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Der Mensch als soziales Wesen
Sie möchten sich selbst und andere Menschen als soziale Wesen genauer kennenlernen? Sie möchten sich einen Überblick über die Sozialpsychologie verschaffen? Hans-Peter Erb und Judith Balzukat betrachten in ihrem Buch Denken, Fühlen und Handeln im sozialen Kontext. Sie erklären überaus anschaulich, wie wir Menschen Urteile bilden, Einstellungen entwickeln oder andere sympathisch finden. Mit diesem Buch erhalten Sie eine umfassende Übersicht zu sozialpsychologischen Erkenntnissen und zugleich Einblicke in Ihr eigenes alltägliches Verhalten und die Reaktionen Ihrer Mitmenschen auf Sie.
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Seitenzahl: 506
Veröffentlichungsjahr: 2025
Sozialpsychologie für Dummies
Menschen sind niemals ganz für sich allein. Wie sich die Verhältnisse zwischen ihnen gestalten, wie sie sich miteinander verständigen, wie es kommt, dass sich unter manchen »Seelenverwandtschaft« einstellt, andere sich aber überhaupt nicht leiden mögen, wie wir uns als Mitglieder von Gruppen fühlen, wie die anderen das Denken und Handeln beeinflussen – all das erfolgt keineswegs rein zufällig, sondern unterliegt Gesetzmäßigkeiten. Das Regelhafte im Zusammenleben der Menschen zu erforschen, ist das Anliegen der Sozialpsychologie.
Menschen wollen irgendwie »dazugehören«, mitmachen, angehören und teilhaben:
Das Gefühl von Zugehörigkeit herzustellen, ist ein wesentliches Bedürfnis aller Menschen. Wer ausgeschlossen wird, nicht mehr dabei sein darf und vernachlässigt wird, leidet, fühlt sich verlassen und einsam.Die Mitgliedschaft in Gruppen befriedigt das Streben nach Teilhabe und sozialem Austausch. Gruppen sind zum Beispiel die Familie, der Sportverein oder eine ganze Nation. Innerhalb einer Gruppe spielen die Vorgaben der anderen eine entscheidende Rolle und beeinflussen nachhaltig das Erleben und Verhalten der Mitglieder.Menschen gehen enge Beziehungen ein. Sie führen Freundschaften und Liebesbeziehungen. Sie suchen Anschluss an andere auch mit einem beiläufigen Gespräch in der Schlange vorm Geldautomaten.Menschen beurteilen andere Menschen. Damit Menschen mit den für sie »Richtigen« zusammenkommen, bewerten sie andere und schreiben ihnen Eigenschaften wie »sympathisch« oder »hilfsbereit«, »eingebildet« oder »unzuverlässig« zu. Auf der Grundlage solcher Beurteilungen entscheiden sie, wen sie näher an sich heranlassen.Jemand macht etwas vor, andere ahmen es nach. Gemeinsamkeit bedeutet demnach auch, sich an den anderen auszurichten. Menschen sind unentwegt dem Einfluss von anderen Leuten ausgesetzt. Und umgekehrt geht es den anderen genauso, sodass jederzeit alle gegenseitig aufeinander einwirken.
Abstimmungen entscheiden, wer die Bundesregierung führt und ob der Mitgliedsbeitrag im Schachclub erhöht werden soll. Selbst wenn die Mitmenschen objektiv falschliegen, orientiert sich der Einzelne an deren Vorgaben, um sich nicht ausgeschlossen zu fühlen.Geschickte Manipulatoren kennen die psychologischen »Tricks«, mit denen sie ihre Mitmenschen dazu veranlassen, ihnen einen Wunsch zu erfüllen oder einen Ladenhüter abzukaufen.Überzeugungsversuche sollen die Einstellungen der sozialen Umgebung beeinflussen. Politische Reden, Predigten und Werbebotschaften zielen darauf ab, den Blick anderer auf die Welt oder auch nur ganz banal auf ein Konsumprodukt zu verändern.Menschen sind bestrebt, das, was um sie herum passiert, zu verstehen.
Hohen Aufwand im Denken betreiben Menschen immer dann, wenn ihnen etwas wichtig erscheint. Ein Eigenheim zu bauen, ist verhältnismäßig teuer und will bis ins Detail geplant sein. Demgegenüber muss die Entscheidung für oder gegen eine Schuhcreme nicht ausführlich bedacht werden – sie erfolgt vielleicht aus Gewohnheit oder weil die Dose ansprechend aussieht.Die Kapazitäten der Menschen, das zu verarbeiten, was auf sie einströmt, sind begrenzt. Sie achten auf das ihnen Wichtigste und schieben alles Unbedeutende beiseite. Nur nebenbei läuft das Radio im Hintergrund, bis es einen Beitrag sendet, der das Interesse weckt. Menschen können ihre Fähigkeiten und Energien zur Verarbeitung von Information strategisch so einsetzen, dass es ihren Zielen dient. Oft nutzen sie »mentale Abkürzungen« wie Heuristiken und Stereotype, um kurzerhand zu einem Ergebnis zu kommen.Das »Warum?«: Mit Blick auf die soziale Umwelt stellen sich Menschen häufig Fragen dazu, warum sich etwas ereignet oder auch nicht ereignet hat: »Warum hat mir die sonst so zurückhaltende Kollegin unvermittelt ihre Hilfe angeboten?« und »Warum ist Norbert schon wieder nicht zum Clubabend erschienen?« Wie sich Menschen solche Fragen beantworten, folgt einer ganz inneren Logik und wird in der Sozialpsychologie unter dem Stichwort »Attribution« erforscht.Fehleinschätzungen: Bei dem Versuch, die Welt zu erklären, unterliegen Menschen leicht Denkfehlern. Treten sie systematisch und bei vielen in ähnlicher Weise auf, verbergen sich dahinter Regelmäßigkeiten, die Aufschlüsse dazu liefern, wie der »kognitive Apparat« im menschlichen Gehirn funktioniert. Reaktionen auf simple Hinweise, wie eine Uniform oder ein weißer Arztkittel, klischeehafte Vorstellungen über Personen, die einen bestimmten Beruf ausüben, und einfache Faustregeln können das Denken und Schlussfolgern allzu leicht in die Irre leiten.Es gibt nicht die eine und einzige Wahrheit, nicht die eine »wirkliche« Realität. Menschen bringen das, was sie erleben und beobachten, in Zusammenhang mit dem, was in ihrem Gedächtnis gespeichert ist. Ein und dasselbe Ereignis fällt deshalb mit unterschiedlichen Erfahrungen, Einstellungen und Zielen zusammen. So entwickelt jede und jeder einen eigenen Blick auf die Welt und erschafft sich eine ganz individuelle »Realität«. Daraus ergeben sich unweigerlich Meinungsverschiedenheiten und Konflikte.
Wer einem ähnlich ist, erscheint sympathisch und interessant, weil sie oder er zum Beispiel denselben Beruf ausübt oder auch nur am gleichen Tag im Jahr Geburtstag hat. Da wir Menschen uns alle in vielfältiger Weise voneinander unterscheiden, fallen schon allein deshalb Urteile über unsere Mitmenschen oft ganz unterschiedlich aus.Ihre Stimmung beeinflusst, wie Sie etwas bewerten. Sind Sie gerade gut gelaunt? Dann fallen Ihnen beim Nachdenken über einen beliebigen Sachverhalt eher positive Merkmale ein. Die Pizza schmeckt besser, wenn das Restaurant ein angenehmes Ambiente bietet. Eine andere Person ist missmutig, weil sie sich am Tag bei der Arbeit ärgern musste. Wie lecker erscheint ihr die Pizza? In schlechter Stimmung wirkt auch der sonst recht liebenswerte italienische Kellner mit seinem ewigen »Prego!« irgendwie nervig.Alles eine Frage der Perspektive. Wer einen SUV fährt, weiß den bequemen Einstieg und das überlegene Gefühl, den Straßenverkehr von oben zu beobachten, sehr zu schätzen. Jemand anderes denkt an den Platz, den ein solches Fahrzeug beansprucht, den vergleichsweise hohen Energieverbrauch und kann sich mit »der Schuhschachtel auf Rädern« gar nicht anfreunden.Menschen tendieren dazu, sich selbst in wohlwollendem Licht zu sehen. Was sie von außen erfahren, bewerten sie so, dass die eigene Person möglichst gut dabei wegkommt. Kritik, auch wohlgemeinte, stößt meist auf Widerstand. Eigene Fehler oder Schwächen können gut mit Hinweisen auf schlechte äußere Bedingungen oder Pech gerechtfertigt werden.
Der Blick auf die eigene Person ist von entscheidender Bedeutung für den Austausch mit anderen Individuen. Die Antwort auf die Frage »Wer bin ich?« ergibt sich aus dem Vergleich mit jenen Menschen, zu denen eine soziale Beziehung besteht. Sich selbst als wertvolle Person zu betrachten, leitet das Verhalten in der Gemeinschaft.
Das Selbstwertgefühl gibt Auskunft dazu, wie positiv das Selbstbild einer Person ausfällt. Es ist zum wesentlichen Teil davon abhängig, wie glücklich sich die Beziehungen zu anderen Menschen gestalten.Sich selbst zu überschätzen, ist allgegenwärtig. Unter günstigen Umständen kann ein »gesundes Selbstbewusstsein« zu unerwarteten Erfolgen führen; vielleicht hilft jemand dabei, das angestrebte Ziel zu erreichen, oder man hat einfach mal Glück. Allzu große Selbstüberschätzung scheitert dagegen häufig an den Realitäten. Die Schuld für Misserfolge wird dann meist bei anderen Menschen gesucht.Nicht nur die eigene Person, sondern auch alle Nahestehenden sollen positiv erscheinen. Das können Angehörige und die Partnerin oder der Partner sein, aber auch Haustiere und Gegenstände im eigenen Besitz. Wer auch die eigene Gruppe als anderen Gruppen überlegen ansieht, lässt sich leicht von Vorurteilen leiten und behandelt Mitglieder von Fremdgruppen ungerecht.Sozialpsychologie für Dummies
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
1. Auflage 2025
© 2025 Wiley-VCH GmbH, Boschstraße 12, 69469 Weinheim, Germany
Wiley, die Bezeichnung »Für Dummies«, das Dummies-Mann-Logo und darauf bezogene Gestaltungen sind Marken oder eingetragene Marken von John Wiley & Sons, Inc., USA, Deutschland und in anderen Ländern.
Alle Rechte bezüglich Text und Data Mining sowie Training von künstlicher Intelligenz oder ähnlichen Technologien bleiben vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne die schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form – durch Photokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren –in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden.
Das vorliegende Werk wurde sorgfältig erarbeitet. Dennoch übernehmen Autoren und Verlag für die Richtigkeit von Angaben, Hinweisen und Ratschlägen sowie eventuelle Druckfehler keine Haftung.
Coverillustration: © pict rider - stock.adobe.comKorrektur: Frauke Wilkens, München
Print ISBN: 978-3-527-72170-2ePub ISBN: 978-3-527-84678-8
Dr. Hans-Peter Erb ist Diplom-Psychologe und Universitätsprofessor. Jahrzehntelange Erfahrung in der Forschung und Lehre sammelte er an den Universitäten Mannheim, Heidelberg, Würzburg, Maryland (USA), Halle-Wittenberg, Jena, Bonn, Chemnitz, Magdeburg und schließlich ab 2007 als Inhaber der Professur für Sozialpsychologie an der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg. Neben diversen Gutachter- und Herausgebertätigkeiten war er von 2010 bis 2012 verantwortlicher Herausgeber (»Editor in Chief«) der Fachzeitschrift Social Psychology. Als Mitgestalter von universitären Lehrplänen und jahrelanger Vorsitzender des Prüfungsausschusses für die psychologischen Studiengänge an seiner Universität ist er auch mit den formalen Anforderungen eng vertraut, die das Fach Sozialpsychologie an seine Studierenden stellt.
Judith Balzukat hält einen Master of Science in Psychologie. Sie hat ihr Masterstudium mit der Note »mit Auszeichnung« abgeschlossen und dafür den Jahrgangsbestenpreis erhalten. Nebenberuflich arbeitet sie an ihrer Doktorarbeit. Gemeinsam mit Hans-Peter Erb betreibt sie den Lehrkanal Sozialpsychologie mit Prof. Erb auf YouTube und den gleichnamigen Podcast, der unter anderem über Spotify zu empfangen ist.
Wir widmen dieses Buch Laura, Romy und Cornelius.
Cover
Titelblatt
Impressum
Über das Autorenteam
Widmung
Inhaltsverzeichnis
Einführung
Törichte Annahmen über die Leserin und den Leser
Über dieses Buch
Konventionen in diesem Buch
Was Sie nicht lesen müssen
Wie dieses Buch aufgebaut ist
Symbole, die in diesem Buch verwendet werden
Wie es weitergeht
Teil I: Einstieg in die Sozialpsychologie
Kapitel 1: Was Sozialpsychologie ist und was nicht
Der Blick auf alltägliche soziale Situationen
Ich mach mir die Welt, wie sie den anderen gefällt: Der soziale Einfluss
Sozialpsychologische Sachverhalte
Wiederkehrende Prinzipien der Sozialpsychologie
Was Sozialpsychologie nicht ist
Sozialpsychologie als Grundlagendisziplin
Kapitel 2: Sozialpsychologie als empirische Wissenschaft
Gar nicht grau: Theorien aufstellen und prüfen
Experimente und andere Methoden
Kapitel 3: Der Computer auf zwei Beinen
Der Computer im sozialen Kontext
Was ist das denn? Die Kategorisierung des Inputs
Alles gut aufgehoben: Die Festplatte
Ein erster Blick in den Quellcode
Vom Autopiloten zum naiven Wissenschaftler: Automatische und kontrollierte Informationsverarbeitung
Motive und andere Störfaktoren
Ein tieferer Blick in den Quellcode
Teil II: Einschätzen, bewerten, handeln
Kapitel 4: Unser tägliches Brot: Urteile, Urteile, Urteile
Ein Modell rationaler Urteile, dem sowieso niemand folgt
Gut gelaunt und schlecht gelaunt: Der Einfluss der Stimmungslage
Spontane Einsichten auf der Überholspur: Intuitive Urteile
Kapitel 5: Mag ich's oder mag ich's nicht: Einstellungen
Definition und Komponenten
Einstellungen und Verhalten
Viel Nutzen, viel Schaden: Funktionen von Einstellungen
Wie komme ich denn darauf: Wie Einstellungen entstehen
Überzeugen, überreden, Propaganda: Veränderung von Einstellungen
Persuasive Kommunikation
Teil III: Das Ich und das Du
Kapitel 6: Das Ich: Das Selbstkonzept als Antwort auf die Frage »Wer bin ich?«
Bin ich ein wertvoller Mensch? Das Selbstwertgefühl
Sich selbst erkennen: Woher weiß ich, wer ich bin?
Wie ich so gern wäre
Auf sich selbst achten
Sich selbst regulieren
Die ganze Welt ist Bühne
Das soziale Selbst
Nur gut, dass ich kein Bayer bin: Soziale Identität
Soziales Selbst und Kultur
Kapitel 7: Soziale Wahrnehmung
Neue Bekanntschaften: Der erste Eindruck
Was die Zielperson tut: Konkretes Verhalten und Eindrucksbildung
Schlussfolgerungen seitens der Beurteilenden
Eindrucksbildung für Profis
Kapitel 8: »Warum nur, warum?« – Attribution
Kausalität hilft: Verstehen, vorhersehen, Einfluss nehmen
Konsequenzen von Attributionen
Klassifikation von Antworten auf die Warum-Frage
Jetzt weiß ich, warum: Wie Menschen zu ihren Attributionen kommen
Wenn das Verhalten zum Handelnden passt: Korrespondierende Schlussfolgerungen
Weitere Attributionstheorien
Gefühle und Attributionen
Attributionsverzerrungen
Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt: Weitere Attributionsverzerrungen
Kapitel 9: Das Ich und das Du: Enge soziale Beziehungen
Die Bedeutung sozialer Beziehungen
Sozialer Magnetismus: Interpersonale Attraktion
Glücklich oder unglücklich: Die Bewertung von Beziehungen
Enge Bindungen
Liebe
Teil IV: Der Mensch ist nie allein
Kapitel 10: Gruppen
Was eine Gruppe ist
Strukturelle Merkmale von Gruppen
Sozialer Status: Wer ist hier der Boss?
Wir gehören zusammen: Gruppenkohäsion
Gruppen »in action«
Sozialer Einfluss: Konformität, Devianz, Innovation und Gehorsam
Kapitel 11: Wir und ihr: Beziehungen zwischen Gruppen
Im Kampf um Ressourcen: Die Theorie des realistischen Gruppenkonflikts
Diskriminierung bei Gruppen, die eigentlich gar keine sind: Minimalgruppen
Wir sind besser als ihr: Die Theorie der sozialen Identität
Vorurteile
Teil V: Der böse und der gute Mensch
Kapitel 12: Der »böse« Mensch schädigt andere: Aggression
Alles nur Chemie? Serotonin, Testosteron und Alkohol
Wenn es einem nicht gut geht: Unwohlsein als Auslöser aggressiven Verhaltens
Im Zusammenspiel mit den anderen: Situationen, die Aggressionen fördern
Zum Wohle aller: Reduktion von Aggression
Kapitel 13: Der gute Mensch hilft: Prosoziales Verhalten und Altruismus
Gute Gründe, anderen zu helfen
Helfen ohne eigenen Vorteil: Altruismus
Schlechte Gründe, anderen nicht zu helfen
Hilfsbereitschaft als Charakterzug: Die prosoziale Persönlichkeit
Sozialpsychologie für den Notfall: Wie Sie selbst am ehesten Hilfe erhalten
Teil VI: Der Top-Ten-Teil
Kapitel 14: Zehn (plus zwei) bemerkenswerte sozialpsychologische Theorien
Mentale Abkürzungen
Bewertungen aus dem Bauch heraus
Innere Widersprüche
Soziale Vergleiche
Die Welt verstehen
Enge Bindungen
Konformität
Innovation durch Minderheiten
Rivalität zwischen Gruppen
Soziale Identität
Kontakt
Frustration führt zu Aggression
Kapitel 15: Zehn (plus vier) wichtige Studien der Sozialpsychologie
Das Wetter-Experiment
Chinesische Schriftzeichen
Rückmeldungen aus dem Gesicht
Eigenschaftswörter
Der abenteuerlustige Donald
Ärger oder Freude
Der fundamentale Attributionsfehler
Wärter und Gefangene
Der autokinetische Effekt
Konformität bei eindeutigen Fehlurteilen
Tödliche Elektroschocks
Diskriminierung im Ferienlager
Minimalgruppen
Aggressive Nachmacher
Kapitel 16: Zehn wichtige Persönlichkeiten der Sozialpsychologie
Gordon W. Allport
Solomon Asch
Leon Festinger
Fritz Heider
E. Tory Higgins
Daniel Kahneman
Norbert Schwarz
Muzafer Sherif
Henri Tajfel
Robert B. Zajonc
Abbildungsverzeichnis
Stichwortverzeichnis
End User License Agreement
Kapitel 2
Abbildung 2.1: Schema der Normalverteilung am Beispiel der Körpergröße von Männer...
Kapitel 3
Abbildung 3.1: Die Wason-Selection-Task
Abbildung 3.2: Die Wason-Selection-Task im sozialen Kontext
Abbildung 3.3: Merkmale automatischer und kontrollierter Denkprozesse
Abbildung 3.4: Der Computer auf zwei Beinen
Kapitel 4
Abbildung 4.1: Anchoring and Adjustment nach Tversky und Kahneman
Abbildung 4.2: Der direkte Effekt der Stimmung auf Urteile über die Gefühlsheuris...
Kapitel 5
Abbildung 5.1: Theorie des geplanten Verhaltens nach Ajzen (1991) zur Vorhersage,...
Abbildung 5.2: Das Elaboration-Likelihood-Modell von Petty und Cacioppo (1986)
Kapitel 6
Abbildung 6.1: Die enge Beziehung zwischen dem Selbstkonzept und der sozialen Umw...
Kapitel 7
Abbildung 7.1: Schematische Darstellung einer Eindrucksbildung
Kapitel 8
Abbildung 8.1: Die Grundannahme der Zwei-Faktoren-Theorie der Emotion (nach Stanl...
Kapitel 9
Abbildung 9.1: Merkmale als attraktiv empfundener weiblicher und männlicher Gesic...
Kapitel 10
Abbildung 10.1: Soziale Erleichterung: Die Wirkung von (1) Erregung durch die Anw...
Abbildung 10.2: Die Entstehung einer Gruppennorm durch die Anpassung individuelle...
Abbildung 10.3: Eine einfache Wahrnehmungsaufgabe: Typisches Beispiel aus den Exp...
Kapitel 11
Abbildung 11.1: Beispiel einer Tajfel-Matrix
Abbildung 11.2: Illusorische Korrelation: Verteilung von negativ und positiv bewe...
Kapitel 12
Abbildung 12.1: Die Wirkung des Hinweisreizes »Waffe« auf den Zusammenhang zwisch...
Kapitel 13
Abbildung 13.1: Hilfeverhalten, prosoziales Verhalten und Altruismus
Abbildung 13.2: Altruistisch versus egoistisch motiviertes Hilfeverhalten
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Titelblatt
Impressum
Über das Autorenteam
Inhaltsverzeichnis
Einführung
Fangen Sie an zu lesen
Abbildungsverzeichnis
Stichwortverzeichnis
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Heute ist Ihr Glückstag! Sie halten genau das richtige Buch in der Hand, denn Sie gehen neugierig und mit offenen Sinnen durch die Welt. Sie interessieren sich dafür, wie die Menschen miteinander leben, was sie dabei denken und fühlen, wann sie sich vertragen oder streiten, lieben oder hassen. Sie haben sich selbst schon Fragen gestellt wie:
Wer bin ich eigentlich und was macht mich als Person einzigartig?
Wie konnte es passieren, dass ich mich dazu überreden ließ, am Sonntagmorgen die Nachbarin zum Zug zu bringen, obwohl ich sie gar nicht leiden mag?
War die Bemerkung der Klassenlehrerin zu meiner Klausurleistung ein Lob oder doch eher eine ironische Anspielung?
Wie kann ich meine Liebste davon überzeugen, mit ins Kino zu kommen?
Ist der erste Eindruck beim Kennenlernen tatsächlich so wichtig?
Was lässt manche Menschen als besonders sympathisch erscheinen?
Warum ist mein Freund so furchtbar anhänglich?
Woher kommen die Reibereien zwischen den Klassen 7a und 7b in meiner Schule?
Wieso fahren so viele Leute SUVs und tragen weiße Sneakers?
Ist der Mensch egoistisch und immer nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht?
Aber haben Sie dazu auch schon die »richtigen« Antworten gefunden? Wir alle sind naive »Alltagspsychologinnen und -psychologen« und beantworten solche Fragen so, dass uns die Erklärung am Ende plausibel erscheint und irgendwie in unser Weltbild passt. Mit diesem Buch gehen Sie gleich zwei Schritte über diese ein wenig unbedarfte Sicht hinaus:
Hinter den angesprochenen Themen verbergen sich objektive Gesetzmäßigkeiten, die die Sozialpsychologie ausführlich beforscht hat. Es gibt Erklärungen dazu, warum Sie ein Kleidungsstück gekauft, aber noch nie angezogen haben und wie es dazu kommen konnte, dass Onkel Oskar diesen ungünstigen Leasingvertrag abgeschlossen hat.
Die Art und Weise, wie sich Menschen solche Fragen beantworten, folgt ihrer eigenen Logik und ist Gegenstand sozialpsychologischer Forschung. Entscheidend sind häufig nicht die realen Gegebenheiten, sondern die Gedanken und Gefühle, mit denen Menschen auf die Ereignisse in ihrer Umgebung reagieren. Warum kann meine Mutter meinen neuen Freund nicht leiden? Und wie schafft es Onkel Oskar, sich den Leasingvertrag »schönzureden«?
Wenn Sie darüber noch nicht allzu viel wissen, eröffnet Ihnen Sozialpsychologie für Dummies ganz neue Blickwinkel auf Geschehnisse, die Ihnen täglich dutzendfach begegnen. Die Sozialpsychologie ist ein faszinierendes Wissensgebiet!
Wir nehmen an, dass Sie dieses Buch aus mindestens einem von zwei Gründen in Händen halten. Der erste Grund mag darin bestehen, dass Sie erkannt haben, wie bedeutsam die sozialen Beziehungen der Menschen zueinander sind. Erkenntnisse dazu, wie Sie selbst denken und fühlen, finden Sie ebenso spannend wie Einsichten in das Verhalten anderer Leute. Sozialpsychologie für Dummies ist angetreten, Ihnen das nötige Wissen zu vermitteln, eine ganz neue und vielleicht auch ungewöhnliche Sicht auf sich selbst und Ihre Mitmenschen zu gewinnen. Sie werden sehen, dass sozialpsychologische Kenntnisse ausgesprochen nützlich sein können. Und nicht zuletzt werden Sie Sozialpsychologie oft auch amüsant finden. Wenn Sie zum Beispiel mit einem wissenden Lächeln die psychologischen Tricks beobachten, mit denen Sie im Supermarkt dazu verleitet werden sollen, bestimmte Konsumprodukte zu kaufen.
Die zweite Möglichkeit, wie die Sozialpsychologie in Ihr Leben getreten ist, besteht darin, dass Sie in Schule oder Studium damit konfrontiert wurden. Für Ihren Abschluss benötigen Sie (zu allem Übel) auch noch eine bestandene Prüfung. Das Buch in Ihren Händen wird sich zu diesem Zweck als ganz besonders hilfreich erweisen. Auch wenn Prüferinnen und Prüfer ihre eigenen Schwerpunkte setzen, kennen wir vom Autorenteam doch die grundsätzlichen Anforderungen aus eigener Erfahrung. Wir präsentieren die wichtigsten Themen, die am häufigsten zitierten Studien und die zentralen Fachbegriffe in allgemein verständlicher Sprache. Spezielle Vorkenntnisse sind nicht erforderlich. Verschaffen Sie sich einen raschen und klaren Überblick zu den prüfungsrelevanten Themen!
Sozialpsychologie für Dummies bietet einen kompakten Überblick zu den relevanten Themen dieses Teilgebiets der Psychologie. Wir haben uns beim Schreiben daran orientiert, wie Sozialpsychologie an europäischen und US-amerikanischen Universitäten gelehrt und geprüft wird. Entsprechend folgt das Buch mit der Einteilung seiner Kapitel den Vorgaben, wie sie zum Beispiel auch in Lehrbüchern zu finden sind. Das erleichtert Ihr Leben, falls Sie sich auf eine Prüfung vorbereiten wollen, und stört nicht, wenn Sie sich aus anderen Interessen mit der Sozialpsychologie beschäftigen.
Sozialpsychologische Theorien
Sozialpsychologie für Dummies beschreibt die wichtigsten Theorien, die die Forschung über Jahrzehnte zur Erklärung sozialen Verhaltens entwickelt hat. Abstraktes dazu lässt sich nicht vermeiden, denn Sozialpsychologie ist eine Wissenschaft. Die den Theorien zugrunde liegenden Gedanken erklären wir deshalb mit vielen konkreten Beispielen, die Sie an Ihren eigenen Alltag erinnern werden. Komplexere Abläufe stellen wir zusätzlich in Schaubildern dar. Manche Menschen lernen lieber mit Text, andere lieber mit Bildern. Am besten lernt man mit beidem.
Sozialpsychologische Studien
Zum leichten Verständnis tragen immer wieder auch die Studien bei, die zur Überprüfung von Theorien durchgeführt wurden. Die theoretischen Begriffe verwandeln sich dabei in handfeste Beschreibungen (Operationalisierung, siehe Kapitel 2), die beispielhaft vermitteln, wie das Theoretische konkret zu verstehen ist. Der Text regt Sie dazu an, sich selbst in die Lage von Versuchspersonen hineinzuversetzen. So können Sie leicht nachvollziehen, wie man sich fühlt, wenn zum Beispiel jemand eine unverschämte Bitte vorträgt und einen auf diese Weise subtil manipuliert, umso bereitwilliger einen Euro für einen guten Zweck zu spenden (»Door-in-the-Face-Taktik«, siehe Kapitel 4).
Keine Wissenschaft, kein Spezialgebiet, kein Handwerk kommt ohne Fachbegriffe aus. Bei Ihrer Lektüre werden Sie lernen, was »kognitive Dissonanz«, »Attribution«, »Priming«, »Minimalgruppe« und so weiter bedeuten. Sofern etwas einen Namen hat und nicht langwierig umschrieben werden muss, erleichtert es das Verständnis ungemein. Vergleichen Sie »der Mann, der die Regierung anführt, von der Mehrheit im Bundestag gewählt wurde und so weiter« mit »der Bundeskanzler«.
Wir vom Autorenteam definieren die notwendigen Begriffe in klarer Sprache und geben auch hierzu immer wieder konkrete Beispiele. Wenn wir zentrale Fachwörter, etwa die häufig zitierte »soziale Norm« (siehe Kapitel 10), nur einmalig ausführlicher erklären, um unnötige Wiederholungen zu vermeiden, finden Sie einen Verweis auf ein anderes Kapitel in Klammern. Für das Verständnis Ihrer augenblicklichen Lektüre ist das Blättern im Buch aber nicht nötig. Wer darüber hinaus etwas genauer wissen will, lässt sich von den Kapitelangaben in Klammern oder vom Stichwortverzeichnis auf andere Textstellen hinweisen.
Den »Psycho-Slang« mit seinen vielen englischsprachigen Begriffen, der für Außenstehende oft mehr verwirrt als erklärt, vermeiden wir strikt. Denn zum Verständnis der vorgetragenen Sachverhalte muss man nicht Psychologin oder Psychologe sein. Trotzdem weisen wir Sie immer wieder auch auf das korrekt Fachsprachliche hin – eventuell können Sie in einer Prüfung damit glänzen.
Sie müssen das Buch nicht ganz (auch wenn wir uns das natürlich wünschen würden) und auch nicht von vorn bis hinten lesen. Die einzelnen Kapitel von Sozialpsychologie für Dummies stehen für sich allein und können je nach Interesse einzeln ausgewählt werden. Ihr Verständnis setzt nicht voraus, dass Sie schon andere Kapitel gelesen haben.
Einzig mit Kapitel 2 verhält es sich ein wenig anders. Zur korrekten Deutung der vorgestellten Experimente und Studien empfehlen wir Ihnen die Lektüre dieses Kapitels. Dort beschreiben wir, wie sich das Verhältnis zwischen den sozialpsychologischen Erkenntnissen einerseits und den zur Überprüfung eingesetzten Verfahren anderseits gestaltet. Aus vielfältiger Erfahrung wissen wir, dass sich hier leicht Missverständnisse einschleichen. Bevor Sie also mit einem wütenden »Bei mir (oder meiner Oma) ist das aber alles ganz anders« reagieren, vertiefen Sie lieber Ihr Wissen über sozialpsychologische Methodik in Kapitel 2. Sie lernen dort, was Studienergebnisse leisten können, aber auch welche Schlussfolgerungen sie nicht erlauben und wie sie deshalb interpretiert werden sollten. Studierenden des Fachs Sozialpsychologie legen wir deshalb Kapitel 2 ganz besonders ans Herz. Richtet sich Ihr Interesse dagegen mehr auf die konkreten Alltagsphänomene und darauf, wie Sie sich Ihrer bedienen können, kommen Sie auch ohne Kapitel 2 sehr gut zurecht.
Ihr Sozialpsychologie für Dummies besteht aus insgesamt sechs Teilen. Sie fassen einzelne Inhaltsbereiche zu übergeordneten Themen zusammen.
Zu Beginn:
Teil I
bietet Ihnen einen Einstieg in die Sozialpsychologie. Sie lernen, was man gemeinhin unter Sozialpsychologie versteht und wie sie sich von anderen Wissenschaften unterscheidet. Dieser Teil liefert einen Überblick zu den wichtigsten Grundgedanken und der Art und Weise, wie man in der Sozialpsychologie denkt und arbeitet.
Bewertungen:
Teil II
beinhaltet Erkenntnisse dazu, wie Menschen ihre Urteile über beliebige Gegenstände bilden und wie diese Bewertungen ihr Verhalten leiten: Warum finden wir etwas gut, mögen aber etwas anderes nicht leiden? Es geht um typische Fehler, die bei Beurteilungen auftreten, und die Möglichkeiten, Urteile gezielt zu beeinflussen.
Das Ich und das Du:
Teil III
richtet Ihren Blick auf Sie selbst, auf andere Menschen und das Verhältnis zwischen beiden: Wer sind Sie und wer ist Ihr Gegenüber? Sie erfahren, wie das Ich und das Du in wechselseitiger Beziehung zueinander stehen, wie Sie sich Ihr eigenes Verhalten und das Ihrer Mitmenschen erklären und was sich daraus für Konsequenzen ergeben. Im letzten Kapitel dieses Teils geht es um besonders enge Beziehungen wie in der Familie, der Partnerschaft und im Freundeskreis.
Soziale Gruppen:
Teil IV
ist dem Menschen als Mitglied von Gruppen gewidmet. Lernen Sie, was soziale Gruppen im Sinne der Sozialpsychologie sind, welche Merkmale sie aufweisen und wie sie das Verhalten ihrer Mitglieder beeinflussen. Schließlich geht es auch um das Verhältnis zwischen Gruppen, das häufig durch Vorurteile und wechselseitige Diskriminierung gekennzeichnet ist.
Das Gute und das Böse:
Teil V
umfasst sozialpsychologische Erkenntnisse dazu, warum der Mensch manchmal ausgesprochen gut zu anderen und manchmal abgrundtief böse ist. Sich gegenseitig helfen, Notlagen anderer mildern und füreinander da sein gehören ebenso zum Verhaltensinventar des Homo sapiens wie Furcht und Schrecken zu verbreiten, Gewalt auszuüben und Gräueltaten zu begehen. Erfahren Sie Grundlegendes dazu, unter welchen Voraussetzungen Aggressionen entstehen und Hilfe gewährt wird.
Top-Ten-Teil:
Teil VI
fasst zentrale Aspekte der Sozialpsychologie zusammen. Erfahren Sie, welche theoretischen Annahmen, Studien und Persönlichkeiten die Entwicklung der Sozialpsychologie als Wissenschaft maßgeblich beeinflusst haben.
Die Sozialpsychologie ist ein, leicht untertrieben, gigantisches Wissensgebiet. Selbst 24/7 ließe sich nicht mit der Vielzahl aktueller Publikationen Schritt halten. Lehrbücher mit dem Anspruch, auch nur halbwegs einen Überblick zu liefern, kommen schnell auf 600 bis 700 Seiten kleingedruckten Texts. Und auch sie unterliegen einem »scientific gap«. Der Begriff besagt, dass eine neue Erkenntnis oft bis zu zehn Jahre benötigt, um Bestandteil des im Fach allgemein geteilten Wissens zu werden und in die Lehre Einzug zu halten. Vor diesem Hintergrund stellt sich für Sie vielleicht die Frage, wie das Autorenteam von Sozialpsychologie für Dummies bei der Auswahl der präsentierten Inhalte vorgegangen ist.
Das Buch richtet sein Augenmerk auf alles, was »klassisch sozialpsychologisch« genannt werden kann. Wir präsentieren die grundlegenden Inhalte, die die Forschung über die letzten Jahrzehnte beeinflusst haben. Mit einigem Recht dürfen wir annehmen, dass auch die zukünftige Entwicklung des Fachs nicht ohne diese Voraussetzungen auskommen wird. Auf neuere Forschungsrichtungen weisen wir hin und erklären sie immer dann etwas ausführlicher, wenn sie sich als tragfähig erwiesen haben.
Die einzelnen Studien und Experimente haben wir danach ausgewählt, wie stark sie das Fach beeinflusst haben. Einige wurden im Nachhinein kritisiert, weil sie sich als nur schwer replizierbar erwiesen haben oder methodische Mängel aufweisen. Auf Probleme dieser Art weisen wir Sie ausdrücklich hin. Die Tatsache, dass manche Studienergebnisse stark umstritten sind, spricht aber für ihre hohe Bedeutung in der Sozialpsychologie. Deshalb gehören auch sie zum Fach und können nicht einfach ignoriert werden.
Im Text heben wir immer wieder Passagen durch Symbole hervor. Wir verwenden:
Häkchen, die fett gedruckte Stichwörter markieren: Diese Aufzählungen helfen, die Inhalte zu sortieren und in eine leicht erfassbare Form zu bringen.
Unter diesem Symbol finden Sie Fachbegriffe definiert, die im weiteren Verlauf des jeweiligen Kapitels mehrfach verwendet werden.
Der Glaskolben weist auf konkrete Experimente oder allgemeiner auf häufig verwendete Studienabläufe hin.
Hier finden Sie Beispiele aus Kultur, Geschichte, Politik und Wirtschaft, die die angesprochenen Inhalte weiter verdeutlichen.
Wichtige Erkenntnisse, die es sich lohnt, im Sinn zu behalten, finden Sie unter diesem Symbol.
All diese Hilfen geben wir vom Autorenteam Ihnen an die Hand, damit wir sicher sein können, dass Sie sich nach der Lektüre von Sozialpsychologie für Dummies überhaupt nicht mehr als »Dummie« fühlen müssen. Der Sinn und Zweck unserer Arbeit ist es, uns am Ende selbst überflüssig werden zu lassen. Für uns ein faszinierender Gedanke und ein besonders schönes Gefühl, wenn es geklappt hat!
Ein Wort am Ende dieser Einführung in das Buch: Für alle, die mehr als nur ein ehemaliger »Dummy« sein wollen, lohnt sich ein Blick in weitere Informationsquellen:
Internet:
Für zentrale Begriffe, Theorien, Namen und Studien finden Sie im Internet teils redundante, teils weiterführende Information. Mit Ihrem Wissen aus
Sozialpsychologie für Dummies
sollte es Ihnen leichtfallen, relevante Quellen von unseriösen zu unterscheiden. Der YouTube-Kanal des Autorenteams
Sozialpsychologie mit Prof. Erb
kann ein möglicher erster Anlaufpunkt sein.
Lehrbücher:
Steht eine Prüfung an oder wollen Sie Ihr Wissen aus anderen Gründen weiter vertiefen, besorgen Sie sich ein Lehrbuch der Sozialpsychologie. Im Grunde finden Sie überall dieselben Inhalte. Wählen Sie eines, dessen Sprache oder Darstellungsweise Sie persönlich anspricht, oder sei es auch nur, weil Ihnen der Einband besonders gut gefällt. Im Unterschied zu den Büchern aus der Reihe
… für Dummies
finden Sie dort Hinweise auf Originalliteratur.
Handbücher:
Für angehende Spezialisten gibt es Handbücher über Sozialpsychologie oder einzelne Teilbereiche. Meist sind es herausgegebene Werke, in denen unterschiedliche Autorinnen und Autoren zu ihren speziellen Forschungsgebieten zu Wort kommen. Die Beiträge stammen von Leuten, die sich in ihrer meist langjährigen Arbeit mit den jeweiligen Themen sehr ausführlich beschäftigt haben und sich so in der Wissenschaft »einen Namen gemacht« haben. Ihre Lektüre erfordert häufig einige Vorkenntnisse und ist für Neulinge meist nicht so gut geeignet.
Monografien:
Einige Forschende haben sich der Mühe unterzogen, ganze Bücher zu ihren Spezialgebieten zu verfassen. Sie zu verstehen, kann einfach, aber auch recht schwierig sein – je nachdem, an welche Zielgruppe diese Bücher gerichtet sind. Nach der Lektüre haben Sie selbst hohe Expertise zu einem spezifischen Aspekt wie »kognitive Dissonanz« (siehe
Kapitel 5
), »Attribution« (siehe
Kapitel 8
) oder »Heuristiken« (siehe
Kapitel 4
) erworben.
Originalliteratur:
So bezeichnet man Artikel in Fachzeitschriften. Vor ihrer Veröffentlichung haben sie verantwortliche Herausgeberinnen beziehungsweise Herausgeber und andere Forschende aus demselben Teilgebiet ausführlich geprüft (
Peer-Review-Verfahren
). Die Prüfung erfolgt so streng, dass einflussreiche Zeitschriften in der Sozialpsychologie durchweg weniger als 10 Prozent der eingereichten Arbeiten zur Veröffentlichung freigeben. Sie stellen die Informationsquelle der höchsten Qualitätsstufe dar. Ihre Lektüre erfordert insbesondere spezielle Kenntnisse der verwendeten statistischen Methoden und der englischen Wissenschaftssprache der Sozialpsychologie. Ohne dieses Vorwissen fühlen sich viele schnell genau wie Judith und Hans-Peter in ihrem ersten Semester: absolut überfordert! Glücklicherweise werden Studierende im Bachelorstudium schrittweise an die notwendigen Vorkenntnisse herangeführt. Wer einen Master of Science in Psychologie hält, hat die Vertrautheit mit solchen Veröffentlichungen bewiesen. Ein Doktorgrad in Psychologie zeigt an, dass diese Person in der Lage ist, selbst solche Artikel zu verfassen.
Aber gehen Sie einen Schritt nach dem anderen. Jetzt wünschen wir Ihnen erst mal viel Freude und interessante neue Erkenntnisse bei der Lektüre von Sozialpsychologie für Dummies!
Teil I
IN DIESEM TEIL …
Dieser Teil von Sozialpsychologie für Dummies bietet Ihnen
einen Blick auf die Sozialpsychologie als Wissenschaft,den Vergleich der Sozialpsychologie mit ihren Nachbardisziplinen,die Art und Weise, wie sozialpsychologische Erkenntnisse gewonnen werden,wichtige Hinweise dazu, wie sozialpsychologische Forschung zu verstehen und zu interpretieren ist.Kapitel 1
IN DIESEM KAPITEL
Der soziale Einfluss als das zentrale Konzept der SozialpsychologieAbgrenzung der Sozialpsychologie von NachbardisziplinenDer Nutzen sozialpsychologischen WissensLangsamer als Turmfalke und Leopard, anfälliger als Kakerlake und Ratte, schwächer als Elefant und Pferd. Nur der Austausch innerhalb seiner Gruppe versetzte Homo sapiens in die Lage, große Tiere wie Mammut und Säbelzahntiger zu erbeuten. Erst in der Gemeinschaft erwarb er die zentrale Fähigkeit zu komplexer Sprache. Daraus ergab sich die Möglichkeit, durch Arbeitsteilung und gemeinsame Anstrengung etwas zu erschaffen wie Computer, Aktiengesellschaften, Religionen und Weltanschauungen, Geld, politische Ordnungen und Gesetze. Für sich allein wäre der Mensch für immer ein schwaches Säugetier geblieben.
Wie die Menschheit zusammenlebt, ist Gegenstand der Sozialpsychologie. Sich austauschen, gemeinsam anpacken, Bündnisse schmieden und Kriege führen: Sozialpsychologisch relevante Phänomene drücken dem großen Ablauf der Menschheitsgeschichte ihren Stempel auf.
Um Sozialpsychologie zu erleben, reicht aber ebenso der Blick ins Alltägliche. Als beliebiges Beispiel mag Frank dienen. Er ist auf dem Weg zur Kantine und begegnet seinem Kollegen Ludwig. Frank kennt Ludwig recht gut und hat sich auch schon außerhalb der Arbeit mit ihm getroffen. Er winkt freundlich in Richtung Ludwig, doch der grüßt nicht zurück.
Frank wird sich nun fragen, warum Ludwig nicht reagiert hat. Ist er sauer oder nur verschlafen? Vielleicht ist Frank enttäuscht von seinem Kollegen. Oder ihn quälen Schuldgefühle, weil er darüber nachdenkt, im Umgang mit Ludwig ungeschickt gewesen zu sein. Je nach den Antworten auf seine Fragen wird Frank
unterschiedliche Gefühle entwickeln
, zum Beispiel amüsiert sein, weil Ludwig schon wieder direkt aus der Kneipe unausgeschlafen zur Arbeit erschienen ist, oder
sein künftiges Verhalten gegenüber Ludwig ändern
und danach ausrichten, wie er die Situation bewertet. Vielleicht hält er Ludwig für eitel oder überheblich und wird ihn künftig selbst auch nicht mehr grüßen.
Solche Situationen begegnen Menschen tagaus, tagein und auf vielerlei Weise. Sozialpsychologie kann man als den Versuch verstehen, in Franks Kopf und in sein Herz zu schauen, um herauszufinden, was dort vor sich geht.
Auch Sie stellen sich immer wieder Fragen wie:
Warum hat Simon nicht zurückgerufen?
Was hat die Chefin mit ihrer Bemerkung über meine Arbeit eigentlich gemeint?
Was werden die Kolleginnen denken, wenn ich morgen mit meiner neuen Frisur zur Arbeit komme?
Die Sozialpsychologie steht in engem Bezug zum Alltagsleben der Menschen.
Interessiert es Sie, wie Menschen Fragen solcher Art für sich selbst beantworten und was daraus folgt? Dann halten Sie gerade das richtige Buch in der Hand.
Vielleicht benutzen auch Sie Messer und Gabel, selbst dann, wenn Ihnen gerade niemand beim Essen zuschaut. Die meisten Männer tragen keinen Minirock – jedenfalls nicht in der Öffentlichkeit. Und egal ob Sie ein Dieb sind oder nicht, Sie wissen, dass Stehlen nicht nur gegen die Gesetze, sondern auch gegen eine soziale Norm (siehe Kapitel 10) verstößt, die die meisten anderen Menschen teilen. Solche Beobachtungen sind Gegenstand der Sozialpsychologie.
Die Sozialpsychologie ist eine Teildisziplin der Psychologie. In der Psychologie beschäftigt man sich ganz allgemein mit dem Erleben und Verhalten von Menschen.
Weil die Sozialpsychologie Erleben und Verhalten von Menschen zum Gegenstand hat, sofern sie auf irgendeine Weise mit anderen Menschen in Kontakt sind, gilt:
Der Einfluss des sozialen Umfelds ist häufig unmittelbar gegeben, zum Beispiel wenn Sie mit Ihrer Clique einen Club besuchen oder sich bei der Arbeit mit der Kollegin Müller unterhalten und Sie sich so in direktem Austausch mit aderen befinden.
Die Anwesenheit anderer kann auch nur vorgestellt sein: »Was würde meine Mutter sagen, wenn sie mich jetzt sehen könnte?«
Abstrakte soziale Normen und Werte wie »Du sollst nicht stehlen!« repräsentieren die implizite Gegenwart anderer und bestimmen so Denken, Fühlen und Handeln.
Diese Aufzählung passt perfekt zu der Definition, die der Psychologe Gordon W. Allport im Jahr 1954 vorgeschlagen hat. Sie lautet übersetzt in etwa so:
Sozialpsychologieist die wissenschaftliche Untersuchung dazu, wie die tatsächliche, vorgestellte oder auch nur implizite Gegenwart anderer Menschen die Gedanken, die Gefühle und das Verhalten von Individuen beeinflusst.
Der soziale Einfluss anderer Menschen auf den Einzelnen ist also das zentrale Konzept der Sozialpsychologie. Menschen reagieren auf sozialen Einfluss, indem sie ihre eigene soziale Welt auf der Grundlage von Information aus ihrer sozialen Umwelt »konstruieren«.
Menschen
kaufen das Smartphone oder das Auto einer bestimmten Marke, weil sie bei anderen abgeschaut haben, dass diese besonders chic sind,
denken, dass der Abschluss eines Vertrags zur Alterssicherung eine gute Idee ist, weil die Versicherungsvertreterin so unglaublich sympathisch wirkt,
halten sich selbst für unattraktiv, weil sie sich mit den (vermeintlichen) Topmodels in den sozialen Medien vergleichen,
zeigen kein Bedauern, dass sie nicht fliegen können, weil allen anderen auch keine Flügel gewachsen sind,
sind unzufrieden in ihrer Liebesbeziehung, weil sie glauben, mehr zu investieren als ihr Partner,
lassen sich zu einer obszönen Geste hinreißen, weil sie annehmen, das Hupen aus dem Auto hinter ihnen gelte ihnen.
Noch ein ausführlicheres Beispiel zur Konstruktion sozialer Realität gewünscht? Sehr gern! Wenn Ihre beste Freundin Gundula Ihren Geburtstag vergessen hat, löst das Gedanken und Gefühle aus, die entscheidend für den künftigen Umgang mit ihr sind. Wenn Sie glauben, dass Gundula absichtlich nicht angerufen hat, konstruieren Sie eine andere soziale Realität, als wenn Sie denken, ihr gehe es schlecht und sie sei zu sehr mit ihren eigenen Sorgen beschäftigt. Entsprechend unterschiedlich fällt Ihre Reaktion – vielleicht ärgerlich, vielleicht mitfühlend – aus. Danach wird sich Ihr künftiges Gebaren Gundula gegenüber gestalten. Schließlich beeinflussen Ihre Reaktionen in der Folge aber auch umgekehrt das zukünftige Verhalten Gundulas. Zeigen Sie sich ärgerlich, kann Gundula ebenso ärgerlich oder auch mit einer Entschuldigung antworten. Ihr Mitgefühl wird sie dagegen mit großer Wahrscheinlichkeit zu schätzen wissen. Auf diese Weise entstehen soziale Realitäten; und die Art und Weise, wie sie entstehen und was sich daraus ergibt, sind Gegenstand der Sozialpsychologie.
Menschen sind sowohl Quelle als auch Ziel sozialen Einflusses.
Die Sozialpsychologie lässt sich auch über die Inhaltbereiche definieren, die von Sozialpsychologinnen und Sozialpsychologen als interessant und ihrem Fach zugehörig betrachtet werden. Hierzu einige Beispiele:
Urteile und Entscheidungen:
Menschen bilden Urteile, zum Beispiel über politische Parteien, andere Menschen, Konsumprodukte und sogar sich selbst. Sie treffen auf der Grundlage ihrer Urteile Entscheidungen, etwa die, eine Partei zu wählen, einem anderen die Freundschaft aufzukündigen, Blumenkohl und nicht Brokkoli zu kaufen oder endlich das Rauchen aufzugeben.
Aggressivität:
Menschen können sich anderen gegenüber feindselig verhalten und aggressiv werden. Im Gedränge vor der Bühne beim Open-Air-Konzert tritt Ihnen jemand auf die Füße und Sie schupsen kräftig zurück.
Identifikation mit der Eigengruppe:
Menschen fühlen sich als Mitglieder von sozialen Gruppen, mit denen sie sich identifizieren und die sie gegenüber fremden Gruppen bevorzugen. Als ein Mitglied des Fanclubs von Bayern München mögen Sie vielleicht die Mitglieder des Fanclubs von Borussia Dortmund nicht, oder umgekehrt. Und als Einwohner von Düsseldorf haben Sie möglicherweise Vorbehalte gegenüber Kölnern – insbesondere während des Karnevals, wenn es um die alles entscheidende Frage »Alaaf oder Helau?« geht.
Hilfeverhalten:
Menschen helfen einander und zeigen altruistisches Verhalten. Sie alarmieren den Notdienst, weil vor ihnen auf der Straße ein älterer Herr hingefallen ist und nicht mehr aufstehen kann.
Enge Beziehungen:
Menschen fühlen sich zu anderen hingezogen und gehen Freundschaften und intime Liebesbeziehungen ein. Sie haben sich vielleicht frisch verliebt, führen eine Ehe, lieben ihre Kinder, Bello, den Haushund, und freuen sich auf den Samstagabend im Freundeskreis.
Und viele andere Phänomene mehr, wie Sie sie in den folgenden Kapiteln dieses Buches kennenlernen werden.
Solche alltäglichen Vorgänge zu beschreiben, zu erklären und vorherzusagen ist die selbst gesetzte Aufgabe der Sozialpsychologie. Daraus ergeben sich auch Fragestellungen dazu, ob unerwünschtes Verhalten unterbunden werden kann: Wie könnte etwa Feindseligkeiten zwischen rivalisierenden Hooligans vorgebeugt werden.
Vielleicht wundert es Sie, dass alltägliche Vorgänge wie der Ärger über einen Freund, die Entscheidung für oder gegen Blumenkohl, Feindseligkeiten zwischen Fanclubs und das Essen mit Messer und Gabel ebenso bestimmten Gesetzmäßigkeiten unterworfen sind wie der Fall einer Metallkugel im luftleeren Raum oder die Reaktion von Wasserstoff und Sauerstoff in einem Knallgasgemisch. Lassen Sie sich auch dazu in den folgenden Kapiteln überraschen:
Gesetzmäßigkeiten, die das Zusammenleben von Menschen beschreiben und erklären, sind Gegenstand der Sozialpsychologie. Im Mittelpunkt des Interesses stehen individuelle, auch subjektive Vorgänge – also wie ein Individuum im sozialen Kontext denkt, fühlt und handelt.
Die Sozialpsychologie hört sich für Sie noch immer etwas schwierig an? Ist sie aber nicht! Beim ersten Blättern durch dieses Buch mag die Vielfalt seiner Inhalte als ein Sammelsurium unverbundener Einzelgedanken und Ideen erscheinen. Doch auch dieser Eindruck täuscht. Sie werden bemerken, dass einige Kernaspekte der Sozialpsychologie über die Kapitel hinweg immer wieder auftauchen. Ihre Kenntnis erleichtert den Wissenserwerb ungemein. Wenn Sie es schaffen, die folgenden Grundgedanken im Hinterkopf zu behalten, werden sich Ihnen viele Sachverhalte in der Sozialpsychologie noch leichter erschließen:
Anschluss:
Der Mensch ist ein soziales Wesen. Ohne die anderen fühlt er sich schnell verloren. Wir alle wollen irgendwie dazugehören, führen enge Beziehungen (siehe
Kapitel 9
), gründen Familien und Vereine, sind Mitglieder einer Nation (siehe
Kapitel 11
) und so weiter. Ausgeschlossen werden, tut folglich richtig weh, und Einsamkeit macht krank.
Sozialer Einfluss:
Im Austausch mit anderen beeinflussen sich Menschen ständig und überall gegenseitig (siehe
Kapitel 10
). Was jemand tut und sagt oder auch nicht tut und nicht sagt, wirkt unweigerlich auf das, was die anderen fühlen oder denken und beeinflusst schließlich ihre Urteile (siehe
Kapitel 4
), Entscheidungen und wie sie sich verhalten.
Vielfältige »Realitäten«:
In Reaktion auf das, was von außen kommt, konstruieren die Menschen ihre eigene soziale »Realität« und erschaffen sich ihren ganz eigenen, subjektiven Blick auf die Dinge um sie herum (siehe
Kapitel 3
). Das ist der Grund dafür, dass ein und dieselbe Angelegenheit von unterschiedlichen Menschen ganz verschiedenartig interpretiert werden kann. In der Folge ergeben sich Meinungsverschiedenheiten, wie sie nicht nur in der Familie, der Schule, der Firma oder der Politik häufig zu beobachten sind.
Die Welt verstehen:
Menschen sind motiviert, eine möglichst korrekte Sicht auf die Welt zu erlangen. Im Kleinen mag es darum gehen, die »richtigen« Schuhe zu kaufen, im Großen darum, die eigene Religion oder Weltanschauung für die einzig wahre zu halten.
Sich selbst wertschätzen:
Abgesehen von wenigen Ausnahmen streben Menschen ein positives Selbstbild an (siehe
Kapitel 6
). Nicht nur die eigene Person, sondern auch andere, die ihnen nahestehen, die Gruppen, in denen sie Mitglied sind (siehe
Kapitel 11
), und Sachen, die ihnen gehören, sollen in bestem Licht erscheinen.
Begrenzte Kapazitäten:
Der Mensch ist kein Computer und nicht in der Lage, schier unbegrenzte Datenmengen gleichzeitig zu verarbeiten. Es erfolgt zwangsläufig eine Auswahl aus dem »Input«, der in Form von Ereignissen aus der sozialen Umwelt auf sie einströmt. Sie achten auf das, was ihnen relevant erscheint und blenden alles andere aus. Die Verarbeitung des Inputs vereinfachen sie mit Heuristiken (siehe
Kapitel 4
) oder stereotypen Vorstellungen über andere Menschen (siehe
Kapitel 11
). Dabei erfolgt vieles unbewusst, wird vom »Autopiloten« gesteuert und bedarf keiner besonderen Anstrengung (siehe
Kapitel 3
).
Oft versteht man etwas besser, wenn man es von anderem abgrenzt. Es lohnt sich, einen Blick darauf zu werfen, was Sozialpsychologie nicht ist.
Das besondere Interesse an individuellen Abläufen unterscheidet die Sozialpsychologie von ihrer Nachbardisziplin Soziologie. Bis zu einem gewissen Grad überlappen sich die Themen der Soziologie mit denen der Sozialpsychologie. Normen, Aggression, altruistisches Verhalten und andere mehr werden auch aus soziologischer Perspektive beforscht. Jedoch unterscheiden sich die Lösungsansätze:
Die Soziologie sucht Erklärungen für menschliches Verhalten vor allem in Gesellschaften, Kulturen, Subkulturen und ihren Strukturen, in sozialen Systemen, Institutionen, Organisationen und so weiter.
Die Sozialpsychologie setzt sich dagegen mit innerpsychischen und damit individuellen Vorgängen auseinander.
Auch wenn diese Gegenüberstellung hier stark vereinfacht bleiben muss: Was eine Person über ihre beste Freundin denkt, weil sie ihren Geburtstag vergessen hat, und wie sie sich dabei fühlt, ist typischerweise nicht Gegenstand der Soziologie.
Vielleicht fallen Ihnen, wie vielen anderen auch, bei der Psychologie als Erstes Erkrankungen wie Depression oder Schizophrenie ein. Das sind Themen der Teildisziplin Klinische Psychologie. Klinische Psychologinnen und Psychologen untersuchen das Erleben und Verhalten von Menschen in Situationen, in denen psychische Störungen wie zum Beispiel depressive Episoden auftreten. Der Anspruch dabei ist, solches Wissen zum Wohl von Betroffenen anzuwenden und mit Therapien Erkrankte zu unterstützen. Psychische Störungen sind nicht Gegenstand der Sozialpsychologie.
Die Sozialpsychologie unterscheidet sich auch von anderen Teilbereichen der Psychologie. Unterschiede zur Allgemeinen Psychologietauchen in Kapitel 3 dieses Buches auf – erfahren Sie dort mehr dazu.
Wenn es darum geht, die Sozialpsychologie zu definieren, ist vor allem der Vergleich mit der Persönlichkeitspsychologie aufschlussreich.
Grob gesagt liegt der Schwerpunkt der Persönlichkeitspsychologie in der Erklärung von Verhalten, das zwischen Individuen unterschiedlich ausfällt, obwohl die Situation mehr oder weniger dieselbe ist. Eine ältere Bezeichnung dieser Teildisziplin der Psychologie lautet deshalb auch Differenzielle Psychologie, weil es um Differenzen, also Unterschiede zwischen Menschen geht.
Stellen Sie sich dazu vor, Linda und Luise erhalten die gleiche Einladung zu einer Party. Es werden sehr viele Gäste erwartet und die letzten werden auch um 4 Uhr früh noch nicht nach Hause gegangen sein. Während Linda mit Freude dem Event entgegenfiebert, überlegt sich Luise, ob sie nicht lieber absagen sollte. Sie hatte geplant, endlich den spannenden Roman zu Ende zu lesen, der schon zu lange unberührt auf dem Tischchen neben ihrem Sofa liegt. Der Unterschied in den Reaktionen Lindas und Luises auf die identische Einladung findet sich wahrscheinlich in der Persönlichkeit der beiden begründet. Konkret könnte man davon ausgehen, dass Linda eher extravertiert und Luise eher introvertiert ist.
Aufgabe der Persönlichkeitspsychologie ist es, Merkmale, bei denen sich Menschen unterscheiden, wie
Extraversion,Offenheit für neue Erfahrungen,Aggressionsneigung,Intelligenz,Kreativitätund viele andere mehr, zu finden, zu beschreiben und zu erklären.
In der Sozialpsychologie sind die Unterschiede zwischen den Menschen meist von geringerem Interesse. Die Sozialpsychologie betrachtet eher die Wirkung der Situation auf mehr oder weniger alle Menschen. Man könnte auch sagen, es interessiert die »durchschnittliche« Reaktion. Auch hierzu ein Beispiel:
Bei einem Fußballspiel kommt es zu Ausschreitungen zwischen sonst eher friedlichen Anhängern der beteiligten Vereine. Um das Ereignis zu erklären, lassen sich aus der Perspektive der Sozialpsychologie etwa Fragen der folgenden Art stellen:
Hitze:
War es an diesem Tag besonders heiß, denn Hitze fördert Aggressivität?
Hinweisreize:
Gab es auf dem Spielfeld Szenen besonderer Härte, die als Hinweisreize auf aggressives Verhalten dienen konnten?
Vorbild:
Hat sich ein Spieler besonders aggressiv verhalten und so als Vorbild gedient?
Frustration:
Wie stark war die Frustration bei den Anhängern der Mannschaft, die im Rückstand lag, etwa ausgelöst durch eine Fehlentscheidung des Schiedsrichters?
Provokation:
Ließen sich Provokationen aus einem der Fanblöcke beobachten?
Die Tatsache, dass es unter den Menschen sowohl »Lämmchen« als auch »Krokodile« gibt und die Persönlichkeitspsychologie von differenzieller Ausprägung in der Neigung zu aggressivem Verhalten spricht, spielt in sozialpsychologischen Überlegungen eine untergeordnete Rolle.
Die Sozialpsychologie ist eine Grundlagendisziplin, deren Erkenntnisse in vielerlei Hinsicht für Anwendungen interessant sind. Die Sozialpsychologie bildet Grundlagen etwa in der
Gesundheitspsychologie und der Klinischen Psychologie
, indem sie dabei hilft, Krankheiten durch soziale Unterstützung zu mildern, soziale Phobien zu bekämpfen und so weiter,
Markt-, Werbe- und Wirtschaftspsychologie
, wenn es zum Beispiel darum geht, die Wirkung von Werbebotschaften zu verstehen,
Organisationspsychologie
, beispielsweise durch Erkenntnisse dazu, wie Gruppenarbeit und Führung optimiert werden können,
Pädagogischen Psychologie
, etwa bei der Frage, wie Erwartungen von Lehrkräften die Leistung ihrer Schülerinnen und Schülern beeinflussen,
Rechtspsychologie
, zum Beispiel mit Erkenntnissen dazu, wie Richter ihre Urteile fällen und die Glaubwürdigkeit von Zeugen sichergestellt werden kann,
und vielen anderen angewandten Fächern.
Aber was nützt es Ihnen persönlich, sozialpsychologische Phänomene zu kennen?
Wer etwas über das Denken, Fühlen und Handeln der Menschen im sozialen Kontext weiß, wird sich und seine eigenen Reaktionen besser verstehen können.
Wer das Verhalten anderer Menschen von außen genauer beobachtet, wird einen neuen Blickwinkel auf sie und ihr Verhalten entwickeln.
Menschen mit sozialpsychologischem Wissen sind häufig etwas vorsichtiger mit allzu voreiligen Schlüssen. Dafür, wie sich Menschen verhalten, gibt es oft ganz unterschiedliche Gründe. Und wer die Sozialpsychologie auch nur ein wenig kennt, wird nicht in die Falle tappen, seinen erstbesten Gedanken gleich für den einzig richtigen zu halten.
Mit Wissen aus der Sozialpsychologie ist es möglich, sich vor ungerechtfertigtem Einfluss durch andere Menschen zu schützen. Wenn ein gewiefter Bankberater mit Manipulationstricks versucht, sozialen Einfluss auszuüben, um sein Finanzprodukt loszuwerden, wird er bei einer Kundin, die solche Kniffe kennt und durchschaut, sicherlich keinen Erfolg haben.
Die Sozialpsychologie bietet Wissen für alle, die ganz einfach die Welt und die in ihr lebenden Menschen besser verstehen wollen. Sich selbst und andere mit sozialpsychologischem Hintergrundwissen zu beobachten, kann schließlich auch Vergnügen bereiten. Lassen Sie es darauf ankommen!
Kapitel 2
IN DIESEM KAPITEL
Sozialpsychologie als Wissenschaft, die an konkreter Erfahrung ausgerichtet istAufstellen und Testen sozialpsychologischer TheorienSozialpsychologische ExperimenteFallstricke bei der Interpretation psychologischer StudienDie Sozialpsychologie ist eine empirische Wissenschaft. Empirisch bedeutet, dass sich die Erkenntnisse an konkreten Erfahrungen orientieren und durch Studien überprüft werden. Das ist der Grund dafür, weshalb Sie in diesem Buch viele Beispielstudien kennenlernen werden. Man probiert aus, ob das, was man sich gedacht hat, auch wirklich stimmt.
Forscherinnen und Forscher in der Sozialpsychologie sehen sich folglich zwei zentralen Aufgaben gegenüber:
Theorien aufstellen
Theorien prüfen
Eine Theorie beinhaltet eine oder mehrere wissenschaftlich begründete Aussagen, die dazu dienen, beobachtete Sachverhalte zu erklären. Die Voraussetzung für Theorien ist die Annahme, dass Erscheinungen, die »in der Welt« beobachtet werden, Gesetzmäßigkeiten folgen, die sich erkennen und formulieren lassen.
Um die mit dem Aufstellen und Prüfen von Theorien verbundenen Vorgänge verständlich zu erklären, hilft ein beliebiges, aber aus didaktischen Gründen möglichst einfaches Beispiel. Die Psychologen John S. Dollard und Neal E. Miller haben in den 1940er-Jahren, später in Zusammenarbeit mit anderen, ein solches Beispiel formuliert. Es lautet: »Frustration führt zu Aggression.« Dem aktuellen Stand der Forschung nach lässt sich diese Theorie nicht uneingeschränkt halten, jedoch ist sie für den hier verfolgten Zweck wegen ihrer Einfachheit hervorragend geeignet.
Theorien aufzustellen, ist eine Frage der Fantasie und der Kreativität. Wie also sind Dollard und Miller auf ihre Idee gekommen? Leider sind beide Forscher verstorben, sodass man sie nicht mehr danach fragen kann. Hatten sie vielleicht
eine geniale Eingebung
, Miller in der Badewanne und Dollard beim Zwiebelschneiden?
alltägliche Beobachtungen
gesammelt wie bei Autofahrern, die im Stau steckten und anfingen, mächtig zu hupen?
Beispiele in der Literatur
gefunden, die die Idee der Theorie nahelegten?
Für die Erkenntnis, die sich hinter dem Satz »Frustration führt zu Aggression« verbirgt, spielt das letztlich keine Rolle.
Ist eine Theorie formuliert, folgt die Prüfung der Theorie. Hierzu lassen sich zwei Aspekte unterscheiden:
theoretische Prüfung,
empirische Prüfung.
Bei der theoretischen Prüfung stellen sich im Wesentlichen folgende Fragen:
Logik: Ist die Theorie logisch konsistent und ohne Widersprüche formuliert?
Dem Satz »Frustration führt zu Aggression« lassen sich keine logischen Fehler nachweisen.
Prüfung bestanden.
Andere Forschung: Gibt es Hinweise in der Literatur, die der Theorie widersprechen?
Auch das war zur Zeit der Entwicklung der Theorie nicht der Fall – im Gegenteil, es gab sogar Vorläuferstudien, deren Ergebnisse gut ins Bild passten und auf die die Autoren auch hingewiesen haben.
Prüfung bestanden.
Präzision der Begriffe: Können die verwendeten Begriffe präzise definiert werden?
»Frustration« bedeutet, dass ein angestrebtes Ziel nicht oder nur verspätet erreicht wird, wie bei einer Zugverspätung der Bahn oder einer langen Schlange an der Essensausgabe in der Kantine.
»Führt zu« beschreibt eine kausale Verknüpfung zwischen Frustration und Aggression in dem Sinn, als Frustration der Auslöser für Aggression ist.
»Aggression« bezeichnet Verhalten, das dazu dient, andere absichtlich zu schädigen, zum Beispiel lautes Anbrüllen, ein Schupsen oder eine obszöne Geste.
Prüfung bestanden.
Geltungsbereich: Wie ist der Geltungsbereich der Theorie?
Offensichtlich ist sie so formuliert, dass sie für alle Menschen und unter allen Bedingungen gilt. Der Geltungsbereich wäre kleiner, wenn sie auf Kleinkinder oder besondere Wetterbedingungen wie Hitze beschränkt wäre. Je größer der Geltungsbereich, desto »attraktiver« die Theorie, weil sie viele Fälle einschließt.
Prüfung bestanden.
Empirische Prüfbarkeit: Ist die Theorie empirisch prüfbar?
Oder anders ausgedrückt: Sind Beispiele denkbar, in denen Frustration nicht aggressives Verhalten auslöst? In der Wissenschaft spricht man von Falsifizierbarkeit. Das ist durchaus der Fall: Statt mit Aggression zu reagieren, kann ein Individuum auf Frustration damit reagieren, dass es anfängt, die Finger an seinen Händen zu zählen oder »Hänschen klein« zu singen.
Prüfung bestanden.
Bis hierhin hat sich die Miller-Dollard-Theorie, oft auch Frustrations-Aggressions-Hypothese (siehe Kapitel 12) genannt, gut bewährt. Es fehlt »nur noch« die empirische Überprüfung, die in der Sozialpsychologie meist als das wichtigste Prüfkriterium angesehen wird.
Der erste Schritt bei der empirischen Überprüfung einer Theorie beinhaltet die »Übersetzung« der theoretischen Begriffe in konkrete, der Erfahrung (Empirie) zugängliche Vorgehensweisen, die hergestellt oder gemessen werden können. Dieser Vorgang heißt Operationalisierung.
Frustration und Aggression müssen also operationalisiert werden. Doch wie gehen Sie dabei vor?
Sie könnten versuchen, Frustration zu messen
, vielleicht mit der Frage »Wie frustriert sind Sie gerade?« und einer Skala von 0 »überhaupt nicht frustriert« bis 10 »mega«. Profis wären mit einer solchen Lösung wohl eher nicht zufrieden: Verstehen alle Befragten unter dem Begriff Frustration dasselbe, gibt es einen »inneren Maßstab« für Frustration und lässt sich das erlebte Gefühl in eine Antwortskala übersetzen? Außerdem ist die Theorie so formuliert, dass Frustration als die Ursache für Aggression gesehen wird: Wenn Frustration und Aggression gemeinsam auftreten, bedeutet das noch lange nicht, dass die Frustration aggressives Verhalten ausgelöst hat.
Sie könnten Frustration gezielt variieren.
Im Alltag gehen Sie analog vor, wenn Sie wissen wollen, ob Shampoo A oder Shampoo B Ihre Haarschuppen erfolgreicher bekämpft: Einmal benutzen Sie Shampoo A und beim nächsten Mal Shampoo B. Im gegebenen Beispiel frustrieren Sie manche Leute und andere nicht. Dann beobachten Sie, ob sich die frustrierten Menschen anders verhalten als die nicht frustrierten.
Sie könnten ein Experiment durchführen.
Wie wäre es damit: In einem Experiment spielen Ihre Versuchspersonen ein Spiel am PC. Wer 10.000 Punkte erreicht, erhält eine Belohnung von 20 Euro. In der Frustrationsbedingung ist der Computer so präpariert, dass er unvermittelt bei 9.998 Punkten abstürzt und die Probanden das angestrebte Ziel nicht erreichen. (Sie sehen: Zur konkreten Operationalisierung von Frustration benötigen Sie ein wenig »sadistische« Fantasie.) In der Bedingung ohne Frustration funktioniert alles perfekt, die Probanden erhalten die erwarteten 20 Euro und erreichen so das angestrebte Ziel.
So viel zur Frustration. Und wie könnte die Aggression operationalisiert werden?
Messen:
Aggression stellt die Wirkung oder Folge der Frustration dar und muss deshalb gemessen werden. Genauso, wie Sie im Beispiel mit den Shampoos nach jeder Haarwäsche den Kopf über dem Küchentisch ausschütteln und die heruntergerieselten Exemplare zählen. Eine simple Skala wie »Wie aggressiv sind Sie gerade?« scheint wiederum nicht so ganz die perfekte Lösung zu sein. Wie wäre es dagegen mit Videoaufnahmen der Reaktionen der Versuchspersonen? Am Ende des Experiments werten Sie die Aufnahmen aus und zählen, wie oft die Versuchspersonen die Versuchsleitung beschimpften oder gar attackierten, mit dem Fuß an den PC-Tisch traten, die Tastatur auf den Tisch schlugen und so weiter.
Vergleichen:
Fällt die Häufigkeit von aggressiven Verhaltensweisen in der Frustrationsbedingung höher aus als in der Bedingung ohne Frustration, hat sich die Theorie in diesem Experiment empirisch bewährt. Prüfung bestanden!
Tatsächlich gibt man sich in der Wissenschaft mit einem einfachen »Häufiger« nach Augenschein nicht zufrieden, sondern wendet statistische Verfahren an, um die Schlussfolgerung aus den Daten auch mathematisch zu begründen. Aber das ist ein Thema der psychologischen Methodenlehre und nicht der Sozialpsychologie.
Empirische Studien der beschriebenen Art werden Experimente genannt. Ein Experiment ist das in der Sozialpsychologie am häufigsten angewandte Verfahren und damit der »Königsweg« zur empirischen Überprüfung von Theorien.
Experimente weisen besondere Charakteristika auf, die die empirische Prüfung einer Theorie unter besonders strengen Bedingungen ermöglichen. Zu den wichtigsten Merkmalen zählen:
Unabhängige Variable
:
Die gezielte Variation derjenigen Variablen, die in der Theorie als Ursache für einen Effekt gesehen wird, in den Beispielen die Frustration und das verwendete Shampoo.
Randomisierung
:
Die Zuweisung der Probanden zu den einzelnen Bedingungen der unabhängigen Variablen durch Zufall. Etwaige Unterschiede zwischen Versuchspersonen, die sie mit in die Situation bringen, gleichen sich damit aus. Beispielsweise sollten sich Menschen mit hoher oder niedriger Aggressionsneigung auf diese Weise gleichmäßig über die experimentellen Bedingungen verteilen. Die zufällige Zuweisung zu den Ausprägungen (auch »Stufen«) der unabhängigen Variablen heißt
Randomisierung
.
Abhängige Variable
:
Das Messen des erwarteten Effekts, in den Beispielen die aggressiven Verhaltensweisen und die Anzahl der Kopfschuppen auf dem Küchentisch.
Kontrolle:
Die Durchführung der Studie unter gut kontrollierten Bedingungen, bestenfalls im psychologischen Labor. Hier finden sich die Probanden vor störenden Einflüssen wie Lärm und Ablenkung geschützt. Bei den Haarschuppen passen Sie auf, dass Sie nicht bei Shampoo A heiß und bei Shampoo B warm föhnen, die Shampoos unter denselben Wetterbedingungen testen und so weiter.
Ethik
:
Die Beachtung ethischer Grundsätze zum Schutz der Versuchspersonen. Hierzu stellen sich Fragen wie: »Darf ich meinen Probanden verschweigen, dass der PC in der Frustrationsbedingung manipuliert ist?« oder »Könnten durch die Frustration Verstimmungen oder gar psychische Schäden auftreten?« Bei der Erwägung ethischer Überlegungen gegenüber dem aus der Studie erwarteten Erkenntnisgewinn sind die Experimentatoren nicht allein gelassen. Ethikkommissionen, an jeder Universität oder bei der Deutschen Gesellschaft für Psychologie zu finden, prüfen Forschungsvorhaben zu diesem Aspekt noch bevor sie durchgeführt werden.