So stirbt man also - Marc Ritter - E-Book

So stirbt man also E-Book

Marc Ritter

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Beschreibung

Der Tod ist das Allerletzte

Das Leben ist möglich nur durch den Tod. Lange in unserer Gesellschaft tabuisiert, werden doch Fragen rund um das gute Leben und Sterben immer wichtiger für uns: Wie wollen wir sterben? Was können wir tun, um ohne Bedauern von der Bühne abzugehen? Was geschieht eigentlich in einem Krematorium? Dieses Buch ist eine Huldigung an den Tod. Brillant recherchiert, opulent bebildert und preisgekrönt, widmet es sich dem Thema Sterben in all seinen Facetten. Ob Memento mori in der Kunst, Sterbehilfe oder wie man seinen eigenen Sarg zimmert – Praktisches und Kurioses stehen harmonisch nebeneinander. Dieses Buch meint es ernst und ist durch seine Originalität zugleich überraschend unterhaltsam. Das Einzigartige daran: Jeder findet so seinen individuellen Zugang zu einem Thema, das noch immer verdrängt wird, obwohl es unausweichlich ist.

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Seitenzahl: 281

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Marc RitterTom Ising

So stirbtman also

mit IllustrationenvonBradley Jay

Inhalt

Der Tod und der Geist

Der Tod und der Körper

Der Tod und das Recht

Der Tod und der Glaube

Der Tod und das Geschäft

Der Tod und die Gesellschaft

Der Tod und das Leben

Vorwort

Um glücklich zu sterben,

muss man Leben lernen.

Um glücklich zu leben,

muss man Sterben lernen.

Philippe Duplessis-Mornay

(*1549; †1623)

„Wenn der Tod nicht wäre, gäbe es keine Religion“, vermutete der Religionskritiker Ludwig Feuerbach. Die Lehre der Evolution zeigt uns, dass diese Annahme zu kurz springt. Denn laut Charles Darwin ist der Tod nicht nur Ziel, sondern auch Bedingung des Lebens und der Fortentwicklung der Arten. Man darf also schließen: Wenn der Tod nicht wäre, gäbe es kein Leben, keine unterschiedlichen Spezies – nichts.

Diese Erkenntnis hat uns nach langer Beschäftigung mit dem Tod eines nasskalten Novembervormittags angesprungen. Soll man sich dieser Einsicht folgend über oder gar auf den Tod freuen? Die Arbeit an diesem Buch hat uns gelehrt, dass die Wörtchen „über“ und „auf“ den fundamentalen Unterschied machen. Man darf sich als Anhänger der Evolutionslehre durchaus über die Tatsache freuen, dass es auf dieser Welt – und wer weiß auf wie vielen anderen Welten des Universums – ein ständiges Kommen und Gehen, ein fortdauerndes Entstehen und wieder Vergehen gibt. In der Tat: Wenn man die Evolutionstheorie annimmt, muss man sich geradezu über den Tod freuen. Auf einem anderen Blatt steht, dass der individuelle Tod von Familienangehörigen, Freunden und Bekannten Trauer, Verzweiflung und Depression hervorruft; dass man vor dem Tod Angst haben darf; dass man den Tod von unbekannten Menschen, ob sie im Krieg oder auf der Autobahn sterben, betrauern und verachten kann. Man muss sich also keinesfalls auf den Tod freuen. Schon gar nicht auf den eigenen.

Unsere Lebensaufgabe als aufgeklärte Menschen ist es, sich diesem krassesten aller Widersprüche zu stellen und zu versuchen, ihn intellektuell zu begreifen. Schlussendlich müssen wir die abstrakte positive Tatsache, dass es den Tod gibt, genauso annehmen wie den konkreten bitteren Tod einzelner Menschen und unseres eigenen Körpers und Geistes. In früheren Zeiten gab es genauere Vorstellungen davon, was „der gute Tod“ sei. Weil der Tod aus unserer Gesellschaft immer stärker verdrängt wird, findet die Auseinandersetzung mit ihm immer seltener statt. Genau diese Lücke soll dieses Buch schließen. Es richtet sich an Menschen jeden Alters, die sich an die Ungeheuerlichkeit des Todes gedanklich heranwagen wollen. Es soll und kann nicht trösten, es soll und darf keine Angst machen, und es kann und will diese nicht nehmen und schon gar nicht aus der Welt schaffen. Trauer, Trost, Angst und Gelassenheit sind Empfindungen, die in jedem von uns entstehen. Sie sind immer individuell verschieden. Jeder Mensch muss diese Empfindungen für sich selbst erarbeiten – und, wenn er das will, verarbeiten. Wenn wir dazu einige Handreichungen geben können, haben wir unser Ziel erreicht.

Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern dieses Buches ein unbeschwertes Leben und einen guten Tod.

München, im August 2013

Marc Ritter

Tom Ising

Der Tod

und

der

Geist

Der gute Tod

Wie wollen wir sterben?

Was ist der „gute Tod“? Den Historiker und Soziologen Philippe Ariès (*1914; †1984) bewegte in seinem Hauptwerk Die Geschichte des Todes diese Frage genauso wie die professionellen Sterbebegleiter auf Palliativstationen und in Hospizen – und letztlich uns alle. Folgt man Philippe Ariès, so war der Tod jahrtausendelang „gezähmt“. Er zeichnete sich dadurch aus, dass er fest mit dem Leben verbunden und nicht überbewertet war. Der Sterbende war auf ihn vorbereitet und konnte ihn sogar auf Tage im Voraus antizipieren. Eine Fähigkeit, die in der Moderne nur noch ursprünglichen Völkern (Indianern etc.) zugeschrieben wird. Der „gezähmte Tod“ der Antike und der frühen Neuzeit war sehr nah am Leben, ja er war ein integraler Bestandteil des Lebens jedes einzelnen Menschen. Mit der Renaissance wird er abgelöst vom „verwilderten Tod“: Nun wird dem Tod immer mehr Bedeutung beigemessen. Man beschäftigt sich auf neue Art mit ihm. In der Religion, im Alltagsleben, vor allem in der Kunst. In Totentänzen, Vanitas-Darstellungen und Motiven wie dem „Tod und das Mädchen“. Durch diese Beschäftigung entsteht laut Ariès aber keine Steigerung der Vertrautheit, sondern, im Gegenteil, eine Entfremdung – und diese bewirkt die Furcht vor dem Sterben: „Der Ernst des Gefühls für den Tod, der Hand in Hand mit der Vertrautheit bestanden hatte, ist seinerseits betroffen: Man spielt perverse Spiele mit dem Tod bis zu der Steigerung, mit ihm zu schlafen. Zwischen ihm und der Sexualität hat sich eine Beziehung ergeben, deshalb fasziniert und verfolgt er einen wie die Sexualität: Zeichen einer fundamentalen Angst, die keinen Namen findet.“ In der Folge entsteht beim gemeinen Volk eine Sehnsucht nach dem „guten Tod“, denn die „Moralisten, Geistlichen und Bettelmönche haben sich diesen Riss in der herkömmlichen Vertrautheit zunutze gemacht, um sich zur Geltung zu bringen und diese neue Unruhe zu Zwecken der Bekehrung auszubeuten“. Ariès lässt auch kein gutes Haar an den Verlegern, einer Berufsgruppe, die sich mit der Erfindung des Buchdrucks hervortat: „Eine ganze Erbauungsliteratur (…) hat dann das Thema der Leiden und Delirien des Todeskampfes zum Kampf der geistlichen Mächte weiterentwickelt, in dem jedermann alles gewinnen oder verlieren konnte.“

Die Schweizer wollen es 500 Jahre später genau wissen. Sie starteten 2011 das Nationale Forschungsprogramm (NFP) 67 „Lebensende“, das bis 2016 in Erfahrung bringen soll, wie Menschen ihr Ableben gestaltet wissen wollen. Der Schweizerische Nationalfonds investiert für das NFP 67 insgesamt 15 Millionen Franken. Entscheidungsträger in den Pflege- und Medizinberufen, der Politik und auch die breite Öffentlichkeit sollen dank der Forschungsergebnisse ein besseres Bild erhalten, was sich die Menschen der Gegenwart unter „gutem Sterben“ vorstellen. Die 30 Forschungsprojekte werden von Theologen, Juristen, Soziologen, Ökonomen und Anthropologen unternommen. Sie sollen zunächst festhalten, unter welchen Umständen Menschen sterben. Dann geht es darum, wie Sterbende den Tod erleben. Sind sie alleine, in einer Gemeinschaft, unter- oder überversorgt? Auch wirtschaftliche Aspekte kommen zum Tragen. Was kostet eine gute Sterbebegleitung und wer bezahlt die Betreuung? Mit der schweizerischen Besonderheit der legalen Suizidhilfe beschäftigt sich ein weiterer Schwerpunkt: Wer darf darüber bestimmen, ob er stirbt? Reicht die rechtliche Regulierung aus? Das NFP 67 erfasst nicht nur alle Aspekte des Sterbens, sondern hat auch alle Sterbenden im Blick: Alte, Kranke, Unfallopfer, junge Kranke, Kinder, Neugeborene und auch ungeborene Menschen sind im Fokus dieser weltweit einmaligen Studie.

Forschung

Die fünf Phasen des Sterbens

Die in der Schweiz geborene, aufgewachsene und ausgebildete Medizinerin Elisabeth Kübler-Ross (*1926; †2004) wanderte Ende der 1950er Jahre mit ihrem Mann nach Amerika aus und arbeitete als Psychiaterin an verschiedenen Kliniken, bis sie schließlich 1985 einen Ruf als Professorin an die von Thomas Jefferson gegründete University of Virginia in Charlottesville erhielt. Sie gilt als die Begründerin der modernen Sterbeforschung oder Thanatologie, einer Wissenschaft, die das Empfinden und die Erfahrungen Sterbender, aber auch den gesellschaftlichen Umgang mit dem Tod untersucht. Das Forschungsfeld der Thanatologen ist breit gefächert und interdisziplinär besetzt mit Vertretern aus Medizin, Biologie, Pflegewissenschaften, Psychologie, Soziologie, Philosophie, Theologie, Geschichtswissenschaft und weiteren Fachgebieten. Im deutschen Sprachraum hat sich der Begriff Thanatologie auch für das Handwerk der Versorgung von Leichnamen („Modern Embalming“) als Dienstleistung von Bestattern eingebürgert. Als eine der ersten Ärztinnen beschäftigte sich Elisabeth Kübler-Ross intensiv mit Schwerstkranken, die sie in Interviews mit Sterbenden, so der Titel ihres bekanntesten Buches, über ihr persönliches Erleben und ihre Gefühle befragt hat. Diese Art der Forschung mit journalistischen Mitteln wurde von Medizinerkollegen heftigst kritisiert, von den mitwirkenden Patienten und der Öffentlichkeit jedoch begeistert aufgenommen. Als Quintessenz der Interviews mit Sterbenden destillierte Elisabeth Kübler-Ross fünf Phasen des Sterbens, die jeder Sterbende durchläuft – wenn er genug Zeit dafür hat:

Phase — 1

Nichthabenwollen und Isolierung

„Ich doch nicht, das ist ja nicht möglich!“ ist die erste Reaktion von Patienten, bei denen eine bösartige Erkrankung diagnostiziert wird. Und zwar unabhängig davon, ob sie die Wahrheit unvermittelt und auf einmal oder häppchenweise serviert bekommen oder sogar nach und nach selbst herausgefunden haben, wie es um sie steht. Die Röntgenaufnahme muss vertauscht worden sein, auf den Behältern mit den Laborproben klebte der falsche Name, auch der dritte hintereinander konsultierte Arzt irrt sich. Gibt es also einen idealen Zeitpunkt, an dem einem Menschen eine tödliche Erkrankung mitgeteilt werden sollte? Besser früher als später, rät die Sterbeforscherin: „Man wirft uns oft vor, dass wir uns mit Kranken schon dann über Tod und Sterben unterhalten, wenn der Arzt mit gutem Grund dem Patienten noch eine längere Frist einräumt. Doch ich ziehe es vor – immer vorausgesetzt, dass der Kranke selbst es wünscht – , mit ihm darüber zu sprechen, solange er noch bei Kräften ist“, stellte Elisabeth Kübler-Ross fest.

Phase — 2

Zorn

„Warum denn gerade ich? Warum nicht der andere?“ Mit diesen und anderen Gedanken der Missgunst, des Neids und der Wut quälen Todgeweihte sich selbst – und gerne auch ihre Umwelt. Pflegepersonal und Ärzte, aber auch Angehörige und Freunde können es in dieser Phase dem Patienten nicht recht machen. Elisabeth Kübler-Ross rät dazu, sich in die Lage des Kranken zu versetzen: „Vermutlich wäre jeder von uns voller Groll, wenn er sich plötzlich vom vitalen Dasein ausgeschlossen sähe. Andere Leute bauen jetzt ihre Häuser fertig; unser schwer erarbeitetes Geld kann uns nicht mehr die paar Jahre Ruhe und Vergnügen verschaffen, die wir uns davon versprochen haben.“

Phase — 3

Verhandeln

Wie das kleine Kind, das unbedingt etwas will und dieses nicht bekommt – auch nicht, wenn es mit einem Wutanfall seiner Frustration Ausdruck verleiht und schließlich anbietet, das Zimmer aufzuräumen, wenn es doch nur … dieses einzige Mal … nur eine Süßigkeit … so verhandelt der Kranke in dieser Phase mit dem Schicksal oder mit Gott. Es geht bei diesen Deals, die meist im Stillen von den Sterbenden ausgehandelt werden, nicht um Heilung und das Verschwinden der Krankheit, sondern um eine Ausweitung der Lebensspanne oder die letzte Wiederholung einer Lieblingstätigkeit. „Und doch hat keiner unserer Patienten sein Versprechen eingehalten“, berichtet Kübler-Ross. „Jeder verhält sich in dieser Situation wie ein kleiner Junge, der sagt: ‚Wenn du mich heute gehen lässt, will ich auch nie mehr meine Schwester ärgern.‘ Natürlich wird er es wieder tun, natürlich wird die Opernsängerin immer wieder versuchen, noch einmal vor Publikum zu singen.“

Phase — 4

Depression

Wenn sich nach langer quälender Zeit der unterschiedlichsten Behandlungsversuche, operativen Eingriffe, ungezählten Krankenhausaufenthalte und Visiten bei Wunderheilern die Wahrheit über das nahende Ende nicht mehr hinter Ignoranz, Ablehnung und Ausflüchten verbergen lässt, übermannen den Patienten große Verlustängste. Nicht der Verlust des Lebens, sondern dessen, was dem einzelnen Menschen im Leben wichtig war, dominiert: der Verlust der Schönheit bei einer Frau mit Brustkrebs, der Verlust der Agilität bei einem ehemals sportlichen Mann mit Knochenkrebs. Auch der Verlust von Materiellem und von gesellschaftlichem Status quält die Sterbenden, denn schließlich verliert ein Todkranker mit seinem Job nicht nur seine Aufgabe, sondern auch, durch die verkürzte Lebensleistung, die finanzielle Grundlage, die für die Hypothek des Hauses oder die Ausbildung der Kinder vonnöten ist. Elisabeth Kübler-Ross: „Doch wir vergessen zu leicht, dass sich der Patient ja außerdem mit dem großen Schmerz der Vorbereitung auf seinen endgültigen Abschied von der Welt auseinandersetzen muss. Man könnte sagen, dass die erste Depression reaktiv und die zweite vorbereitend ist. Und beide sind so verschieden, dass sie auch ganz unterschiedlich behandelt werden müssen.“

Phase — 5

Zustimmung

Beinahe Tröstliches hat Elisabeth Kübler-Ross über die Schlussphase des Sterbens zu berichten. Aber auch nur beinahe: Der Sterbende findet sich zu guter Letzt mit seinem Schicksal ab und willigt darin ein. Zumindest sieht es nach außen so aus. Was tief in ihm vorgeht, steht auf einem anderen Blatt. Und so schreibt sie: „Die Phase der Einwilligung darf nicht als ein glücklicher Zustand verstanden werden: Sie ist fast frei von Gefühlen. Der Schmerz scheint vergangen, der Kampf ist vorbei, nun kommt die Zeit der ‚letzten Ruhe vor der langen Reise‘, wie es ein Patient ausdrückte.“ Kübler-Ross erinnert daran, dass es bei Weitem nicht jedem Sterbenden vergönnt sei, alle fünf Phasen durchzumachen, um am Schluss Frieden mit sich und dem Tod zu schließen. Nach ihrer Erfahrung muss jedoch der ganze Weg durchschritten werden. Voraussetzung für das Erreichen dieses emotionsfreien Zustandes sei, „dass der Kranke Zeit genug hat und nicht plötzlich stirbt, (dass) er Hilfe zur Überwindung der ersten Phasen fand. Er hat seine Emotionen aussprechen dürfen, Neid auf die Lebenden und Gesunden, Zorn auf alle, die ihren Tod nicht so nahe vor sich sehen.“

Symbole des Todes

Sense, Sanduhr, Fledermaus

Eine unbeschreibliche Sache in einem Bild auszudrücken, ist die Aufgabe der Symbolik. Kein Phänomen wird durch so unterschiedliche Zeichen verbildlicht wie der Tod. Die gängigsten Motive für Tätowier- und Hausgebrauch.

Sense

Der Übergang der Jäger und Sammler zu sesshaften Bauern machte die Sichel aus Holz und Feuerstein zum wichtigsten Hilfsmittel. Die Sense entwickelte sich erst mit der vorindustriellen Metallbearbeitung in Hammermühlen zum Werkzeug Nr. 1 – auch in der Todessymbolik.

Totenkopf

Die Darstellung eines Schädelknochens ruft sofortige Vorher-/Nachher-Assoziationen beim Menschen hervor, da er seit seinen ersten Tagen gewöhnt ist, auf das Gesicht seines Gegenübers zu achten. Daher hatte es der Totenkopf leicht, Karriere als christliches Symbol der Vergänglichkeit zu machen.

Rabe

Die dunklen Vögel gelten seit jeher als Sinnbilder der Weisheit und Intelligenz. Raben nutzen Werkzeuge und erkennen sich selbst im Spiegel. Wohl aufgrund ihrer Farbe und ihrer Vorliebe für Aas leiden sie im Aberglauben den Ruf als angebliche Unglücksbringer und Todesboten.

Sanduhr

Obwohl das Stundenglas erst im 14. Jahrhundert erfunden wurde, gilt Sand als archetypisches Symbol für Vergänglichkeit. Dass er wie die Lebenszeit zwischen den Fingern verrinnt und zu Boden rieselt, war den Menschen lange vor Aristoteles, Galileo Galilei und Isaac Newton bekannt.

Engel

Alle alten Schriften der drei abrahamitischen Religionen, der Tanach, das Neue Testament sowie der Koran (in Reihenfolge ihres Erscheinens) kennen Engel als Boten oder Abgesandte Gottes. Ihre Abbildung auf Grabmalen verheißt den Hinterbliebenen eine Verbindung mit dem Toten.

Fledermaus

Viele Eigenschaften machen die Fledertiere dem Menschen suspekt. Sie fliegen und sind doch keine Vögel, sind nachtaktiv und hängen mit dem Kopf nach unten in Höhlen, die auch als Eingänge zur Unterwelt gelten. Kein Wunder, dass sie im Abendland mit dem Tod assoziiert werden.

Grabstein

Das Erinnern an einen Menschen und seine Lebensdaten anhand eines Grabmals ist eine Erfindung der Römer, die von den Christen übernommen wurde. Der Stein hatte also genug Zeit, um zum Sinnbild für Tod und Grab zu werden. Und für Globalisierung, denn heute stammt er meist aus China.

Passionsfrucht

In der Blüte der Passiflora sahen die christlichen Seefahrer einige Zahlensymboliken: die Leiden Christi, die Anzahl der Wunden, der Nägel, der Marterwerkzeuge, ja sogar der Apostel seien erkennbar. Auch die rote Farbe der Frucht wurde zum Symbol für den Leib des Fleischgewordenen.

Eule

Dass die Vögel mit dem Tod in Verbindung gebracht werden, hat einen einfachen Grund: In Bauernhäusern wurde in das Fenster eines Sterbezimmers eine Kerze gestellt, die der Seele den Weg wies. Das Licht lockte Insekten an und diese wiederum jagende Käuze und Eulen.

Kerze

Brennend steht die Kerze für das Leben und die Erinnerung, erloschen für die Vergänglichkeit und den Tod. Auf den Friedhöfen des Mittelalters hatten große Totenleuchten zudem die Aufgabe, die Toten nicht der absoluten Dunkelheit zu überlassen. Das Licht steht also auch für die Hoffnung.

Katze

Knutschen und Kratzen – so ambivalent wie das Verhalten der Hauskatze ist ihr Ruf. In manchen Kulturen stehen sie für Glück, in anderen für Hinterlist und Tod. Letzteres rührt daher, dass man kein anderes Tier so oft töten sieht. Mäuse und Ratten zu jagen war lange sein einziger Zweck.

Steuerrad

Im Buddhismus und Hinduismus steht das Rad für Unendlichkeit und den ewigen Kreislauf von Geburt, Tod und Wiedergeburt. Dem oft verwendeten Steuerrad wohnt mit den acht Speichen zudem eine Zahlensymbolik inne. Buddha hat acht Tugenden formuliert, nach denen gelebt werden soll.

Kreuz

Das Kreuz wurde als weit verbreitetes Folter- und Hinrichtungsinstrument bereits vor dem Tod Jesu zum Symbol für das Sterben. Für Christen ist es durch die Leidens- und Auferstehungsgeschichte des Heilands zum Zeichen für Hoffnung und Erlösung geworden, das sich im Grabkreuz widerspiegelt.

Falter

Menschen aller Kulturen und Religionen sind von der Metamorphose der kriechenden Raupe über die schlafende Puppe zum fliegenden Schmetterling beeindruckt. Diese stete Veränderung ist ein perfektes Symbol für den Kreislauf von Erfolg und Scheitern, von Leben und Sterben.

Nahtoderfahrung

Das weiße Licht am Ende des Tunnels

Berichte von Menschen, die in das Leben zurückgekehrt sind, unterscheiden sich in vielen Punkten. Selbst Forscher, die durch die Beschäftigung mit Nahtoderfahrungen in den 1970er Jahren weltweit bekannt wurden, wie etwa Raymond A. Moody (Life after Life), sind sich nicht einig, welche Kriterien ein solches Erlebnis überhaupt ausmachen. In allen Berichten scheint das Licht eine zentrale Rolle zu spielen, meist auch die Erinnerung, durch einen Tunnel gegangen zu sein. Auf der anderen Seite des Tunnels werden oft engelartige Wesen gesehen. Auch die Out-of-Body-Erfahrung kommt oft, aber nicht immer, in den Berichten vor. Über diese gemeinsamen Nenner hinaus beeinflussen jedoch Kriterien wie Religion, Geschlecht und Herkunft der Betroffenen sehr stark das Auftreten und die Ausgestaltung der Erfahrungen. Die Studien zu diesem Thema scheinen das Zitat „Der Tod bleibt immer gleich, doch jeder Mensch stirbt seinen eigenen Tod“ der amerikanischen Schriftstellerin Carson McCullers auch für den Nahtod zu bestätigen. Die Nahtod-Experten und ihre Jünger lassen sich in drei Kategorien einordnen:

Die Übernatürlichen

Angeführt von Nahtod-Pionier Raymond Moody und bestärkt durch die Berichte des Harvard-Hirnforschers Eben Alexander, der 2008 selbst ins Koma gefallen war und seine Erlebnisse in Millionenauflage als Buch verkauft hat (deutscher Titel Blick in die Ewigkeit: Die faszinierende Nahtoderfahrung eines Neurochirurgen), glauben viele Menschen, dass der Beinahe-Gestorbene tatsächlich in eine andere Welt schaut. Ganz neu ist dieser Hoffnung vermittelnde Glaube nicht: Die Koexistenz des irdischen und überirdischen Lebens ist zentraler Punkt der meisten Religionen seit der Antike. Und auch zu Zeiten der griechischen Götter schaffte es der Argonaut Orpheus beinahe, seine geliebte Eurydike wieder aus dem Totenreich des Hades herauszuführen. Der erste Nahtod-Bericht der Geschichte?

Die Wissenschaftler

Nüchtern analysierende Forscher versuchen den von Nahtod-Patienten berichteten Phänomenen physiologische Ursachen zuzurechnen. Ein führender Vertreter des streng medizinischen Ansatzes ist der Neurologe Kevin Nelson von der Universität von Kentucky. Er zweifelt die Erscheinungen nicht an, versucht sie aber mit Vorgängen im Gehirn zu erklären. Mehr noch: Er ist davon überzeugt, dass Nahtoderfahrungen helfen können zu verstehen, wie das Gehirn funktioniert. Selbst das oft berichtete Erlebnis, seinen eigenen Körper verlassen zu haben, kann durch gezielte Stromstöße in spezielle Gehirnregionen hervorgerufen werden. Es sei im Nervensystem jedes Menschen verankert, weil es mit dem Raumempfinden verbunden ist. Das helle Licht entsteht im Sehnerv. Und Engelserscheinungen können auch durch Drogen hervorgerufen werden, die Menschen mit Nahtoderfahrungen häufig gegeben wurden, um sie zu narkotisieren oder weil sie sich im Endstadium einer sehr schweren Krankheit befanden.

Im Jahr 2001 erregte ein Artikel des niederländischen Kardiologen Pim van Lommel im renommierten Medizin-Journal The Lancet weltweites Aufsehen. Van Lommel hatte Patienten, deren Gehirn nach den gängigen Definitionen als hirntot anzusehen war, zu ihren Erlebnissen während der Operationen befragt. Einige konnten sich detailliert erinnern, was die Ärzte getan hatten. Der Herzspezialist schloss daraus, dass es ein Speichermedium für Erfahrungen in allen Körperzellen gebe – wahrscheinlich in der DNA. Er versuchte, die Erinnerungen von Nahtod-Patienten zu beweisen, indem er auf der Lampe über dem Operationstisch Symbole anbrachte, die man nur sehen konnte, wenn man über dem Geschehen schwebte. Dummerweise hatte ausgerechnet in diesem OP-Saal nie jemand eine Out-of-Body-Erfahrung. Allerdings bezweifelt er mittlerweile selbst, ob ein solcher Versuch die Skeptiker überhaupt überzeugen könnte: „Würde einer der Patienten ein Zeichen entdecken, würden meine Kollegen zehn weitere Fälle verlangen. Hätten wir zehn, würden sie hundert einfordern.“ Die Nahtoderfahrung bleibt also auch unter ernstzunehmenden Wissenschaftlern reine Glaubenssache.

Die Noetiker

Sprichwörter

Weiterleben

Wann hat unser Körper ausgedient?

Viele Senioren überraschen mit geistiger Aktivität, zu der weitaus jüngere Menschen nicht in der Lage zu sein scheinen. Könnte das Bewusstsein ohne den irgendwann lästig werdenden Körper länger, gar ewig leben? Vieles deutet darauf hin, dass wir uns technisch auf eine körperlose Zeit zubewegen.

Weiterleben 1.0

Kann das Gehirn ohne den eigenen Körper weiterleben? Wäre ein ewiges Leben durch Kopftransplantation möglich? Damit beschäftigen sich Mediziner seit über 100 Jahren. Am 21. Mai 1908 gelang es dem amerikanischen Arzt Charles Guthrie erstmals, einen Hundekopf operativ vom Hundekörper zu trennen, um ihn anschließend auf den Rumpf eines anderen Hundes zu transplantieren. Er verband die lebenserhaltenden Blutbahnen des Kopfes mit denen des Empfängerhundes, dessen eigener Kopf übrigens an Ort und Stelle blieb, damit das Gehirn die Vitalfunktionen des Körpers aufrechterhalten konnte. Das daraus hervorgegangene Geschöpf hatte also zwei Köpfe, den originalen auf dem Hals und den transplantierten auf der Schulter. Der transplantierte Kopf zeigte Reflexe, und seine Augen sonderten nach fünfeinhalb Minuten Tränen ab.

1954 wiederholte der Russe Vladimir Demikhov die Experimente und führte sie weiter. Er transplantierte einen Welpenkopf auf einen ausgewachsenen Sibirischen Husky. Der zweite Kopf trank begierig Wasser und Milch, biss ein Mitglied von Demikhovs Forscherteam in den Finger und seinen Empfängerhund hinter dem Ohr. Abstoßungsreaktionen setzten dem Doppelleben nach wenigen Wochen ein Ende – die Immunologie war zur damaligen Zeit noch nicht so weit fortgeschritten wie heute.

In den 1960er Jahren begann der amerikanische Neurochirurg Robert White damit, zunächst Gehirne von Tieren mit den Blutsystemen von Wirtskörpern zu verbinden. Da das Gehirn alleine nicht von einem anderen Körper abgestoßen wird, lebten die Gehirne sehr lange in den Schultern oder den Bauchhöhlen ihrer neuen Partner weiter. 1971 wagte White das Undenkbare: Er transplantierte erstmals einen Affenkopf direkt auf den Hals eines anderen Affen, den er zuvor enthauptet hatte. Bei allen Versuchen lebten die Geschöpfe von drei Stunden bis drei Tagen. Ihre Augen folgten Personen, die sich vor ihnen bewegten, und ihre Kiefer machten Kaubewegungen, wenn ihre Lippen berührt wurden. Als White Nahrung in die Münder steckte, kauten und schluckten sie.

Robert White ist davon überzeugt, dass diese Operation auch beim Menschen funktioniert. Er plädiert dafür, unheilbar Kranken nicht einzelne Organe hirntoter Spender einzusetzen, sondern ganze Körper von Toten zu spenden. Dies sei einfacher und auch deshalb von Vorteil, weil es wesentlich mehr normale Unfalltote gebe als Hirntote, die sich zur Organspende eignen. Der verpflanzte Kopf stünde zwar auf einem querschnittsgelähmten Körper, aber das Bewusstsein würde ohne Beeinträchtigung weiter funktionieren. Das Gleiche gelte für den Seh-, Riech- und Hörsinn sowie für das Sprechen. Mit dem medizinischen Fortschritt könne irgendwann das Rückenmark verbunden werden und der transplantierte Kopf den neuen Körper bewegen. Oder der Körper mit dem neuen Kopf sehen, sprechen und denken – je nach Perspektive.

Heute bereits möglich:Weiterleben imWorld Wide Web↓

Weiterleben 2.0

Einen letzten Gruß senden Hinterbliebene Verstorbenen in Tageszeitungen nach. Auch ohne Stilblüten, die in Büchern gesammelt werden, haben Todesanzeigen seit jeher Informations- und Unterhaltungswert. Das Internet erweitert die Möglichkeiten und gibt dem Toten ein interaktives Zuhause.

Längst führen Menschen einen guten Teil ihres sozialen Lebens im Internet. Plattformen wie Facebook zeichnen das Leben eines Nutzers seit seiner Geburt und seine Verknüpfungen zu Menschen und Organisationen auf. Das so erzeugte Profil führt ein Eigenleben. Es kommuniziert auch dann, wenn der Computer ausgeschaltet wird – oder der Nutzer stirbt. Der Übergang zum computerbasierten Nachleben hat begonnen.

Die Facebook-App If I die erlaubt es dem User zu Lebzeiten die Statusmeldung zu schreiben, die nach seinem Tod auf seiner Facebook-Seite erscheinen soll. Drei Bürgen müssen benannt werden, die den Tod bestätigen, bevor die Meldung auf der Facebook-Pinwand veröffentlicht wird.

Unter dem zweideutig formulierten Hilfepunkt „Meldung eines verstorbenen Nutzers“ können Hinterbliebene das Facebook-Konto eines toten Angehörigen in den „Gedenkzustand“ versetzen lassen. Es kann sich dann niemand mehr bei dem Konto anmelden, aber die Inhalte bleiben erhalten. Nur „nachgewiesene, unmittelbare Familienangehörige“ können die Löschung eines Kontos beantragen.

Google-Nutzer können mit Hilfe des „Kontoinaktivität-Managers“ ein digitales Testament verfassen und bestimmen, wer nach ihrem Tod auf welche Dienste zugreifen darf: zum Beispiel die Mutter auf G-Mails, der Partner auf wichtige Dokumente auf der virtuellen Festplatte Google Drive und der beste Freund auf den YouTube-Account.

Apropos digitales Testament: Kann virtuell erworbene Musik vererbt werden? Immerhin stecken iTunes- und Amazon-Kunden viel Geld in ihre Sammlungen. Ja, sagt der Münchner Medienrechtler Professor Gero Himmelsbach. Denn die Lizenz, die etwa iTunes an den gekauften Titeln überträgt, ist dauerhaft und fällt nicht mit dem Tod des Account-Inhabers weg.

Können wir bald unserelästigen Körper verlassenund in die Cloud ziehen?↓

Weiterleben 3.0

Die Transhumanisten gehen davon aus, dass eines nicht allzu fernen Tages Computer in der Lage sein werden, die Komplexität des menschlichen Gehirns nachzubilden. Auch die unglaubliche Menge an Rechenoperationen, die unser Gehirn, die Krone der Prozessorenschöpfung, sekündlich vollbringt, und nicht zuletzt die Geschwindigkeit, in der es Informationen verarbeitet, sei wohl noch in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts von elektrischen Rechenmaschinen erreichbar. Und das zu einem annehmbaren Preis.

Ein wichtiger Vertreter der transhumanistischen Denkrichtung ist der Computerwissenschaftler Ray Kurzweil vom Massachusetts Insitute of Technology (MIT) in Cambridge. Nach seiner Theorie, die auf dem Moore’schen Gesetz beruht (Die Zahl der Schaltkreise auf einem Computerchip verdoppelt sich alle 18 bis 24 Monate bei gleichbleibenden Kosten), ist es um das Jahr 2050 so weit, dass der Aufbau eines menschlichen Gehirns – Gehirnzelle für Gehirnzelle – auf einer Festplatte nachgebaut werden kann. Sollte die Verschaltung der Synapsen ebenfalls 1:1 übertragen werden können, so Kurzweil, könne das Gehirn eines lebenden Menschen in den Rechner kopiert werden. Da nach der herrschenden Vorstellung von Medizinern das Bewusstsein im Denkorgan wohnt, würde es ebenfalls in den virtuellen Speicher übertragen und dort weiterleben. Ohne Körper. Und für alle Zeiten. Zumindest so lange, bis jemand den Strom abstellt oder die Festplatte neu formatiert.

Diese für viele auf den ersten Blick unheimliche Vorstellung wirft Fragen auf, der sich die Philosophie und die Jurisprudenz widmen müssen. Gibt es ein ewiges Leben in der Cloud, also der durch das Internet zusammengeschlossenen Datenzentren, auf die man sein Bewusstsein hochladen würde? Wie lebt es sich ohne Berührungen, ohne Gerüche, ohne Essen und Trinken, ohne Sex? Welche Rechte, welche Pflichten und Verantwortlichkeiten hätten die Gehirne ohne Körper? Kann man ein Bewusstsein bereits zu Lebzeiten kopieren? Würden die beiden Bewusstseine dann ein Eigenleben führen, und welches ist nach einer gewissen Zeit das Original? Germanisten werden die Frage zu beantworten haben: Wie lautet der korrekte Plural von „Bewusstsein“?

So sehr sich das Konzept des Transhumanismus nach Science-Fiction anhört: In den Laboren nicht nur des MIT, sondern aller großer Software- und Technologiefirmen der Welt wird daran gearbeitet, die Visionen in die Realität zu übersetzen. Derzeit ist man noch ein gutes Stück weit davon entfernt, den Menschen in den Computer zu bringen. Noch beschreitet man den umgekehrten Weg: Man bringt den Computer so nahe wie möglich an den Menschen und lässt beide Geschöpfe in Echtzeit interagieren. Die Mensch-Maschine-Schnittstellen entwickeln sich rasant weiter. Schon längst beschränken sie sich nicht mehr auf Tastatur und Maus. Google präsentiert mit der Cyberbrille Google Glass einen Mini-Computer, der direkt am Kopf getragen wird. Vor einem Auge seines Trägers befindet sich ein winziger Bildschirm, der den menschlichen Blick live mit zur Situation und zum Ort passenden Informationen aus dem Internet versorgt. Man sieht ein Denkmal an und erhält die Wikipedia-Information dazu. Dank der Datenbrille erkennt man den Schulkameraden auf dem Klassentreffen wieder. Andere Wissenschaftler arbeiten daran, dass Gelähmte durch gedankengesteuerte Exo-Skelette ihre Gliedmaßen wieder bewegen können. Apples Software Siri versteht Befehle eines Mobiltelefonnutzers. Googles mobile App bietet an, das Suchwort zu sprechen oder Begriffe anhand eines Fotos zu suchen. PC-Spieler steuern ihre Erlebniswelten bereits mit einem Gedankenhelm – zumindest im Labor. In wenigen Jahren könnten die Grenzen zwischen Daten- und Gehirnströmen verschwinden. Ob der Minirechner von Google im Brillengestell sitzt oder in den Kopf implantiert wird, macht kaum einen Unterschied. Und wenn wir so weit sind, ist die Übertragung des Kopfes in den Computer nur noch ein virtueller Umzug.

Ein Bild und seine Geschichte

Affe vor Skelett

Der Maler Gabriel von Max (*1840; †1915) beschäftigte sich von Jugend an mit dem Tod. Er trug eine der größten Schädelsammlungen seiner Zeit zusammen. Insgesamt sammelte er mehr als 60 000 anthropologische und ethnologische Objekte. Handlungsreisende brachten sie ihm aus der ganzen Welt mit. Liebe, Religion, Tod und Jenseits waren die Themen des in Prag und München ausgebildeten Künstlers. Er widmete sich eingehend der Parapsychologie und dem Darwinismus. Dabei war er Anhänger der Theosophie, einer frühen esoterischen Weltanschauung, die einen Plan der göttlichen Weisheit hinter allen Dingen vermutete und an ewige Reinkarnation der Seele in Gegenständen und in Tieren glaubte. In seinen Bildern inszeniert Gabriel von Max Affen als Kunstkritiker, Trinker, Leser oder als Naturforscher, die Skelette toter Artgenossen untersuchen. Er verleiht ihnen damit eine Seele und zeigt dem menschlichen Betrachter die Vergänglichkeit und Austauschbarkeit seines Tuns.

Selbsterforschung

Max Frischs Planungshilfe1

Der Schweizer Schriftsteller entwarf in seinen Tagebüchern elf Fragebögen zu allen großen Rätseln des Lebens: Geld, Humor, Frauen. Als Architekt hatte er gelernt, ein Projekt durch Fragen zu durchdenken. Einen Fragebogen widmet er dem letzten Baustein des Lebens, dem Tod.

Haben Sie Angst vor dem Tod und seit welchem Lebensjahr?

Was tun Sie dagegen?

Haben Sie keine Angst vor dem Tod (weil Sie materialistisch denken), aber Angst vor dem Sterben?

Möchten Sie unsterblich sein?

Haben Sie schon einmal gemeint, dass Sie sterben, und was ist Ihnen dabei eingefallen:

was Sie hinterlassen?

die Weltlage?

eine Landschaft?

dass alles eitel war?

was ohne Sie nie zustande kommen wird?

die Unordnung in Ihren Schubladen?

Wovor haben Sie mehr Angst: dass Sie auf dem Totenbett jemand beschimpfen könnten, der es nicht verdient, oder dass Sie allen verzeihen, die es nicht verdienen?

Wenn wieder ein Bekannter gestorben ist: überrascht es Sie, wie selbstverständlich es Ihnen ist, dass die anderen sterben? Und wenn nicht: haben Sie dann das Gefühl, dass er Ihnen etwas voraushat, oder fühlen Sie sich überlegen?

Möchten Sie wissen, wie Sterben ist?

Wenn Sie sich unter bestimmten Umständen schon einmal den Tod gewünscht haben und wenn es nicht dazu gekommen ist: finden Sie dann, dass Sie sich geirrt haben, d.h., schätzen Sie infolgedessen die Umstände anders ein?

Wem gönnen Sie manchmal Ihren eigenen Tod?

Wenn Sie gerade keine Angst haben vor dem Sterben: weil Ihnen dieses Leben gerade lästig ist oder weil Sie gerade den Augenblick genießen?

Was stört Sie an Begräbnissen?

Wenn Sie jemand bemitleidet oder gehasst haben und zur Kenntnis nehmen, dass er verstorben ist: was machen Sie mit Ihrem bisherigen Hass auf seine Person beziehungsweise mit Ihrem Mitleid?

Haben Sie Freunde unter den Toten?

Wenn Sie einen toten Menschen sehen: haben Sie dann den Eindruck, dass Sie diesen Menschen gekannt haben?

Haben Sie schon Tote geküsst?

Wenn Sie nicht allgemein an Tod denken, sondern an Ihren persönlichen Tod: sind Sie jeweils erschüttert, d.h., tun Sie sich selbst leid oder denken Sie an Personen, die Ihnen nach Ihrem Hinscheiden leidtun?

Möchten Sie lieber mit Bewusstsein sterben oder überrascht werden von einem Ziegel, einem Herzschlag, von einer Explosion usw.?

Wissen Sie, wo Sie begraben werden möchten?

Wenn der Atem aussetzt und der Arzt es bestätigt: sind Sie sicher, dass man in diesem Augenblick keine Träume mehr hat?

Welche Qualen ziehen Sie dem Tod vor?

Wenn Sie an ein Reich der Toten (Hades) glauben: beruhigt Sie die Vorstellung, dass wir uns alle wiedersehen auf Ewigkeit, oder haben Sie deshalb Angst vor dem Tod?

Können Sie sich ein leichtes Sterben denken?

Wenn Sie jemanden lieben: warum möchten Sie nicht der überlebende Teil sein, sondern das Leid dem anderen überlassen?

Wieso weinen die Sterbenden nie?

Suizid

Wenn die Verzweiflung zu groß ist

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sterben mehr Menschen an Suizid als durch Krieg und Verbrechen zusammen: Rund eine Million Menschen nehmen sich jährlich das Leben. Diese Zahl bedeutet, dass sich alle 40 Sekunden irgendwo auf dieser Erde ein Mensch umbringt. Diese Menge wird lediglich von der Zahl der Verkehrstoten (rund 1,2 Millionen pro Jahr) übertroffen. Dass Suizid ein riesiges, aber verdrängtes Phänomen ist, zeigt nicht nur die Zahl der erfolgreichen Selbsttötungen, sondern vor allem die Schätzung der International Association for Suicide Prevention (IASP), nach der sich bis zu 20-mal mehr Menschen versuchen zu entleiben. Das sind 20 Millionen suizidale Personen pro Jahr, oder anders ausgedrückt: Die IASP geht davon aus, dass zwischen zehn und 14 Prozent aller Menschen während ihres Lebens einmal mit Suizidgedanken hadern – und fünf Prozent der Weltbevölkerung tatsächlich einmal während des Lebens einen Suizidversuch unternehmen. Die IASP weist darauf hin, dass Suizid-Statistiken eine große Unschärfe aufweisen: Man geht davon aus, dass eine große Zahl von Autounfällen ohne Fremdbeteiligung (engl.: single-car, single-driver road traffic events