Staat, Macht, Eigentum und Freiheit - Holger Lang - E-Book

Staat, Macht, Eigentum und Freiheit E-Book

Holger Lang

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Beschreibung

Freiheit, Demokratie, Menschenrechte und der Erwerb von Eigentum sind für uns heute etwas völlig Selbstverständliches. Und all diese Dinge werden vom sog. Staat gesichert und geschützt. Was hat es damit aber wirklich auf sich? Was ist eigentlich der sog. Staat und wie sind Staaten überhaupt entstanden? Und warum? Und bedeutet Demokratie wirklich Herrschaft des Volkes? Wenn ja, leben wir wirklich in einer oder täuscht man uns nur allzu geschickt eine Herrschaft des Volkes vor? Und wie ist das mit der Freiheit? Was ist das überhaupt? Wann kann man den Menschen als frei bezeichnen? Wenn er politische Freiheiten genießt? Was aber, wenn dabei die wirtschaftliche Freiheit fehlt, wenn man wirtschaftlich unfrei ist, was dann? Ist man dann wirklich frei oder doch eher unfrei? Und inwiefern ist Freiheit eigentlich mit Eigentum verknüpft? Und warum? Fragen über Fragen auf die das Buch spannende, ungewöhnliche Antworten bietet.

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Widmung

„Wissen erlangt man nicht durch willfährige Akzeptanz des Bestehenden, sondern durch dessen mutige Hinterfragung.“

(Holger Lang)

Das Buch ist all denen gewidmet, die den Mut haben, Bestehendes infrage zu stellen und zu hinterfragen.

Und es ist Ausdruck des Wunsches, dass noch mehr Menschen diesen Mut aufbringen, denn dabei kann man nichts verlieren, nur gewinnen.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Kapitel 1: STAAT

1.1 Der Staatsbegriff

1.2 Die Entstehung von Staaten

1.3. Der Staat als politisches Mittel

1.4 Wie wird man eigentlich Staatsbürger? Und warum?

1.5 Vater Staat und Mutter Kirche

1.6 Die Mär vom Staat als Verschwender und ineffizientem Bürokratiemonster

1.7 Die moderne Demokratie als vermeintliche Herrschaft des Volkes

1.8 Die Demokratie als Macht- und Herrschaftsinstrument der Plutokratie

Zu Richard Coudenhove-Kalergi:

1.9 Das Märchen von der Beraubung der Bürger durch den Staat

1.9.1 Die Theorie der Besteuerung von Kalecki

Kapitel 2: MACHT

2.1 Das Macht- und Gewaltmonopol des Staates

2.2 Macht als interaktiver Prozess

2.3 Macht und Herrschaft im Kapitalismus – Der Neoliberalismus und das neoliberale Subjekt

KAPITEL 3: EIGENTUM

3.1 Die Ableitung des Eigentums aus dem Naturrecht

Einschub: Der Unterschied zwischen Verstand und Vernunft - Logos und Ratio

3.1.1 Legitimation von Herrschaft und Eigentum nach John Locke

3.1.2 Rousseau – Eigentum ist Diebstahl

3.2 Die liberal-libertäre Sicht auf das Eigentum

Einschub 1: Die angebliche Tragik der Allmende

Einschub 2: Der böse, böse Sozialismus

3.3 Der Unterschied von Eigentum und Besitz

3.4 Privateigentum und das Prinzip der Erstinbesitznahme

3.5 Freies Kontrahententum: Robinson vs. Freitag

3.6 Die kollektive Anerkennung von Eigentum

3.7 Das Eigentum und die „Bürgerliche Gesellschaft“

3.8 Eigentum und Geld

3.9 Gemeinbesitz versus Privateigentum

Kapitel 4: FREIHEIT

4.1 Was versteht man eigentlich unter Freiheit?

4.1.2 Die Freiheit der Eigentümer ist die Unfreiheit der Nicht-Eigentümer

4.2 Freiheit und Sicherheit

4.3 Die Grenzen der Freiheit

4.4 Der Irrtum von Freiheit als fehlendem Zwang

4.5 Positive versus negative Freiheit

5.0 Schlusswort

Anhang

Bemerkenswerte Zitate aus Oppenheimers „DER STAAT“

Oppenheimers Lösung: Der Liberale Sozialismus

Vorwort

Wirft man einen Blick in die Geschichtsbücher, kommt man nicht umhin zu konstatieren, dass der sog. „Staat“ bis dato immer ein Macht- und Herrschaftsinstrument einer kleinen herrschenden Elite war, die mittels und über den Staat die sog. Bevölkerung beherrschte, unterdrückte und wirtschaftlich ausbeutete. Stellt sich die Frage, ist das heute auch noch so? Gilt das auch für die heutigen modernen demokratischen Staaten oder bestimmt hier tatsächlich der Wählerwille das politische Geschehen?

Ganz offensichtlich spielt der Wählerwille oder das, was eine Mehrheit der Bevölkerung will, auch in den heutigen freiheitlich-demokratischen Staaten keine Rolle. Jedenfalls keine nennenswerte. Vielmehr scheint es auch hier vornehmlich darum zu gehen, die Interessen einer kleinen herrschenden Klasse zu sichern und zu schützen.

Das heißt, im Sinne der Principal-Agent-Theorie ist davon auszugehen, dass „demokratisch gewählte Politiker“ nicht die (gewählten) Herrscher (Prinzipals) darstellen, sondern dass es sich dabei in Wahrheit nur um Agenten (Befehlsempfänger) handelt. Wer sind dann aber die wahren (nicht gewählten) Herrscher?

Zentrales Fundament für die Entstehung von Staaten war auf jeden Fall die Einführung von Eigentum. Also die Tatsache, dass ein Herrscher bzw. eine herrschende Klasse sich das Recht herausnahm, ein Stück Land zu ihrem Eigentum zu erklären und hierüber dann das Volk wirtschaftlich ausbeutete. Damit war die Einteilung in Herrscher und Untertanen, war der Klassen- und Ständestaat geboren.

Auf dem Eigentum basiert aber nicht nur unser politisches Gesellschaftssystem, sondern auch unser gesamtes Wirtschaftssystem. Wie ist es in einem solchen System um die Freiheit seiner Bürger bestellt, selbst wenn diese politische Freiheiten genießen? Wie ist das mit der Freiheit, wenn man zwar politische Freiheiten hat, wirtschaftlich aber unfrei ist? Sind in einem solchen System also tatsächlich alle Menschen frei und gleich oder nur manche, der größte Teil aber unfrei?

Eigentum bedeutet in so einem System auf jedem Fall über Macht und Herrschaft zu verfügen. Und zwar umso mehr, je mehr man davon sein eigen nennt. Das heißt, Eigentum ist in diesem System ganz offensichtlich mit dem Thema Freiheit und zur Verfügung stehenden Freiheitsgraden verbunden. Wenn dem so ist, wie verhält es sich dann mit der Freiheit derjenigen, die nicht über Eigentum verfügen?

Reichtum und Wohlstand. Beides gründet im gegenwärtigen System auf jede Fall auf Eigentum. Und doch gibt es zwischen Reichtum und Wohlstand einen so grundlegenden Unterschied, dass zukünftig eigentlich auf jedem Wahlplakat stehen müsste: Mehr Wohlstand, weniger Reichtum! Oder auch: Wohlstand für alle, Reichtum für niemanden!

Kapitel 1: STAAT

1.1 Der Staatsbegriff

Der Staat. Vater Staat. Über den sog. Staat wird heute gerne und oft genug auch nicht zu Unrecht geschimpft. Kaum jemand scheint sich dabei aber einmal die Frage zu stellen, wer oder was das eigentlich ist, der Staat? Manche sagen: Der Staat, das sind wir. Das Volk. Die Bürger eines Landes. Andere wiederum verstehen unter dem Staat vor allem Politik und Regierung sowie den von diesen initiierten Bürokratie- und Verwaltungsapparat. Für wieder andere ist er vor allem ein Räuber, der die Menschen über Steuern beraubt, um das geraubte Geld dann an Sozialschmarotzer zu geben oder anderweitig zum Fenster rauszuschmeißen. Mindestens ebenso interessant ist die Frage: Wie sind Staaten eigentlich entstanden? Und warum?

Fragen, die sich viele anscheinend gar nicht stellen, wenn sie über „den Staat“ reden und meckern. Vielmehr ergibt sich der Eindruck, dass der Staat für viele ein seltsam abstraktes Wesen ist, mit dem sie eigentlich nichts zu tun haben, außer ihm auf wundersame Weise zu dienen, zu gehorchen und Steuern zu bezahlen.

Recherchiert man einmal die Definition von Staat, so findet sich z.B. diese doch recht allgemein gehaltene: Staat - ein politisches System, das das Zusammenleben einer Gemeinschaft von Menschen innerhalb eines festgelegten Gebietes dauerhaft regelt und ermöglicht.

In den Sozial- und Staatswissenschaften werden im Wesentlichen vier Staatsbegriffe unterschieden:

der

juristisch-völkerrechtliche:

Hier bezeichnet Staat

„die mit ursprünglicher Herrschaftsmacht ausgerüstete Körperschaft eines sesshaften Volkes“

. Wesentliche Basis dieses Staatsbegriffes ist die sog

. „Drei-Elemente-Lehre von Jellinek“

, wonach ein Staat ein Staatsgebiet, ein Staatsvolk und die Machtausübung über dieses (Staatsgewalt) umfasst.

Nach der

soziologischen

Definition von

Max Weber

ist der Staat die Gemeinschaft, die

„innerhalb eines bestimmten Gebietes […] das Monopol legitimer physischer Gewaltsamkeit für sich (mit Erfolg) beansprucht“,

also ein auf Legitimität gestütztes

„Herrschaftsverhältnis von Menschen über Menschen“.

Diese Bestimmung des Staats als Herrschaftsinstrument wird wiederum unterschiedlich interpretiert:

aus liberaler Sicht als ein notwendiges Übel, um die Freiheit der Bürger sicherzustellen;aus marxistischer Sicht als Instrument, das vornehmlich den Interessen einer herrschenden Klasse dientaus anarchistischer Sicht als die zentralisierte Gewalt einer privilegierten, herrschenden Klasse zur Ausbeutung und Unterdrückung der großen Masse der Untertanen

Nach der

politikwissenschaftlichen Definition

ist der Staat ein System von öffentlichen Institutionen zur Regelung der Angelegenheiten des Gemeinwesens und des Gemeinwohls.

Nach der

sittlichen

Auffassung (

Aristoteles, Rousseau, Hegel

) ist der Staat die Verwirklichung der moralischen Ziele des Einzelnen und der Gesellschaft.

Das Wort „Staat“ an sich leitet sich aus dem lateinischen „status“ („Stand, Zustand, Stellung“) ab. Das weist daraufhin, so sieht es z.B. der Soziologe Franz Oppenheimer, dass es dabei um den Vermögensstand, also die Ein- bzw. Aufteilung einer Menschenmenge in unterschiedliche Stände bzw. in Herrscher und Beherrschte geht.

Wie dem auch sei. Zum Staat gehört offenbar eine gemeinhin tolerierte und/oder akzeptierte1 politische Instanz, die für die Schaffung und Wahrung des Rechts und der öffentlichen Ordnung zuständig ist und dies mittels einer Verwaltung, dem Staatsapparat, durchsetzt (→ Primat der Politik). Entscheidende Bestandteile der heute üblichen Begriffsdeutung sind:

eine irgendwie geartete politische Vereinigung einer größeren Menschengruppe, die

in einem mehr oder weniger geschlossenen Gebiet

unter einer mehr oder weniger einheitlichen Form der Machtausübung lebt.

Diese drei Hauptkriterien (→ Drei-Elemente-Lehre von Georg Jellinek) haben sich im Völkerrecht durchgesetzt und bestimmen seit dem den Begriff und das Verständnis des sog. Staates. Eines ist dabei aber auch offensichtlich. Sämtliche Staatsdefinitionen haben immer ein Herrschaftsverhältnis zum Thema. Es geht immer um Herrschaft einiger weniger über den großen Rest. Aus welchem Grund und zu welchem Zweck auch immer. Das besagt auch erst einmal nichts über die Verfasstheit bzw. die Verfassung dieses Staates (z.B. Monarchie, Diktatur, Demokratie, Republik), geschweige denn seinem Entstehen bzw. den Gründen seiner Entstehung.

Insgesamt kann man bis hierhin schon mal konstatieren: Der Staat ist ein wie auch immer ausgestaltetes Konzept, dass einer Minderheit ein legitimes oder zumindest akzeptiertes Recht zugesteht, innerhalb eines bestimmtes Gebietes über eine definierte Mehrheit zu herrschen und diese zu steuern, also auch zu besteuern.

Idealerweise existiert in einer Gemeinschaft ein allgemein akzeptiertes Recht, dass der Staat lediglich schützt und durchsetzt. Problematisch wird es da, wo der Staat sich selbst – nach Belieben und Gutdünken - die Gesetze gibt und ggf. jederzeit die Verfassung ändert und somit im Grunde machen kann, was er will.

Zentral für eine echte Demokratie ist von daher, dass sich das Volk eine Verfassung gibt, an die sich Politik und Regierung dann halten müssen und die auch nur vom Volk geändert werden kann. Anderenfalls ist es keine Verfassung, sondern lediglich eine beliebige, jederzeit änderbare Hausordnung.

Festhalten kann man an dieser Stelle auf jeden Fall schon einmal: beim sog. Staat geht es immer um Herrschaft. Wie ist diese Herrschaft nun aber entstanden?

1.2 Die Entstehung von Staaten

Zur Klärung der Entstehung von Staaten nimmt Franz Oppenheimer (1864-1943)2 die Leser mit auf einen Streifzug durch die Entwicklungsgeschichte des Menschen und der Organisierungsform „Staat“. Von den frühen staatenlosen Völker bis hin zu den modernen Verfassungsstaaten. Das Ergebnis ist immer dasselbe: Die Installation eines Staates war und ist immer das Ergebnis von Eroberung, Plünderung, Zwang, Mord und Gewalt. Alle Staaten dieser Welt sind von Kriegern gegründet worden bzw. gehen darauf zurück. Man unterwarf gewaltsam ansässige Bauern und eignete sich deren Land an.

So entstanden die beiden Institutionen, die den „feudalen Raum des Staats“ charakterisieren: die Scheidung der Menschen in (Vermögens)Stände. In Herrscher und Beherrschte, in Besitzende und Besitzlose. Seinem Wesen und seiner Entstehung nach ist ein Staat also immer ein Klassenstaat. Und zentral war dabei immer, wie wir später noch eingehender sehen werden, die Einführung von Eigentum an Grund und Boden und die damit verbundene Möglichkeit andere von der Nutzung dieses Bodens auszuschließen. Oppenheimer bezeichnet dies als „Bodensperre“.

Die bürgerlichen Revolutionen der Aufklärung mögen die Ständeordnung beseitigt haben, die Bodensperre sei aber bestehen geblieben. Das ist für Oppenheimer auch der Grund dafür, warum trotz Aufhebung der Standesunterschiede (alle waren ja nun Bürger) die Privilegien der großen und reichen Kapitalbesitzer erhalten blieben und diese sich weiter durch Grundrente und Kapitalprofit weiter leistungslos alimentieren lassen konnten. Ist der Zugang zu Grund und Boden erst einmal durch Eigentum und Eigentumsrechte gesperrt, besitzen die Grund- und Bodeneigentümer eine Monopolstellung, also auch einen entsprechenden Monopolgewinn.

Und nicht nur das. Das Bodeneigentum und die damit verbundene Bodensperre ermöglichen es den Bodeneigentümern die Nicht-Eigentümer wirtschaftlich auszubeuten, da diese dringend und zwingend auf die Nutzung, auf die Bewirtschaftung dieser Flächen angewiesen sind, um überleben zu können. Grundrente und Kapitalprofit fließen immer aus der gleichen Quelle. Sie sind unbezahlte Arbeit. Also das, was Marx Mehrwert nannte.

Wie immer man das nun beurteilt, mit der These von der Bodensperre hat Oppenheimer auf jeden Fall auf ein Faktum hingewiesen hat, das für die sozialgeschichtliche Forschung von grundlegender Bedeutung ist, denn letztlich und im Kern gibt es keinen Produktionsfaktor, der auch nur annähernd die Bedeutung hat wie Grund und Boden. Für Oppenheimer war damit auch klar, verschwindet die Bodensperre, verschwindet auch der Kapitalismus, denn er basiert im Kern auf der Bodensperre und verschwindet da, wo diese aufgehoben ist.

Oppenheimer zeigt, dass „jeder Staat seiner Entstehung und seinem Wesen nach eine gesellschaftliche Einrichtung ist, die von einer siegreichen Menschengruppe einer besiegten Menschengruppe aufgezwungen wurde mit dem einzigen Zwecke, die Herrschaft der ersten über die letzte zu regeln und gegen innere Aufstände und äußere Angriffe zu sichern. Und die Herrschaft hatte keinerlei andere Endabsicht als die ökonomische Ausbeutung der Besiegten durch die Sieger.“

An dieser Stelle kann man also schon einmal folgendes Zwischenfazit ziehen: Der sog. Staat ist und kann nur dann akzeptabel für alle sein, wenn tatsächlich das Volk in seiner Gesamtheit herrscht und den Herrscher darstellt. Die Macht muss also wirklich vom Volke ausgehen und nicht davon, dass eines (als Untertanen) existiert, welches von einer bestimmten Gruppe von Herrschenden beherrscht wird. Notwendig dazu sind umfassende verfassungsmäßige (Eingriffs)Rechte des Volkes in Form von Volksbefragungen, Bürgerentscheiden, Petitions- und Veto-Rechten und ähnlichem mehr. Bis hin zu einer klaren Definition darüber, ob, wann und wie das Volk gegebenenfalls auch umfassenden Widerstand ausüben kann.

Politik und Regierung müssen also wirklich umfassend vom Volk legitimiert und kontrolliert werden können, so das der Staat, das ist und sein kann, was er eigentlich sein sollte: Der Vertreter der Gemeinschaft, der im Sinne und im Auftrag aller, sich um die Organisation und Förderung des Gemeinwohls kümmert.

Ist das nicht der Fall, ist er das, was er ist und im Grunde auch schon immer war: Ein Macht- und Herrschaftsinstrument einiger weniger zur Unterdrückung und Ausbeutung des großen Rests.

Oder anders ausgedrückt: Je demokratischer und je sozialstaatlicher ein Staat organisiert ist, desto mehr ist der einzelne Bürger genau vor dieser Ausbeutung und Unterdrückung geschützt.

Ist man also prinzipiell für einen Staat als Vertreter der Gemeinschaft und des Gemeinwohls, dann kann es nicht um die Abschaffung des Staates gehen, sondern um seine konkrete Ausgestaltung. Um seine Verfasstheit und seine Verfassung. Denn, je weniger ein Staat demokratisch organisiert ist, je mehr demokratische Rechte eingeschränkt und zurückgedrängt werden, desto mehr werden seine Bürger wieder genau dem ausbeuterischen Herrschaftsverhältnis zugunsten einiger weniger unterworfen. Genau das können wir doch hier in der Bundesrepublik, aber auch in den anderen, sog. westlichen Industrieländern zunehmend wieder erleben: Der Staat als willfähriger Helfershelfer des Kapitals.

Die Gegenposition, also die Abschaffung des Staates wie sie ja gerade von libertärer Seite aus gefordert wird, ist inhaltlich und argumentativ zumindest hochgradig fragwürdig, denn eine Abschaffung des Staates unter gleichzeitiger Einführung eines vollumfänglichen freien Marktes und freien Wettbewerbs würde entsprechendes „Freiland“ bzw. eine entsprechende Umverteilung des vorhandenen Grund und Bodens erfordern. Also die Abschaffung von Privat-Eigentum insbesondere an Grund und Boden. Erst dann wäre nämlich der Tatbestand gegeben, dass jeder ein so großes Stück Land besitzt, das ihm die autarke und autonome Selbstversorgung und das Tauschen von erarbeiteten Überschüsse auf einem Markt ermöglicht (Selbstversorgungs- und Tauschwirtschaft), was wiederum die Abschaffung des Kapitalismus (Fremdversorgungs- und Geldwirtschaft) erfordern würde, den aber gerade Liberal-Libertäre häufig als Sinnbild für freie Märkte betrachten.

Und nicht nur das. Es erfordert wie gesagt entweder eine entsprechende Umverteilung des Bodens im Sinne einer Gleichverteilung oder eben die Aufhebung des Eigentums an Grund und Boden und Einführung von sog. Freiland.

Fordert man also die Abschaffung des Staates, spricht sich aber gleichzeitig vehement für den Schutz und die Verteidigung des Eigentums aus, befindet man sich de facto in einem tiefgreifenden Widerspruch. Mal ganz abgesehen davon, dass die Rückkehr zu einer Selbstversorgungs- und Tauschwirtschaft wohlfahrtsttechnisch zumindest fragwürdig ist.

2 Franz Oppenheimer: Der Staat, 3. überarbeitete Auflage, 1929; im Netz als PDF verfügbar

1.3. Der Staat als politisches Mittel

Der Mensch hat im Prinzip nur zwei Möglichkeiten, sich die Güter zu beschaffen, die er zum Leben und Überleben benötigt. Das eine ist die eigene Arbeit und der Tausch eigener Arbeitserzeugnisse gegen die Erzeugnisse von anderen. Dies bezeichnet Oppenheimer als das »ökonomische Mittel«. Das zweite Mittel ist die gewaltsame Aneignung durch Raub. Dies bezeichnet er als das »politische Mittel«. Und letzteres hat überhaupt erst Staaten entstehen lassen. Von daher, zu sagen, der Staat sei vor allem die Organisation des Grenzschutzes nach außen und die des Rechtsschutzes nach innen, ist nicht gänzlich falsch, greift aber zu kurz, denn die einzige Erklärung vom Wesen und von der Entstehung des Staates, die einer historischen Prüfung standhält, ist die von Ludwig Gumplowicz: „Der Staat ist eine Rechtsinstitution, einer beherrschten Schicht einseitig, durch körperliche oder geistliche Gewalt aufgezwungen von einer herrschenden Schicht, mit dem einzigen ursprünglich vorhandenen Zwecke, die Unterschicht zugunsten der Oberschicht zu bewirtschaften, und das heißt: nach dem Prinzip des kleinsten Mittels "mit dem geringsten Aufwande zum größten dauernden Erfolge auszubeuten.“ Das lässt sich durch Induktion beweisen, denn die Geschichte kennt keinen Fall von Staatsentstehung, die anders verlaufen wäre. Aber auch durch Deduktion