Wasservolk - Der Sonnenkrieger - Blieberger Renate - E-Book

Wasservolk - Der Sonnenkrieger E-Book

Blieberger Renate

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Beschreibung

 Ein romantischer Fantasy-Roman für Erwachsen e  Nachdem er mit einem Bruchteil seines Volkes nur knapp dem Untergang seiner alten Heimat entgangen ist, lebt Teris vor allem für den Schutz seiner Leute und den Erhalt ihrer Kultur. Versteckt auf einer kargen Insel an der Oberfläche betrachtet er vor allem eine Entdeckung durch die Menschen als große Gefahr. Als die menschliche Frau Delia bei dem Versuch einen von Teris Volk zu retten dessen schuppige Beine bemerkt entführt Teris sie, um das Geheimnis zu wahren. Dumm nur, dass Delia sich mit jedem Tag mehr in sein Herz schleicht. Delia hat eigentlich genug eigene Sorgen, aber als sie im Meer einen Jungen erblickt, der zu ertrinken droht, zieht sie ihn aus dem Wasser. Sie staunt nicht schlecht, als sie Schuppen an seinen Beinen bemerkt, aber bevor sie auch nur darüber nachdenken kann, tauchen zwei weitere Wasserbewohner auf und entführen sie. Vor allem der Entführer Namens Teris behandelt sie recht schroff. Als er jedoch ihr Leben rettet, lernt sie den stolzen Krieger zu schätzen und bald geht er ihr mehr unter die Haut, als ihr lieb ist. Andere Bände der Serie: Band 1: Wasservolk – Der Bastard Prinz 

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WASSERVOLK

Der Sonnenkrieger

von

Renate Blieberger

Inhaltsverzeichnis

1. Kapitel 

2. Kapitel 

3. Kapitel 

4. Kapitel 

5. Kapitel 

6. Kapitel 

7. Kapitel 

8. Kapitel 

9. Kapitel 

10. Kapitel 

11. Kapitel 

12. Kapitel 

13. Kapitel 

14. Kapitel 

15. Kapitel 

16. Kapitel 

17. Kapitel 

18. Kapitel 

19. Kapitel 

20. Kapitel 

21. Kapitel 

Leseprobe 

 

1. Kapitel

„Er benimmt sich verantwortungslos“, murrte Teris, während er schon wieder eine Runde durch den Raum vollendete. Das Lager mitsamt dem zugehörigen Schreibraum, die nun die Verwaltung ihrer Stadt darstellten, waren, wie alle eilig errichteten Häuser, schlicht aus groben Holzstämmen gefertigt worden und mit Sicherheit nicht der richtige Platz für eine Königswache. Dennoch hatte Teris in den vergangenen Wochen den Großteil seiner Zeit hier verbracht. Hauptsächlich, weil es sonst niemand in ausreichendem Mass tat.

„Er ist eben verliebt und nebenbei bemerkt hat er sich sein Glück verdient“, wies Leonis ihn zurecht. Nach allem was Nikos als Bastardsohn seines königlichen Vaters durch dessen Frau und ihren Sohn erlitten hatte stand ihm dieses Glück wirklich zu und Teris hätte es seinem Freund auch vergönnt, nur dummerweise war sein Freund der König und damit für das Wohl seines Volkes verantwortlich, oder zumindest für den kleinen Rest, der nach ihrer Flucht auf die Oberfläche davon verblieben war.

Er knurrte: „Ich bin der Letzte, der ihm sein Glück mit Lexa missgönnen würde, aber wir brauchen ihn. Die Leute sind ihm in eine für sie fremde Welt gefolgt und verlassen sich auf ihn. Er sollte sich wenigstens für ein paar Stunden jeden Tag hier blicken lassen und sie anleiten, anstatt sich in seiner Hütte zu verkriechen.“

Ein anzügliches Grinsen erschien auf Leonis Lippen. „Ich denke sie verkriechen sich vor allem in seinem Bett.“ Auch damit hatte der ehemalige Arbeiter vermutlich recht. Leonis war ein Freund aus Nikos Kindertagen und ohne ihn hätten sie den Konflikt mit Poliniki wohl alle nicht überlebt, aber im Moment hätte Teris ihn dennoch am liebsten geschüttelt, weil er den Ernst der Lage nicht begriff. Sie waren ein Unterwasservolk, das dank der Vergehen ihrer ehemaligen Königin ins Exil an die Oberfläche verbannt war. Nicht nur, dass die meisten von ihnen keine Papiere hatten, oder mit einer glaubwürdigen Vergangenheit aufwarten konnten, vor allem ihre Eigenschaft, im Wasser Schuppen und Kiemen zu entwickeln, würde sie bei einer Entdeckung teuer zu stehen kommen. Äußerste Vorsicht und Kontrolle waren ihre einzige Chance, an der Oberfläche zu überleben. Aber außer ihm wollte das augenscheinlich keiner sehen.

Er murrte: „Hier bricht alles auseinander. Gestern habe ich das Fehlen von Vorräten bemerkt und Nikos davon berichtet, aber es interessiert ihn nicht. Er hat nur noch seine bevorstehende Hochzeit im Sinn. Als ob das nicht schlimm genug wäre, vernachlässigt Demetrios über sein neues Steckenpferd auch noch seine Rolle als Priester des Ra und damit spirituelles Oberhaupt unserer Leute.“

„Welch ein Verlust“, schnaubte Leonis. „Diese spirituelle Führung hat doch vor allem immer dem Adel gegolten. Wir Armen mussten im Regelfall ohne seine Zuwendung auskommen.“ Er wies auf seine Augenklappe. „Als Polinikis Wachen mir mein Auge ausgestochen haben, hat mir euer Priester keine tröstenden Worte zugeflüstert.“

Teris hielt dagegen: „Dennoch wäre er eine große Hilfe. Irgendjemand muss hier alles zusammenhalten.“

Der Einäugige spottete: „Dazu haben wir ja dich.“

Teris versteifte sich. „Ich bin eine Königswache und diene meinem König, wo ich nur kann.“

Leonis seufzte: „Wenn du ihm etwas weniger fanatisch dienen würdest, hätten wir es alle leichter. Sieh es ein, das hier ist ein neuer Abschnitt im Leben unseres Volkes. Es wird Zeit, neue Wege zu beschreiten, anstatt sich an die alten Traditionen zu klammern. Lass ihnen doch ein wenig Luft, um diese Wege finden zu können.“ Teris wollte gerade zu einem Konter ansetzen, als plötzlich die Tür aufgerissen wurde und eine Frau hereinstürzte.

Sie keuchte: „Bitte helft mir. Mein Sohn ist verschwunden.“ Teris runzelte instinktiv die Stirn. Sie lebten im Exil auf einer kleinen Insel. Hier konnte niemand verschwinden.

Er hakte nach: „Was meinst du mit verschwunden?“

Sie antwortete gepresst: „Als ich heute Morgen aufgewacht bin, war er weg. Ich habe herumgefragt und von einer Wette zwischen ihm und den anderen Jungen erfahren. Es ging darum, zur Hauptinsel zu schwimmen und von dort etwas mitzubringen.“

Leonis warf ein: „Eine Wette unter Jungen. Er wird drüben einen kleinen Ast abreißen und damit wieder auftauchen gute Frau.“

Sie protestierte: „Aber das war schon vor Stunden. Ihm ist bestimmt etwas zugestoßen. Ich würde selbst nach ihm suchen, aber der König hat uns verboten, die Insel zu verlassen. Bitte helft mir.“

Teris versuchte sie zu beruhigen: „Ich werde nach ihm suchen. Bestimmt hat er sich nur von seiner Neugier zu einem längeren Ausflug verleiten lassen. Ich bin bald wieder mit ihm zurück.“

Leonis bot an: „Ich komme mit.“

Delia stieß einen saftigen Fluch aus, während sie über die losen Steine den Abhang hinunter kletterte. Das war heute wieder mal so ein Tag, an dem sie am besten gar nicht erst aufgestanden wäre. Zuerst war ihr Toast verbrannt, dann hatte ihr Vater ihr wieder mal eine seiner Predigten gehalten und nun war sie hinter einem verlorenen Kalb her, das wohl seine Liebe für das Meer entdeckt hatte. Dieses Land gehörte Delias Familie seit vielen Generationen und war immer für die Viehzucht genutzt worden. Bis vor zwei Jahren hatte ihr Vater den Betrieb geleitet, aber seit seinem Unfall, der ihn in einen Rollstuhl verbannt hatte, war es damit vorbei und er musste es Delia überlassen. Nicht dass ihn das davon abgehalten hätte, sich ständig einzumischen. Seiner Meinung nach hätte sie alles so machen sollen wie all die Generationen vor ihr, aber Delia war anderer Meinung, was der dickköpfige Highländer nicht akzeptieren wollte. Heute hatte er wieder mal ihren Bruder in seine Predigt eingefügt und ihren Tag damit völlig verdorben. Ean war ihr älterer Bruder gewesen und sein Verlust war immer noch eine schmerzende Wunde. Noch heute war ihr ein Rätsel, wie der erfahrene Wanderer den Abhang so hatte unterschätzen können. Lediglich das Wissen, dass ihr Vater unter dessen Tod ebenso litt, wie sie selbst, hatte sie sich umdrehen und weggehen lassen, anstatt alles noch schlimmer zu machen. Sie unterdrückte ihre Grübelei energisch und konzentrierte sich auf den losen Boden unter ihren Füssen. Zum Land der MacArens gehörte auch ein Stück felsiger Strand, an den bei Ebbe oft die Hirsche wegen der Algen kamen und den Spuren oben nach zu urteilen, wohl auch ihr vermisstes Kalb. Sie kniff die Augen zusammen und suchte den Strand mit ihrem Blick ab, bis er plötzlich an einer Bewegung in Ufernähe hängen blieb. Ein menschlicher Körper quälte sich in den stürmischen Wellen sichtlich mühsam auf das Ufer zu. Da das Meer um diese Jahreszeit entschieden zu kalt zum Schwimmen war, war vermutlich ein Boot gekentert. Delia rannte so schnell es auf den losen Steinen ging nach unten und schrie: „Halten Sie durch.“

Beim Wasser angekommen erkannte sie in der Gestalt einen Jungen im Teenageralter, den sie noch nie gesehen hatte. Er hielt sich noch über Wasser, aber seine Bewegungen wirkten erschöpft und der sichtbare Teil seines Rückens war voller Blut. Sie ignorierte die Kälte und watete ins Wasser. Bei dem Planschen, das ihre Bewegungen verursachten, riss der Junge den Kopf hoch und seine Augen weiteten sich erschrocken. Einen Augenblick später versank er im Wasser. Delia hechtete ins Wasser, packte ihn an den Schultern und zerrte ihn wieder an die Oberfläche. Er zappelte und versuchte sich loszureißen. Sie stöhnte: „Verdammt hör auf, sonst ertrinken wir noch beide.“

Er krächzte: „Lass mich los.“

Sie schimpfte: „Von wegen. Auf meinem Land ertrinkt niemand“, und zerrte ihn mit sich. Er versuchte immer noch, sich los zu winden, aber seine Bewegungen wurden immer schwächer.

Am Strand angekommen zog sie ihn an Land und erstarrte beim Anblick seiner Beine. Der Junge trug nur eine recht exotische Badehose und seine Beine waren mit Schuppen bedeckt. Ein qualvolles Stöhnen des Jungen riss sie aus ihrer Starre. Sie musste seine Wunde versorgen und ihn ins Warme bringen, ehe er verblutete oder erfror. Mit dem Mysterium der Schuppen konnte sie sich später beschäftigen. Sie wischte das Blut von seinem Rücken und erkannte eine Stichwunde unter seinem rechten Schulterblatt. Das stammte weder von einem Fisch noch von einem scharfkantigen Felsen. Sie zog ihr Stirnband vom Kopf und drückte es gegen die Wunde. Mit der anderen Hand zog sie ihren Gürtel aus der Hose und band damit das Stirnband auf der Wunde fest.

Teris fluchte: „Bei den Dämonen der Tiefe, noch schlimmer hätte es nicht mehr kommen können.“ Vor wenigen Augenblicken hatte er Urim entdeckt und mit ihm leider eine Menschenfrau, die neben ihm kauerte. Da er nahe am Wasser lag und es so immer wieder über seine Beine leckte, waren seine Schuppen zu sehen. Ihr Geheimnis war aufgeflogen. Er kommandierte: „Kümmere du dich um den Jungen, ich fange die Frau ein.“ Er tauchte unter und schwamm knapp am Grund unter der Oberfläche auf die Frau zu. Erst als es nicht mehr anders ging, tauchte er möglichst lautlos auf. Die Frau war damit beschäftigt, etwas an Urim festzubinden und hatte ihn offensichtlich noch nicht bemerkt. Er schätzte sie auf ungefähr dreißig. Ihr Oberkörper steckte in einer dicken Jacke, die ihre Konturen verbarg, aber den langen schlanken Beinen, die in einer engen Jean steckten, nach zu urteilen, war die Frau sportlich und würde versuchen, ihm zu entkommen. Leonis Auftauchen einige Meter rechts von ihm ließ sie den Kopf hochreißen und zu Leonis herumfahren. Teris nutzte die Gelegenheit und warf sich auf sie. Sie rollte sich herum und trat nach ihm. Die feste Sohle ihres Stiefels traf ihn schmerzhaft am Oberkörper und entlockte ihm ein Aufkeuchen. Sie robbte rückwärts von ihm weg und griff nach einem Stein. Er warf sich über sie, zog dabei seinen Dolch aus dem Gürtel und setzte ihn ihr an die Kehle. Ihre Augen weiteten sich geschockt und ihre Hand gab den Stein frei.

Leonis forderte: „Tu ihr nichts. Sie hat Urim nicht verletzt, sondern seine Wunde versorgt.“

Teris fuhr sie an: „Wer hat ihn verletzt?“

Sie fauchte: „Keine Ahnung. Als ich ihn aus dem Wasser gezogen habe, war er schon verletzt.“ Ein Stich des Bedauerns fuhr durch Teris Brust. Die wenigsten Menschen hätten sich zu dieser Jahreszeit in die kalten Fluten geworfen, um einen Fremden zu retten. Sie war offenbar ein guter Mensch, aber er hatte trotzdem keine Wahl. Sie starrte ihn aus ihren großen rehbraunen Augen in einer Mischung aus Furcht und Wut an. Sie hatte ebenmäßige Züge, die sie zusammen mit den langen blonden Haaren, die sich bei ihrem Kampf halb aus dem Zopf gelöst hatten, zu einer sehr hübschen Frau machten. Teris hatte schon immer eine Vorliebe für die in seiner Welt seltene blonde Haarfarbe gehabt, ebenso wie für tapfere Frauen. Warum hatte gerade sie Urim finden müssen?

Angst schnürte Delia die Kehle zu. Der Fremde war sicher an die zwei Meter groß und sein schlanker Körper, der sie zu Boden drückte, schien nur aus Muskeln zu bestehen. Selbst falls er das Messer senken sollte, würde sie ihn nie abschütteln können. Seine Haut war entschieden zu bronzefarben für einen Schotten. Zusammen mit der langen schwarzen Haarmähne, die ihm halb in das gut geschnittene Gesicht fiel, und dem entschlossenen Blick seiner blauen Augen erinnerte er sie an einen Krieger, aus einem dieser alten Fantasyfilme, die sie so gerne sah. Allerdings war dieser Kerl ohne Zweifel nicht halb so heldenhaft. Der zweite Mann, den sie vor dem Angriff nur kurz gesehen hatte, versuchte den Kerl auf ihr zu beruhigen: „Mach keine Dummheiten Teris.“

Ihr Angreifer knurrte: „Sie hat seine Schuppen gesehen. Ich habe keine Wahl.“

Delia krächzte: „Ich schwöre, ich werde nichts sagen. Bitte lassen Sie mich gehen.“

Für einen kurzen Moment zeigte sich ein trauriges Lächeln auf seinen Lippen. „Tut mir leid.“

„Bitte nicht“, wimmerte Delia. Seine Faust zuckte hoch und ihr wurde schwarz vor Augen.

2. Kapitel

„Das hättest du nicht tun dürfen“, warf Lexa ihm vor.

Teris verteidigte sich: „Ich hatte keine andere Wahl. Sie hat Urims Schuppen gesehen.“

Sie konterte: „Wer hätte ihr das ohne Beweise glauben sollen?“

Er knurrte: „Es hätte schon ausgereicht, wenn man durch ihre Aussage auf uns aufmerksam geworden wäre. Wir können unsere Anwesenheit hier nicht erklären.“

„Damit hast du recht“, mischte Nikos sich in das Gespräch. „Aber ihre Entführung hat alles nur noch schlimmer gemacht.“ Gleich, nachdem er die Frau in der Siedlung eingesperrt hatte, hatte er Nikos verständigt und dieses Mal war der König ohne Zögern gekommen. Sein Freund musterte ihn ernst und fragte sanft: „Was schlägst du vor Teris? Sollen wir sie etwa umbringen, um unser Geheimnis zu wahren? Das wäre ein schlechter Dank für ihre Hilfe.“

Teris hob abwehrend die Hände. „Natürlich nicht. Aber wir können sie nicht gehen lassen.“

Lexa warf ihm einen bösen Blick zu. „Lebenslange Haft ist auch nicht viel besser.“

Teris versteifte sich und knurrte: „Wenn ihr hier nicht alles so schleifen lassen würdet, wäre es nie so weit gekommen.“

„Wie bitte?“, keuchte Lexa.

Teris warf Nikos einen um Entschuldigung bittenden Blick zu. „Du weißt ich liebe dich wie einen Bruder Nikos, aber seit Wochen bist du hier praktisch nicht existent. Du bist ihr König und Lexa wird bald ihre Königin sein. Ihr habt eine Verpflichtung, die euch aber offensichtlich nicht interessiert und Demetrios ist nicht besser. Anstatt ihnen als Priester des Ra einen Halt zu geben, verbringt er die meiste Zeit bei Doktor MacTheron, um dessen Heilmethoden kennenzulernen. Wenigstens Pherenike kümmert sich um die Organisation der Siedlung, aber als Polinikis Tochter trauen sie ihr zu wenig, um auf sie zu hören. Ich versuche seit Wochen hier alles zusammenzuhalten, aber ich schaffe es nicht. Früher wäre ein Junge nie auf die Idee gekommen, einen königlichen Befehl zu missachten. Das hier ist eure Schuld.“ Etwas in Teris protestierte dagegen, so mit seinem König zu reden, aber der Rest von ihm fühlte sich erleichtert die über Wochen angestaute Wut und seinen Frust endlich abladen zu können.

Nikos fragte entnervend ruhig: „Hast du mich nicht erst kürzlich gezwungen in unsere alte Heimat zurückzukehren, weil du dir eine andere Art König gewünscht hast?“

„Ja, aber doch nicht so einen“, schoss Teris zurück.

Lexas Blick wurde weich. „Veränderungen laufen nicht immer so ab, wie wir es wollen. Du kannst nicht einen Teil deiner alten Welt behalten und den Rest in einer neuen verbringen. Mehr Freiheit für das Volk bedeutet auch mehr Spielraum für eigene Entscheidungen.“

Nikos fügte ernst hinzu: „Nun trennt uns kein Ozean von den Menschen und kein mystisches Artefakt verbirgt uns vor ihnen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis jemand euch entdeckt.“

Teris protestierte: „Sicher, aber wir hätten es kontrollieren sollen. Wir hätten eine Ausgangslage schaffen müssen, in der wir unsere wahre Natur verbergen können. Du selbst hast Jahre unter ihnen gelebt und verborgen, was du bist, weil du die Konsequenzen kennst. Wir können sie nicht gehen lassen.“

Nikos hielt dagegen: „Wenn ich eine Unschuldige einsperre, wäre ich nicht anders als Poliniki. Es muss eine andere Lösung geben.“

„Es gibt keine“, beschwor Teris ihn.

Lexa warf ein: „Ich denke doch. Stephen kennt Delia schon ihr ganzes Leben und er sagt, sie ist ein herzensguter Mensch. Wenn wir ihr zeigen, dass ihr keine Gefahr für die Menschen seid, wird sie euch nicht verraten.“

Er protestierte: „Das ist zu riskant.“

Sie widersprach: „Es ist das einzig Richtige.“

Teris fuhr zu Nikos herum: „Das darfst du nicht zulassen.“

Nikos seufzte: „Mir gefällt es auch nicht, aber sie hat recht. Davon abgesehen, dass es unmoralisch wäre, spätestens, wenn unsere Anwesenheit allgemein bekannt wird, könnten wir ihre Anwesenheit auf der Insel nicht mehr verbergen und dann wären wir sicher am Ende. Außerdem würde Stephen da nie mitmachen.“ Stephen MacTheron war nicht nur der Arzt der kleinen Stadt auf der Hauptinsel und Lexas Freund, sondern auch der Besitzer der kleinen steinigen Insel, auf der sie nun lebten. Nur dank ihm konnten sie hier im Geheimen leben.

Teris knurrte: „Es ist dennoch zu riskant.“

Nikos zuckte die Schultern. „Wie du gesagt hast, ich bin der König und ich befehle dir, sie gehen zu lassen.“

Teris stieß hervor: „Das ist ein Fehler“, und stürmte nach draußen, ehe er sich völlig mit Nikos überwerfen konnte. Teris Familie diente seit vielen Generationen in der Königswache und Nikos hatte seine halbe Jugend im Haus von Teris Familie verbracht, aber im Moment hasste er ihn fast, weil er einfach nicht um ihre Welt kämpfen wollte.

Delia war vor ungefähr einer halben Stunde mit pochenden Kopfschmerzen wach geworden und hatte sofort ihre Umgebung erforscht. Viel hatte es allerdings nicht zu erforschen gegeben, weil sie sich in einem versperrten Raum befand. Der Raum hatte die Größe eines kleinen Wohnzimmers und war mit drei Pritschen aus Holz und einem Tisch mit vier Sesseln im Vordergrund des Raums ausgestattet. Es gab zwei Fenster, die allerdings mit dicken Fensterläden aus Holz verbarrikadiert waren, die einzige Tür war ebenfalls aus massivem Holz und der Schlüssel fehlte. Das Bettzeug war sauber und aus billigem Leinen. Bisher hatte sich niemand blicken lassen und mit jeder Minute tauchten neue Horrorszenarien in ihrem Vorstellungsvermögen auf. Als sich plötzlich die Tür öffnete, wich sie in den hintersten Winkel des Zimmers zurück und spannte ihren Körper an. Sie würde es ihnen nicht leicht machen. Der Anblick der Besucherin ließ allerdings ihr Kinn fast nach unten klappen und sie keuchte: „Doktor Ellings. Haben diese Typen Sie auch entführt?“ Lexa Ellings war vor einiger Zeit in die Stadt gekommen und arbeitete nun zusammen mit Doktor MacTheron in der örtlichen Arztpraxis.

Die hübsche Mittdreißigerin erwiderte zögernd: „Ich fürchte es ist etwas komplizierter.“ Sie strich sich ihre langen roten Locken in einer nervösen Geste aus dem Gesicht und fuhr fort: „Ich muss mich für Teris entschuldigen.“

Delia unterbrach sie ungläubig: „Sie arbeiten mit denen zusammen?“

Die Ärztin machte ein zerknirschtes Gesicht. „Wie gesagt es ist kompliziert. Sie haben etwas gesehen, das Sie nicht hätten sehen sollen.“

Delia krächzte: „Die Schuppen an den Beinen des Jungen.“

„Ja“, bestätigte die Rothaarige. „Aber ich versichere Ihnen, dass man Ihnen nichts antun wird.“

Delia schnaubte: „Das klänge glaubhafter, wenn ich keine Beule an meiner Schläfe hätte.“

Lexa seufzte: „Wie gesagt, ich muss mich für Teris entschuldigen. Er hat gedacht, keine Wahl zu haben, aber da liegt er falsch.“

Delia fragte heiser: „Dann darf ich gehen?“

„Ja, aber erst möchte ich Ihnen etwas zeigen.“ Sie hielt ihr eine Jacke entgegen. „Ihre ist noch nass und draußen ist es kalt.“ Delia musterte ihr Gegenüber misstrauisch und blieb, wo sie war. Lexa kam auf sie zu und bat: „Bitte Delia, je schneller wir das erledigt haben, desto schneller dürfen Sie wieder nach Hause.“

Delia fragte gepresst: „Wo bin ich überhaupt?“

„Auf einer kleinen Insel in der Nähe unserer Stadt.“

Delia runzelte die Stirn. „Die einzige Insel ist der Steinhaufen, den der Doktor gekauft hat. Steckt der auch mit denen unter einer Decke?“

Lexa hob abwehrend die Hände. „Ich versichere Ihnen, hier geht nichts Verwerfliches vor sich. Kommen Sie bitte mit und überzeugen Sie sich selbst davon.“ Delia nahm ihr widerstrebend die Jacke ab und zog sie über. Sie traute der Ärztin kein Stück, aber je mehr von ihrem Gefängnis sie kannte, desto besser standen die Chancen für eine Flucht. Die Ärztin führte sie ins Freie, wo Delia eine kleine Holzhaussiedlung zu sehen bekam. Die kleinen Häuser waren schlicht und standen offensichtlich noch nicht lange hier, weil das Holz ziemlich frisch wirkte. Sie führte sie weiter zu einem etwas größeren Haus und öffnete die Tür für sie. Delia trat mit einem flauen Gefühl im Magen ein, das förmlich explodierte, als sie Nikos Doe zu Gesicht bekam. Dieser Mann war vor Jahren angeblich mit Gedächtnisverlust an einem der Strände der kleinen Stadt aufgefunden worden und war geblieben. Er lebte in einer Hütte am Strand und es waren die wildesten Gerüchte über ihn im Umlauf. Delia hatte nie etwas darauf gegeben, aber nun sah die Sache schon anders aus. Neben Nikos befanden sich der Mann mit der Augenklappe, der bei ihrer Entführung dabei gewesen war, und ein weiterer Mann, der weniger wie ein Krieger sondern eher wie ein Künstler wirkte, im Raum.

Der Künstler trat vor, verbeugte sich knapp und begrüßte sie: „Guten Tag, ich bin Demetrios und werde mich Ihrer Stadtführung mit Lexa anschließen. Aber ehe wir beginnen haben Sie sicher noch viele Fragen.“ Er war vermutlich in ihrem Alter und hatte dieselbe bronzefarbene Haut wie Nikos, ihre Entführer und der Junge. Im Gegensatz zu den anderen Männern war er eher schlank als muskulös und für einen Mann fast schon zu hübsch. Seine schwarzen Haare flossen in einer vollen Kaskade bis zu seinen Hüften, aber am auffälligsten an ihm waren die violetten Augen. Als er einen Schritt auf sie zukam, bemerkte sie ein Hinken am rechten Fuß.

Sie wich hastig vor ihm zurück und fauchte: „Wer zum Teufel seid ihr eigentlich und wo kommt ihr her?“

„Das ist genau das Geheimnis, das wir Sie bitten zu wahren.“

„Bitten?“, fragte sie ironisch und deutete auf die Beule an ihrer Schläfe.

Er seufzte: „Ich fürchte der gute Teris ist ein wenig übereifrig, wenn es um den Schutz unseres Volkes geht. Bitte vergeben Sie ihm.“

Sie hakte nach: „Welches Volk?“

Lexa schaltete sich ein: „Sie haben doch die Schuppen an den Beinen des Jungen gesehen. Jeder von ihnen bekommt welche, wenn sie im Wasser sind, weil sie aus einem Unterwasservolk stammen.“ Delia sandte ihren Blick auf der Suche nach einem verstohlenen Grinsen in die Runde, erblickte aber nur ernste Gesichter.

Sie echote: „Ihr bekommt alle Schuppen an den Beinen, sobald ihr im Wasser seid?“

„So ist es und Kiemen ebenfalls, sonst könnten wir dort ja nicht atmen“, erklärte Nikos.

„Natürlich“, stöhnte Delia. Himmel sie war von einem Haufen Verrückter gekidnappt worden. Klar die Schuppen an den Beinen des Jungen waren da gewesen, aber die waren wohl eher durch einen chirurgischen Eingriff, denn durch eine andere Herkunft dorthin gekommen. Aber den ernsten Mienen nach zu urteilen glaubten sie diesen Unsinn tatsächlich. Vermutlich waren die Typen eine Art Sekte, deren Mitglieder sich den ganzen Schwachsinn einredeten, aber wenn sie hier weg wollte, musste sie mitspielen.

Lexa zog ihre Aufmerksamkeit wieder auf sich: „Sie haben bis vor Kurzem in einer Unterwasserstadt gelebt, aber die wurde zerstört und Stephen war so nett, ihnen hier Zuflucht zu gewähren. Hier leben ungefähr siebzig Leute, die weder Papiere haben, noch ihre wahre Natur offenbaren dürfen. Hier geht nichts Schlimmes vor sich und sie haben keine bösen Absichten, aber im Moment müssen sie noch unentdeckt bleiben. Demetrios und ich werden Ihnen die Stadt zeigen, damit Sie sich selbst davon überzeugen können und dann hoffentlich unser Geheimnis bewahren werden.“ Delia lag auf der Zunge, es ihnen gleich zuzusichern, aber das hätte wohl nur wie die Ausrede gewirkt, die es auch war.

Sie räusperte sich und verlangte: „Dann mal los.“

Teris sah wie Lexa und Demetrios mit der Frau im Schlepptau das königliche Haus wieder verließen und folgte ihnen in einigem Abstand. Die Blicke der Frau die, wie er inzwischen erfahren hatte, Delia hieß wanderten umher und sogen die Umgebung förmlich in sich auf. Das war keine Neugier, sie suchte nach Schwachstellen. Der Krieger in ihm bewunderte ihre Unbeugsamkeit, aber die Königswache erkannte die Gefahr. Lexa und Nikos lagen falsch. Sie würde ihnen alles erzählen, was sie hören wollten und sie anschließend verraten.

Lexa hatte sie zu einer Webstube, einem Tischler und einem frisch angelegten Kräutergarten geführt. Die Blicke der Einwohner waren besorgt, aber nicht feindselig gewesen. Soweit sie das beurteilen konnte, waren die Leute hier zwar alle ziemlich daneben aber harmlos. Bis auf den Typen, der ihr eine verpasst hatte, der war gemeingefährlich. Nun öffnete die Ärztin die Tür zu einem weiteren Haus und führte sie ins Innere. Als sie die Wohnstube betraten, kam ihnen eine hagere Frau um die vierzig entgegen, verbeugte sich vor Delia und erklärte inbrünstig: „Ich schulde Euch mein Leben.“ Was war das wieder für ein Mist?

Delia erwiderte vorsichtig: „Ich verstehe nicht, wovon Sie sprechen.“

Demetrios nahm der Frau die Antwort ab: „Das ist Vaike. Sie ist die Mutter des Jungen, den Sie aus dem Wasser gezogen haben. Er wäre dank seiner Kiemen zwar nicht ertrunken, aber ohne Versorgung wäre er verblutet. Sie haben ihm das Leben gerettet.“

Vaike fügte hinzu: „So ist es, und wenn ich Euch meine Dankbarkeit irgendwie beweisen kann, werde ich es tun.“ Sie verstummte kurz und fuhr dann mit leichter Röte in den Wangen fort: „Ich hätte nicht gedacht, dass ein Oberflächenbewohner sein Leben für einen von uns riskieren würde. Eure Welt scheint besser zu sein, als wir dachten.“ Delia stöhnte innerlich auf. Die Leute hier hatten offenbar alle eine Gehirnwäsche bekommen.

Sie erwiderte zögernd: „Wir ähm … die meisten von uns sind ganz nett.“

Lexa mischte sich ein: „Das ist nicht wahr. Aber Sie sind es und deswegen sind wir bereit, Ihnen zu vertrauen und Sie gehen zu lassen. Ich werde Sie mit dem Boot wieder rüber bringen und hoffe, dass Sie unser Geheimnis bewahren werden.“ Delia glaubte keinen Moment an die Geschichte des Unterwasservolkes, aber mit einem hatten sie ohne Zweifel recht, die eigensinnigen Highlander würden den merkwürdigen Fremden allerlei Horrorgeschichten andichten und ihnen das Leben zur Hölle machen, was sehr leicht erst recht zu einem Konflikt führen konnte. Vermutlich war es am Besten, sie in Ruhe zu lassen.

Sie antwortete vorsichtig: „Ich verspreche euch nicht zu verraten, aber was ist, wenn wieder mal jemand von euch drüben auftaucht?“

Lexa versprach: „Wir werden in Zukunft besser aufpassen und sobald wir nach und nach allen hier Papiere verschafft haben, hat sich das Problem ohnehin erledigt. Wir bitten Sie nur um ein wenig Geduld und Stillschweigen, was das Geheimnis ihrer Herkunft angeht.“

Nach einer Weile waren sie aus Vaikes Haus gekommen und hatten Delia zum Boot geführt. Teris biss wütend die Zähne aufeinander. Sie irrten sich, aber da ihm das im Moment nun Mal niemand glaubte, würde er es ihnen beweisen müssen.

3. Kapitel

 

Zwei Wochen später

 

Teris schlich nun seit zwei Wochen um Delia herum und hatte sich seinen Irrtum eingestehen müssen. Die attraktive Blondine hatte keinen Versuch unternommen, jemand von ihnen zu erzählen und auch selbst keine Anstalten gemacht, seine Leute zu beobachten. Er hätte längst auf die Insel zurückkehren sollen, aber zwei Dinge hielten ihn davon ab. Erstens würde das positive Erlebnis mit Delia die Leute nur zu noch mehr neuen Wegen animieren und damit konnte und wollte er sich im Moment nicht auseinandersetzen und zweitens, was noch schlimmer war, die Frau faszinierte ihn. Die Art wie Delia trotz des Widerstands des Mannes im Rollstuhl, der offenbar ihr Vater war, an ihren Ideen festhielt imponierte ihm, ebenso wie ihre Liebe zur Natur und ihren Geschöpfen. Sie machte sich die Mühe, jede Pflanze und jedes Tier mit so viel Respekt wie möglich zu behandeln und auf jedes ihrer Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen. Damit war sie eher wie sein naturverbundenes Volk, als die achtlosen Menschen. Sie stand früh am Morgen auf, kümmerte sich um ihre Tiere und den Garten, verschwand dann in ihrem Büro und beschäftigte sich mit unzähligen Schriftstücken, von denen er nur ahnen konnte, wofür sie gut waren, und kochte dann auch noch Essen für sich und den Mann. Lediglich am Abend gönnte sie sich ein wenig Zeit für sich selbst, indem sie lange ausgedehnte Spaziergänge machte. Teris war Mitte dreißig und es hatte natürlich schon Frauen in seinem Leben gegeben, aber mit keiner von ihnen hatte er alt werden wollen. Bei Delia hingegen konnte er es sich vorstellen. Sie war, abgesehen von ihrer menschlichen Herkunft, genauso wie er sich die Frau an seiner Seite immer vorgestellt hatte. Natürlich war eine Beziehung unmöglich, vor allem, nachdem er sie bewusstlos geschlagen hatte. Aber er bekam sie dennoch nicht aus dem Kopf. Eigentlich schlich er nur noch hier herum, um doch noch einen Fehler an ihr zu finden, der ihm diese Dummheit austreiben würde, bisher allerdings ohne Erfolg. Heute am frühen Vormittag war der Mann im Rollstuhl von einem Wagen abgeholt worden. Er hatte blass gewirkt und Delias Augen waren feucht gewesen. Er hätte sie gern getröstet, aber sich ihr zu zeigen, hätte ihm höchstens eine Ohrfeige eingebracht. Teris seufzte auf und zwang sich dazu, sich auf den Heimweg zu machen. Je mehr er von ihr zu sehen bekam, desto mehr wollte er sie. Da eine gemeinsame Zukunft aber nun mal unmöglich war, war es Zeit, wieder zu seinen anderen Problemen zurückzukehren.

 

 

In Gedanken immer noch bei ihrem Vater ging Delia zu einem der Unterstände, in dem sie das Futter für ihre Hochlandrinder bereitstellte. Obwohl ihr Vater ihr das Leben schwer machte, hatte sie Angst um ihn. Farell MacArens war Mitte sechzig und bis auf seine gelähmten Beine eigentlich recht gesund, aber heute Morgen hatte er in verzweifeltem Tonfall nach ihr gerufen und sie hatte ihn leichenblass in seinem Bett vorgefunden. Für gewöhnlich hätte sie Doktor MacTheron oder Doktor Ellings angerufen, aber nach dem Vorfall auf der Insel scheute sie davor zurück. Also hatte sie den Notruf gewählt und einen Notarzt aus dem nächsten Krankenhaus kommen lassen. Die erste Diagnose war leichter Herzinfarkt gewesen, aber mehr würde sie wohl erst in ein paar Tagen erfahren, nachdem sie ihn gründlich durchuntersucht hatten. Zu allem Übel hatte kurz darauf auch noch jemand von dem großen Konzern angerufen, der seit einiger Zeit das Land ihrer Familie kaufen wollte. Sie hatte ihn vermutlich nicht allzu freundlich abgewürgt und aufgelegt. Am besten sie hielt sich mit Arbeit beschäftigt, um sich abzulenken.

 

 

Auf halbem Weg zur Grundstücksgrenze wurde Teris Geist von Panik überschwemmt. Er strauchelte und fing sich nur mit Mühe. Durch ihre Naturverbundenheit vermochte sein Volk sich für kurze Zeit mit dem Geist eines Tieres zu verbinden, aber das hier war mehr als ein Tier und prallte mit der Wucht eines Orkans auf ihn. Irgendwo in der Nähe hatten Tiere Todesangst. Da Delia ihre Tiere nie so behandeln würde, musste etwas geschehen sein. Er zwang sich, einen Geist herauszupicken und drängte: „Was ist los.“ Das Bild eines brennenden Hauses formte sich in seinem Gehirn, das er als Delias Haus erkannte. Er warf sich herum und rannte los.

 

 

Der Anblick des lichterloh brennenden Hauses traf ihn wie ein Schlag in den Magen. Falls Delia da drinnen war, kam jede Hilfe zu spät. Er stöhnte: „Bitte Ra, lass sie unterwegs sein.“

Während er noch mit sich rang, was er tun sollte, hörte er eine unwirsche Männerstimme: „Das Miststück war nicht im Haus. Wir müssen sie finden.“ Teris Gedanken überschlugen sich. Wenn Delia nicht im Haus war und ihr Auto vor der Tür stand, war sie entweder bei einem der Futterplätze für ihre Rinder, im Garten oder im Hühnerstall. Er musste sie vor ihnen finden.