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Comanchen sind aus ihrer Reservation ausgebrochen und machen die Umgebung der kleinen Western-Stadt Whirltown unsicher. Sie überfallen Munitionstransporte und greifen kleine Ranches und Farmen an. Gegen Indianer-Brauch kommen sie sogar des Nachts, um zu töten.
Als ein Fuhrunternehmer, mit dem zwei Männer von der Skull am Abend zuvor einen heftigen Streit hatten, ermordet wird, findet man am Ort des Überfalls einen Pfeil. Aber auch die beiden Cowboys aus dem Bluegrass Valley geraten in Verdacht. Wenn es den Männern von der Skull nicht gelingt, den wahren Mörder zu finden, werden zwei von ihnen hängen...
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Seitenzahl: 151
Veröffentlichungsjahr: 2022
Cover
Nachts kommen sie und töten
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Impressum
Nachts kommen sie und töten
von E. B. Millett
Comanchen sind aus ihrer Reservation ausgebrochen und machen die Umgebung der kleinen Western-Stadt Whirltown unsicher. Sie überfallen Munitionstransporte und greifen kleine Ranches und Farmen an. Gegen Indianer-Brauch kommen sie sogar des Nachts, um zu töten.
Als ein Fuhrunternehmer, mit dem zwei Männer von der Skull am Abend zuvor einen heftigen Streit hatten, ermordet wird, findet man am Ort des Überfalls einen Pfeil. Aber auch die beiden Cowboys aus dem Bluegrass Valley geraten in Verdacht. Wenn es den Männern von der Skull nicht gelingt, den wahren Mörder zu finden, werden zwei von ihnen hängen ...
»Du krummbeinige Kröte von einem Viehtreiber!«
Shorty erbleicht. Dann läuft er violett an. Aus weitaufgerissenen Augen starrt er sein Gegenüber an.
»Pass auf, dass er dir nicht ins Bein beißt!«, ruft jemand, als Shorty furchterregend die Zähne fletscht.
Zwei Schritte von dem kurzbeinigen Cowboy entfernt steht Brazos. Shorty schickt einen schnellen Blick zu ihm hinüber. Der Mann, der angeblich sein Freund ist, reagiert nur mit einem Grinsen auf die Beleidigungen, die man dem Cowboy von der Skull-Ranch angedeihen lässt.
Shorty kocht vor Wut, und dann tut er etwas, mit dem niemand rechnet. Während er den großen, schlanken Mann angrinst, den er nicht einmal kennt, zuckt sein rechter Fuß nach vorn.
Die Stiefelspitze knallt gegen das Schienbein des Mannes, mit dem er Streit hat.
Und während Ailward noch brüllend auf einem Bein tanzt, findet Shorty sich auf dem Boden wieder. Er hat die Beherrschung über seinen Körper verloren. Jetzt sieht er ein, dass es falsch gewesen war, die gleiche Menge trinken zu wollen wie Brazos, der Schmied von der Skull-Ranch.
Shorty kommt auf alle Viere hoch. Er sieht den vor ihm tanzenden, langaufgeschossenen Mann beinahe doppelt.
»Das kommt noch so weit, dass der hinterhältige Zwerg kratzt und spuckt«, knurrt einer der Saloongäste. Ein breitschultriger Bursche, dessen gerötete Nase darüber Auskunft gibt, dass er bislang auch in kein volles Schnapsglas gespuckt hat.
»Man sollte ihm die verdammten, krummen Beine brechen, damit er niemand mehr treten kann!«
Das ist nicht nur so dahingesagt. Der Bursche macht sich wirklich auf den Weg.
Er kommt nicht einmal in Shortys Nähe. Brazos schnappt nach seinem Arm und reißt ihn wie eine Puppe zu sich herum.
»Die beiden Gentlemen wollen sich ungestört unterhalten, Freund«, dröhnt Brazos Bass.
Der Schmied der Skull hat das nicht einmal unfreundlich gemeint. Doch derjenige, den Brazos am Ärmel festhält, ist ganz versessen darauf, sich in die inneren Angelegenheiten anderer einzumischen.
Mit einem Ruck macht er sich frei. Blitzschnell schwingt seine Faust gegen den Schmied der Skull. Brazos stellt sich geistesgegenwärtig auf die Zehenspitzen. So landet der Schlag, der seinen Kopf treffen soll, auf seiner breiten Brust. Das entlockt Brazos nur ein gefährliches Knurren. Der Breitschultrige, weicht erschrocken zurück. Er starrt Brazos an wie ein Wundertier. Jeden Mann hätte dieser Schlag von den Beinen geholt. Doch der Hüne, der wie eine drohende Wand vor ihm steht, zeigt nicht die geringste Reaktion.
Brazos grinst nur. Das auf eine Art und Weise, die wenig Gutes verheißt.
Doch anstatt auf den breitschultrigen Schläger loszugehen, streckt Brazos die Hand aus und hilft seinem kleinen Freund auf die Beine.
»Okay, Shorty«, sagt er. »Vielleicht ist die Lady wirklich seine Verlobte. Oder aber er hat schon so viel für sie ausgegeben, dass er sie sich von dir nicht madig machen lassen will.«
Shorty läuft krebsrot an. Brazos weiß, was das zu bedeuten hat. Shorty wird sich auch von ihm nicht zurückhalten lassen.
Genau so kommt es.
Als Brazos gewaltige Pranken zugreifen, weil er Shorty doch noch von einer Dummheit abhalten will, taucht der einfach unter den Armen seines großen Freundes hinweg. Anschließend stürmt er erneut dem Kerl entgegen, der ihn eine »krummbeinige Kröte« genannt hat.
»Weißt du, was ich mit dir machen werde?«, fragt Shorty knurrend.
»Zuerst werde ich dich auf einen Yard dreimal durchbrechen. Anschließend so zerkleinern, dass man dich durch das Schlüsselloch aus diesem verdammten Saloon schieben kann. Genau das werde ich tun, Mann!«
Große Worte für einen kleinen Mann.
Brazos sieht die Katastrophe kommen. Er schließt die Augen. Es gibt wirklich nur einen Weg, Shorty wieder auf den Teppich zurückzuholen: Der muss sich an dem langen Ailward den Kopf einrennen.
Es gibt einen großen Krach. Als Brazos die Augen öffnet, glaubt er zu träumen. Nicht Shorty, sondern Ailward liegt vor dem Tresen auf dem Boden. Shorty hat einen wilden Angriff auf den Kopf vorgetäuscht und seinen Gegner anschließend gegen das andere Bein getreten.
Brazos kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. Shorty ist wirklich ein unangenehmer Gegner. Wenn man ihn in seiner Ehre gekränkt hat, dann darf man ihn nicht für einen Moment aus den Augen lassen.
Jetzt grinst der kleine Cowboy der Skull triumphierend. Er wendet sich an das blonde Saloonmädchen, wegen dem der Krach angefangen hatte.
»Und nun werden wir gemeinsam einen zur Brust nehmen, Blondie«, schnauft er etwas außer Atem. »Dein Freund ist schlecht zu Fuß. Der kann sich ohnehin nicht mehr die Treppen hinaufbemühen.«
Für Nelly, die Blondine, ist das alles unbegreiflich. Sie kennt Hank Ailward schon eine ganze Weile. Und sie hat ihn schon des Öfteren kämpfen sehen. Noch niemals hat der Fuhrunternehmer sich von einem solchen Zwerg auf die Bretter schicken lassen.
»Was ist, Ailward?«, fragt nun der Breitschultrige, der es nicht lassen kann, sich einzumischen. »Willst du der Kröte nicht den Skalp nehmen?«
Shorty dreht sich zu dem Mann herum. Das Blitzen in seinen Augen lässt sich auf einen gewissen Heldenmut und eine ganze Menge Wahnsinn schließen. Keine Frage, nach diesem heroischen Sieg über Ailward ist Shorty bereit, den nächsten Gang mit dem Breitschultrigen zu machen.
»Du solltest dich da heraushalten, Fettwanst!«, keift Shorty.
Jetzt hat er sich so an dem neuen Gegner festgebissen, dass er Ailward aus den Augen gelassen hat. Der hat sich inzwischen wieder aufgerappelt. Seine Faust trifft Shorty in den Rücken. Der Schlag lässt den kleinen Cowboy nach vorn schießen. Er reißt einen Tisch mit sich, als er zu Boden geht.
Stöhnend kommt Shorty wieder auf die Beine. »Verdammte Ratte!«, brüllt er laut genug, dass man es auch im letzten Winkel des Saloons hören kann. »Für diesen hinterhältigen Angriff werde ich dich umpusten, sobald du mir vor die Kanone läufst.«
Ailward grinst. Er hat wieder Oberwasser. Er streicht sich die langen schwarzen Haare zurück und deutete auf Shortys leeres Holster.
»Du kannst von Glück reden, dass du deine Waffe im Hotel gelassen hast, Zwerg. Aber ich fahre noch heute Abend weiter nach Whirltown. Vielleicht begegnen wir uns unterwegs.«
»Worauf du dich verlassen kannst«, schnappt Shorty wütend, obgleich er es gar nicht so meint. »Dann bekommst du ein paar Kugeln und ein schönes Grab am Wegrand.«
Es ist zu weit gegangen. Ailward ist wieder sicher auf den Beinen. Er kommt einen Schritt nach vorn. Drohend schwingen seine Fäuste.
»Genug«, schaltet Brazos sich ein. »Der Kleine hat zu viel getrunken.«
Brazos will es wirklich nicht darauf ankommen lassen, dass Ailward seinen krummbeinigen Gefährten zwischen die Finger bekommt. Shorty ist wirklich wackelig auf den Beinen. Nach den Drohungen, die er gegen Ailward ausgestoßen hat, könnte der ihn so zurichten, dass sie sich anschließend nicht mehr zusammen auf den Weg nach Whirltown machen können, wo Chet Quade und Doc Smoky sie erwarten.
Es kommt ganz anders.
Der Breitschultrige, den Brazos eben noch in die Schranken gewiesen hat, sieht eine einmalige Chance, sich zu revanchieren. Er knallt Brazos die Faust aus dem Hinterhalt an den Schädel.
Brazos hat keine Chance gehabt, dem Hammer auszuweichen. Stöhnend greift er sich an den linken Kiefer.
»Verdammt, Leute, schmeißt die beiden Verrückten aus dem Fenster!«, brüllt der Breitschultrige. Vorsichtshalber weicht er zurück und wiederholt seine Aufforderung noch einmal.
Im Nu ist Brazos eingekreist. Fäuste hämmern auf ihn ein. Er sieht in verzerrte Gesichter und muss sich zurückziehen. Bis an den Tresen. Dann hat er einen der Hocker gegriffen und schwingt ihn wild im Kreis.
Augenblicklich hat er wieder genügend Platz. Aus den Augenwinkeln heraus sieht er Shorty, der zehn Fäuste haben müsste, wollte er die Kerle abwehren, die ihm auf den Pelz gerückt sind.
Brazos muss dem Kleinen zu Hilfe kommen.
Zwei Männer, die ihm den Weg verbauen, schleudert er den Hocker entgegen. Sie können nicht ausweichen. Schreiend stürzen sie zu Boden.
Dann wirft Brazos sich mitten in die Meute, die seinen kleinen Freund in arge Bedrängnis gebracht hat. Seine Arme arbeiten wie Dreschflegel. Was er austeilt, kommt immer an die richtige Adresse. Eine Minute arbeitet er, als würde er dafür bezahlt, dann hat er Shorty freibekommen.
Der kniet auf dem Boden. Sein Gesicht ist blutüberströmt. Shorty hebt den Blick. Seine Augen sind glasig. Er weiß gar nicht mehr, was um ihn herum vorgeht, aber er grinst.
Solange, bis einer der Männer wieder herankommt und dem kleinen, krummbeinigen Cowboy einen hinterhältigen Fußtritt versetzt. Shorty stürzt wie vom Blitz getroffen zu Boden. Und wie der Blitz hat Brazos den Kerl erreicht. Seine gewaltige Faust knallt dem Treter auf die Stirn und befördert ihn quer durch den Saloon.
Doch es ist genau so, als kämpfe Brazos gegen einen Polypen an, der hundert Fangarme hat. Jedes Mal, wenn er einen Gegner zu Boden geworfen hat, tauchen zwei andere an dessen Stelle auf und hängen sich wie Mühlsteine an seinen Hals.
Die Luft wird dem riesigen Schmied der Skull-Ranch knapp. Schwere Stiefel knallen gegen seine Beine und lassen ihn taumeln. Dann ereilt auch ihn das Verhängnis.
Jemand zieht ihm das Bein eines zerbrochenen Stuhles über den Schädel. Ein buntes Feuerwerk brennt vor Brazos Augen ab. Schwer geht er zu Boden. Er wälzt sich noch einmal auf die Seite, greift nach einem Bein, zieht daran und lässt den Kerl in seine nach oben gereckte Faust fallen. Dann trifft ihn der nächste Schlag.
Brazos stöhnt, dreht sich auf die Seite und denkt, dass sein Leben damit wohl sein Ende gefunden hat. Und das alles wegen eines blonden, nicht einmal besonders hübschen Mädchens, das Shorty Ailward hat ausspannen wollen. Ein jämmerlicher Grund, ins Gras zu beißen. Wenn schon, dann hatte er wenigstens als Held sterben wollen.
Bevor ihn das Bewusstsein völlig verlässt, sieht Brazos noch Sheriff Walt Erkins den Saloon betreten.
Erkins bleibt eine Sekunde unter der Tür stehen. Dann brüllt er den Männern zu, sie sollen von den Leuten der Skull-Ranch ablassen. Niemand hört auf ihn, bis Erkins den Sechsschüsser aus dem Holster reißt und einige Löcher mehr in die Wände schießt, die ohnehin schon aussehen wie ein Sieb.
»Auseinander, verdammt!«
Erkins kann brüllen, dass die Wände wackeln. Jetzt klirren sogar die Gläser im Regal. Die meisten Leute kennen ihn. Sie wissen, dass es höchste Eisenbahn ist, seinem Befehl nachzukommen.
Sam Witgare taucht hinter dem Tresen auf, hinter dem er bislang Deckung gesucht hat. Er deutet mit einer anklagenden Geste in die Runde.
»Der Riese hat mir meinen Laden zusammengehauen, Erkins«, jammert er. »Verdammte Bande! Der Kleine hat den Krach vom Zaun gebrochen und den Großen anschließend die Arbeit überlassen. Er hat es auf Ailward abgesehen. Er hat ihm gedroht, ihm draußen einige Kugeln zu verpassen und am Wegrand zu vergraben, Erkins. Gemeingefährliche! Du musst sie aus dem Verkehr ziehen.«
Walt Erkins rückt das Holster gerade und nickt. Er bestimmt vier Männer, die Shorty und Brazos ins Jail bringen.
»Was war los, Ailward?«, wendet er sich dann an den Fuhrunternehmer. »Kennst du die Burschen?«
Ailward tastet nach der Beule, die auf seiner Stirn wächst. Auch die Schienbeine schmerzen ihn noch. Schließlich schüttelt er den Kopf.
»Der Kleine wollte etwas mit Nelly anfangen«, sagte er. »Du weißt doch, wie so etwas kommt.«
Der Sheriff nickt. »Wann fährst du los?«
»In einer Stunde«, antwortet Ailward.
»Dann behalte ich die beiden bis morgen im Jail«, überlegte der Sheriff laut, während er grinsend auf die Gestalten schaut, die der riesige Cowboy schwer gebeutelt hat.
Noch halb benommen taumeln die Burschen durch den Saloon und reihen sich schließlich am Tresen auf. Sam Witgare, der Besitzer des Saloons, hat nun überhaupt keine Zeit mehr, noch irgendwelche Klagen loszuwerden.
»Meinst du, der Kleine will dir wirklich ans Leben, Ailward?«
Der Fuhrunternehmer zuckt die Schultern. »Es klang verdammt ernst«, antwortet er. »Aber vielleicht hatte er wirklich nur zu viel getrunken. Wenn du sie bis morgen einsperrst, wird schon nichts geschehen.«
Erkins knurrt etwas Unverständliches. »Du weißt, dass eine Horde Comanchen aus dem Reservat ausgebrochen ist und die Gegend unsicher macht, he?«
Ailward nickt grinsend. »Ich habe eine Winchester auf dem Bock. Dazu dreißig Waffen und kistenweise Munition auf dem Wagen, Sheriff. Keine Sorge.«
»Verdammt, ich habe dennoch ein ungutes Gefühl bei der Sache.«
»Ich kenne mich mit den Roten aus, Erkins.«
»Wenn du meinst, Ailward«, zuckt der Sheriff schließlich die Schultern und wendet sich dem Ausgang entgegen. »Ich gebe dir aber gerne einige Männer mit, Ailward.«
»Nicht nötig, ich komme allein zurecht, Sheriff.«
Erkins knurrt etwas Unverständliches. Dann verlässt er den Saloon. Er hat wirklich kein gutes Gefühl in sich, doch er kann niemand dazu zwingen, seine Hilfe anzunehmen.
Über den Zwerg und den Riesen, die man ins Jail geschafft hat, macht Erkins sich wenig Gedanken. Er wird sie in der Zelle halten, bis sie ihren Rausch ausgeschlafen haben.
Kurz nach Sonnenaufgang ist James Wildbush den Comanchen begegnet. Er befindet sich drei Stunden von seiner kleinen Farm entfernt, die abseits jeder Zivilisation, in einer geschützten Senke vor den Bergen liegt.
Wildbush ist aus dem Sattel gegangen. Stur zieht der Reitertrupp der Comanchen, die aus dem Reservat ausgebrochen sind, unter ihm seinen Weg. Wildbush zählt mehr als zwanzig Krieger. Er kann sich ausrechnen, dass das nicht alle sind. Es ist Comanchenart, einige Leute vorzuschicken und hin und wieder auch einige zurückzulassen, damit sie den Weg sichern.
Dicht an die Felsen gepresst verharrt Wildbush. Er hält seinen Apfelschimmel an den Zügeln. Beruhigend streicht er ihm über die weiche Schnauze, als der Hengst unruhig wird.
Wildbush befindet sich zwar einen Steinwurf von den Comanchen entfernt, doch er darf kein Risiko eingehen. Wenn die Roten auf ihn aufmerksam werden, beginnt eine Jagd, die er nicht überleben kann. Die Krieger kennen sich in der Gegend aus. Das Land, auf dem sie sich bewegen, ist einmal ihr Land gewesen, bevor man es ihnen weggenommen und sie ins Reservat gesteckt hat.
Das Hufgetrappel der Ponys klingt zu Wildbush herauf. Hin und wieder schaut einer der Krieger sich um, deren Gesichter grell bemalt sind. Etwas Lauerndes, Gefährliches liegt in diesen Augen, die aufmerksam die Gegend ausforschen.
Wildbush hat Erfahrung mit den Indianern. Vor knapp zehn Jahren, als er hier siedelte, gab es noch grausame Auseinandersetzungen mit den Roten. Und Wildbush sieht den Kriegern an, dass sie etwas vorhaben.
Wildbush ist froh, ihnen hier so weit draußen begegnet zu sein. Zu weit von seiner Farm entfernt, als dass sie überhaupt in die Nähe kommen können. In einigen Stunden wird er wieder zu Hause sein, bei Kate, seiner Frau.
Minuten später sind die Roten zwischen den Felsen verschwunden. Nur das Klappern der Hufe deutet noch darauf hin, dass Reiter sich zwischen den Felsen bewegen.
Wildbush richtet sich auf. Er lässt die Zügel etwas lockerer.
»Okay, Dicker«, redet er leise auf seinen Apfelschimmel ein.
»Die haben uns nicht gesucht, aber ich fresse meinen Stetson, wenn die nicht eine Riesengemeinheit vorhaben.«
Der Hengst wirft unruhig den Kopf. Das Gestänge des Zaumzeuges klirrt gegeneinander. Und dann weiß Wildbush auf einmal, dass er nicht mehr allein ist. Die Reaktion des Pferdes ist so eindeutig, dass es keinen Zweifel gibt.
James Wildbush duckt sich. Seine Schultern straffen sich. Sanft streicht seine Rechte über das seidige Fell seines Pferdes. Nicht um den Apfelschimmel zu streicheln. Mit dieser sanften Bewegung nähert seine Hand sich dem Scabbard, in dem die Winchester steckt.
Schweiß ist ihm auf die Stirn geschossen. Tausend böse Gedanken wirbeln in Wildbushs Kopf herum.
Wenn es jetzt zu einem Zwischenfall kommt, darf er von der Waffe keinen Gebrauch machen. Die Indianer sind noch nicht weit genug entfernt. Jeder Schuss würde sie in Windeseile wieder herantragen. Dann ist er verloren. Hier in den Bergen haben sie ihn schnell eingekreist. Alles andere ist dann nur noch eine Frage der Zeit. Und Wildbush will seinen Skalp noch etwas behalten. Zumindest will er noch seinen Sohn sehen, der in vier Monaten auf die Welt kommt.
Mein Sohn! Der Schweiß rinnt Wildbush in die Augen. Sie brennen. Er schluckt den Schmerz hinunter. Mein Sohn, denkt er. Verdammt, ich habe so lang darauf gewartet, dass ich ihn sehen werde. Hier werden sie mich nicht erwischen.
Wildbush beißt die Zähne zusammen. Die Unruhe, die ihn eben befallen hat, ist von ihm gewichen. Jetzt ist sein Verstand klar wie ein frischer Bergsee im Morgengrauen.
Alle seine Sinne konzentrieren sich auf die Geräusche in dieser einsamen Berggegend. Er weiß, die Comanchen bewegen sich wie Schlangen und Katzen. Doch auch das bestschleichende Tier verursacht hin und wieder ein Geräusch.
Darauf verlässt Wildbush sich. Es bleibt ihm gar keine andere Wahl. Er kann sich nicht einfach umdrehen und seinem unsichtbaren Gegner damit zu erkennen geben, dass er die Gefahr lange gewittert hat. Der Bursche muss ahnungslos sein. Muss glauben, dass er leichtes Spiel hat.
Da ist das Geräusch. Ein lockerer Stein hat sich unter den Füßen seines Gegners gelöst. Jetzt weiß Wildbush, dass der Bursche nicht mehr als fünf Schritte von ihm entfernt ist. Und bis zu den nächsten Felsen in seinem Rücken sind es mindestens sieben Schritte. Wildbush kann sich verdammt gut daran erinnern.
Es ist eine wilde Bewegung, mit der er die Winchester aus dem Scabbard reißt und herumwirbelt.
Wildbush hat sich verschätzt. Es sind keine fünf Schritte mehr. Bestenfalls noch zwei Schritte trennen die rote Gestalt von ihm.
Das Gesicht des Comanchen verzerrt sich vor Schreck und Erstaunen. Mit einer Gegenwehr hat der Comanche nicht gerechnet.
In der breiten Klinge des Messers reflektieren sich die steil von oben einfallenden Sonnenstrahlen. Die Klinge zielt schräg gegen Wildbushs Magen. Ein schneller Schritt nach vorn, ein Vorstoßen der Hand und ein Hochreißen der scharfen Klinge, dann ist es um ihn geschehen.
Genau so muss der Comanche es sich ausgemalt haben. Jetzt jedoch kommt es anders.
Bevor der Rote auch nur einen Ton hervorbringen kann, bevor er seine erste Überraschung überwunden hat, handelt Wildbush.