkung des kulturellen Niveaus durch geringes eigenes Niveau.

Offensichtlich lässt sich aber keines dieser Merkmale dem sogenannten Juden evident zuordnen. Und schon gar nicht im Sinne der Verallgemeinerung, alle seien gleich.

Zu 1) Ob „jüdisches Blut“ geringeren Wert als „arisches“ besitzt, ist an der bloßen Subsumierung eines Menschen unter eine Kategorie (Jude, Farbiger, Indianer usw.) nicht zu erkennen. Vielmehr müsste der Nachweis in jedem Einzelfall geführt werden, da die Begründung immer nur induktiv sein kann: von einigen oder allen bekannten Fällen fälschlich auf weitere oder alle.

Zu 2) Für eine politische Verschwörung gilt das Gleiche. Es gibt keine seriösen Hinweise darauf, dass der Jude danach gestrebt hätte, den Deutschen bzw. „Arier“ auszurotten oder in irgendeiner Weise zu unterdrücken. Wir müssten dann das Kind, die alte Frau, den Rabbi, den Gemüsehändler usw. unter diese Kategorie subsumieren können und ihnen eine gemeinsame Absicht unterstellen, was erkennbar nicht möglich ist.

Zu 3) Ebenso ist keine Senkung des kulturellen Niveaus durch Juden zu erkennen, eher im Gegenteil:

Von 1905 bis 2012 verzeichnet das sogenannte Judentum über 180 Nobelpreisträger. Die Welt verdankt bahnbrechende und wegweisende geistige und wissenschaftliche Fortschritte bekanntlich ausgerechnet dem Judentum, z. B. durch Einstein, Freud und Marx.

Wenn überhaupt „minderwertiges Blut“, „Weltverschwörungsambitionen“ und „negativer kultureller Einfluss“ nachgewiesen werden könnten, dann wäre eine ungeprüfte Verallgemeinerung solcher Kennzeichen nur durch eine Art gesellschaftliche Sippenhaft denkbar.

Wohlgemerkt geht es dabei noch nicht um Konsequenzen, zum Beispiel öffentlich Stellungnahme und Kritik, wie etwa riskante politische Opposition, sondern zunächst einmal um die schlichte persönliche Bestandsaufnahme jedes Einzelnen für sich selbst.

Das Schafherden-Modell

Ein Schaf läuft voraus, andere folgen. Bald folgt auch der Rest der Herde. Wird schon richtig sein, was die Herde tut …

Aus den Schützengräben des Ersten Weltkriegs ist bekannt, dass auf beiden Seiten nach anfänglicher Euphorie durch Kriegspropaganda schon bald Skepsis herrschte und die einfachen Soldaten in hohem Maße am Sinn des Krieges zweifelten – und trotzdem weiter brav zwischen Leichenbergen durch den Schlamm tappten ...

Erst wenn das Nervensystem nach fünfzehn Stunden Artilleriebeschuss wegen Dauerzittern den Dienst versagte, wurde der Herdentrieb gestoppt.

Wie Schafherden folgen wir leicht einem Trend, einer gesellschaftlichen Wendung – als sei es ein archaisches Überbleibsel, ein immer gleicher Sicherungsmechanismus in unseren Genen, der evolutionär so lange erfolgreich war, weil er unser Überleben sicherte …

Und erst recht in Not, als Unterlegene im System, gedemütigt beispielsweise als Staat, als Klasse oder wegen Religionszugehörigkeit oder hinsichtlich unseres Status in der Hierarchie.

Als Menschen fliegen wir zwar zum Mond, zocken als Börsenspekulanten trickreich nicht mit dem eigenen Vermögen, sondern dem Guthaben unbedarfter Sparer, bauen selbst Garagentore ein, führen womöglich erfindungsreich das Finanzamt hinters Licht – und sind doch an einer existentiell so bedrohlichen Schaltstelle der Politik wie dem Auftreten des Nationalsozialismus, der uns 60 Millionen Tote und ein in Schutt und Asche liegendes Deutsches Reich eingebracht hat, naiv wie Schafe ...

Wie also kommt es zu einem analytisch derart schwachen Urteil in weiten Kreisen der damaligen deutschen Bevölkerung? Neben Mitläufertum aus Gleichgültigkeit, Angst und Bequemlichkeit bleibt hier nur eine Erklärung:

Der Durchschnittsmensch ist für die Beurteilung von Sachverhalten dieses Typs offenbar wenig geeignet – und er ist auch wenig geneigt dazu …

Dass analytisches Denken im Unterschied zu praktischer Intelligenz nicht gerade unsere größte Stärke ist, lässt sich gut an einem Beispiel demonstrieren, bei dem es um die Fähigkeit zu logischem Denken geht.

Befragungen haben ergeben, dass viele Menschen die Plausibilität folgender beider Behauptungen nur schwer einschätzen können. Sie haben Schwierigkeiten zu erkennen, welcher Satz logisch richtig ist:

BEISPIEL 1:

Gesetzt den Fall, alle Pfeifenraucher sind Griechen und Sokrates ist Grieche, dann raucht er demzufolge aus logischen Gründen Pfeife.

BEISPIEL 2:

Gesetzt den Fall, alle Griechen sind Pfeifenraucher und Sokrates ist Grieche, dann raucht er demzufolge aus logischen Gründen Pfeife.

Sicher kann man sich im Einzelfall immer irren, also auch in unseren Beispielen. Solche Fragen ersetzen keinen Intelligenztest. Es geht nicht um Herabsetzung, sondern um Verstehen. Aber sollte nicht angesichts der Gräuel des Holocaust die Frage erlaubt sein, warum nach den ersten Synagogenbränden, den ersten Judensternen, den ersten boykottierten Geschäften jüdischer Händler wenigstens als schlichte Frage ein Aufschrei in Deutschland ausblieb: Und warum genau werden diese Menschen diffamiert?

Konstatieren wir also, dass am Beginn eines barbarischen, unmenschlichen, gegen jede Moral und jedes Recht verstoßenden millionenfachen Mordes nicht nur dumpfe Gefühle und unkritisches Mitläufertum oder Sorge um die eigene Sicherheit stehen, sondern womöglich auch ein klares intellektuelles Defizit.

Oder eben auch zusätzlich kalte Pflichterfüllung und Härte, fehlende Empathie, pathologischer Hass auf Juden bei jemandem, der besser als jeder andere wusste, was er tat. Heinrich Himmler am 7. Juli 1941 an seine Frau Marga: „Ich fahre nach Auschwitz. Küsse, Dein Heini.“

Die „Denkmuster“ des Holocaust – wenn man es denn so nennen will – sind bekanntlich kein bloßer Betriebsunfall der Geschichte. Es handelte sich auch nicht nur um einen kleinen Kreis eigentlich verantwortlicher Akteure um Hitler – wie Himmler, Heydrich, Eichmann und ihre Vollstrecker vor Ort, zum Teil auch ausländische Zuarbeiter („Trawniki“) –, sondern selbst die gewöhnliche Polizei, erst recht die Gestapo, war für Tausende von Morden an Juden und anderen als minderwertig angesehenen Bevölkerungsgruppen verantwortlich.

Wir erleben Ähnliches in den afrikanischen ethnischen Kriegen, z. B. im Kongo, im Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten in Nordafrika und in vielen ähnlichen Konfliktsituationen auf allen gesellschaftlichen Ebenen.

Eine Gesellschaft, die zu solchen Fehlern imstande ist, wird auch dann nicht ausreichend klüger, wenn darauf eine Demokratisierungsperiode folgt, wie gegenwärtig nach dem Nationalsozialismus und Holocaust. Aufklärung ist hier – im Kern – eben nicht Analyse, sondern auch nicht viel mehr als wohlfeile Anpassung an den gerade geltenden Mainstream.

Daran ändern auch die Möglichkeiten des Internets mit Meinungsäußerungen und Diskussionsforen trotz aller wünschenswerten Informationen erkennbar nicht so viel, dass man von einer neuen Ära, einem Phasensprung innerhalb der aufgeklärten Gesellschaft reden könnte.

Unsere Prognose, ob nach solchen Katastrophen ähnlichen Entwicklungen vorgebeugt wird, kann daher nur negativ sein.

Wie in These „Die Krankheit des Bewertens“ gezeigt, betrifft dieses intellektuelle Defizit vor allem auch Bewertungen – und zwar mit beträchtlichen negativen Folgen.