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Spekulationsblasen ziehen sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Finanzmärkte. Die erste bedeutende und dokumentierte Blase entstand im 17. Jahrhundert in Holland als weit bekannte Tulpenmanie. Weitere sollten in den nächsten Jahrhunderten folgen. Doch wie entstehen diese zumeist euphorischen und schlussendlich panikartigen Marktentwicklungen? Und wie konnte es immer wieder passieren, dass diese von Börsenprofis nicht rechtzeitig erkannt wurden? In diesem Buch stehen die Spekulationsblasen als Anzeichen für wiederkehrende und anhaltende Marktanomalien im Fokus der Betrachtung. Rolf J. Daxhammer und Máté Facsar erklären im ersten Teil die Entstehung und Ursachen für die Bildung von Spekulationsblasen sowie die unterschiedlichen Phasen und Arten von Spekulation. Dabei ist es ihnen besonders wichtig aufzuzeigen, dass diese sowohl positive als auch negative Effekte auf die Volkswirtschaften haben. Anschließend stellen die Autoren die wichtigsten Spekulationsblasen, beginnend mit der Tulpenmanie über die Südseeblase bis hin zu aktuellen Entwicklungen an Finanz- und Immobilienmärkten, vor. Der Leser ist somit in der Lage typische Eigenschaften der Kapitalmärkte zu verstehen und die Entwicklung historischer Spekulationsblasen auf Basis des Fünf-Phasen-Modells zu erklären und dieses anzuwenden.
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Seitenzahl: 142
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Rolf J. Daxhammer / Máté Facsar / Zsolt Papp
Spekulationsblasen
Den Turbulenzen am Finanzmarkt auf der Spur 3., überarbeitete und erweiterte Auflage
In der Lehre immer am Zahn der Zeit zu sein, wird in unserer schnelllebigen Zeit immer mehr zur Herausforderung. Mit unserer neuen fachübergreifenden Reihe nuggets präsentieren wir Ihnen die aktuellen Trends, die Forschung, Lehre und Gesellschaft beschäftigen – wissenschaftlich fundiert und kompakt dargestellt. Ein besonderes Augenmerk legt die Reihe auf den didaktischen Anspruch, denn die Bände sind vor allem konzipiert als kleine Bausteine, die Sie für Ihre Lehrveranstaltung ganz unkompliziert einsetzen können. Mit unseren nuggets bekommen Sie prägnante und kompakt dargestellte Themen im handlichen Buchformat, verfasst von Expert:innen, die gezielte Information mit fundierter Analyse verbinden und damit aktuelles Wissen vermitteln, ohne den Fokus auf das Wesentliche zu verlieren. Damit sind sie für Lehre und Studium vor allem eines: Gold wert! So gezielt die Themen in den Bänden bearbeitet werden, so breit ist auch das Fachspektrum, das die nuggets abdecken: von den Wirtschaftswissenschaften über die Geisteswissenschaften und die Naturwissenschaften bis hin zur Sozialwissenschaft – Leser:innen aller Fachbereiche können in dieser Reihe fündig werden.
Prof. Dr. Rolf J. Daxhammer lehrt an der an der ESB Business School in Reutlingen. Seine Lehr- und Forschungsschwerpunkte sind Internationale Finanzmärkte, Investmentbanking, Private Wealth Management, Behavioral Finance und Europäische Integration.
Máté Facsar, Vice President Sales, ist seit 2012 bei FactSet tätig, einem weltweit führenden Anbieter von Finanzdaten und analytischen Anwendungen. In seiner Rolle arbeitet er eng mit Firmen im Asset- und Wealth-Management sowie den Big4 zusammen, was ihm einen tiefen Einblick in die Entwicklung und Anwendung von Behavioral Finance Ansätzen im Finanzsektor ermöglicht. Máté Facsar begann seine berufliche Laufbahn als Bankkaufmann und studierte Internationale Betriebswirtschaft an der ICADE Madrid und der ESB Reutlingen.
Zsolt Papp, Managing Director bei J.P. Morgan, ist ein leitender Anlagespezialist innerhalb der Global Fixed Income, Currency & Commodities (GFICC)-Gruppe. Von London aus ist Zsolt Papp für das Kundenmanagement, das Produktdesign und die Neugeschäftsentwicklung des Emerging Markets Debt-Teams verantwortlich. Er ist seit 2014 angestellt und war zuvor leitender Produktspezialist für Schwellenländer-Anleihen bei Union Bancaire Privée. Mit mehr als dreißig Jahren Branchenerfahrung hatte Zsolt Papp Positionen in Schwellenländern bei Unternehmen wie ABN AMRO und UBS inne. Zsolt Papp erwarb einen Lic.oec.publ. in Wirtschaftswissenschaften an der Universität Zürich.
Umschlagabbildung: © dell Fotolia.com
3., überarbeitete und erweiterte Auflage 2025
2., erweiterte Auflage 2017
1. Auflage 2013 (eBook)
DOI: https://doi.org/10.24053/9783381145720
© UVK Verlag 2025‒ Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KGDischingerweg 5 • D-72070 Tübingen
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Internet: www.narr.deeMail: [email protected]
ISSN 2941-2730
ISBN 978-3-381-14571-3 (Print)
ISBN 978-3-381-14573-7 (ePub)
Als wir die erste Auflage von Spekulationsblasen im Herbst 2012 fertigstellten, waren die Auswirkungen der Finanzkrise von 2008 noch sehr deutlich zu spüren. Die Refinanzierungskosten für europäische Peripherieländer stiegen erneut in gefährliche Höhen – für Länder wie Griechenland, Spanien, Portugal, aber auch Irland bestand die Gefahr vom Kapitalmarkt abgeschnitten zu werden. 13 Jahre später, nach unzähligen Eingriffen seitens der Notenbanken, und nach vielen weiteren, externe Krisen haben weltweit die Aktienmärkte neue Allzeithochs erreicht und mit Kryptowährungen sind neue Anlagevehikel verfügbar, die atemberaubende Kursentwicklungen aufweisen.
Die Frage erscheint berechtigt: Entwickeln sich bereits neue Spekulationsblasen? Die mediale Aufmerksamkeit für Übertreibungen an den Kapitalmärkten ist spätestens seit Oktober 2013 durch die Verleihung des Wirtschaftsnobelpreises an die US-Ökonomen Robert Shiller und Eugene Fama erheblich gestiegen. Sie wurden für Ihre Forschung über die Entwicklung von Aktienkursen und anderen Vermögensklassen ausgezeichnet. In der vorliegenden zweiten, überarbeiteten und erweiterten Auflage haben wir daher ein Versuch unternommen, die Entwicklungen unterschiedlicher Vermögensklassen ab 2012 in das Fünf-Phasen-Modell von Kindleberger/Minsky einzuordnen und hoffen dadurch, das Verständnis für die Entwicklung von Spekulationsblasen zu fördern.
Rolf J. Daxhammer, Máté Facsar, Zsolt Papp
Juli 2025
Im ersten Teil des Buches stehen die Spekulationsblasen als Anzeichen für wiederkehrende und anhaltende Marktanomalien im Fokus der Betrachtung. Sie werden neben der Entstehung und den Ursachen für die Bildung von Spekulationsblasen die unterschiedlichen Phasen und Arten von Spekulationsblasen kennenlernen. Darüber hinaus werden Sie die Rolle des Herdentriebs als Triebfeder von Spekulationsblasen in das Gefüge wiederkehrender Marktanomalien einordnen können. Schließlich werden Sie die bedeutendsten Kapitalmarktanomalien kennenlernen, die teilweise nur kurzfristig andauern, während andere mittel- bis langfristig auf den Kapitelmärkten zu beobachten sind.
Spekulationsblasen – die in der Standarddefinition als eine starke und lang andauernde Fehlbewertung einer finanziellen oder realen Kapitalanlage bezeichnet werden (vgl. Brunnermeier/Oehmke, 2012) – ziehen sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Finanzmärkte. Die erste bedeutende und dokumentierte Spekulationsblase entstand im 17. Jahrhundert in Holland als die weithin bekannte Tulpenmanie. Weitere sollten in den nächsten Jahrhunderten folgen. Wie entstehen jedoch diese zumeist euphorischen und schlussendlich panikartigen Marktentwicklungen? Dieses Kapitel erkundet die Ursachen der immer wiederkehrenden Spekulationsblasen.
Spekulationsblasen entstehen nicht aufgrund eines plötzlichen Ereignisses. Es handelt sich um eine Verkettung vielfältiger Sachverhalte, die zu einer langfristigen Übertreibung der Wertpapierkurse, Anlagepreise oder aber auch der Wirtschaftsaktivität eines Landes führen.
Ein wichtiger Aspekt, welcher berücksichtigt werden muss, um Blasen zu verstehen, ist die soziale Ansteckung durch das Boom-Denken. Sie wird durch die allgemeine Beobachtung und medialer Berichterstattung von schnell steigenden Wertpapierkursen übertragen. In der Folge entstehen Geschichten, die den Glauben an die Fortsetzung des Booms bestärken und ihm immer mehr Glaubwürdigkeit verleihen (vgl. Shiller, 2008, S. 56 ff.). Diese als Feedback-Theorie bezeichnete Entwicklung an den Kapitalmärkten ist eine der Ursachen für SpekulationsblasenSpekulationsblasen.
Alan Greenspan, US-Notenbankchef zwischen 1987 und 2006, erkannte im März 2008 – also nach dem Ende der Hypothekenblase in den USA –, dass es in der Tat „Begeisterung“ und „Spekulationsfieber“ gegeben habe. Er schrieb für die Financial Times:
„Das eigentliche Problem ist, dass unsere Modelle […] immer noch zu einfach sind, als dass sie die gesamte Palette der bestimmenden Variablen erfassen könnten, die hinter der globalen wirtschaftlichen Realität stehen. Ein Modell muss notgedrungen von der vollständigen Detailliertheit der wirklichen Welt abstrahieren.“ (Greenspan, zit. nach Shiller, 2008, S. 42)
Greenspan hat zwar die Realität von Spekulationsblasen anerkannt, jedoch ist er ein Verfechter der Annahme geblieben, dass die formal-mathematischen Modelle die einzigen Möglichkeiten sind, die ökonomischen Vorgänge zu verstehen. Die einzige Beschränkung, die er sieht, sind nicht die Annahmen, die getroffen wurden, sondern die Beschränkung der Menge und Art der Daten sowie unsere Fähigkeit, diese auszuwerten.
Die Aussage Greenspans verdeutlicht im Weiteren, dass die Mehrheit der Ökonomen die Ansteckung der Marktteilnehmer durch Ideen/Geschichten nicht unbedingt für systematisch relevant hält.
Wie bereits Greenspan „Spekulationsfieber“ als Ursache für eine Blasenbildung eingeräumt hat, so lässt sich die gesellschaftliche Ansteckung mit dem Beispiel einer Epidemie oder Pandemie beschreiben – letzteres bezieht sich auf eine Epidemie, die sich über mehrere Kontinente oder sogar weltweit ausbreitet, ein Begriff, der im Rahmen der Corona-Pandemie weithin bekannt geworden ist.
So wie Epidemien brechen auch Spekulationsblasen von Zeit zu Zeit aus. Für die Ausbreitung einer Epidemie wurde eine Theorie entwickelt, welche es den Medizinern ermöglicht, die Epidemie besser zu verstehen: die Epidemiologie.
Diese Theorie basiert im Grunde auf zwei Aspekten. Zum einen die Ansteckungsrate und zum anderen die Abklingrate. Die Ansteckungsrate gibt die Rate an, mit der die Ansteckung von Person zu Person übertragen wird. Die Abklingrate gibt die Rate an, mit der die IndividuenIndividuen genesen oder der Krankheit zum Opfer fallen und daher nicht mehr ansteckend sind. Wenn die Ansteckungsrate die Abklingrate übersteigt, so bricht eine Epidemie aus. Die Ansteckungsrate entwickelt sich auf Basis bestimmter Faktoren – wie z.B. die Witterung. So ist im Winter ist die Ansteckungsrate der Grippe höher, da das Virus aufgrund der niedrigen Temperaturen sich besser ausbreiten kann.
In der Gesellschaft ist die Ausbreitung einer Spekulationsepidemie ähnlich. Früher oder später steigt die Ansteckungsrate aufgrund eines bestimmten Faktors über die Abklingrate und eine optimistische Markteinschätzung breitet sich aus. Die Epidemie gerät im Weiteren außer Kontrolle, sobald die Akzeptanz von Argumenten, welche die steigenden Kurse stützen, in der breiten Gesellschaft zunimmt.
Beispiel 1: Ansteckung durch Interpretation als Form der Meinungsbildung während des Immobilienbooms Mitte der 2000er Jahre
Karl Case und Robert Shiller führten 1988 und 2003 zwei identische Erhebungen unter Hauskäufern in Los Angeles, San Francisco, Boston und Milwaukee durch (vgl. Case/Shiller, 2004). Das Ergebnis verdeutlichte eindrücklich, wie stark die Ansichten über steigende Hauspreise eskalierten und den Immobilienboom befeuerten.
Die mittlere Preissteigerung, welche die Hauskäufer für die nächsten 10 Jahre erwarteten, lag zwischen 11,7 Prozent p.a. und 15,7 Prozent p.a. (Erhebung von 2003). Man beachte, eine Steigerung von 11,7 Prozent bedeutet die Verdreifachung des Immobilienwertes in 10 Jahren.
Die Befragten haben erhebliche Preiszuwächse beobachtet und die Interpretation von anderen Hauskäufern gehört. Sie wurden scheinbar durch diese Interpretation als Form der Meinungsbildung angesteckt.
Das eben aufgeführte Beispiel verdeutlicht zunächst, wie stark die Einschätzung der Marktteilnehmer von anderen InvestorenInvestoren abhängen kann. Ein weiterer zentraler Punkt, der zur Verstärkung einer Spekulationsblase beiträgt, ist die mediale Berichterstattung aber auch, im verstärkten Maße, die sozialen Medien.
Letztere erwiesen sich als maßgeblicher Faktor während der Spekulation auf ein stark „geshortetes“ Unternehmen wie GameStop, welches innerhalb eines Monates (Januar 2021) um 1.600 Prozent stieg. Eine Gruppe von Tradern auf Reddit – einer amerikanischen social media Plattform – vertrat schon seit einiger Zeit die Ansicht, dass der Aktienkurs von GameStop unterbewertet sei. Ihrer Argumentation stand die große Anzahl von Leerverkäufern gegenüber, die die gegenteilige Ansicht vertraten. Die Trader auf Reddit erkannten, dass sie den Aktienkurs durch Medien-Posts hochtreiben konnten, so dass die Leerverkäufer gezwungen waren, Aktien zurückzukaufen, wodurch der Kurs von GameStop zusätzlich in die Höhe getrieben werden würde. Es ist plausibel anzunehmen, dass die Trader ohne die Nutzung einer solchen sozialen Plattform – die mehrere Millionen Nutzer hat – nicht in der Lage gewesen wären, professionelle Wertpapierfirmen zu einem Short Squeeze zu zwingen (vgl. Smith/Wigglesworth, 2021).
Die Medien verstärken ihre Berichterstattung mit zunehmend steigenden Kursen. Die steigenden Kurse wiederum fördern den Glauben an die Geschichte des Booms. Es kommt in Folge zu weiteren Preisanstiegen. Diese Entwicklung wird auch als Preis-Story-Preis-Schleife bezeichnet und kann mit der self-fulfilling prophecy verglichen werden. Bei beiden Phänomenen nehmen die Marktteilnehmer die jeweilige Entwicklung der Wertpapiere vorweg und handeln dementsprechend.
Die beschriebene Feedback-Schleife kann auch in Form von Preis-Wirtschaftsaktivität-Preis-Schleife auftreten. In diesem Fall steigt das Wirtschaftswachstum aufgrund steigender Preise, die durch zunehmenden wirtschaftlichen Optimismus zu weiteren Schleifen führt. Dadurch steigt die Wirtschafsaktivität eines Landes weiter.
Die Entstehung von Spekulationsblasen muss nicht zwangsläufig auf begrenzt rationales Verhalten zurückzuführen sein. Im Anfangsstadium kann die Blase auch als Ergebnis rationalen Handelns betrachtet werden. Dies ist dann der Fall, wenn Marktteilnehmer durch Beobachtung des Verhaltens anderer Marktteilnehmer Informationen erhalten, welche diese anderen durch ihr Verhalten preisgeben. Die rationalen Marktteilnehmer würden ihre Entscheidungen auf das Handeln der anderen Marktteilnehmer gründen und durch die rationale Interpretation Informationskosten sparen und so an der Blasenbildung teilnehmen.
Die anfänglich rational interpretierte Information kann sich jedoch im Nachhinein als irrtümlich beurteilt herausstellen. Dies ist dann der Fall, wenn die rationalen Marktteilnehmer die übertrieben optimistische/pessimistische Ansicht anderer übernehmen und dadurch ihre eigenen, unabhängig gesammelten Informationen missachten. Dieses als Informationskaskade bezeichnetes Verhalten führt zum Absinken der Qualität der Informationen in der Gruppe. Dieser Qualitätsverlust tritt ein, da nun zunehmend Angehörige einer Gruppe ihre unabhängig und persönlich gesammelten Informationen missachten und sich verstärkt auf ihre allgemeine Wahrnehmung konzentrieren. Als Resultat kommen sie nicht mehr in der kollektiven Urteilsbildung der Gruppe vor, wodurch sich die Qualität der Information in der Gruppe zunehmend verschlechtert (vgl. Shiller, 2008, S. 56 ff.).
Durch die allgemeine Beobachtung und mediale Berichterstattung wird das Boom-Denken oft gefördert. In der Folge entstehen Geschichten, die den Glauben an die Fortsetzung des Booms bestärken. Diese als Feedback-Theorie bezeichnete Entwicklung an den Kapitalmärkten ist eine der Ursachen für Spekulationsblasen als Folge ungezügelten Handels von Marktteilnehmern.
In den Anfängen der Behavioral-Finance-Forschung dominierte die Auffassung, dass die Fehler einzelner Marktteilnehmer in der übergeordneten Marktentwicklung nicht weiter ins Gewicht fallen. Diese Sichtweise verkennt jedoch, wie systematisch Preise verzerrt werden können, wenn nicht nur einzelne Anleger, sondern die gesamte Masse der Marktteilnehmer aus dem Markt aus- oder in den Markt einsteigen (vgl. Kitzmann, 2009, S. 22). Hier ist erneut auf die oben beschriebene Kursentwicklung von GameStop hinzuweisen.
Spekulationsblasen basieren, wie im vorherigen Unterkapitel beschrieben, zumeist auf Boom-Geschichten, die durch ihre Verbreitung unter den Anlegern immer mehr Aufmerksamkeit generieren und schlussendlich die Preise in die Höhe treiben. Dabei spielen die Marktteilnehmer, die einander beobachten und sich auch dementsprechend ausrichten, eine große Rolle. Menschen, als soziale Wesen, richten sich nicht nur nach anderen aus, sie suchen auch Leitfiguren und „schwimmen mit dem Strom“. Shiller beschreibt die Bedeutung des Herdenverhaltens wie folgt:
„The meaning of herd behaviour is that investors tend to do as other investors do. They imitate the behaviour of others and disregard their own information.“ (Shiller, zit. nach Redhead, 2008, S. 542)
In der Masse ergeben sich Verhaltensweisen, die eine Spekulationsblase weiter antreiben können. Charles-Marie Gustave Le Bon1, einer der Begründer der Massenpsychologie stellte in seinen Werken La psychologie des foules 1895; The Crowd: A Study of the Popular Mind, 1896; die wichtigsten Aussagen über den Herdentrieb zusammen.
Massen entwickeln eine Kollektivseele – Handlungsweisen werden aufeinander abgestimmt. Es herrscht hohe Verbundenheit innerhalb der Masse.
Gesamtinteresse infiziert Einzelinteressen – emotionale Ansteckung im Rahmen der Feedback-Theorie.
Einfache Gefühle herrschen vor – IndividuenIndividuen in der Masse sind durch Impulsivität und Reizbarkeit gekennzeichnet.
Meinungen und Gerüchte schaukeln sich hoch und führen zu Meinungsbildung auf Basis einzelner Gerüchte, Vermutungen.
Erstaunlicherweise erscheinen diese Aussagen, die vor mehr als 120 Jahren getroffen wurden, heute mit Blick auf die Handlungen zahlreicher Kleinanleger, die sich über soziale Medien gegenseitig bestärken, mehr denn je zutreffend.
Massenphänomene sind ganz besonders beim Platzen einer Blase oder plötzlichen Kursverlusten ersichtlich. In solchen Momenten, wie es auch am 11. September 2001 und in den Folgetagen nach Wiederaufnahme des regulären Handelns an den Weltbörsen oder im Zuge der massiven Kursverluste durch den Ausbruch der Corona-Pandemie im März 2020 zu erkennen war, handelt die Masse bei drohenden Kursverlusten in Panik. Angst ergreift so gut wie alle Marktteilnehmer. Die Wertpapiere werden zu jedem beliebigen Preis veräußert. Durch dieses panikartige Verhalten werden im Laufe des Geschehens weitere Marktteilnehmer zur Veräußerung ihrer Wertpapiere hingerissen, wodurch noch stärkere Verluste verursacht wurden.
Nach Le Bon kennzeichnet sich die Masse durch folgende Charakteristika (vgl. Le Bo/Eisler, 2007, S. 29 ff.):
Schwund der bewussten und Vorherrschaft der unbewussten Persönlichkeit.
Orientierung der Gedanken und Gefühle durch Suggestion sowie Ansteckung durch die anderen Marktteilnehmer.
Tendenz zur unverzüglichen Verwirklichung der suggerierten Ideen.
Von entscheidender Bedeutung bei der Verstärkung von Spekulationsblasen ist, wie die Mehrheit der Marktteilnehmer über eine Information urteilt. In diesem Sinne spielen die bereits beschriebene mediale Berichterstattung und insbesondere die verstärkt genutzten sozialen Medien eine große Rolle. Wurden in der Vergangenheit vermehrt Börsenzeitschriften oder elektronischen Medien für die Ideenfindung für potenzielle Wertpapiergeschäfte verwendet, so spielen heute die sozialen Medien unter der smart-phone-affinen jungen Generation eine wichtige Rolle. Wird nun durch bestimmte Meldungen eine übereinstimmende Wirkung auf die Masse ausgeübt, so verliert die Beachtung der Fundamentalbewertung zunehmend an Bedeutung, und die Wertpapiere werden entsprechend der Analysteneinschätzung oder wie im Januar 2021 gesehen, durch die Einschätzung der Masse in Internetforen, gehandelt. Die Stimmung bestimmt das MarktverhaltenMarktverhalten der InvestorenInvestoren (vgl. Kitzmann, 2009, S. 20 ff.).
HerdenverhaltenHerdenverhalten kann in vier Kategorien unterteilt werden (vgl. Graham, 1999, S. 239 ff. und Daxhammer/Hagenbuch, 2016):
Herdenverhalten auf Basis von Informationskaskaden:Informationskaskaden Marktteilnehmer schließen sich der Meinung der Masse an und ignorieren ihre eigenen privaten Informationen. Dies ist der Fall, wenn die Masse bereits eine Meinung gebildet hat und die eigene Meinung, die Meinung der Masse nicht umstimmen kann.
Herdenverhalten auf Basis von Reputationsinteressen: Aus Sorge um den eigenen Ruf vernachlässigen Marktteilnehmer eigene Informationen und schließen sich der Meinung der Gruppe an.
Herdenverhalten auf Basis von Informationsquellen
