Spiel der Verdammten - Band 1 - 4 - Blieberger Renate - E-Book

Spiel der Verdammten - Band 1 - 4 E-Book

Blieberger Renate

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Beschreibung

Vier romantische Fantasie-Kurz-Romane für Erwachsene

Nach jahrtausendelanger Gefangenschaft in einem magischen Kerker findet die Hexe Altea endlich eine Fluchtmöglichkeit. Dumm nur, dass die über die Erlösung ihrer verhassten Halbbrüder führt, denen sie ihr Leid zu verdanken hat. Ihrer Einsamkeit müde entschließt sie sich, es dennoch zu versuchen und ruft den Herrn der Unterwelt zu sich. An dessen Stelle erscheint jedoch ein abgrundtief hässlicher Verdammter und teilt ihr mit, dass Hades schon lange verschwunden wäre. Er trägt ihr seine Hilfe für ihren Plan an, verlangt dafür aber einen hohen Preis. Als Altea ihn nicht bezahlen will, bietet er ihr an, um seine Hilfe zu spielen. Um dem gefürchteten Preis des Verdammten zu entgehen, muss Altea es schaffen, jeden ihrer Halbbrüder durch die Liebe einer Frau zu erlösen. Ein schwieriges Unterfangen, weil ihre Halbbrüder alle mit einem Makel geschlagen sind, ihr Gegenspieler ihre Bemühungen sabotiert und der äußerlich abstoßende Verdammte sie durch sein einfühlsames Wesen mehr berührt, als ihr lieb ist.

Dieser Sammelband enthält die Bände:
Spiel der Verdammten – Der Schlangenprinz
Spiel der Verdammten – Der Orakelprinz
Spiel der Verdammten – Der Wasserprinz
Spiel der Verdammten – Der Chimärenprinz

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SPIEL

DER VERDAMMTEN

 

Band 1 - 4

 

von

Renate Blieberger

 

Inhaltsverzeichnis

Impressum

SPIEL

DER VERDAMMTEN

Der Schlangenprinz

Prolog

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

Epilog

SPIEL

DER VERDAMMTEN

Der Orakel Prinz

Prolog

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

SPIEL

DER VERDAMMTEN

Der Wasserprinz

Prolog

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

SPIEL

DER VERDAMMTEN

Der Chimärenprinz

Prolog

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

Leseprobe

 

Impressum

 

ALLE RECHTE VORBEHALTEN

2. Auflage 2024

Autor und Herausgeber: Renate Blieberger

Zwischenweg 14, A-2700 Wiener Neustadt

E-mail: [email protected]

Covergestaltung: Photodesign Rene` Brandes

Zur Lustgartenbreite 4a

39365 Harbke Deutschland

www.renebrandes.de

 

SPIEL

DER VERDAMMTEN

 

Der Schlangenprinz

 

 

Prolog

 

 

2000 vor Christi Geburt

 

Amynta ging mit versteinerter Miene, ihre kleine Tochter Altea an der Hand, durch den großen Saal auf ihren König zu. Die Reaktionen der Anwesenden reichten von verlegen abgewandten Gesichtern bis zu offener Häme, aber sie ignorierte sie, ebenso wie das Sträuben des Mädchens an ihrer Hand. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt dem Mann auf dem Thron. Sein Name war Vallon und bis vor Kurzem war er ihr Gemahl gewesen, bis er sie verstoßen und durch eine neue Königin ersetzt hatte.

Als sie gut die Hälfte des Saals durchquert hatte, fuhr er sie an: „Was willst du hier?“

Amynta verneigte sich spöttisch und fragte: „Hat nicht jeder deiner Bürger das Recht, vom König empfangen zu werden? Oder hast du mir neben meinem Rang auch noch meinen Bürgerstatus aberkannt? Falls ja, hat dein Speichellecker vergessen, es mir auszurichten.“

Besagter Speichellecker, einer von Vallons Ratgebern, trat aus der Menge hervor und beschwor sie: „Ich bitte Euch Amynta, seid vernünftig. Ihr wisst es war zum Besten des Königreiches. Der König braucht einen Erben aber ihr habt in fünf Jahren Ehe nur eine Tochter geboren und zwei Fehlgeburten gehabt. Ihr seid mehr als großzügig entschädigt worden.“

Sie lachte hart auf. „Ein kleiner Hof am Rande dieses Reichs, der mich vom Thronsaal fernhalten soll?“ Sie sah zum König und fragte ironisch: „War das deine Idee, oder haben sie es dir eingeflüstert?“

Vallon war bei ihren Worten aufgestanden und knurrte: „Du vergreifst dich im Ton Amynta.“ So war es und es würde sie das Leben kosten, aber das war ein angemessener Preis für den Erfolg ihres Vorhabens.

Sie sah ihm in die Augen und sprach den vorbereiteten Fluch aus: „Ich verfluche eure zukünftigen Söhne König Vallon. Jeder von ihnen wird mit einem schweren Makel geschlagen sein und bis in alle Ewigkeit daran leiden. Nur die aufrichtige Liebe zu einer Frau, die diese Liebe erwidert und bereit ist, trotz seines Makels zu ihm zu stehen wird sie erlösen können.“

Vallon brüllte: „Tötet sie.“ Amynta hörte das Geräusch, mit dem die Wächter neben dem Thron die Schwerter aus den Scheiden zogen. Sie stieß ihre Tochter von sich weg und verknüpfte ihre Lebensenergie mit dem Fluch. Einen Herzschlag später bohrte sich eines der Schwerter in ihre Brust. Der reißende Schmerz wurde mit ihrer Lebensenergie davongetragen, als diese mit dem Fluch aus ihr floss und sich an Vallon heftete. Sie spürte kaum noch, wie sie am Boden aufschlug.

Als die eisige Kälte des Todes sie durchdrang, krächzte sie: „Für dich wird es keinen Erben geben.“

1. Kapitel

 

 

2000 nach Christi Geburt

 

Leandro fluchte herzhaft, als die wilde Ziege vor ihm durch die unsichtbare Barriere schlüpfte. Eine Barriere, die nur ihn stoppte, als ob sie eigens geschaffen worden wäre, um seine Qualen noch zu steigern. Kein abwegiger Gedanke, wenn er seine Geschichte in Betracht zog.

Er war vor sehr langer Zeit als Sohn eines griechischen Königs geboren worden, zumindest hatte seine Mutter es ihm so berichtet, ebenso wie von dem Fluch, der ihn verunstaltet hatte. Er war zwar großteils menschlich, aber seine Augen und seine Eckzähne waren die einer Schlange. Ein Makel, der ihn sein Geburtsrecht gekostet hatte. Er hatte lange an dem Wahrheitsgehalt ihrer Erzählung gezweifelt, denn sein Zuhause war seit jeher die einfache Holzhütte am Fuß des hohen Berges gewesen, wo seine Mutter ihn in der Einsamkeit großgezogen hatte und auch gestorben war. Da sein Äußeres die Menschen abschreckte, war er hier geblieben und hatte sich von der Jagd und seinem Garten ernährt, aber spätestens, als er mit knapp dreißig zu altern aufgehört hatte, war die Wahrheit nicht mehr zu leugnen gewesen. Er war dazu verflucht, bis in alle Ewigkeit als Monster über die Erde zu wandeln. An eine etwaige Erlösung glaubte er schon seit seiner ersten Begegnung mit einer Frau nicht mehr. Nach einigen Jahrhunderten war dann die Barriere erschienen und hatte selbst die unwahrscheinliche Chance darauf zunichtegemacht.

Nach einer Weile, als die Einsamkeit ihn an den Rand des Wahnsinns getrieben hatte, hatte er versucht, seinem Leiden ein Ende zu setzen. Aber der Versuch war ebenso kläglich gescheitert wie seine Fluchtversuche. Jede seiner Wunden heilte wie von Zauberhand und selbst der Versuch, sich zu ertränken, hatte keinen Erfolg gebracht.

Leandro schob die düsteren Erinnerungen beiseite und ging zurück zu seiner Hütte, um sich um das Brennholz zu kümmern. Er mochte nicht sterben können, aber Hunger und Kälte fühlte er wie jeder Andere auch.

 

 

Altea verzog ihre Lippen zu einem hämischen Grinsen, als sie die Ziege vor Leandro durch die Barriere verschwinden sah. Das geschah dem Mistkerl recht, immerhin war er an ihrer Lage schuld, er und seine sechs Brüder. Sie erhob sich vom steinernen Boden, der den magischen Spiegel einfasste, in dem sie regelmäßig ihre verfluchten Halbbrüder beobachtete und ging nach draußen. Der Garten, der die Höhle umgab, mutete mit den üppigen Pflanzen, dem kleinen Teich und den rund ums Jahr warmen Sonnenstrahlen paradiesisch an, aber letzten Endes war er ebenso ein Gefängnis wie die Barriere in der Leandro eingesperrt war.

Hatte ihre Mutter das nicht vorausgesehen, oder war es ihr egal gewesen? Diese Frage hatte Altea sich schon unzählige Male gestellt und es doch nie geschafft, sie zu beantworten. Sie war ebenso eine Hexe wie Amynta es gewesen war, was sie befähigte, ihr Gefängnis erträglicher zu gestalten, als die ihrer Brüder, aber die Einsamkeit mochte nicht mal ihre Magie zu lindern. Ihre einzige Gesellschaft waren die vielen Vögel, die ihren Garten mit Leben erfüllten, doch für die schien sie kaum zu existieren.

Aufgewachsen war Altea im Palast ihres Vaters, wo sie die sieben Geburten ihrer Halbbrüder miterlebt hatte. Wie von ihrer Mutter gewollt war jeder von ihnen mit einem schweren Makel gezeichnet und sobald sich der gezeigt hatte von ihrem Vater verstoßen worden, und zwar mitsamt der Frau, die ihn geboren hatte.

Vallon dieser arrogante Narr hatte geglaubt, den Fluch austricksen zu können, indem er immer wieder eine neue Königin erwählt hatte, manche von ihnen aus den exotischsten Gebieten der damals bekannten Welt. Nach der Geburt des siebenten Sohnes hatte er aufgegeben und einen Nachfolger aus seinen Gefolgsleuten ausgewählt. Altea hatte ihn heiraten müssen, um seinen Anspruch zu rechtfertigen. Heute erinnerte sie sich nicht mal mehr an sein Gesicht. Es war ebenso wie die meisten Erinnerungen in den vergangenen Jahrtausenden aus ihrem Gedächtnis verschwunden.

Von ihrem Vater mit Missachtung gestraft war Altea von ihrer Tante aufgezogen und auch in die Geheimnisse der Magie eingeweiht worden. Als sie mit knapp dreißig zu altern aufgehört hatte, war sie zuerst als Gesegnete der Götter verehrt worden, aber irgendwann war sie den Menschen unheimlich geworden und hatte sich diesen magischen Zufluchtsort geschaffen, um wenigstens zeitweise ihrem Misstrauen entgehen zu können. Seit der Fluch dann irgendwann die Barrieren erschaffen hatte, war sie hier gefangen, dazu verdammt, die Welt nur noch zu beobachten.

Zuerst hatte es sie ausreichend befriedigt, das Leid ihrer Halbbrüder mit anzusehen, aber irgendwann war selbst dieses Vergnügen schal geworden. Sie war nun seit vier Jahrtausenden auf dieser Welt und sie hatte genug. So sehr sie ihren Brüdern ihr Leid vergönnte, wenn sie selbst jemals frei sein wollte, musste sie für deren Erlösung sorgen. Zum Glück hatte sie in den vergangenen Jahrzehnten einen Weg gefunden, wie sie das mit Hilfe aus der Unterwelt bewerkstelligen konnte. Aber das größte Problem war die richtigen Frauen zu finden. Denn welche Frau wäre schon fähig, sich in solche abstoßenden Monster zu verlieben? Aber sie hatte eine vielversprechende Kandidatin gefunden und sie eine Weile beobachtet. Es wurde Zeit einen Versuch zu starten.

Altea ging wieder in die Höhle und kniete sich vor den magischen Spiegel. Eigentlich war es kein Spiegel, sondern eine Vertiefung, die mit Wasser gefüllt war. Sie vermochte damit Blicke in viele Welten zu werfen, die Unterwelt jedoch war den Lebenden verschlossen. Aber sie konnte durch das Wasser einen Ruf aussenden. Sie steckte die Fingerspitzen ihrer linken Hand ins Wasser und dachte an den Herrscher der Unterwelt und rezitierte: „Hades Herr über die Toten und Verdammten, als Gläubige erflehe ich deine Hilfe. Nimm mein Blut als Opfer und erhöre mich.“ Bei den letzten Worten griff sie nach dem Dolch an ihrem Gürtel und zog die scharfe Klinge in einem raschen Schnitt über die Handfläche ihrer linken Hand. Sie sog hart die Luft ein, als der Schmerz in ihr Fleisch biss, und sah zu, wie das Blut über ihre Finger in das Wasser tropfte. Tropfen für Tropfen färbte das Wasser sich um ihre Hand herum immer rötlicher, bis die Oberfläche endlich in Wallung geriet. Altea zog die Hand aus dem Wasser, wich ein paar Schritte zurück und sank demütig auf die Knie, den Blick zu Boden gerichtet.

Nach einer Weile hörte sie das Lodern von Flammen und spürte die Hitze des Feuerballes, der sich aus dem magischen Spiegel erhob und die Ankunft des Gottes ankündigte. Trotz ihrer Neugier sah sie weiter demütig zu Boden, um den Herrn der Unterwelt nur ja nicht zu verärgern. Sie spielte gerade zum wohl tausendsten Mal ihre zurechtgelegten Worte im Kopf durch, als die Hitze erlosch und sie ein hartes Klicken auf dem Steinboden hörte. Was war das? Sie wartete angespannt, aber da der Gott sie nicht ansprach, spähte sie schließlich verstohlen nach oben und riss erschrocken die Augen auf. Jemand war ihrem Ruf gefolgt, aber mit Sicherheit nicht Hades. Das Geschöpf vor ihr war von abstoßender Hässlichkeit. Seine Augen, die in einem von Narben entstellten Gesicht saßen, glühten wie Feuer, sein Haar war nur eine Nuance dunkler und hüllte einen muskulösen männlichen Oberkörper ein, der ganz anziehend gewirkt hätte, wenn seine Hände nicht in spitzen Klauen ausgelaufen wären und der Rumpf in den Unterkörper eines Satyrs gemündet hätte. Als Krönung dieser Abscheulichkeit hatte er auch noch einen schuppigen Schwanz, der umher peitschte. Bekleidet war er nur mit einer Art Lendenschurz. Er musterte sie anzüglich und grinste: „Na sieh mal einer an, was für ein hübsches Vögelchen mich da herbeigerufen hat.“

Altea sprang empört auf und fauchte: „Ich habe nicht dich gerufen, sondern den Gott Hades.“

Er brach in meckerndes Gelächter aus und schnaubte schließlich: „Der gewährt schon seit geraumer Zeit keine Audienzen mehr.“

„Was soll das heißen?“, herrschte sie ihn an.

Das Geschöpf sah sich neugierig um und meinte dann: „In deinem kleinen Kokon hast du es vielleicht nicht mitbekommen, aber unsere Götter haben uns schon lange verlassen.“

Sie widersprach heftig: „Du lügst. Sie sind unsterblich.“

Er zuckte die Schultern. „Mag sein, aber ihre Macht ziehen sie aus der Anbetung ihrer Anhänger und heute glaubt kaum noch einer an sie. Eines Tages war er verschwunden und hat uns Verdammten allein in unseren kleinen persönlichen Höllen zurückgelassen. Ich bin alles, was du bekommen wirst.“ Altea schluckte. Diese Komplikation hatte sie nicht vorausgesehen. Natürlich war ihr die Veränderung der Welt aufgefallen, aber sie hatte fest an die Gegenwart der alten Götter geglaubt, zumindest theoretisch, gebetet hatte sie schon lange nicht mehr zu ihnen. Ihre Gedanken rasten, auf der Suche nach einer Lösung. Sie musste diesen verdammten Fluch trotzdem brechen. Sie musterte das Geschöpf prüfend. Es sah abscheulich aus, aber immerhin hatte es die Grenzen ihres Gefängnisses überwinden können.

Sie räuspert sich und fragte: „Kannst du die Grenzen aller Reiche überwinden, auch mit Passagieren?“

Er schenkte ihr ein zynisches Grinsen, das sein vernarbtes Gesicht noch mehr verzerrte. „Du bist durch den Fluch an dieses Gefängnis gebunden. Niemand kann dich von hier wegbringen, ehe deine Brüder erlöst sind.“

„Du weißt davon?“, fragte sie misstrauisch.

Er lachte: „Amyntas Fluch ist in der Unterwelt wohl bekannt, ebenso wie Vallons Dummheit. Aber wie gesagt, ich kann dir nicht zur Flucht verhelfen.“

Sie schnappte: „Das weiß ich. Ich meinte andere Menschen.“

„Möglich, aber warum solltest du das wollen?“, fragte er neugierig.

„Ich will meine Brüder erlösen“, erwiderte sie ruhig.

„Wie nobel von dir“, spöttelte er. „So viel Güte hatte ich von Amyntas Tochter gar nicht erwartet.“

Altea biss frustriert die Zähne zusammen und fauchte: „Mach dich nicht über mich lustig. Die Monster sind mir egal, ich will nur meine Freiheit.“

„Natürlich“, erwiderte er ironisch. „Aber wieso sollte ein Monster wie ich dir helfen?“ Altea unterdrückte einen Fluch. Wie viel Pech konnte ein Mensch eigentlich haben?

Sie fragte eisig: „Also schön, was willst du für deine Hilfe?“ Er kam auf sie zu, bog aber ab, bevor er sie berührte, und umkreiste sie. Altea schauderte, als sie seinen Blick hungrig über ihren Körper wandern fühlte.

Schließlich blieb er stehen und strich mit einer klauenbewehrten Hand ihr hüftlanges Haar überraschend sanft zur Seite, beugte sich zu ihrem Ohr und flüsterte ihr zu: „Du bist ein so hübsches Vögelchen Hexe und ich durfte so lange keine Frau mehr berühren.“ Altea erstarrte, als sie seine Absicht zu ahnen begann. Er gab ihr Haar frei, und trat wieder vor sie. „Ich kann die Welten beliebig durchstreifen und Leute in eure magischen Sphären holen, aber wenn ich dir helfen soll, will ich dich in meinem Bett haben.“ Altea wich mit einem Aufkeuchen zurück. Allein die Vorstellung, diese Krallen, diese vernarbten Lippen und seinen haarigen Unterkörper an ihrer nackten Haut zu spüren jagte Ekelschauer durch ihren Körper.

Sie würgte hervor: „Vergiss es, lieber bleibe ich für alle Ewigkeit hier.“ Sie meinte Schmerz über seine Fratze huschen zu sehen, aber es war zu schnell vorbei, um sich sicher zu sein.

Er trat einen Schritt von ihr zurück und erwiderte ironisch: „Die Ewigkeit dauert lange Hexe. Aber ich gebe dir eine Chance, ihr zu entrinnen, ohne mein Lager teilen zu müssen.“

„Welche?“, fragte Altea misstrauisch.

Er erklärte: „Ein Spiel, besser gesagt eine Wette. Du willst sieben Brüder erlösen also brauchst du mindestens sieben Mal meine Dienste, falls du die falsche Wahl treffen solltest, sogar öfter. Ich helfe dir, so oft du willst, aber wir wetten jedes Mal, ob der Fluch gebrochen wird. Gewinnst du, kostet meine Hilfe nichts, gewinne ich, bekomme ich einen Preis. Zuerst nur einen kleinen Preis, aber mit jeder Niederlage wird der Nächste höher, bis ich habe, wonach es mich verlangt, oder du frei bist. Es sind sieben Brüder und die Woche hat sieben Tage, also wird jede Wette maximal sieben Tage dauern.“

Altea unterbrach ihn empört: „Sich innerhalb von sieben Tagen zu verlieben ist so gut wie unmöglich. Das wäre keine faire Wette.“

Er antwortete ruhig: „Man kann sich durchaus auf den ersten Blick verlieben, aber du hast recht, die Meisten würden es nicht tun, schon gar nicht unter diesen Umständen. Doch das verlange ich gar nicht. Du kannst dich als Gewinnerin betrachten, wenn die betreffende Frau sich nach diesen sieben Tagen weigert, ihn allein zurückzulassen, wenn ich ihr den Heimweg anbiete. Um es spannender zu machen, darf jeder von uns zwei Mal eingreifen, jedoch ohne uns zu zeigen oder ihre Gefühle zu manipulieren. Ich werde mit meiner Gabe deinen magischen Spiegel mit Leandros Welt verbinden, damit du dort deine zwei Zauber wirken kannst. Also wie sieht es aus?“ Alteas Gedanken überschlugen sich. Wenn sie eine gute Auswahl traf und dann noch eingreifen durfte, könnte sie es schaffen, ohne sich diesem Monstrum hingeben zu müssen.

Sie fragte hart: „Was wäre der erste Preis?“

Er erwiderte amüsiert: „Nur ein Kuss, jedoch kein platonischer.“

Sie hakte nach: „Und wenn ich das Spiel abbrechen will?“

„Das steht dir jederzeit frei, meine Schöne.“ Altea würgte den Klos in ihrem Hals hinunter, einen Kuss oder etwas mehr, falls etwas schieflaufen sollte, würde sie schon ertragen.

Sie erwiderte fest: „Abgemacht.“

Ein anzügliches Lächeln, das ihr den Magen umdrehte, legte sich auf seine Lippen, als er erwiderte: „Gut, dann lass uns anfangen.“

2. Kapitel

 

 

Angela stützte sich auf ihrem rechten Knie ab und dehnte sich ausgiebig und seufzte genüsslich. Das Wetter am heutigen Morgen war wie geschaffen für eine ausgiebige Joggingrunde im Park. Der tägliche Lauf machte die folgenden acht Stunden im Bürosessel erträglicher. Wäre es nach ihr gegangen, hätte sie einen Job im Sportbereich gehabt, oder zumindest einen im Freien. Aber wer konnte sich das heute schon aussuchen? Sie schob die deprimierenden Gedanken beiseite und lief los. So früh am Tag gehörte der Park nahezu ihr allein. Es gelang ihr fast, sich vorzustellen tatsächlich in einem echten Wald zu laufen, als plötzlich ein prasselndes Geräusch an ihre Ohren drang. Angela blieb stehen und sah sich besorgt um. Es hörte sich wie ein Feuer an. Hatte irgendein Idiot ein Lagerfeuer gemacht? Das Geräusch kam von ihrer rechten Seite. Sie verließ den Weg und schob sich durch die Büsche, die den Wegrand säumten. Vor ihr in der Luft schwebte eine mannshohe Flammenkugel, ohne den Boden zu berühren. Was zur Hölle war das denn? Plötzlich bekam sie von hinten einen Stoß, der sie direkt in die Flammen beförderte.

Angela schrie vor Schreck auf, nur um gleich darauf verblüfft die Augen aufzureißen. Sie lag unversehrt am Boden, aber definitiv nicht mehr im Park. Sie fuhr herum, sah aber weder den Flammenball noch den Park. Unter ihr war kiesiger Boden, der lediglich von ein paar Gräsern bewachsen war. Ein paar Meter auf ihrer rechten Seite entdeckte sie einen kleinen Bach, von dem ein munteres Plätschern erklang. Sie stöhnte: „Okay, das ist selbst für New York verrückt.“

 

 

Leandro war gleich nach seinem kargen Frühstück zum kleinen Bach aufgebrochen, um mit ein wenig Glück einen Fisch zu fangen. Er glaubte seinen Augen nicht trauen zu können, als plötzlich ein Feuerball auf dem kiesigen Gelände am anderen Ufer des Bachs in der Luft schwebte und fluchte: „Was ist das wieder für ein Hexenwerk?“ Einen Herzschlag später stürzte eine Gestalt recht unelegant aus dem Feuer zu Boden, dann erloschen die Flammen, als ob sie nie da gewesen wären. Er legte sich flach auf den Boden und spähte zu dem Ankömmling hinüber. War es eine neue Quälerei für ihn? Zum Glück sah er erheblich besser als die Schlangen, deren Augen er hatte. Die Gestalt schien nicht verletzt zu sein, denn nach einer Schrecksekunde sprang sie auf, was erneut einen Fluch über Leandros Lippen trieb. Sein Besucher war eine Frau, das konnte er trotz der fremdartigen Kleidung eindeutig erkennen, sie umschmiegten ihren Körper nämlich mehr als eng und was für einen Körper. Sie war gertenschlank, hatte aber weiblich gerundete Hüften und schön geformte Brüste. Ihr hübsches Gesicht wurde von einer glatten, halblangen, blonden Frisur umrahmt. Hatten die Götter sie geschickt, um ihn zu verhöhnen? Er blieb in Deckung und beobachtete, wie sie sich suchend umsah, um dann von ihm weg direkt auf die Barriere zu zugehen. Gut, dann war er diese Komplikation gleich wieder los.

Sie näherte sich ihr mit zielstrebigen Schritten, nur um plötzlich gegen eine unsichtbare Wand zu prallen. Sie hob die Hände und versuchte, sie nach vorne zu schieben, aber auch das blieb ohne Erfolg. Leandro stöhnte gequält auf. Sie war auch hier eingesperrt und ihrer Reaktion nach, hatte sie keine Ahnung, warum. Er murrte: „Als ob es nicht reichen würde, wenn ihr mich quält“, erhob sich und ging auf sie zu. Das Knirschen seiner Schritte auf dem Kiesboden ließ sie zu ihm herumfahren, als er bis auf ein paar Meter an sie herangekommen war. Sie sah ihn an und wich mit einem Aufkeuchen zurück, nur um wieder gegen die Barriere zu prallen. Er sagte möglichst sanft: „Bitte hab keine Angst, ich will dir helfen.“

 

 

Angela kam sich vor, wie in einem besonders scheußlichen Albtraum. Sie hatte keine Ahnung, wo sie war, wie sie hergekommen war und vor allem nicht, wieso sie nicht hier weg konnte. Als sie ein Knirschen hinter sich hörte, wirbelte sie alarmiert herum und sah sich dem Blick von zwei Schlangenaugen ausgesetzt, die in einem menschlichen Gesicht saßen. Sie wich mit einem Aufkeuchen zurück, prallte aber sofort wieder gegen die unsichtbare Wand. Zum Glück war er stehen geblieben. Er sagte überraschend sanft: „Bitte hab keine Angst, ich will dir helfen.“ Angela schluckte krampfhaft und musterte ihn misstrauisch. Abgesehen von den Reptilienaugen wirkte er menschlich. Sie schätzte ihn auf Ende zwanzig, er war einen halben Kopf größer als sie und schlank gebaut, zumindest soweit sie das unter den losen Klamotten beurteilen konnte. Sie waren offenbar aus Häuten und Fellen zusammengenäht und saßen nicht gerade hauteng. Er hatte tiefschwarzes Haar, das ihm in großen Locken bis zu den Schultern floss. Seine Haut war bronzefarben und abgesehen von den Augen hatte er durchwegs attraktive Gesichtszüge. Wer war der Kerl und vor allem was hatte sie von ihm zu erwarten?

Er versuchte es noch mal: „Ich heiße Leandro. Wie ist dein Name?“ Am liebsten wäre sie weggelaufen, aber das konnte sie ganz offenbar nicht.

Sie räusperte sich und krächzte: „Ich heiße Angela und es mag merkwürdig klingen aber ich habe keine Ahnung, wie ich hierhergekommen bin oder wo ich überhaupt bin.“

Er erwiderte ernst: „Merkwürdig ist das richtige Wort. Du bist hier in einer Art magischem Gefängnis, meinem Gefängnis.“ Verdammt. Der Kerl war wahrscheinlich irgendein genetisches Experiment und man hatte sie als Versuchskaninchen hier eingesperrt. Sie musste hier weg, und zwar flott.

Sie räusperte sich noch mal und antwortete gespielt locker: „Es war nett, dich zu treffen, aber ich muss jetzt weiter.“

Er widersprach: „Du kannst nirgendwo hin.“ Angela warf sich herum und rannte auf den Bach zu. Sie hörte ihn hinter sich fluchen, sah sich aber nicht um, sondern hetzte weiter.

Als sie das Wasser berührte, packte er sie plötzlich von hinten und versuche, sie festzuhalten. Angela kreischte vor Angst auf und schlug nach ihm. Er knurrte: „Jetzt hör schon auf mit diesem Blödsinn. Du bist genauso hier gefangen wie ich und es wird hier nachts eisig kalt. Du musst mitkommen.“ Von wegen. Sie trat so fest sie konnte gegen sein Schienbein. Er brüllte auf und gab sie endlich frei. Sie rannte sofort wieder los. Er schrie ihr hinterher: „Dann erfrier doch du stures Weib.“

 

 

„Das ist ja nicht eben gut gelaufen“, spöttelte der Verdammte. „Willst du vielleicht gleich einen deiner beiden Zauber benutzen?“ Altea warf ihm einen bösen Blick zu. Natürlich war die arme Frau entsetzt gewesen. Aber Altea hatte sie seit Tagen beobachtet und wusste um Angelas weiches Herz. Zu gegebener Zeit würde ihr Mitleid sie zu Leandro treiben, dann war immer noch Zeit einzugreifen.

Sie erwiderte kalt: „Wozu? Das war erst der erste Kontakt. Welche Frau würde bei dem Anblick so eines Monsters nicht erst mal die Flucht ergreifen?“

Der Verdammte antwortete ironisch: „Er ist weit hübscher als ich mein Vögelchen.“

Altea fauchte: „Hör endlich auf, mich Vögelchen zu nennen.“

Er lachte auf. „Du hast mich nicht mal nach meinem Namen gefragt, warum also sollte ich mir die Mühe machen, dich bei deinem anzusprechen?“

Sie seufzte: „Also schön Verdammter, wie heißt du?“

Er legte sich eine Hand an die Brust, verbeugte sich galant und antwortete: „Man nennt mich Lysandros.“

Altea schnappte: „Schön, Lysandros, da sie ja erst mal sieben Tage hierbleiben und wohl nicht so schnell zu ihm gehen wird, kannst du fürs Erste verschwinden.“

Er lachte: „Und mich damit der Freude deiner Gesellschaft berauben? Das fällt mir gar nicht ein.“

„Meine Gesellschaft ist keine Freude“, widersprach sie bissig.

Er lachte: „Bei deinem momentanen Benehmen ist das leider wahr. Aber ich bin neugierig und erhoffe mir ein paar Erkenntnisse über dich, wenn ich hierbleibe.“

Sie starrte ihn ungläubig an und fragte: „Welche Erkenntnisse denn?“

Er erklärte: „Zum Beispiel warum du deine Brüder so verachtest. Nehmen wir mal Leandro. Seine Augen und Eckzähne machen ihn fremdartig, aber nicht wirklich abstoßend und dennoch nennst du ihn Monster, warum hasst du deine Brüder so?“

Sie fauchte: „Halbbrüder.“

„Nun gut, warum hasst du deine Halbbrüder so?“, hakte er nach.

„Weil sie mein Leben ruiniert haben“, presste sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

Er zog eine Augenbraue, die zwischen seinen Narben kaum zu sehen war, hoch und spöttelte: „Tatsächlich. Wie haben sie das denn angestellt?“

„Indem sie geboren wurden. Jedes Mal ist der ganze Hofstaat samt meinem Vater neun Monate lang um diese schwangere Kuh von falscher Königin herumscharwenzelt und hat mich wie Luft behandelt.“ Sie funkelte ihn in Erwartung einer spöttischen Antwort wütend an.

Aber er erwiderte sanft: „Arme Altea, deine Kindheit muss schlimm gewesen sein. Nicht geliebt zu werden ist für jeden schmerzhaft, aber für ein Kind ist es am grausamsten.“

„Was weiß ein Verdammter schon von Kindern und der Liebe?“, fauchte sie wütend.

Er schwieg kurz und erwiderte dann bitter: „Ich war einst ein Mensch Altea.“ Das überraschte sie, doch sie hielt ihre Miene unter Kontrolle und wandte sich ab. Sie hatte genug eigene Probleme und wollte sich nicht mit denen anderer Leute beschäftigen. Schließlich hatte sich auch nie jemand um ihre Probleme gekümmert.

Er fragte ruhig: „Willst du nicht wissen, warum man mich so gestraft hat?“

Sie murrte: „Nein. Ich will nur, dass du deinen Teil des Handels einhältst und aufhörst, Fragen zu stellen.“

„Weil du sonst deine Gefühle hinterfragen müsstest?“, fragte er entnervend ruhig.

Sie murrte: „Halt einfach den Mund.“

 

 

Etliche Stunden später

 

Inzwischen war die Sonne untergegangen und ohne ihre Strahlen war es empfindlich kühler als am Tag. Leandro saß an seinem Feuer, über dem der Topf mit dem Gemüseeintopf köchelte, aber seine Gedanken wanderten zu der Fremden. Sie hatte sicher längst festgestellt, dass sie an keiner Stelle durch die Barriere konnte, aber sie war dennoch nicht bei seiner Hütte aufgetaucht. Hatte sie den Weg nicht gefunden, oder war sie zu stur? Dabei fror sie mit Sicherheit, ihre fremdartigen Kleider hatten nämlich nicht eben warm gewirkt und Hunger hatte sie vermutlich auch. Leandro schimpfte laut: „Das ist allein ihre Schuld. Immerhin hatte ich sie gebeten, mit mir zu kommen.“

Die gehässige kleine Stimme in seinem Hinterkopf verspottete ihn: „Kein Wunder, du hast sie vermutlich zu Tode erschreckt.“ Leandro verbiss sich eine Antwort. Mit sich selbst zu streiten wäre einfach zu verrückt gewesen, aber das hinderte ihn nicht daran, immer weiter an sie zu denken. Schließlich stand er auf, schnappte sich seufzend eine seiner Felldecken und machte sich auf die Suche nach ihr.

Er fand sie eine gute Stunde später, bei dem Versuch, ein Nachtlager zu bauen. Sie schichtete gerade einige große Steine aufeinander, vermutlich um sich eine Art Windfang zu bauen. Fast gegen seinen Willen stieg Respekt in ihm auf. Sie gab offenbar nicht so schnell auf. Als er sich ihr bis auf einige Meter genähert hatte, sprang sie auf und fauchte: „Bleib weg von mir“, dabei griff sie nach einem der kleineren Steine vom Windfang. Ein Stich fuhr durch Leandros Herz. War er wirklich so abscheulich, dass sie lieber hier fror, als sich von ihm helfen zu lassen? Dann sollte sie doch zum Tartarus fahren.

Er warf die Decke vor sich zu Boden und knurrte: „Ich habe nur keine Lust, deine Leiche hier drinnen verfaulen zu sehen. Hier, damit du nicht erfrierst. Falls du irgendwann einen Hauch von Vernunft annehmen solltest, meine Hütte ist ungefähr eine Stunde östlich von hier. Dort habe ich etwas zu essen“, drehte sich um und stapfte davon.

 

 

Angelas Herz hämmerte wie verrückt, als sie ihn in der Dunkelheit verschwinden sah. Sie hatte viel zu lange damit gewartet, sich ein Lager zu bauen, weil sie bis zum Sonnenuntergang nach einer Fluchtmöglichkeit gesucht hatte. Aber diese unsichtbare Wand hatte einfach keine Lücke. Sie musste sich morgen dringend etwas trockenes Holz suchen und ein paar kleine scharfkantige Steine, mit denen sie hoffentlich Feuer machen konnte, es war nämlich inzwischen lausig kalt und ihr Magen knurrte auch schon vernehmlich. Sie wartete einige Minuten und ging dann zu dem Bündel, dessen weiße Flecken aus der Dunkelheit hervorstachen. Aus der Nähe erkannte sie ein Fell. Sie stieß es erst mal mit dem Fuß an. Als nicht passierte, hob sie es an einer Ecke vorsichtig hoch und schüttelte es, aber es war wirklich nur ein Fell. Sie warf es sich über die Schultern. Es war lang genug, um sie bis zu den Knien zu bedecken. Sie zog es vor ihrer Brust zusammen, was sofort den kühlen Wind abhielt. Es war innen sorgfältig gegerbt worden und hatte auch keinen unangenehmen Geruch. Sie hatte keine Ahnung, warum er ihr die Decke gebracht hatte, aber sie war entschieden zu verzweifelt, um sie nicht zu benutzen. Sie ging zu ihrem halb fertigen Windfang zurück und kauerte sich dahinter. So war es halbwegs warm, wenn sie nur nicht so hungrig gewesen wäre. Ob sie vielleicht doch zu seiner Hütte gehen sollte? Sie quälte sich hoch und tappte nach Osten. Nach einigen Hundert Metern hörte sie plötzlich wieder das Lodern von Flammen. Sie fuhr zu dem Geräusch herum und sah einige Meter rechts von sich wieder einen Feuerball, aber diesmal war er nur halb so groß. Sie stürzte dennoch darauf zu, aber er verschwand vor ihrer Nase und an seiner Stelle lag ein ausgerissener Strauch, der auf ihrem Herweg mit Sicherheit nicht da gewesen war, denn er war voller Brombeeren. Sie roch vorsichtig an den Beeren, aber sie rochen tatsächlich wie Brombeeren. Sie pflückte sie hastig und stopfte sie sofort in ihren Mund, ehe der Strauch unter Umständen wieder verschwand. Als sie satt war, verstaute sie den Rest in ihrer Gürteltasche, die sie zum Glück beim Joggen immer trug.

Als die letzte Beere gepflückt war, stand sie wieder auf. Sie war nun satt und sie fror nicht mehr, aber das lenkte ihre Gedanken zu anderen Problemen. Sie konnte offenbar wirklich nicht von hier weg. Also sollte sie sich wohl oder übel ein genaueres Bild von ihrem Mitgefangenem machen. Da sie ohnehin zu aufgekratzt zum Schlafen war, konnte sie das genauso gut jetzt machen. Vorsichtshalber riss sie eine der dornigen Ranken von dem Strauch ab. Die konnte sie notfalls als Waffe benutzen, falls er sich doch noch als Gefahr erweisen sollte.

Sie ging nach Osten, bis sie den Schein eines Feuers ausmachte, und schlich langsam darauf zu, bis die Umrisse einer kleinen Hütte sich aus der Dunkelheit schälten. Sie legte sich flach auf den Boden und spähte angestrengt nach vorne. Die Hütte war nicht besonders groß, vielleicht dreißig Quadratmeter, falls überhaupt. Ihre Rückseite schmiegte sich an große Felsen, die den Fuß eines Berges bildeten und seitlich konnte sie einen Stapel Brennholz erkennen. Im Vordergrund war ein Feuer, auf dem ein Kochkessel hing. Leandro saß auf einem hölzernen Schemel davor und rührte in dem Topf. Seine Züge wurden vom Feuerschein beleuchtet, was seine geschlitzten Augen wie Rückstrahler leuchten ließ, nur waren es grüne Rückstrahler. Er hatte ein ähnliches Fell um den Schultern, wie sie selbst. Seine Miene war angespannt, aber das mochte auch von dem wenig appetitlichen Geruch aus dem Topf kommen. Es roch vage nach Gemüse, aber das war es auch schon. Schlechtes Gewissen regte sich in Angela. Er hatte offenbar selbst nicht viel und dennoch hatte er ihr das Fell gebracht und ihr von seinem Essen angeboten. Die leckeren Beeren fühlten sich plötzlich wie Blei in ihrer Gürteltasche an. Sie stand auf und räusperte sich vernehmlich. Er sah zu ihr und schnaubte: „Ist dein Hunger also doch stärker, als dein Sturkopf?“ Angela verdrehte die Augen. Er mochte ein gutes Herz haben, aber seine Umgangsformen waren eine Katastrophe.

Sie widersprach: „Eigentlich habe ich etwas für dich.“

Er stand auf und fragte ironisch: „Was könnte das wohl sein?“

Angela ging auf ihn zu, blieb vor ihm stehen, zog einige Beeren aus der Tasche und sagte ruhig: „Ich habe die hier gefunden und dachte, wir könnten sie teilen, als Gegenleistung für das Fell und das Essensangebot.“ Er starrte ungläubig auf ihre Hand, bewegte sich aber nicht. Angela fügte hinzu: „Die sind wirklich lecker“, und steckte sich als Beweis eine davon in den Mund.

Er stieß hervor: „Wo hast du die her?“

Sie schluckte und erwiderte dann: „Es klingt vermutlich schon wieder irre, aber ich bin einem Feuerball gefolgt und da war dann plötzlich der Strauch. Ich schätze mein Entführer hat wohl Erbarmen mit mir gehabt.“

„Aber warum willst du sie mit mir teilen?“, fragte er ungläubig und starrte sie immer noch an, als ob er ein Wundertier vor sich hätte.

Angela erklärte: „Du hattest mir dasselbe angeboten.“

„Ich hätte nie von den Beeren erfahren, wenn du sie einfach gegessen hättest. Du hättest sie für dich behalten und morgen trotzdem auf meine Vorräte zugreifen können“, hielt er dagegen.

Angela stöhnte: „Du lieber Himmel, für was hältst du mich denn? So eine Nummer ziehe ich nicht ab. Wie es aussieht, sitzen wir hier gemeinsam fest. Ich halte es für vernünftiger, wenn wir zusammenarbeiten.“

Er warf ihr vor: „Davon wolltest du vorher am Bach und später bei deinem Lager aber nichts wissen.“

Sie seufzte: „Tut mir leid, aber du hast mich erschreckt.“

„Natürlich“, erwiderte er bitter und drehte sich von ihr weg. Angela sah, wie seine Muskeln sich dabei verspannten, und bekam prompt wieder ein schlechtes Gewissen.

Sie sagte leise: „Du hast mich erschreckt, aber das hätte in der Lage ein völlig normaler Kerl auch getan. Ich wusste ja nicht, was du vorhast.“

„Das weißt du jetzt auch nicht“, erwiderte er abweisend.

„Immerhin bist du eine Stunde durch die Dunkelheit gelaufen, um mir ein Fell zu bringen und du hast auch nicht versucht, deinen faden Eintopf mit meinem Fleisch aufzupeppen, also schätze ich du hast nicht vor, mich umzubringen oder etwas ähnlich Finsteres. Könnten wir noch mal neu anfangen? Ich heiße Angela. Freut mich dich kennenzulernen.“

Er wandte sich wieder zu ihr um und sah misstrauisch auf ihre ausgestreckte Hand. Angela erklärte verlegen: „Wo ich herkomme, gibt man sich zur Begrüßung die Hand, bei euch wohl eher nicht.“

Er erwiderte düster: „Mir hat man nie irgendetwas gegeben. Meinen Namen kennst du ja schon. Bitte setz dich, am Feuer ist es wärmer.“

 

 

Altea starrte wie gebannt in ihren magischen Spiegel, der ihr Angela und ihren Halbbruder am Feuer zeigte, die gemeinsam die restlichen Beeren verspeisten. „Da habe ich mich wohl verrechnet“, holte Lysandros seufzende Stimme sie aus ihren Überlegungen.

„Wobei?“, fragte sie irritiert.

„Mit den Beeren“, erklärte er ironisch. „Ich dachte, wenn sie satt ist, würde sie sich von ihm fernhalten.“ Genau das hatte Altea auch befürchtet und sich schon auf ein Eingreifen ihrerseits vorbereitet. Zu ihrer Erleichterung hatte Angelas weiches Herz sich durchgesetzt, aber Leandro hatte sie überrascht. Warum hatte er ihr die Beeren nicht einfach weggenommen? „Du scheinst dich nicht über meinen Fehler zu freuen. Fragst du dich, ob der arme Verfluchte vielleicht doch nicht so monströs ist, wie du dachtest?“, spottete der Verdammte.

Sie fuhr zu ihm herum und fauchte: „Rede keinen Unsinn. Seine Mutter hat meiner Mutter den Thron und damit ihr Leben gekostet und seine Geburt hat mich alles gekostet. Er ist in jeder Hinsicht ein Monster.“

Er verneigte sich spöttisch. „Natürlich, mein Fehler Schönheit. Allein seine Geburt war ein unverzeihliches Verbrechen.“ Altea unterdrückte den Impuls, ihn zu schlagen, allerdings nur, weil der Versuch ihn vermutlich nur noch mehr belustigt hätte.

Sie schnappte stattdessen: „Du musst es ja wissen. Bei deiner Bestrafung kennst du dich mit außerordentlichen Verbrechen sicherlich aus.“

Das Grinsen verschwand aus seiner vernarbten Fratze. „Mein Verbrechen war in der Tat weit schwerer als seines. Es hatte den Namen Liebe.“

„Wie bitte?“, fragte Altea verblüfft.

„Also willst du es jetzt doch wissen?“, spottete er.

Sie gab zu: „In Ordnung, ich bin neugierig. Wie kann man sich durch die Liebe so eine Strafe einhandeln?“

Er erklärte ironisch: „Indem man sich in die Geliebte eines Gottes verliebt und sie umwirbt.“

„Dann ist dein Verbrechen nicht Liebe, sondern Dummheit“, stellte Altea hart fest.

„Da magst du recht haben, aber dem Herz kann man eben nicht befehlen“, erwiderte er leise, während der Blick seiner Augen in die Vergangenheit zu reisen schien. Der Schmerz darin berührte etwas in ihr, genau wie die rätselhafte Reaktion ihres Halbbruders. Aber das konnte sie sich nicht leisten, wenn sie jemals frei sein wollte. Sie schob diese Gefühle beiseite und klammerte sich an die Fakten. Dieses Monster und seine Brüder hatten ihr alles genommen. Sie durfte sich nicht von ihnen verwirren lassen und von diesem Verdammten auch nicht.

3. Kapitel

 

 

Leandro saß an die Innenwand seiner Hütte gelehnt da und betrachtete Angela. Er schätzte sie auf knapp dreißig. Damit hätte sie nach den Maßstäben von Leandros Gesellschaft schon als reife Frau gegolten, aber das mochte in ihrer Zeit anders sein. Ihr blondes, schulterlanges Haar hatte sich im Schlaf über ihr halbes Gesicht ausgebreitet und ließ die im wachen Zustand bisher so forschen Züge weicher wirken. Er verkrallte seine Finger in seiner Felldecke, um sich davon abzuhalten, ihr die seidigen Strähnen aus dem Gesicht zu streichen. Von ihrem Körper konnte er unter der Decke nicht viel erkennen, aber das war gar nicht nötig, die schlanken, aber dennoch sehr weiblichen Konturen hatten sich längst in sein Gedächtnis eingebrannt. Angela war eine wunderschöne Frau und ihre Anwesenheit weckte Sehnsüchte in ihm, die er längst überwunden geglaubt hatte. Aber es war weniger sein körperliches Verlangen, das ihn die halbe Nacht wachgehalten hatte, als die Art, wie sie ihn am Vorabend behandelt hatte. Die Beeren waren süß gewesen, aber nicht halb so köstlich, wie die freundliche unbefangene Art in der sie sich mit ihm unterhalten hatte. Würde sie sich mit der Zeit an ihn gewöhnen können? Der Gedanke löste ein sehnsüchtiges Ziehen in seiner Brust aus.

Plötzlich öffnete sie die Augen und murmelte noch ganz verschlafen: „Stimmt etwas nicht?“

„Warum?“, fragte er verwirrt.

„Weil du mich anstarrst“, erwiderte sie amüsiert.

Leandro zuckte ertappt zusammen und entschuldigte sich: „Tut mir leid, ich wollte dich nicht belästigen.“ Das weiche Lächeln, das sich daraufhin auf ihre rosigen, vollen Lippen legte, ließ sein Herz einen Satz machen.

Sie drückte sich ins Sitzen hoch und erwiderte sanft: „Hast du nicht. Ich schätze wir müssen uns wohl beide erst an unsere Lage gewöhnen. Wie sieht dein Tagesablauf für gewöhnlich aus?“

Leandro zwang sich, endlich den Blick von ihr abzuwenden, stand auf und erklärte: „Wenn du dich waschen willst, in der Schüssel am Tisch ist etwas Wasser. Ich bereite inzwischen draußen das Frühstück vor.“

 

 

Angela unterdrückte ein leises Lachen, als Leandro förmlich ins Freie floh. Wie hatte sie ihn bloß jemals für einen gefährlichen Unhold halten können? Ihr schlangenäugiger Gastgeber war ganz offensichtlich nicht nur kein gefährliches Monster, sondern auch krankhaft unsicher und schüchtern, was Frauen betraf. Während er ihr am Vorabend die Geschichte seines Fluches in allen Details erklärt hatte, hatte er es kaum gewagt, ihr in die Augen zu sehen. Sogar seinen Schlafplatz hatte er ihr überlassen und jetzt machte er auch noch Frühstück. Es war wirklich Zeit, dass jemand nett zu dem armen Kerl war. Sie wusch sich Gesicht und Hände und ging nach draußen.

Dort hatte Leandro inzwischen auf einem schlichten Holztisch einige Scheiben von etwas Brotartigem und ein wenig Gemüse aufgelegt. Auf ihren Blick hin erwiderte er verlegen: „Du bist vermutlich Besseres gewöhnt.“

Angela erwiderte lächelnd: „Jetzt hör aber auf. Es ist sehr großzügig, dass du mir teilst. Vielleicht haben wir Glück und finden später noch mal ein paar Beeren.“

 

 

Da Leandro in seinem Gefängnis lediglich über einige Kräuter als Gewürze verfügte, war sein Brot relativ geschmacklos, aber heute war es ihm schmackhafter erschienen, als jemals zuvor in den viertausend Jahren seiner Gefangenschaft. Vermutlich hatte ihn jedoch nur Angelas Lächeln, abgelenkt. Er hatte sie nach dem Frühstück zu seinem kleinen Garten geführt und ihr gezeigt, was dort an Arbeit anfiel. Im Moment erntete sie gerade ein paar seiner Kräuter. Er selbst hatte es vorgezogen, sich ans Umgraben einer bisher ungenutzten Fläche zu machen. Die schwere Arbeit würde ihm hoffentlich endlich die irrwitzigen Wünsche austreiben, die seit gestern durch seinen Kopf geisterten. Der Garten lag nah an der Felswand des Berges, wodurch es hier durch die gespeicherte Wärme der Steine etwas wärmer war, als in der Umgebung, was sich bisher als sehr günstig für die Pflanzen erwiesen hatte und offenbar gefiel es auch Angela, wie er aufgrund ihres genießerischen Gesichtsausdruckes annahm, was ihn aber leider schon wieder an sie denken ließ.

Ein Poltern lenkte seinen Blick gerade rechtzeitig nach oben, um einen auf Angela zu rasenden Stein zu erkennen. Er brüllte: „Angela, pass auf.“ Ihr Kopf flog nach oben und sie erstarrte. Leandro stieß einen Fluch aus, hechtete zu ihr rüber und riss sie zu Boden. Er hörte sie erschrocken aufkeuchen und den Stein über sich hinweg poltern, aber vor allem spürte er jede einzelne weibliche Kurve, die sich plötzlich gegen seinen Körper drückte. Angela hatte ihre Finger in seinen Schultern vergraben und ihr Herz hämmerte hart gegen seinen Brustkorb. Er hätte sofort von ihr runtergehen sollen, aber er schaffte es nicht, weil er förmlich in ihren blauen Augen ertrank und sein ganzer Körper vor Verlangen brannte. Angelas Blick hing in seinem und was er darin sah, ließ ihn scharf die Luft einsaugen. Plötzlich hörte er ein Klackern, dem ein scharfer Schmerz an seiner Schulter folgte. Er warf sich herum und sah, dass der Stein, der sie eben fast erschlagen hätte, herumsprang und ihn schon wieder anvisierte. Er sprang auf, bereit ihn abzufangen. Aber kaum war er auf den Beinen, blieb der Stein liegen.

 

 

Ein Beben lief durch Angelas Körper und das kam eindeutig nicht nur vom Schock, sondern von Leandro. Durch die losen Felle und seine fremdartigen Augen abgelenkt, hatte sie bisher nie wahrgenommen, wie gut er gebaut war. Er war einen halben Kopf größer als sie und hatte so praktisch ihren ganzen Körper mit seinem bedeckt, als er sie vor dem Stein geschützt hatte, und was für ein Körper. Jeder Zentimeter davon bestand aus festen Muskeln und aus etwas noch sehr viel Härterem, das sich gegen ihre Schenkel gedrängt hatte. Sie stand zittrig auf und sah nach Leandro. Der stand vor dem Stein und beobachtete ihn misstrauisch. Sie konnte es ihm nicht verdenken. Dass ein Stein vom Berg runterkam, war eine Sache, aber dass er danach Leandro förmlich angefallen hatte, war rational nicht zu erklären. Sie fragte heiser: „Passiert so etwas hier öfter?“

Er antwortete, ohne den Stein aus den Augen zu lassen: „Noch nie. Am Berghang sind keine losen Steine und angefallen hat mich bisher erst recht keiner.“

Angela stöhnte: „Also hat wohl auch da mein Entführer seine Hände im Spiel. Was will der Kerl eigentlich? Zuerst schenkt er mir leckere Beeren und dann versucht er, mich umzubringen. Das ergibt doch keinen Sinn.“

Er zuckte ratlos die Schultern und schlug vor: „Komm mit, ich zeige dir, wo man im Umland ein paar Früchte findet.“ Angela nickte nur betäubt und folgte ihm.

Nach einer Weile sagte er leise: „Ich muss mich entschuldigen. Ich hätte sofort von dir runtergehen sollen, auch ohne den Stein, aber ich ...“

Angela unterbrach ihn verlegen: „Ich war ja auch total erschrocken. Vergessen wir es einfach.“