Social Media und Journalismus - Sophie Katharina Schindler - E-Book

Social Media und Journalismus E-Book

Sophie Katharina Schindler

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Beschreibung

Welche Bedeutung haben Social Media für die journalistische Recherche und Berichterstattung? Welche Social-Media-Dienste werden für die Recherche und Berichterstattung bevorzugt herangezogen? Und welche Akteure und Themen in Social Media spielen in der journalistischen Praxis eine besondere Rolle? Dies sind die zentralen Fragen, denen Sophie Katharina Schindler in ihrer empirischen Studie nachgeht. Dazu führte sie eine qualitative Befragung von Journalistinnen und Journalisten durch. Es zeigte sich unter anderem, dass Facebook, Instagram und Twitter am häufigsten für die unterschiedlichen Recherchezwecke genutzt werden und dass Social Media die Nachrichtenauswahl beeinflussen. Des Weiteren wurde untersucht welche Themen auf Social Media relevant sind oder wie die Zukunft des journalistischen Arbeitsprozesses aussehen könnte. Einleitend gibt sie zudem einen Überblick über die journalistische Recherche und Berichterstattung in Zusammenhang mit Social Media.

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Seitenzahl: 512

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ibidem-Verlag, Stuttgart

Inhaltsverzeichnis

Abstract

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung

1.1 Relevanz und Problemstellung

1.2 Ziel und Aufbau der Arbeit

2 Theoretische Grundlagen

2.1 Theoretische Verortung in der Journalismusforschung

2.1.1 Theoretische Einordnung im Forschungsfeld der Kommunikationswissenschaft und der Journalismusforschung

2.1.2 Definition und Funktionen von Journalismus

2.1.3 Die journalistische Recherche

2.1.4 Nachrichtenauswahl im Journalismus

2.1.5 Qualität im Journalismus

2.2 Theoretische Verortung in der Social-Media-Forschung

2.2.1 Entwicklung und aktueller Stand von Social Media

2.2.2 Beschreibung der relevanten Social-Media-Plattformen

2.2.3 Forschungsstand Social Media und Journalismus

2.2.4 Verhältnis von Social Media und Journalismus

2.3 Forschungsfragen

3 Methodisches Vorgehen

3.1 Methode

3.2 Aufbau des Leitfadens

3.3 Auswahl und Beschreibung der Stichprobe

3.4 Durchführung der Experteninterviews

3.4.1 Pretest

3.4.2 Untersuchungsdurchführung

3.5 Auswertung

3.5.1 Auswertungsinstrument qualitative Inhaltsanalyse

3.5.2 Bestimmung der Analyseeinheiten und der Analysetechnik

3.5.3 Ablauf der Analyse

3.6 Gütekriterien

4 Ergebnisse

4.1 Die Bedeutung von Social Media für die journalistische Recherche

4.1.1 Social-Media-Recherche

4.1.2 Journalistische Themen – gezielte Suche oder Zufallsfund?

4.1.3 Vor- und Nachteile der Social-Media-Recherche

4.1.4 Regeln für die Social-Media-Recherche

4.2 Die Rolle von Social Media für die Berichterstattung

4.2.1 Nachrichtenauswahl

4.2.2 Journalistische Qualität

4.2.3 Vor- und Nachteile der Berichterstattung über Social Media

4.3 Social-Media-Dienste für die Recherche

4.4 Akteurinnen/Akteure und Themen

4.4.1 Akteurinnen/Akteure auf Social Media

4.4.2 Themen auf Social Media

4.5 Der journalistische Arbeitsprozess

4.6 Die Zukunft des journalistischen Arbeitsprozesses

5 Schlussbetrachtung

5.1 Diskussion

5.2 Fazit

5.3 Limitation und zukünftige Forschung

6 Literaturverzeichnis

Anhang 1: Anschreiben und Aufruf

Anhang 2: Leitfaden

Anhang 3: Codebuch

Anhang 4: Transkripte

Abstract

Journalistinnen/Journalisten stehen eine Vielzahl von Social-Media-Plattformen zur Verfügung. Diese Plattformen sind ein alltägliches Werkzeug und liefern eine große Bandbreite verschiedener Themen und Akteurinnen/Akteuren. Vorangegangene Studien beschränkten sich auf oberflächliche Analysen. Das bedeutet, dass häufig nur einzelne Aspekte oder Social-Media-Plattformen abgefragt wurden. Mit der vorliegenden Studie wird deshalb die bestehende Forschung vertieft und erweitert. Es gilt herauszufinden, wie Social Media von Journalistinnen/Journalisten genutzt und in den Arbeitsprozess einbezogen werden. Im Fokus der Arbeit stehen daher vier Fragen:

Welche Bedeutung haben Social Media für die Recherche von Journalistinnen/Journalisten?

Welche Rolle spielen Social Media für die Berichterstattung von Journalistinnen/Journalisten?

Welche Social-Media-Dienste werden für die Recherche und Berichterstattung herangezogen?

Welche Akteurinnen/Akteure und Themen in Social Media spielen für die Recherche und Berichterstattung eine Rolle?

Um diese Fragen zu beantworten, wurden qualitative Leitfadeninterviews mit 16 Journalistinnen/Journalisten geführt. Der semi-strukturierte Leitfaden thematisiert die Aspekte Recherche, Qualität der Berichterstattung, eigene Kommunikation und Zukunft des journalistischen Arbeitsprozesses. Zur Auswertung der Aussagen der 16 Journalistinnen/Journalisten wurde die inhaltlich strukturierende sowie die evaluative Inhaltsanalyse genutzt und mit MAXQDA Analytics Pro 2022 umgesetzt. Es zeigte sich unter anderem, dass Facebook, Instagram und Twitter am häufigsten für die unterschiedlichen Recherchezwecke genutzt werden und dass Social Media die Nachrichtenauswahl beeinflussen. Relevante Akteurinnen/Akteure auf Social Media sind (nachrichtliche) Medienformate, Expertinnen/Experten, andere Journalistinnen/Journa-listen, Personen des öffentlichen Lebens, Politiker/-innen und Kommunen. Trend-Themen werden am ehesten auf Social Media betrachtet und Social-Media-Beiträge werden zum Ausschmücken von journalistischen Inhalten verwendet. Die Studie enthält jedoch keine exakt quantifizierbaren Ergebnisse und ist dadurch nicht repräsentativ. Weitere vertiefende Forschung in diesem Bereich sollte quantitativ und mit einer größeren Stichprobe geschehen.

 

 

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Einordnung der Studie in Theorien und Forschungsfelder der Kommunikationswissenschaft und der Journalismusforschung

Abbildung 2: Einordnung der Nachrichtenfaktoren zu Nachrichtenwerten nach der Nachrichtenwerttheorie

Abbildung 3: Ablauf der Datenaufbereitung und Entwicklung des Kategoriensystems

Abbildung 4: Ausschnitt aus dem Kategoriensystem

Abbildung 5: Anzahl der Aussagen der Kategorien der Social-Media-Nutzung für die Recherche

Abbildung 6: Genannte Vor- und Nachteile der Recherche auf Social Media

Abbildung 7: Überblick über die genannten Regeln der Social-Media-Recherche

Abbildung 8: Genannte Vor- und Nachteile der Berichterstattung auf Social Media

Abbildung 9: Akteurinnen/Akteure für die Recherche auf Social Media

 

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Übersicht empirischer Studien zu Social Media und Journalismus

Tabelle 2: Merkmale der interviewten Expertinnen/Experten

Tabelle 3: Aussagen zur Schnelligkeit der Recherche über Social Media

Tabelle 4: Nutzungshäufigkeit von Social-Media-Plattformen gegliedert nach Zweck der Nutzung

 

1 Einleitung

1.1 Relevanz und Problemstellung

Es ist das Jahr 2022, Tatjana Geßler und Georg Bruder warten im Fernsehstudio darauf, die Nachrichtensendung SWR Aktuell zu moderieren. Auf ihren Smartphones gehen sie die neusten Meldungen durch, damit ihnen kein Ereignis entgeht. In letzter Minute wird ein Selfie gepostet, um die Zuschauer/-innen mit hinter die Kulissen zu nehmen.

„Hashtags werden zu Medienereignissen, Likes zu Nachrichtenfaktoren und Tweets ersetzen Pressemitteilungen“ (von Nordheim, 2018, Abs. 1). Redaktionen stehen heute eine Vielzahl von Social-Media-Plattformen zur Verfügung (Neuberger et al., 2014, S. 11). Diese Plattformen sind nicht mehr nur dann eine Quelle, wenn Journalistinnen/Journalisten keinen anderen Zugang zum Geschehen haben, sondern ein alltägliches Werkzeug. Sie bilden eine öffentliche Sphäre und sind dadurch eine wichtige Quelle für journalistische Recherchen und die Beobachtung öffentlicher Debatten (von Nordheim et al., 2018, S. 808). Social Media liefern folglich eine große Bandbreite verschiedener Themen und Journalistinnen/Journalisten durchsuchen innerhalb dieser „das bereits Publizierte nach relevanten Informationen“ (Neuberger et al., 2014, S. 22). So bieten sich den Journalistinnen/Journalisten weitere Möglichkeiten, als im Vorhinein die Initiative zu ergreifen und potenzielle Quellen zu identifizieren, anzusprechen und zu befragen (Neuberger et al., 2014, S. 22). Ohne viel Aufwand können sie diversen Akteurinnen/Akteuren folgen. Dadurch werden die Möglichkeiten des professionellen Journalismus erweitert und bereichert (Plotkowiak et al., 2012, S. 20). Trotzdem sind Social-Media-Dienste auch eine Herausforderung für den Journalismus, da sie die Schritte des journalistischen Arbeits- und Produktionsprozesses verändern (Meckel et al., 2012, S. 25–26). Eine Folge ist z. B., dass der Informationsvorsprung von Journalistinnen/Journalisten gegenüber ihrem Publikum und die Exklusivität der Inhalte und Themen durch die einfache Zugänglichkeit geringer werden. Außerdem veranlasst die unklare Herkunft von Informationen Journalistinnen/Journalisten dazu, sich nicht allein auf Social Media zu verlassen. Die Informationen gelten als Anstoß für eine Recherche und werden im besten Fall mit anderen Quellen gegengeprüft (Neuberger et al., 2014, S. 23). Der professionelle Journalismus hat sich an die heutige Medienlandschaft angepasst und es besteht eine Wechselbeziehung zwischen Journalismus und Social Media (von Nordheim et al., 2018, S. 808).

Vorangegangene Forschungsprojekte griffen die vorliegende Thematik auf und untersuchten z. B. die journalistische Recherche im Netz mit den Fragen, wo Journalistinnen/Journalisten recherchieren, wie sie Social Media nutzen und wie sie die Recherche bewerten (Preppner & Sievert, 2016, S. 1). Daneben gingen Neuberger et al. (2014, S. 11) der Frage nach, welche Chancen der Einbezug von Social Media im journalistischen Arbeitsprozess birgt. Des Weiteren gibt es auch kritische Analysen (siehe z. B. Bossio 2017; Bruns 2018). Oftmals beschränken sich die genannten Studien auf eine eher oberflächliche Analyse. Das bedeutet, dass häufig nur einzelne Aspekte oder Social-Media-Plattformen abgefragt wurden oder der Fokus auf anderen Themen wie z. B. der Publikumsbeteiligung lag. Mit der vorliegenden Studie wird deshalb die bestehende Forschung vertieft und erweitert. Es gilt herauszufinden, wie Social Media von Journalistinnen/Journalisten genutzt und in den Arbeitsprozess einbezogen werden und welche Chancen und Risiken dabei für die journalistische Recherche und Berichterstattung existieren. Daraus ergibt sich die übergreifende Frage für die vorliegende Arbeit:

Wie beeinflussen Social Media den Arbeitsprozess der Recherche und die Berichterstattung von Journalistinnen/Journalisten?

1.2 Ziel und Aufbau der Arbeit

Vor diesem Hintergrund behandelt die vorliegende Arbeit den Stellenwert von Social-Media-Diensten in der täglichen Arbeit von Journalistinnen/Journalisten. Das Ziel der Studie ist es herauszufinden, ob professionelle Journalistinnen/Journalisten Social Media in den Arbeitsprozess einbeziehen und wie sie dabei vorgehen. Der Fokus liegt auf den Punkten Recherche und Berichterstattung, dabei spielen bspw. die journalistische Qualität oder Nachrichtenfaktoren im Zusammenhang mit Social Media eine Rolle. Ebenso soll herausgefunden werden, welche Kanäle für welche Recherchezwecke genutzt werden und ob es in den Redaktionen Leitfäden oder interne Kodizes für die Social-Media-Nutzung gibt.

In Kapitel zwei erfolgt zunächst die Aufbereitung des theoretischen Hintergrunds der Forschungsarbeit (2). Dafür wird die Studie im Forschungsfeld der Kommunikationswissenschaft und der Journalismusforschung eingeordnet (2.1). Daraufhin wird der wissenschaftliche Konsens zur Journalismusforschung (2.1) und zur Social-Media-Forschung (2.2) betrachtet sowie die Zusammenführung der beiden Forschungsfelder im aktuellen Forschungsstand. Bei der Journalismusforschung werden der Recherche-Ansatz sowie der aktuelle Forschungsstand zur Qualität der Berichterstattung aufgeführt. Darüber hinaus findet ein Exkurs in die Nachrichtenwerttheorie statt. Bei der Social-Media-Forschung wird die Entwicklung von Social Media und deren aktueller Stand aufgezeigt. In Kapitel 2.3 werden die Forschungsfragen der Studie aufgestellt.

Daran anknüpfend wird im empirischen Teil der Arbeit das qualitative Leitfadeninterview und dessen Auswertung mit der qualitativen Inhaltsanalyse nach Kuckartz und Rädiker (2022) besprochen (3). Das Kapitel enthält die Wahl der Methode (3.1), den Aufbau des Leitfadens (3.2), die Beschreibung der Stichprobe (3.3), die Schilderung des Untersuchungsablaufs (3.4), die Beschreibung der Auswertung mittels qualitativer Inhaltsanalyse (3.5) und Gütekriterien (3.6). Darauf folgen die Ergebnisse der qualitativen Leitfadeninterviews (4) und die damit einhergehende Darstellung der Bedeutung von Social Media im Arbeitsprozess von Journalistinnen/Journalisten (4.1). Kapitel 4.2 widmet sich der Rolle von Social Media für die Berichterstattung. Es folgt Kapitel 4.3, in welchem die Bedeutung der Social-Media-Dienste für die Recherche betrachtet wird. Am Ende des Kapitels werden die relevanten Akteurinnen/Akteure und Themen auf Social Media (4.4), der journalistische Arbeitsprozess (4.5) und dessen mögliche Zukunft (4.6) dargestellt. Kapitel 5 finalisiert die Arbeit mit einer Schlussbetrachtung. Die Ergebnisse werden diskutiert und in den Forschungsstand eingeordnet (5.1). Es wird ein Fazit gezogen, welches sowohl theoretische Implikationen als auch solche für die journalistische Praxis enthält (5.2). Zuletzt werden Limitationen der Studie aufgezeigt und ein Ausblick für weitere Forschung gegeben (5.3).

2 Theoretische Grundlagen

Die theoretischen Grundlagen der Studie sind in drei inhaltliche Teile gegliedert. Zu Beginn (2.1) wird die Journalismusforschung allgemein behandelt, es wird auf die Unterpunkte Einordnung im Forschungsfeld der Kommunikationswissenschaft, Recherche und Berichterstattung eingegangen. Anschließend (2.2) werden Social Media definiert und die für die Studie relevanten Kanäle vorgestellt. Der dritte Teil (2.3) verknüpft dann die Journalismus- und Social-Media-Forschung. Die daraus resultierenden Forschungslücken schaffen abschließend die Basis der Relevanzbegründung und der in Kapitel 2.4 aufgeführten Forschungsfragen.

2.1 Theoretische Verortung in der Journalismusforschung

2.1.1 Theoretische Einordnung im Forschungsfeld der Kommunikationswissenschaft und der Journalismusforschung

In Abbildung 1 ist dargestellt, wo die Studie im Forschungsfeld der Kommunikationswissenschaft angesiedelt ist. Sie ist Teil der Kommunikatorforschung und liegt in der Journalismusforschung. Bei der Journalismusforschung fällt sie unter die sozialintegrativen Theorien.

Abbildung 1

Einordnung der Studie in Theorien und Forschungsfelder der Kommunikationswissenschaft und der Journalismusforschung

Anmerkung. Ansiedlung in den sozialintegrativen Theorien. Eigene Darstellung in Anlehnung an Löffelholz, 2003, S. 29; Mast, 2018, S. 86 und Arens 2008, S. 198.

Die Einordnung der Studie basiert grundsätzlich auf der Lasswell-Formel. Der Kommunikationsforscher und Politikwissenschaftler H. D. Lasswell veröffentlichte im Jahr 1948 einen Aufsatz zur Struktur und Funktion von Kommunikation in der Gesellschaft (Arens, 2008, S. 198). Er beschreibt den Kommunikationsprozess folgendermaßen: „WER sagt WAS in welchem KANAL zu WEM mit welchem EFFEKT?“ (Lasswell, 1948, zit. n. Arens, 2008, S. 198). Diese analytische Aufteilung der gesellschaftlichen Kommunikation ist als Lasswell-Formel in die Medien- und Kommunikationsforschung eingegangen. Es handelt sich dabei nicht um eine wissenschaftliche oder mathematische Formel und auch nicht um ein verbales Kommunikationsmodell, sondern um eine Heuristik. Diese folgt der Logik der journalistischen W-Fragen für den Aufbau einer Nachricht und bietet so eine erste Systematik für die empirische Kommunikationsforschung (Bentele et al., 2013, S. 182). Anhand der Lasswell-Formel werden auch die kommunikationswissenschaftlichen Forschungsbereiche definiert (Burkart, 2002, S. 493). Wer steht für die Kommunikatorforschung1, sagt was für die Medieninhaltsforschung, in welchem Kanal definiert die Medienforschung, das zu wem die Publikums- bzw. Rezipientenforschung und mit welchem Effekt bezeichnet die Medienwirkungsforschung (Arens, 2008, S. 198; Burkart, 2002, S. 493). Anhand dieser strukturierten Aufteilung kann die vorliegende Studie in den ersten Teil der Lasswell-Formel eingeordnet werden (Kommunikatorforschung). Der Kommunikatorbegriff verweist auf die verschiedenen Rollen des Kommunikationsprozesses. Quellen (Kommunikatorinnen/Kommunikatoren) stehen mit Rezipientinnen/Rezipienten in Verbindung. Zusammenfassend beschäftigt sich die Kommunikatorforschung mit Strukturen, Prozessen und Leistungen der Entstehung von Medienangeboten (Löffelholz, 2003, S. 29). Die Journalismusforschung stellt im Rahmen der Kommunikatorforschung eines der zentralen Forschungsfelder der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft dar. Sie analysiert in Bezug auf die Gesellschaft, „was Journalismus für die Öffentlichkeit unter welchen Bedingungen leistet und welche Einflussfaktoren das journalistische Handeln bestimmen“ (Wyss & Keel, 2010, S. 339). Demzufolge wird eine Studie im Bereich der Kommunikatorforschung durchgeführt, bei der die Kommunikatorinnen/Kommunikatoren (hier Journalistinnen/Journalisten) im Fokus stehen und befragt werden.

Auch innerhalb der Journalismusforschung gibt es eine große Anzahl verschiedener theoretischer Ansätze. Abbildung 1 veranschaulicht, dass die Studie im Bereich der sozialintegrativen Theorien des Journalismus angesiedelt ist. Die sozialintegrativen Ansätze verbinden systemtheoretische Überlegungen mit dem Handeln von Personen. Ziel dieser Ansätze ist es, eine Verbindung zwischen der Makroebene Gesellschaft und der Mikroebene der/des handelnden Journalistin/Journalisten herzustellen (Mast, 2018, S. 86). Wyss (2016, S. 266) betont, dass Journalistinnen/Journalisten zwar am Prozess der Strukturbildung beteiligt sind, ihr Handeln sich jedoch auf system- und organisationsspezifische Regeln, Ressourcen und institutionalisierte Praktiken bezieht. Mithilfe dieser theoretischen Zugänge wird eine Analyse und Erklärung des journalistischen Handelns in der Gesellschaft ermöglicht.

2.1.2 Definition und Funktionen von Journalismus

Für die qualitativen Interviews mit Journalistinnen/Journalisten ist es hilfreich, sich zuerst mit den Grundlagen des Journalismus zu befassen. In der vorliegenden Studie wird Journalismus nach Meier (2018, S. 14) definiert: „Journalismus recherchiert, selektiert und präsentiert Themen, die neu, faktisch und relevant sind. Er stellt Öffentlichkeit her, indem er die Gesellschaft beobachtet, diese Beobachtung über periodische Medien einem Massenpublikum zur Verfügung stellt und dadurch eine gemeinsame Wirklichkeit konstruiert […].“ Außerdem haben Politik und Gesellschaft Erwartungen an den Journalismus. Er hat eine öffentliche Aufgabe, die für eine demokratische Gesellschaft unerlässlich ist. „Sie besteht darin, über das gesellschaftliche Geschehen zu informieren, an der Meinungsbildung der Bürger mitzuwirken sowie Entscheidungsträger zu kritisieren und kontrollieren“ (Mast, 2018, S. 63). Journalismus kann demnach als ein gesellschaftliches Teilsystem mit der Funktion der Beobachtung der Gesellschaft bezeichnet werden. Durch Journalismus wird Öffentlichkeit hergestellt, indem Themen ausgewählt werden und objektiv über diese berichtet wird. Um diese Anforderungen zu erfüllen, ist die Autonomie eine wichtige Eigenschaft des Journalismus (Neuberger & Kapern, 2013, S. 29).

Wer sich als Journalist/-in bezeichnen kann, haben die Berufsvertreter/-innen selbst definiert (Neuberger & Kapern, 2013, S. 24). Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hat ein Berufsbild erarbeitet, in dem die Gemeinsamkeiten und die Facetten des Berufs beschrieben werden. In der Informationsbroschüre des DJV aus dem Jahre 2020 heißt es: „Journalistin oder Journalist ist, wer professionell Informationen, Meinungen und Unterhaltung mittels Wort, Bild, Ton oder Kombinationen dieser Darstellungsmittel über analoge und digitale Medienkanäle erarbeitet und verbreitet“. Auf diese Definition stützt sich die vorliegende Studie, wenn von Journalistinnen/Journalisten die Rede ist. Lünenborg (2005, S. 41–42) und Altmeppen und Greck (2012, S. 13) verweisen zuletzt auf eine Problematik der Journalismusforschung: In früheren Studien wurde der Nachrichtenjournalismus als Nonplusultra der Forschungspraxis gehandhabt. Andere journalistische Tätigkeiten und Ressorts spielten nur eine untergeordnete Rolle. Aus diesem Grund werden in dieser Studie nicht nur mit klassischen Nachrichtenjournalistinnen/-journalisten Interviews geführt, sondern Journalistinnen/Journalisten verschiedener Fachrichtungen und Ressorts befragt.

Darüber hinaus hat sich das journalistische Rollenverständnis aufgrund der digitalen Medienwelt verändert (Mast, 2018, S. 67). Die Rolle hat sich vom Gatekeeper hin zum Gatewatcher gewandelt (Mast, 2018, S. 69). Gatekeeping beschreibt die journalistische Kontrolle darüber, welche Inhalte an die Öffentlichkeit gelangen (Bruns, 2009, S. 107). Die Gründe der Nachrichtenauswahl eines Gatekeepers sind vielseitig und können bspw. Persönlichkeitsmerkmale, die redaktionelle Linie oder vermutetes Publikumsinteresse sein (Mast, 2018, S. 69). Durch die Öffentlichkeit im Internet kann jede/r Informationen bereitstellen und sich vernetzen. Die Aufgabe, Nachrichten gezielt auszuwählen, wird somit hinfällig (Mast, 2018, S. 70). So entwickelte sich der Begriff Gatewatcher. Die Gatewatcher beobachten, welche Inhalte verfügbar sind und identifizieren Informationen mit der Absicht, sie in ihre Berichterstattung einfließen zu lassen (Bruns, 2009, S. 113). Mast (2018, S. 70) nennt außerdem die Aufgabe des Kuratierens, d. h. relevante Informationen aufzuspüren und zu bündeln. Welche Kriterien für Auswahlentscheidungen wichtig sind und an welchen Zielen der Qualität sich die Journalistinnen/Journalisten orientieren, wird in den Kapiteln 2.1.3 und 2.1.4 weiter ausgeführt.

2.1.3 Die journalistische Recherche

In diesem Abschnitt wird auf den journalistischen Arbeitsprozess eingegangen. Es stellt sich die Frage: Woher haben die Journalistinnen/Journalisten die Materialien und Informationen über die sie berichten (Mast, 2018, S. 294)? Die Informationsquellen und -kanäle sowie der Prozess der Recherche stehen in diesem Kapitel im Fokus. Darüber hinaus wird ein kurzer Vergleich zwischen der analogen und der digitalen Recherche gezogen.

Mast (2018, S. 294) nennt drei Arten, wie Nachrichten oder Geschichten in die Redaktionen gelangen: Erstens durch Nachrichtenagenturen, wie z. B. die Deutsche Presse-Agentur (dpa). Zweitens durch Public Relations, also durch Pressemitteilungen von Organisationen und Institutionen. Drittens über die Recherche. Letztere eignet sich vor allem dann, wenn die Redaktionen ihrem Publikum exklusive Meldungen präsentieren wollen. Es wird deutlich, dass die Recherche ein zentraler Teil des journalistischen Arbeitens ist (Nuernbergk, 2018, S. 102). Das Wort Recherche, stammt aus dem Französischen und entspricht als journalistischer Fachausdruck dem, was das Wörterbuch übersetzt: Nachsuchung, Untersuchung, Aufsuchung und Nachforschung (von La Roche et al., 2013, S. 14). Haller (2004, S. 39) definiert journalistische Recherche wie folgt: „Unter historischem Blickwinkel hat sich die journalistische Recherche seit Ende des 19. Jahrhunderts zu einem professionellen Verfahren entwickelt, mit dem Aussagen über Vorgänge beschafft, geprüft und beurteilt werden.“ Daran anknüpfend betont Mast (2018, S. 295–296), dass die Recherche ein erlernbares Handwerk ist. Dieses erfordert gewisse journalistische Kompetenzen und Fähigkeiten, wie z. B. Reflexionsvermögen, Skepsis gegenüber Quellen und Meinungen, kritische Überprüfung und Unabhängigkeit. Angelehnt an Haller (2004, S. 41ff) und Machill et al. (2008, S. 34), werden in dieser Arbeit unter dem Begriff Recherche alle Handlungen der journalistischen Wissensgewinnung verstanden, die mindestens einem der nachfolgenden Ziele nachgehen:

Evaluation der Relevanz eines Themas

Überprüfung von verfügbaren Informationen

Erweiterung von Ausgangsinformationen

Finden von neuen Informationen

Die journalistische Recherche hat sich seit dem 19. Jahrhundert weiterentwickelt und findet heutzutage sowohl in der analogen, als auch in der digitalen Welt statt (Kaiser, 2015, S. 33ff). Die analogen Möglichkeiten der Recherche sind z. B. Pressekonferenzen, Interviews, Vor-Ort-Termine sowie Archive. Durch das Internet ergeben sich zum aktuellen Zeitpunkt zahlreiche weitere Recherchemöglichkeiten. Konkret sind Informationen durch Suchmaschinen, Internetseiten, Social Media, Newsletter, Foren und Datenbanken sowie Big Data zugänglich (Kaiser, 2015, S. 59ff). Das Recherchieren hat sich durch das Internet verändert, denn der Einsatz von Social Media und Suchmaschinen steht heutzutage am Anfang vieler Recherchen und begleitet „das Arbeiten im Journalismus auch in späteren Phasen des Nachrichtenprozesses“ (Nuernbergk, 2018, S. 102). Unter den dargestellten Bedingungen der Recherche haben sich die zur Verfügung stehenden Quellen für Informationen über neue und aktuelle Ereignisse erweitert (Prochazka, 2020, S. 19). Wer also Social Media in der täglichen journalistischen Arbeit ausblendet, verpasst wichtige Neuigkeiten. Der Blick auf die Kurznachrichten von bspw. Twitter ist für die Journalistinnen/Journalisten mittlerweile mindestens so wichtig, wie der Blick in das Angebot der Nachrichtenagenturen. Aufgrund der Tatsache, dass auf Social Media jede/r etwas posten kann, sind die Informationsquellen allerdings nicht mehr rein journalistisch (Kaiser, 2015, S. 76; Welchering, 2020, S. 5). Bei der Recherche wird in der Literatur zwischen Informationsquellen und Informationskanälen unterschieden. Informationsquellen werden als Urheber/-innen bzw. Anbieter/-innen von Informationen verstanden. Die technischen Verbreitungsmittel, über die Informationsquellen ihre Inhalte verbreiten, werden dagegen als Informationskanäle definiert (Prochazka, 2020, S. 19–20).

Wie bereits in Kapitel 2.1.2 thematisiert, übernehmen neue Akteurinnen/Akteure oder Algorithmen Gatekeeper-Funktionen (Schmidt et al., 2017, S. 98). Die Journalistinnen/Journalisten entscheiden damit nicht mehr alleine, welche Ereignisse, Nachrichten oder Informationen an die Öffentlichkeit gelangen und wie diese Inhalte aufbereitet werden (Mast, 2018, S. 69; S. 416). Neuberger et al. (2014, S. 26) geben zudem an, dass Social Media zur Einbeziehung des Publikums verwendet werden. Publikumsbeiträge fließen so in die journalistische Recherche ein. Aufgrund der Gegebenheiten von Social Media ist es von Interesse herauszufinden, wie Journalistinnen/Journalisten das aktive Publikum in der Recherche einbeziehen und ob sie neben der dargestellten, gezielten Recherche auch durch Zufall auf Themen aufmerksam werden.

2.1.4 Nachrichtenauswahl im Journalismus

Im vorangegangenen Kapitel wurde die journalistische Recherche thematisiert. Doch an welchen Kriterien und Zielsetzungen orientieren sich die Journalistinnen/Journalisten, wenn es darum geht, eine Auswahl aus den verschiedenen Nachrichten zu treffen (Mast, 2018, S. 71)? Zur Beantwortung der Frage wird in diesem Kapitel das Konzept zur Auswahl der Nachrichten aufgezeigt, dafür wird zunächst die Nachrichtenwerttheorie herangezogen. „Die Nachrichtenwerttheorie soll drei Sachverhalte erklären und prognostizieren – die Auswahl, die Platzierung und den Umfang von Nachrichten“ (Kepplinger & Bastian, 2000, S. 462). Ausgangspunkt der Theorie sind dabei Ereignisse. Diesen Ereignissen ordnet die Nachrichtenwerttheorie dann einen Nachrichtenwert zu, der durch die Kombination verschiedener Nachrichtenfaktoren bestimmt wird (Sommer et al., 2012, S. 383). Folglich bestimmen die Nachrichtenfaktoren den Nachrichtenwert von Ereignissen und Themen. Je mehr Nachrichtenfaktoren bei einem Ereignis vorliegen und je stärker die einzelnen Nachrichtenfaktoren zutreffen, desto höher ist der Nachrichtenwert. Die Forscher J. Galtung und M. H. Ruge entwickelten 1965 die klassischen Nachrichtenfaktoren (Galtung & Ruge, 1965, zit. n. Mast, 2018, S. 80–81):

Frequenz

Schwellfaktor (Intensität des Ereignisses)

Eindeutigkeit

Bedeutsamkeit (kulturelle Nähe/ Betroffenheit, Relevanz)

Konsonanz (Erwartung)

Überraschung (Unvorhersehbarkeit, Seltenheit)

Kontinuität

Variation

Bezug auf Elite-Nation (wirtschaftlich, militärisch)

Bezug auf Elite-Person (prominente oder mächtige Personen)

Personalisierung

Negativismus (Konflikt, Kontroverse, Aggression, Zerstörung oder Tod)

Galtung und Ruge (1970) unterscheiden zudem zwischen drei Sorten von Ereignissen. „Die prominenten Ereignisse, die (fast) alle Nachrichtenfaktoren (stark) erfüllen“ (Galtung & Ruge, 1970, zit. n. Uhlemann, 2012, S. 118), die durchschnittlichen Ereignisse, die entweder bestimmte Nachrichtenfaktoren oder Komplementärfaktoren erfüllen und den Vorgängen, die keine Ereignisse werden, da sie wenige oder keine Nachrichtenfaktoren aufweisen (Galtung & Ruge, 1970, zit. n. Uhlemann, 2012, S. 118). Komplementärfaktoren können das Fehlen eines Nachrichtenfaktors ersetzen und existieren nach den Überlegungen von Galtung und Ruge für alle oder einige der Nachrichtenfaktoren (Uhlemann, 2012, S. 118). Die Nachrichtenfaktoren bestimmen jedoch nicht nur darüber ob, sondern wie über das Ereignis berichtet wird, da sie die Berichterstattung gleichzeitig verzerren. Journalistinnen/Journalisten berichten eher die Aspekte eines Ereignisses, die den Nachrichtenfaktoren entsprechen (Mast, 2018, S. 80). Zusammenfassend wirken Nachrichtenfaktoren auf die Auswahl von Themen sowie auf die Art und Weise der Aufbereitung und Darstellung dieser. Welche Themen also zu Nachrichten werden, bestimmen die Nachrichtenfaktoren, welche im Zusammenspiel die Nachrichtenwerte bilden (siehe Abbildung 2). In der Literatur liegen unterschiedliche Auffassungen der Nachrichtenwerttheorie vor. So ordnete Schulz „18 Nachrichtenfaktoren in sechs Dimensionen ein: Zeit, Nähe, Status, Dynamik, Valenz und Identifikation“ (Verhovnik, 2012, S. 272). Daneben weiteten Staab (1998) und Maier et al. (2006) die Nachrichtenfaktoren aus (Boetzkes et al., 2008, S. 64). Die vorliegende Studie bezieht sich jedoch auf die Nachrichtenfaktoren nach Galtung und Ruge (1965) und die drei Dimensionen des Nachrichtenwerts nach Mast (2018, S. 82–83). Dabei sind die folgenden drei Dimensionen zentral: Der Neuigkeitswert beschreibt, was das Publikum aktuell interessieren könnte. Der Gefühlswert spricht Emotionen an und untergliedert sich in Ungewöhnliches, Spektakuläres und Abweichendes. Der dritte Nachrichtenwert ist der Nutzwert, welcher die Folgen für das Publikum aufzeigt und Handlungsempfehlungen darlegt. Abbildung 2 ist ein Beispiel für die Nachrichtenauswahl. Die Nachrichtenfaktoren sind den Nachrichtenwerten untergeordnet.

Abbildung 2

Einordnung der Nachrichtenfaktoren zu Nachrichtenwerten nach der Nachrichtenwerttheorie

Anmerkung. Eigene Darstellung in Anlehnung an Mast, 2018, S. 82–83.

Nachrichtenfaktoren steuern das journalistische Selektionsverhalten sowie das Interesse der Mediennutzer/-innen. Im Laufe der journalistischen Historie haben sich die Nachrichtenfaktoren und -werte geändert und an die Bedingungen der Medienlandschaft angepasst (Boetzkes et al., 2008, S. 65). Durch das Internet und Social Media liegt eine neue Situation vor. Es gibt wenige Analysen, wie sich die Nachrichtenfaktoren und -werte durch den Einbezug von Social Media im Journalismus verändern. Die Nachrichtenwerte sind für die vorliegende Studie essenziell, da untersucht wird, ob Journalistinnen/Journalisten sich bei ihrem Arbeitsprozess an Nachrichtenwerten orientieren und welche Rolle Social Media dabei spielen.

2.1.5 Qualität im Journalismus

Was sind Kriterien für journalistische Qualität und wie kann die Qualität gesichert werden? Mit diesen Fragen beschäftigt sich der nachfolgende Teil dieser Arbeit. Wilke (2003, S. 35) stellte fest: „Die Debatte über journalistische Qualität ist fast so alt, wie die periodische Presse selbst […].“ Die journalistische Qualitätsforschung lässt sich in drei Fachbereiche unterteilen: Qualitätsdefinition, Qualitätsmessung und Qualitätssicherung. Die Qualitätsdefinition beschäftigt sich mit den Grundlagen journalistischer Qualität und deren Definition. Die Qualitätsmessung befasst sich mit dem (genauen) Gegenstand der Messung. Der letzte Punkt bezieht sich auf die Qualitätssicherung, die sich den Faktoren für ein qualitativ hochwertiges Angebot widmet (Neuberger & Kapern, 2013, S. 126–127).

Salopp formuliert ist sich die Forschung bei der journalistischen Qualitätsdebatte nur in dem Punkt einig, dass sie sich uneinig ist. Die Forschungslage zur journalistischen Qualität hat sich zwar weiterentwickelt und verbessert, trotzdem sind Ansätze, die journalistische Qualität in eine Theorie einzubinden, die Ausnahme geblieben (Bucher, 2003, S. 11). Ruß-Mohl konstatiert: „Qualität im Journalismus definieren zu wollen, gleicht dem Versuch, einen Pudding an die Wand zu nageln“ (Ruß-Mohl, 1992, zit. n. Rau, 2005, S. 65). Damit stimmen Neuberger und Kapern (2013, S. 127) überein, sie deklarieren die journalistische Qualität als „nichts Objektives, das ein für alle Mal definiert werden kann“. Trotzdem gibt es gewisse Leitlinien und Mindestanforderungen, die durch Rechts- und Berufsnormen entstehen.Wenn im Folgenden von Qualität im Journalismus gesprochen wird, bezieht sich das auf nachfolgende Erwartungen und Perspektiven nach Neuberger und Kapern (2013, S. 128) und Mast (2018, S. 201):

Erwartungen des Publikums: Rezipientinnen/Rezipienten orientieren sich am Nutzen, den sie haben, wenn sie Medienangebote konsumieren. Dabei erwarten sie Gratifikationen wie z. B. einen Überblick über das Tagesgeschehen oder korrekte Informationen zu aktuellen Ereignissen zu erhalten. Weitere Punkte sind Verständlichkeit, Attraktivität und Akzeptanz.

Erwartungen von Expertinnen/Experten: Medienkritiker/-innen, Wissenschaftler/-innen, Politiker/-innen und die Vertreter/-innen der gesellschaftlich relevanten Gruppen in den Rundfunkräten definieren, was die Medien für die Gesellschaft leisten sollen. Darunter fallen Faktoren wie Aktualität, Relevanz, Unabhängigkeit und Richtigkeit.

Erwartungen von Organisationen: Redaktionen haben es sich einerseits zur Aufgabe gemacht, fremde Erwartungen zu befriedigen, andererseits müssen sie auch eine „öffentliche Aufgabe“ erfüllen. Die öffentliche Aufgabe ist für eine Demokratie wichtig und umfasst Vielfalt, Neutralität und Ausgewogenheit.

Die genannten Kriterien für journalistische Qualität sind laut Mast (2018, S. 201) weder vollständig noch überschneidungsfrei. Ergänzend dazu diskutieren Arnold (2008, S. 502) und Neuberger und Kapern (2013, S. 145) Qualität im Journalismus unter weiteren Kriterien: Objektivität, Transparenz, Glaubwürdigkeit, Analyse, Wertung/Kritik und Diskurs sowie medienspezifische Anforderungen. Des Weiteren ist es für die journalistische Qualität vonnöten, die Werte einer demokratischen Gesellschaft zu befolgen und sich an gesetzlichen Regelungen sowie journalismusinterne Kodizes zu halten (Arnold, 2008, S. 503). Hervorzuheben ist, dass die Kriterien nicht universell gültig sind, sondern je nach Mediengattung, journalistischem Selbstverständnis und Thema unterschiedlich wichtig sind (Mast, 2018, S. 201). Der genannte Kriterienkatalog hilft, die offenen Fragen des Leitfadens (3.2) einzuordnen und zu formulieren.

An die Qualitätsdefinition schließt sich nach Neuberger und Kapern (2013, S. 126–127) die Qualitätsmessung an. Eine Art der Qualitätsmessung journalistischer Beiträge kann anhand einer Inhaltsanalyse geschehen, welche die Qualität der Beiträge misst (Neuberger & Kapern, 2013, S. 143). Aus forschungspragmatischen Gründen wird eine solche Qualitätsmessung in dieser Studie nicht durchgeführt. Vielmehr wird die wahrgenommene journalistische Qualität abgefragt. Dabei gilt es herauszufinden, ob Journalistinnen/Journalisten eine Änderung der journalistischen Qualität durch den Einbezug von Social Media wahrnehmen.

Viele Teile des Journalismus und der Massenmedien unterliegen ökonomischen Zwängen. Das wirft die Frage auf, wie Journalistinnen/Journalisten trotzdem Qualität sicherstellen.Hierbei ist zu beachten, dass Qualität und Qualitätssicherung im Journalismus schon lange nicht mehr nur die individuelle Verantwortung von Journalistinnen/Journalisten sind (Pürer, 2015, S. 79). Einfluss haben die allgemeinen politischen, rechtlichen, ökonomischen, technischen und sonstigen gesellschaftlichen Randbedingungen des Mediensystems. Trotzdem gibt es Abläufe zur Qualitätssicherung. Redaktionen und Rundfunkanstalten haben bspw. ein Qualitätsmanagement (Neuberger & Kapern, 2013, S. 144). Buß (2003, S. 272–276) führt grundsätzliche Regelungen für alle Angebote an: Einerseits sind die gesetzlichen Grundlagen zu beachten, andererseits gilt es Ziele zu formulieren und deren Einhaltung oder Erreichung zu erfassen. Dabei gibt es Standardziele und spezifische Ziele. Unter Standardziele fallen bspw. der Informationsgehalt oder die Aktualität eines Angebots. Spezifische Ziele betreffen die Formate selbst und decken Punkte wie Themen der Sendung, Moderation oder Interviewpartner/-innen ab. Zudem findet Qualitätssicherung nicht nur in den Redaktionen statt, sondern auch berufsintern, in der Aus- und Weiterbildung sowie in der medienkritischen Öffentlichkeit. Daneben bestehen Selbstregulierungseinrichtungen wie der Deutsche Presserat (Neuberger & Kapern, 2013, S. 144). Daher ist das Ziel der vorliegenden Studie herauszufinden, an welchen Kriterien sich Journalistinnen/Journalisten zur Qualitätssicherung tatsächlich orientieren und welche Rolle Social Media dabei spielen.

2.2 Theoretische Verortung in der Social-Media-Forschung

2.2.1 Entwicklung und aktueller Stand von Social Media

Um den Einfluss von Social Media auf den Journalismus zu analysieren und einzuordnen, ist es hilfreich, vorab die Entwicklung und die Charakteristika der Social-Media-Dienste zu betrachten. Social Media der Gegenwart setzen „eine längere Tradition der Medienentwicklung fort“ (Schmidt, 2013, S. 9). Eisenegger et al. (2021, S. 18–19) zeigen auf, dass seit den 2000er Jahren ein dritter, digitaler Strukturwandel in der Öffentlichkeit erfolgt. Sie begründen den Wandel durch die „Plattformisierung“, d. h. dass globale (Tech-)Plattformen einen großen Einfluss auf die Struktur und die Inhalte öffentlicher Kommunikation haben (Eisenegger et al., 2021, S. 18–19). Diese „(Tech-)Plattformen lassen sich als algorithmisch gesteuerte Digital-Infrastrukturen beschreiben“ (Eisenegger et al., 2021, S. 20). Dort werden Ausprägungen menschlicher Interaktion in Daten umgewandelt (Eisenegger et al., 2021, S. 20). Diese Erkenntnisse sind von Bedeutung, um Social Media für die vorliegende Studie abzugrenzen und einzuordnen. Social Media gehören zu den beschriebenen (Tech-)Plattformen. Sie sind dadurch sozial, dass „sie Teil von Kommunikationsakten, Interaktionen und sozialem Handeln sind“ (Schmidt & Taddicken, 2017, S. 4). Eine formale Definition des Begriffs Social Media erfordert zunächst eine Abgrenzung zu zwei verwandten Konzepten, die oftmals im Zusammenhang mit Social Media genannt werden: Web 2.0 und User-Generated-Content (UGC) (Kaplan & Haenlein, 2010, S. 60). Der Begriff Web 2.0 bezeichnet die Veränderung der Nutzung des World Wide Web. Er beschreibt also eine Plattform, auf der Beiträge nicht mehr von einzelnen Personen erstellt und veröffentlicht, sondern von allen Nutzerinnen/Nutzern kontinuierlich und partizipativ verändert werden. Während Anwendungen wie persönliche Webseiten, Enzyklopädien und die Idee des Publizierens von Beiträgen in den Zeitraum des Web 1.0 gehören, werden sie im Web 2.0 durch Blogs und Wikis ergänzt. UGC ist die Summe aller Arten, in denen Menschen Social Media nutzen. Dieser Begriff wird in der Regel verwendet, um die verschiedenen Formen von Medieninhalten zu beschreiben, die öffentlich zugänglich sind und von Endnutzerinnen/-nutzern erstellt werden (Kaplan & Haenlein, 2010, S. 61). Social Media sind demnach eine Einheit internetbasierter Anwendungen, die auf den ideologischen und technologischen Grundlagen des Web 2.0 aufbauen und somit die Kreation und den Austausch von nutzergenerierten Inhalten ermöglichen (Kaplan & Haenlein, 2010, S. 61). Zu den Social-Media-Diensten zählen soziale Netzwerke, Messenger-Dienste, Media-Sharing-Plattformen sowie (Micro-)Blogs und Online-Foren bzw. Online-Communities (Kreutzer et al., 2020, S. 236). Die vorliegende Arbeit bezieht sich auf relevante und täglich genutzte Social-Media-Plattformen, welche sich aus der ARD/ZDF-Onlinestudie (2021) erschließen. Die für die Studie relevanten Plattformen sind Instagram, Facebook, Snapchat, Twitter, TikTok und Telegram (Beisch & Koch, 2021, S. 489).

2.2.2 Beschreibung der relevanten Social-Media-Plattformen

Da die genannten Social-Media-Plattformen Anstoß für diese Studie sind, werden deren Funktionen und Spezifitäten in diesem Abschnitt kurz erläutert. Die Studie untersucht den Einfluss der verschiedenen Social-Media-Plattformen auf den journalistischen Arbeitsprozess. Kreutzer et al. (2020, S. 251) unterscheiden grundsätzlich zwischen sozialen Netzwerken, Blogs/ Microblogs, Media-Sharing-Plattformen, Messenger-Diensten und Online-Foren/Communities. Zuerst werden die sozialen Netzwerke betrachtet. Das wichtigste soziale Netzwerk für private Anwender/-innen ist Facebook. Es zeichnet sich durch Teilen von Inhalten, Emotionalität, Gefällt mir-Angaben und privatem Austausch per Chat aus (Kreutzer et al., 2020, S. 251–253). Instagram, welches auch einige Funktionalitäten sozialer Netzwerke hat, wird den Media-Sharing-Plattformen zugeordnet (Kreutzer et al., 2020, S. 248–251). Zu diesen gehören auch YouTube und TikTok. Media-Sharing-Plattformen ermöglichen es, diverse Inhalte wie Videos, Fotos, Audioinhalte im Internet zugänglich zu machen und sich darüber auszutauschen (Wille-Baumkauff, 2015, S. 82). Privatpersonen und Unternehmen können auf den genannten Plattformen Bilder oder (Kurz-)Videos hochladen, sie mit anderen teilen und die Beiträge anderer kommentieren und bewerten (Kreutzer et al., 2020, S. 288).

Darüber hinaus werden Microblogging-Dienste betrachtet. Microblogging ist eine Art des Bloggens, bei der die Beitragslänge auf eine festgelegte Zeichenzahl (häufig unter 200) begrenzt ist (Kreutzer, 2016, S. 127). Der international bekannteste Microblogging-Dienst ist Twitter (Kreutzer et al., 2020, S. 279). Twitter wird in über 40 Sprachen angeboten und es werden jeden Tag ca. 500 Mio. Kurzmeldungen (Tweets) versendet (Kreutzer et al., 2020, S. 279; Twitter, 2019). Neben Twitter bietet das zu Twitter zugehörige Tool Tweetdeck (www.tweetdeck.com) Funktionen, um die Menge an Inhalten zu organisieren. Es ermöglicht, bestimmte Inhalte gezielt zu suchen und zu finden, parallel verschiedenen Twitter-Listen zu folgen, Inhalte zu filtern, Benachrichtigungen einzurichten oder Erwähnungen bestimmter Schlagworte oder Hashtags zu folgen (Spangenberg, 2015, S. 115). Zuletzt werden die Messenger-Dienste abgebildet. Vor allem die Messenger WhatsApp, Facebook-Messenger und Snapchat sind beliebt. Eigenschaften dieser Dienste sind das hohe Engagement der Nutzer/-innen und die direkte Kommunikation zwischen Nutzerinnen/Nutzern durch Sofortnachrichten (Kreutzer et al., 2020, S. 292). Ein weiterer relevanter Messenger-Dienst ist Telegram (Beisch & Koch, 2021, S. 497). In dieser Studie werden die Messenger Telegram und Snapchat näher untersucht, der Facebook-Messenger zählt in dieser Arbeit zu Facebook allgemein.

Es wird deutlich, dass die verschiedenen Social-Media-Plattformen verschiedene Schwerpunkte haben und damit unterschiedlich verwendet werden. Für die vorliegende Forschungsarbeit ist es deshalb von Interesse herauszufinden, wie die Eigenheiten der Plattformen für die Recherche und die Berichterstattung eingesetzt werden.

2.2.3 Forschungsstand Social Media und Journalismus

„[Es] haben sich sowohl innerhalb als auch außerhalb von Medienorganisationen und Redaktionen weitere journalistische Felder und Tätigkeiten herausgebildet wie etwa das Community Management und Social-Media-Aktivitäten, Datenjournalismus sowie die Entwicklung und Umsetzung journalistischer Digitalstrategien“ (DJV, 2020, S. 7). Wie also binden Journalistinnen/Journalisten Social Media in ihren Arbeitsprozess ein? Die Verbindung der Forschungsgebiete Social Media und Journalismus liefert wichtige Erkenntnisse, um konkrete Forschungsfragen zu formulieren und die Untersuchung zu planen. Mit dem Übergang des Journalismus in eine digitale, online- und Social-Media-gestützte Umgebung kam es zu bedeutenden Veränderungen innerhalb der Branche und der journalistischen Praxis (Bossio, 2017, S. 27). Mehrere empirische Untersuchungen zeigen, dass Journalistinnen/Journalisten Social Media immer häufiger als Quelle nutzen (Plotkowiak et al., 2012, S. 3). Einen Überblick über durchgeführte empirische Studien und deren Ergebnisse gibt Tabelle 1.

Nuernbergk (2018, S. 111) betont, dass die Forschung zum Internetjournalismus zwar schon länger den Einsatz computergestützter Recherchemittel im Blick hat, Social Media aber erst später eine Rolle spielten. Erst seit dem Jahr 2010 zeigte sich eine breitere Nutzung im Arbeitsprozess. Diese Entwicklung lässt sich aus den Zahlen verschiedener Redaktionsbefragungen ablesen; insbesondere aus den Befragungen von Nachrichtenredaktionen 2006 und Internetredaktionen 2007, im Rahmen des Münsteraner DFG-Projekts „Journalismus im Internet“ (Nuernbergk, 2018, S. 111). In einer qualitativen Studie zu sozialen Medien und Journalismus führte das „SocialSensor“ Projektteam im Jahr 2012 qualitative, nicht-repräsentative Tiefeninterviews mit 14 Journalistinnen/Journalisten durch (Spangenberg, 2015, S. 121–122). Es wurden dabei ausschließlich Journalistinnen/Journalisten befragt, die aktiv und regelmäßig Social Media nutzten. Das Ziel der Studie war es, einen Eindruck über ihre Arbeitsweise zu erhalten und herauszufinden, in welchen Bereichen Defizite bestehen. Unter anderem haben die Forscher/-innen herausgefunden, dass Twitter, bzw. Tweetdeck, das am häufigsten genutzte Tool war, um Trends zu erkennen. Für die Interaktion mit Nutzerinnen/Nutzern wurde Facebook am häufigsten verwendet. Außerdem spielten Twitter und Facebook bei der Informationsvermittlung eine wichtige Rolle (Spangenberg, 2015, S. 121–122). In einer weiteren Studie befragten Hanitzsch et al. (2016, S. 1ff) in den Jahren 2014 und 2015 in ihrer Studie „Worlds of Journalism“ 775 Journalistinnen/Journalisten. Die Studie zeigte, dass der Einfluss von Socia-Media (insbesondere Facebook und Twitter), nutzergenerierten Inhalten und dem Wettbewerb in der journalistischen Branche in den letzten fünf Jahren am stärksten zugenommen hat. Eine Mehrheit der deutschen Journalistinnen/Journalisten gab an, dass unter anderem auch der Druck zu sensationellen Nachrichten sowie das Feedback des Publikums zugenommen haben.

Weitere Untersuchungen zu Social Media und Journalismus stammen von Neuberger et al. (2014) und Neuberger (2018) im Auftrag der Landesanstalt für Medien (LfM) Nordrhein-Westfalen. Dabei wurde die Nutzung von fünf verschiedenen Social-Media-Diensten (Twitter, Facebook, Google+, YouTube und Blogs) „in Bezug auf 24 mögliche Verwendungsweisen untersucht“ (Neuberger et al., 2014; Nuernbergk, 2018, S. 117–118). Insgesamt befragten sie in ihrer Forschungsarbeit 105 Internetredaktionsleiterinnen/-leiter. Neuberger et al. (2014, S. 57) kamen zu dem Ergebnis, dass Facebook und Twitter in den befragten Redaktionen am häufigsten für Recherchezwecke genutzt wurden. Facebook wurde bspw. bei der Suche nach Themen und zur Recherche bei Meinungsverteilungen herangezogen (Neuberger, 2018, S. 48). Ebenfalls wurde Facebook für das Auffinden von Augenzeugen verwendet. Twitter war, laut der Befragung, gut geeignet, um prominente Quellen zu beobachten, Expertinnen/Experten zu finden, Expertennetzwerke zu pflegen und Fakten zu recherchieren (Neuberger et al., 2014, S. 57; Neuberger et al., 2018, S. 48). „Für kurze Eilmeldungen und Live-Berichterstattung [wurde] ebenfalls Twitter bevorzugt“ (Neuberger, 2018, S. 48). Der Fokus der Studie lag jedoch auf Redaktionen von Lokalzeitungen und nicht auf individuellen Journalistinnen/Journalisten verschiedener Mediengattungen. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt die Befragungsstudie von Preppner und Sievert (2016, S. 8) zur journalistischen Arbeitsweise im digitalen Umfeld. Twitter und Blogs nutzten Journalistinnen/Journalisten häufiger als die Allgemeinbevölkerung. Preppner und Sievert befragten 2.329 Journalistinnen/Journalisten aus verschiedenen Ressorts. Bei den Sport- und Lokaljournalistinnen/-journalisten lag z. B. Facebook vorne. Die Politik- und Wirtschaftsjournalistinnen/-journalisten nutzten Twitter und Blogs und für die Politikjournalistinnen/-journalisten spielte vor allem Twitter eine wichtige Rolle.

Forscher/-innen fanden außerdem mittels einer Inhaltsanalyse von 900 Artikeln heraus, dass die Nutzung von Social-Media-Quellen massiv zugenommen hat. Dabei war Twitter eine bedeutendere Quelle für die Berichterstattung als Facebook (von Nordheim et al., 2018, S. 821ff). Beim „Cision’s 2022 State of the Media Report“ wurden 3.890 Journalistinnen/Journalisten aus 17 verschiedenen Ländern befragt. In dieser Studie wurde der Begriff Journalist ausgeweitet und es wurden Medienschaffende aus den Bereichen Print (Zeitungen/Zeitschriften), Rundfunk (TV/Radio/Podcast), Online-Nachrichten, Blogger/-innen oder Freiberufler/-innen und Influencer/-innen befragt. Die Sprache der Umfrage wurde für jedes Land und jeden Markt übersetzt und lokalisiert. Die Forscher/-innen fanden heraus, dass die größte Herausforderung von Journalistinnen/Journalisten ist, ihre Glaubwürdigkeit als vertrauenserweckende Nachrichtenquelle aufrechtzuerhalten und den Vorwurf von Fake-News zu verteidigen. Auf die Fragestellung, wie wichtig Social Media für verschiedene Gesichtspunkte ihrer Arbeit sind, gaben 20 % der Journalistinnen/Journalisten an, darüber „Inhalte zu veröffentlichen oder zu bewerben“. Weltweit war Facebook die Plattform, die Journalistinnen/Journalisten am häufigsten aus beruflichen Gründen nutzten (63 %), um Informationen zu beschaffen, mit ihrem Publikum zu interagieren und Inhalte zu veröffentlichen oder zu bewerben. Darauf folgten Twitter (59 %) und LinkedIn (56 %). Die Studie fokussierte sich auf die genannten Herausforderungen von Journalistinnen/Journalisten und auf die Art und Weise, wie sie arbeiten.

Zusammenfassend werden Social Media im Arbeitsprozess von Journalistinnen/Journalisten einbezogen. Trotzdem fokussierte sich die bisherige Forschung zu Social Media und Journalismus primär auf Facebook, Twitter und Blogs. Durch die Weiterentwicklung der Medienlandschaft ist es von Bedeutung, weitere Plattformen in die Forschung einzubeziehen, denn die großen und etablierten Social-Media-Anbieter müssen sich gegen neuere und junge Netzwerke behaupten (Beisch & Koch, 2021, S. 498.). Die Foto- und Video-Plattform Instagram hat in den letzten Jahren an Relevanz gewonnen und auch die Video-Plattform TikTok ist inzwischen von erheblicher Bedeutung (Beisch & Koch, 2021, S. 498.). Außerdem soll herausgefunden werden, ob Journalistinnen/Journalisten auch durch Zufall auf Themen stoßen, wie sie die unterschiedlichen Plattformen zur Recherche nutzen, welche Vor- und Nachteile sich daraus ergeben und worauf sie bei der Berichterstattung achten. Das Untersuchungsobjekt sind journalistische Individuen und ihre Handlungsmuster. Diese verschiedenen Ansätze bilden die Basis für die vorliegende Studie.

Tabelle 1

Übersicht empirischer Studien zu Social Media und Journalismus

 

2.2.4 Verhältnis von Social Media und Journalismus

Um das Verhältnis zwischen Social Media und Journalismus zu klassifizieren, schlagen Neuberger et al. (2014, S. 18) drei mögliche Beziehungen vor:

Konkurrenz: Amateurinnen/Amateure können Social Media verwenden, um journalistische Angebote zu gestalten. Dieser partizipative Journalismus tritt in Konkurrenz zum professionellen Journalismus.

Komplementarität: Es besteht ein Ergänzungsverhältnis zwischen Social Media und Journalismus. Solche komplementären Beziehungen entstehen zwischen Redaktionen, ihren Quellen (Recherche) und ihrem Publikum (Monitoring).

Integration: Redaktionen legen selbst Social-Media-Accounts unter ihrer Marke an. In diesem Fall treten sie als Anbieter auf den verschiedenen Plattformen auf. Dies hat den Vorteil, dass die journalistischen Inhalte auf den Social-Media-Plattformen redaktionell verantwortet und kontrolliert werden können und dem Publikum die Möglichkeit zur Beteiligung eingeräumt wird.

Besonders die komplementäre Beziehung zwischen Social Media und Journalismus spielt für die vorliegende Studie eine wichtige Rolle, weswegen bei dieser Kategorie vor allem die Recherche im Mittelpunkt steht. Die Journalistinnen/Journalisten beobachten demnach, was sich in den sozialen Netzwerken abspielt (Neuberger et al., 2014, S. 22). In welchem Umfang Journalistinnen/Journalisten Social Media für die Recherche und Berichterstattung einbeziehen, ist ein Erkenntnisinteresse der vorliegenden Studie.

2.3 Forschungsfragen

Angesichts der theoretischen Grundlagen und der Zielsetzung, die Auswirkung von Social Media auf die Recherche und Berichterstattung von Journalistinnen/Journalisten zu untersuchen, beabsichtigt die vorliegende Arbeit, die folgenden Forschungsfragen zu beantworten. Ziel ist es zu klären, wie Journalistinnen/Journalisten Social Media für die Recherche in ihrer Redaktion verwenden. Außerdem wird die Bedeutung von Social Media für die Recherche erforscht. Ein weiteres Erkenntnisinteresse dieser Studie liegt darin, zu analysieren, ob Journalistinnen/Journalisten gezielt auf den genannten Plattformen recherchieren, oder ob sie hauptsächlich durch Zufall auf Themen stoßen. Des Weiteren sollen die Vor- und Nachteile der Social-Media-Recherche identifiziert werden. Zuletzt gilt es zu erforschen, ob es (interne) Kodizes zum Einbezug von Social Media gibt (Arnold, 2008, S. 503). Diese Punkte bilden die Grundlage für die erste Forschungsfrage:

F1: Welche Bedeutung haben Social Media für die Recherche von Journalistinnen/Journalisten?

Nachfolgend wird die Rolle von Social Media für die Berichterstattung erforscht. Die Nachrichtenauswahl sowie die journalistische Qualität werden in Zusammenhang mit Social Media betrachtet. Darüber hinaus sind auch Chancen und Risiken des Einbezugs von Social Media bei der Berichterstattung von Belang. Die zweite Forschungsfrage lautet demnach:

F2: Welche Rolle spielen Social Media für die Berichterstattung von Journalistinnen/Journalisten?

Neben dem Einfluss von Social Media auf die Recherche und Berichterstattung von Journalistinnen/Journalisten sind konkrete Social-Media-Dienste von Bedeutung (Neuberger et al., 2014, S. 57). Im Zuge dessen wurde folgende Forschungsfrage entwickelt:

F3: Welche Social-Media-Dienste werden für die Recherche und Berichterstattung herangezogen?

Anhand dieser Fragen soll herausgefunden werden, welche Kanäle aktuell von den Journalistinnen/Journalisten während des Arbeitsprozesses verwendet werden, da sich die Nutzung der Social-Media-Plattformen verändert hat und sich stetig weiterentwickelt (Beisch & Koch, 2021, S. 498ff). Außerdem ist es von Interesse, zu untersuchen, wie die unterschiedlichen Social-Media-Plattformen in den Prozess einbezogen werden. Es stellen sich unter anderem die Fragen, ob bspw. aus den genannten Foto- und Video-Plattformen Bildmaterial von Augenzeugen für die Berichterstattung verwendet wird oder ob diese nur als Informations- oder Inspirationsquelle dienen. Zuletzt gilt es zu erforschen, welche Personen, Organisationen und Themen für den journalistischen Arbeitsprozess von Bedeutung sind, d. h., wird Input aus der breiten Gesellschaft einbezogen oder (wie) werden Expertinnen/Experten beobachtet, ausfindig gemacht und kontaktiert (Neuberger et al., 2014, S. 57)? Die letzte Forschungsfrage lautet daher:

F4: Welche Akteurinnen/Akteure und Themen in Social Media spielen für die Recherche und Berichterstattung eine Rolle?

1 Bei feststehenden Begriffen der Forschung wird in dieser Arbeit das generische Maskulinum verwendet. Alle Geschlechteridentitäten werden dabei ausdrücklich auch gemeint, soweit es für die Aussage erforderlich ist.

3 Methodisches Vorgehen

In diesem Kapitel wird das methodische Vorgehen beschrieben. Dafür werden vorab die Gründe für die Entscheidungen in Bezug auf die Methode aufgeführt (3.1). Daraufhin folgt der Aufbau des qualitativen Leitfadens für die Interviews (3.2). Durch die Erstellung des Leitfadens kann mit der eigentlichen Untersuchung begonnen werden. Ihr Ablauf lässt sich in Auswahl der Expertinnen/Experten für die Interviews (3.3), Durchführung der Interviews (3.4) und die Auswertungsphase (3.5) unterteilen. Die für die Studie relevanten Gütekriterien werden in Kapitel 3.6 thematisiert.

3.1 Methode

Die Forschungsfragen werden mit einem qualitativen Verfahren beantwortet. Ein quantitatives Vorgehen wird aus den folglichen Gründen nicht in Betracht gezogen. Das Aufstellen und Überprüfen von Hypothesen zum Einfluss von Social Media auf die Recherche und die Berichterstattung von Journalistinnen/Journalisten erschien nicht zielführend. Der Forschungsstand bietet zwar Befragungsstudien von Journalistinnen/Journalisten, diese fußen jedoch auf einer schmalen Datenbasis und beziehen nicht alle aktuellen Social-Media-Dienste ein. Mit der qualitativen Vorgehensweise wird Kritik an der Oberflächlichkeit der vorangegangenen Studien geübt. Im Zuge dessen sollen die bereits vorhandenen Ergebnisse erweitert und neue Erkenntnisse gewonnen werden. Qualitative Ansätze streben die Entdeckung oder Generierung von Theorieaussagen anhand empirischer Daten an. „Eine neue Entdeckung ist zum Beispiel schon anhand eines einzigen Interviews, einer Beobachtung oder eines Dokuments möglich“ (Brüsemeister, 2008, S. 9). Die Forschung erschließt mit qualitativen Methoden neue Sachverhalte, wodurch die Fallzahl eine geringere Rolle spielt als in den quantitativen Methoden (Brüsemeister, 2008, S. 9). Vor allem bei gesellschaftlichen Wandlungsprozessen, bei denen neue Phänomene hervorgebracht werden, zu denen keine bzw. nur unvollständige Erklärungen vorliegen, kommt die qualitative Forschung zu tragen (Mey & Ruppel, 2018, S. 206). Außerdem werden mit qualitativen Analysemethoden Fragestellungen bearbeitet, die Handlungsstrategien und soziale Phänomene zum Thema haben (Dresing & Pehl, 2018, S. 6). D. h. es geht nicht darum, dass eine Handlungsweise vorliegt, sondern um die Frage nach dem Wie (Strübing, 2018, S. 27). Für diese Studie eignet sich der qualitative Ansatz, da sich das Mediensystem weiterentwickelt hat und die daraus resultierenden individuellen Handlungsmuster von Journalistinnen/Journalisten untersucht werden sollen.

Nach dem Beschluss, qualitativ zu forschen, wurde die Methode des Leitfadeninterviews mit Expertinnen/Experten gewählt. Expertinnen/Experten sind Personen, welche Verantwortung tragen „und damit über einen privilegierten Zugang zu Informationen über Personengruppen, Soziallagen, Entscheidungsprozesse, Politikfelder usw. […]“ verfügen (Meuser & Nagel, 2009, S. 470). Ziel ist es, durch Leitfadeninterviews in die Tiefen des journalistischen Arbeitens einzudringen und den Einbezug von Social Media im Arbeitsprozess von Journalistinnen/Journalisten auszumachen. Dabei werden möglichst vielfältige Perspektiven und Blickwinkel erfasst. Das Interview anhand eines Leitfadens gehört zu den semi-strukturierten Erhebungsformen zur Ermittlung verbaler Daten (Misoch, 2019, S. 65). Strübing (2018, S. 101) deklariert das Leitfadeninterview als typischste Form qualitativer Forschungsinterviews. Als Leitfadeninterview werden alle Interviewformen bezeichnet, die halbstrukturiert vorgehen. Es handelt sich dabei um einen Metabegriff, der verschiedene Interviewformen umschließt (Misoch, 2019, S. 65). In der Forschungsarbeit werden Experteninterviews mit Journalistinnen/Journalisten durchgeführt. Der Interviewleitfaden dient „der Vermittlung der Anforderungen von Strukturiertheit und Offenheit im Interview“ (Strübing, 2018, S. 102). Des Weiteren gibt der Leitfaden eine thematische Rahmung und Fokussierung vor. Er stellt sicher, dass alle wichtigen Themenkomplexe im Interview angesprochen werden und gewährleistet eine bessere Vergleichbarkeit der Daten (Misoch, 2019, S. 66). Das methodologische Ziel des semi-strukturierten Leitfadeninterviews besteht darin, ein alltägliches Gespräch zu simulieren und gleichzeitig mit hinreichender Zuverlässigkeit eine Reihe von Themen anzusprechen, um das Forschungsthema umfänglich zu erschließen. Der Leitfaden für die Experteninterviews enthält eine Zusammenstellung von Themen und Fragen, ohne in der Fragenformulierung und Reihenfolge zu restriktiv zu sein. Die befragten Journalistinnen/Journalisten haben dadurch die Chance, ihre Perspektiven und Einschätzungen zwanglos zu äußern und neue Themen anzuschneiden (Strübing, 2018, S. 102–103). Mit diesem Verfahren wird festgestellt, wie die Befragten Themen bewerten, wie sie zu ihren Bewertungen kommen und welche Aspekte für sie bedeutsam sind. Die Interviewdaten liefern nicht nur Antworten auf eine Frage, sondern auch Begründungen, Motive, Annahmen und Argumentationsmuster (Dresing & Pehl, 2018, S. 7). Unbekannte Sichtpunkte und Handlungsmuster der Journalistinnen/Journalisten sollen so aufgedeckt werden.

Zusammenfassend lässt sich das methodische Vorgehen in eine Erhebungs- und eine Auswertungsphase gliedern. In der Erhebungsphase werden die leitfadengestützten Interviews mit den Journalistinnen/Journalisten geführt. Darauf folgt die Auswertungsphase, auf die im Anschluss an den Aufbau des Leitfadens und die Stichprobenbeschreibung eingegangen wird.

3.2 Aufbau des Leitfadens

Nach der Wahl der Datenerhebungsmethode erfolgt in diesem Abschnitt die Vorstellung des semi-strukturierten Leitfadens. Ausgehend von den Forschungsfragen dieser Studie wurde ein Fragenkatalog entwickelt. Die vier Forschungsfragen der Studie charakterisieren das Wissen, das beschafft werden muss, und legen die für die Studie relevanten Themen fest. Die Fragen für den Leitfaden wurden anhand folgender Kriterien entwickelt: Die Fragen wurden einfach und einzeln formuliert, sodass nicht eine Frage mehrere Fragen enthält (Misoch, 2019, S. 263). Außerdem wurden die Fragen zielgerichtet, aber offen formuliert (Gläser & Laudel, 2009, S. 131). Der Leitfaden enthält verschiedene Typen von Interviewfragen, die sich an der Typisierung nach Gläser und Laudel (2009, S. 130) orientieren.

Die Struktur des Leitfadens ist für den Erfolg der Interviews bedeutend, denn auch bei der qualitativen Forschung gibt es Ausstrahlungseffekte. Die Fragen wurden so angeordnet, dass inhaltlich zusammengehörende Themen nacheinander und in einem Sinnabschnitt behandelt werden (Gläser & Laudel, 2009, S. 146). Demzufolge ist der Leitfaden in fünf thematische Blöcke aufgeteilt: Erstens in den Block mit allgemeinen Informationen zur Person, welcher auch als Aufwärm- und Einstiegsphase oder Warm-Up bezeichnet wird. Es folgt der Hauptteil, welcher aus den Blöcken Recherche, Qualität der Berichterstattung und eigene Kommunikation besteht. Den Schluss bildet ein Block mit Abschlussfragen (Misoch, 2019, S. 68). Der erarbeitete Interviewleitfaden befindet sich in Anhang 2.

Der Leitfaden beginnt mit den Informationen über die Studie und deren Zielsetzung. Die Journalistinnen/Journalisten werden über die Vertraulichkeit der Daten informiert. Diesem allgemeinen Teil folgen die eigentlichen Fragenblöcke des Interviewleitfadens. Der Block mit den Informationen zur Person soll den Befragten den Einstieg in das Interview erleichtern. Die anfängliche Scheu und die ungewohnte Situation werden mit diesen Fragen überwunden (Misoch, 2019, S. 68). Der vorliegende Interviewleitfaden enthält in diesem Teil (1.) allgemeine Fragen zur Person, (2.) zum beruflichen Hintergrund und (3.) eine Frage zur Social-Media-Nutzung im Arbeits- und im Privatkontext. Diese Aufwärmphase führt zum Hauptteil. Dieser gliedert sich in drei Themenblöcke. Der erste Block des Hauptteils widmet sich dem Thema Recherche. Die erste Frage (1.) zielt darauf ab, herauszufinden, wie Social Media für die Recherche herangezogen werden und welche Bedeutung Social Media für die journalistische Recherche haben. Frage zwei (2.) fragt ab, welche Social-Media-Plattformen dafür herangezogen werden. Die dritte Frage (3.) basiert auf dem bestehenden Fragebogen von Neuberger et al. (2014, S. 163)und fragt detailliert ab, welche Social-Media-Plattformen sich besonders gut für folgende Zwecke eignen:

Augenzeugen, die befragt oder zitiert werden können

Gegenprüfung von Informationen

Themenideen

Resonanz auf die eigene Berichterstattung

Fakten über ein aktuelles Ereignis

Hinweise auf Quellen im Internet

Meinungsverteilung zu einer Streitfrage

Expertinnen/Experten, die befragt oder zitiert werden

können

Hintergrundinformationen zu bestimmten Themen

Aufbau und Pflege von Expertennetzwerken

Kontinuierliche Beobachtung prominenter Quellen

Neben der gezielten Recherche über Social Media ist es von Interesse herauszufinden, ob Journalistinnen/Journalisten auch durch Zufall auf Themen aufmerksam werden. Aus diesem Grund wurde die vierte Frage (4.) entwickelt: „Man kann auf Social-Media-Plattformen gezielt nach Themen suchen. Oder man kann per Zufall darauf stoßen. Wie ist das bei Ihnen? Recherchieren Sie immer gezielt über Social Media oder stoßen Sie auch durch Zufall auf Themen? Können Sie das in etwa in Prozenten ausdrücken – in wieviel Prozent der Fälle suchen Sie gezielt – und in wieviel Prozent der Fälle stoßen Sie per Zufall auf ein Thema?“ Darauf folgt Frage fünf (5.), welche Akteurinnen/Akteure und Themen auf Social Media abfragt. Sind nur journalistische Quellen von Bedeutung oder werden auch nicht journalistische Quellen für die Recherche herangezogen? Nachfolgend (6.) wird abgefragt, welche Vor- und Nachteile die Recherche über Social Media gegenüber anderen Recherchequellen hat. Der Themenblock zur Recherche schließt mit der Frage sieben (7.) ab, welche Regeln in der jeweiligen Redaktion bei der Social Media-Recherche gelten (Neuberger et al., 2014).

Der zweite Themenblock des Hauptteils bildet den Bereich Berichterstattung ab. Zu Beginn (1.) wird abgefragt, welche Kriterien bei der Nachrichtenauswahl von Journalistinnen/Journalisten eine Rolle spielen. Diese Frage basiert auf den Nachrichtenfaktoren nach Galtung & Ruge (1965) und den Nachrichtenwerten nach Mast (2018, S. 80-81). Die zweite Frage (2.) knüpft an diese Thematik an und bezieht Social Media mit ein. Dabei wird abgefragt, inwiefern Social Media die Auswahl von Nachrichten beeinflussen. Das Erkenntnisinteresse dieser Frage liegt darin, herauszufinden, ob durch die Nutzung von Social Media mehr oder weniger Nachrichtenfaktoren einbezogen werden. Anschließend (3.) wird gefragt, an welchen Kriterien sich Journalistinnen/Journalisten orientieren, um qualitative Beiträge zu verfassen. Die Definition qualitativer Beiträge umfasst hier z. B. Richtigkeit, Vollständigkeit, Einhaltung ethischer Grund-sätze, Objektivität, Transparenz und Glaubwürdigkeit (Neuberger & Kapern, 2013, S. 144; Prochazka & Schweiger, 2020, S. 199). Die folgende Frage (4.) sammelt Informationen darüber, was Journalistinnen/Journalisten unternehmen, um die Qualität der Beiträge zu verbessern. Frage fünf (5.) zielt auf die wahrgenommene journalistische Qualität durch den Einbezug von Social Media ab. Dabei gilt es herauszufinden, ob die Journalistinnen/Journalisten eine Änderung der journalistischen Qualität durch den Einbezug von Social Media wahrnehmen. Die letzte Frage (6.) des Themenblocks erfragt die wahrgenommenen Chancen und Risiken für die Berichterstattung, wenn Social Media im Arbeitsprozess einbezogen werden.

Im dritten und kürzesten Themenblock des Hauptteils kommt die eigene Kommunikation der Journalistinnen/Journalisten zur Sprache. Die erste Frage (1.), eine Filterfrage, zielt darauf ab, herauszufinden, ob die Journalistinnen/Journalisten im Arbeitskontext journalistische Beiträge für Social Media verfassen. Nur wenn diese Frage bejaht wird, folgen die weiteren Fragen des Themenblocks. Die anschließende Frage (2.) ermittelt, ob die Journalistinnen/Journalisten in ihren Beiträgen direkt auf Social-Media-Quellen verweisen und in welchem Kontext dies geschieht. In Frage drei (3.) liegt das Forschungsinteresse bei dem Feedback des Publikums. Es soll identifiziert werden, wie die Journalistinnen/Journalisten das Feedback zu ihrer eigenen Kommunikation wahrnehmen und wie sie darauf reagieren. Zuletzt wird in der vierten Frage (4.) nach einem Best-Practice-Beispiel gefragt, wie individuell oder in der Redaktion auf Publikumsbeteiligung über Social Media eingegangen wurde.

Die Ausklang- und Abschlussphase beendet das Interview und bietet Platz für eine abschließende Reflexion der Themen. Diese Phase ist besonders wichtig, um die Befragten aus der Interviewsituation hinauszuführen und das Ende anzuzeigen (Misoch, 2019, S. 68–69). Die erste Abschlussfrage (1.) fasst das gesamte Thema zusammen: „Wie beurteilen Sie den journalistischen Arbeitsprozess in Zusammenhang mit Social Media?“ Frage zwei (2.) ermittelt den Ausblick des Themengebiets. Die Befragten sollen eine Einschätzung über die Zukunft des journalistischen Arbeitsprozesses, unter dem Einfluss der sich ständig weiterentwickelnden Social-Media-Landschaft geben. Die letzte Frage des gesamten Interviewleitfadens fordert auf, bislang unerwähnte, für die Themenstellung aber relevante Informationen hinzuzufügen: „Gibt es von Ihrer Seite noch Punkte, die Sie gerne hinzufügen möchten?“ (Misoch, 2019, S. 68–69).

3.3 Auswahl und Beschreibung der Stichprobe

Bei der qualitativen Forschung ist kein repräsentatives Sample mit einer entsprechend großen Fallzahl vonnöten. Im Grunde erfasst man meistens nur eine kleine Stichprobe (Kelle & Kluge, 2010, S. 41). Qualitative Untersuchungen sagen nicht aus, ob die zuvor ausgewählten Personengruppen „in einem statistischen Sinne repräsentativ sind, sondern ob deren Handlungsmuster und die theoretischen Bausteine, die man aus ihnen entwickelt, breit genug streuen, so dass sich das untersuchte Phänomen ausreichend erklären lässt“ (Brüsemeister, 2008, S. 173). Konkret bedeutet das, dass die Einheiten der Stichprobe ausgewählt werden, weil sie Merkmale oder Eigenschaften aufweisen, die für die Fragestellung der Untersuchung von Belang sind. Diese Eigenschaften sind z. B. soziodemografische Merkmale, spezifische Erfahrungen, Verhaltensweisen oder Rollen (Ritchie et al., 2003, S. 77). Die qualitative Forschung ist demnach immer an einer theoretisch begründeten Stichprobenauswahl interessiert (Brüsemeister, 2008, S. 173). Die Interviewten selbst stehen im Experteninterview nicht im Vordergrund, sie gelten als Träger/-innen von speziellem Wissen und stehen innerhalb eines Funktionskontextes im Zentrum des Forschungsinteresses (Misoch, 2019, S. 120). Die Auswahl der Expertinnen/Experten fand infolgedessen bewusst, in Abhängigkeit der theoretischen Fragestellung statt (siehe auch Scholl, 2018, S. 25). Trotz des Funktionskontextes und des theoretischen Erkenntnisinteresses wird der Inhalt eines Interviews vor allem durch die Interviewpartner/-innen bestimmt (Gläser & Laudel, 2009, S. 117). Da die Bedeutung von Social Media für die Recherche und Berichterstattung von Journalistinnen/Journalisten erforscht wird, wurden auch nur Journalistinnen/Journalisten befragt. Die Auswahl dieser erfolgte in Bezug auf die Definition von Journalismus aus dem Kapitel 2.1.2. Es wurden demzufolge nur Journalistinnen/Journalisten befragt und keine Influencer/-innen, Blogautorinnen/-autoren oder weitere Medienschaffende. Nicht relevant war das Kriterium, ob jemand hauptberuflich oder nebenberuflich als Journalistin/Journalist arbeitet und ob sie/er festangestellte oder freie Journalistinnen/Journalisten sind (siehe auch Machill et al., 2008, S. 18). In der finalen Stichprobe erfolgten Interviews mit 16 Journalistinnen/Journalisten aus verschiedenen Medienunternehmen (siehe Tabelle 2). Um Vielfalt zu gewährleisten, wurde darauf geachtet, letztere aus privaten und öffentlich-rechtlichen Medienhäusern zu befragen. Von den 16 Interviewpartner/-innen arbeiten sechs im Printbereich, fünf im Bereich Radio, drei im multimedialen Rundfunk (insbesondere Fernsehen) und zwei im Bereich Social-Media-Journalismus. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Journalistinnen/Journalisten des Printbereichs zum Teil auch im Online-Journalismus tätig sind, da die meisten Zeitungen Online-Angebote haben. Die Altersspanne erstreckte sich von 21 bis 55 Jahren, wobei das Durchschnittsalter bei 35 Jahren lag. Die Stichprobe bestand aus neun weiblichen Teilnehmerinnen und sieben männlichen Teilnehmern. Tabelle 2 zeigt alle Interviewpartner/-innen mit ihren Merkmalen auf.

Tabelle 2

Merkmale der interviewten Expertinnen/Experten

Mediengattung

Unternehmen

Funktion/

Ressort

Geschlecht

Alter

J1

Social Media

Kesselgeschichten von Dasding

Lokales, News, Comedy

w

21

J2

Radio

Hitradio Antenne 1

Radio-Moderatorin

w

35

J3

Rundfunk

SWR Studio Stuttgart

Multimedia-Redakteur und Auslandskorrespondent

m

32

J4

Social Media und Multimedia

SWR Wirtschaft und Umwelt

Multimedia-Redakteurin bei Marktcheck

w

24

J5

Radio

bigFM

Radio-Moderator

m

34

J6

Radio

bigFM

Journalistischer Volontär

m

24

J7

Rundfunk

SWR Aktuell

Nachrichtensprecher

m

43

J8

Rundfunk

SWR Studio Stuttgart

Multimedia-Redakteur

m

30

J9

Print

Freie Journalistin und DJV

Freiberufliche Kulturjournalistin und Referentin für Öffentlichkeitsarbeit

w

42

J10

Print

LIFT das Stuttgart Magazin

Print-Redakteurin für Shopping, Politik und Gesellschaft

w

27

J11

Radio

Dasding

Radio-Moderatorin

w

25

 

Fortsetzung Tabelle 2

Merkmale der interviewten Expertinnen/Experten

Mediengattung

Unternehmen

Funktion/

Ressort

Geschlecht

Alter

J12

Radio

ARD

Korrespondentin Odenwald

w

55

J13

Print und Online

Süddeutsche Zeitung

Digital-Volontärin

w

24

J14

Print

Böblinger Kreiszeitung

Lokaler Kultur- und Online-Redakteur

m

48

J15

Print

Freie Journalistin

Lokaljournalistin

w

41

J16

Print

Zeit

Redakteur

m

50

3.4 Durchführung der Experteninterviews

In diesem Abschnitt wird die Durchführung der Experteninterviews mit den Journalistinnen/Journalisten beschrieben. In Kapitel 3.4.1 wird der Pretest und dessen Ablauf erklärt. Im Anschluss folgen in Kapitel 3.4.2 die Untersuchungsdurchführung, der Interviewablauf und Angaben zur Transkription nach Dresing und Pehl (2018).

3.4.1 Pretest

Der Leitfaden der Studie basiert zum Teil auf ungeprüften Annahmen über das Untersuchungsfeld. So ist es möglich, dass die Fragen nicht die beabsichtigte Wirkung haben (Gläser & Laudel, 2009, S. 150). Deshalb wurde vor der Durchführung der eigentlichen Interviews ein Pretest durchgeführt. Durch den Pretest wird erkannt, ob die Fragen verständlich sind, ob die Formulierungen stimmen und ob der Leitfaden in der Interviewsituation gut handhabbar ist (Brosius et al., 2016, S. 131). Der Pretest fand am 17.05.2022 statt. Gläser und Laudel (2009, S. 150) empfehlen, ebendiesen Test mit Menschen durchzuführen, welche mit den späteren Interviewpartnerinnen/-partnern vergleichbar sind. Infolgedessen wurde der Pretest mit einer Social-Media-Journalistin durchgeführt. Durch das Test-Interview ergaben sich zwei Änderungen in der Formulierung. Die erste Anpassung fand in der Aufwärm- oder Einstiegsphase statt. Die dritte Frage (3.) zur Social-Media-Nutzung im Arbeits- und im Privatkontext wurde in dem Sinne falsch verstanden, dass die Testperson nur die Social-Media-Plattformen nannte, die sie nur im Arbeits- und im Privatkontext gemeinsam nutzt. Die ursprüngliche Frage „Welche Social-Media-Plattformen nutzen Sie im Arbeits- und im Privatkontext?“ wurde abgeändert. Die neue Formulierung lautet: „Welche Social-Media-Plattformen nutzen Sie im Arbeitskontext und welche im Privatkontext? Gibt es Überschneidungen?“. Im Themenblock zur Recherche wurde bei der dritten Frage eine Aufforderung zur Begründung der Antwort hinzugefügt. „Welche Social-Media-Plattform ist besonders gut für […] und warum? Begründen Sie Ihre Entscheidung in ein bis zwei Sätzen.“ Insgesamt beantwortete die Teilnehmerin des Pretests die Fragen des Leitfadens sinnvoll.

3.4.2 Untersuchungsdurchführung

Rekrutierung der Stichprobe