Star Trek - Coda: Zeit in Scherben - Dayton Ward - E-Book

Star Trek - Coda: Zeit in Scherben E-Book

Dayton Ward

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Beschreibung

Die Besatzungen von Jean-Luc Picard, Benjamin Sisko, Ezri Dax und William Riker schließen sich zusammen, um eine kosmische Apokalypse zu verhindern – nur um festzustellen, dass manche Schicksale wirklich unvermeidlich sind. Die Zeit gerät aus den Fugen. Unzählige alternative und parallele Realitäten werden angegriffen und brechen unter dem unerbittlichen Ansturm zusammen. Wenn dem nicht Einhalt geboten wird, droht dem Universum ein unaufhaltsamer Sturz ins Chaos. Nachdem er Jahrzehnte damit verbracht hat, diese eskalierende temporale Katastrophe zu verfolgen und gleichzeitig den namenlosen Feind zu bekämpfen, der dafür verantwortlich ist, sucht ein alter Freund Hilfe bei Captain Jean-Luc Picard und der Besatzung des Raumschiffs Enterprise. Die Apokalypse mag aus der Zukunft stammen, aber könnte die Ursache in ihrer Vergangenheit liegen? Die Identifizierung des Gegners ist nur der erste Schritt, um ihn zu besiegen. Doch wie hoch wird der Preis für den endgültigen Sieg sein?

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STAR TREK™

CODA

BUCH I

ZEIT IN

SCHERBEN

DAYTON WARD

Story byDayton Ward, James Swallow, and David MackBased onStar Trek and Star Trek: The Next Generationcreated by Gene RoddenberryStar Trek: Deep Space Ninecreated by Rick Berman & Michael PillerStar Trek: Voyagercreated by Rick Berman & Michael Piller & Jeri Taylor

Ins Deutsche übertragen vonKatrin Aust

Die deutsche Ausgabe von STAR TREK – CODA 1: ZEIT IN SCHERBEN wird herausgegeben von Cross Cult, Teinacher Straße 72, 71634 Ludwigsburg.

Herausgeber: Andreas Mergenthaler, Übersetzung: Katrin Aust; verantwortlicher Redakteur und Lektorat: Markus Rohde; Lektorat: Wibke Sawatzki; Korrektorat: Peter Schild; Satz: Rowan Rüster; Cover Artwork: Alan Dingman;

Print-Ausgabe gedruckt von CPI Moravia Books s.r.o., CZ-69123 Pohorelice. Printed in the Czech Republic.

Titel der Originalausgabe: STAR TREK – CODA: BOOK 1: MOMENTS ASUNDER

German translation copyright © 2022 by Cross Cult.

Original English language edition copyright © 2021 by CBS Studios Inc. All rights reserved.

™ & © 2022 CBS Studios Inc. STAR TREK and related marks and logos are trademarks of CBS Studios Inc. All Rights Reserved.

This book is published by arrangement with Pocket Books, a Division of Simon & Schuster, Inc., pursuant to an exclusive license from CBS Studios Inc.

Print ISBN 978-3-96658-941-3 (Oktober 2022) · E-Book ISBN 978-3-96658-942-0 (Oktober 2022)

WWW.CROSS-CULT.DE · WWW.STARTREKROMANE.DE · WWW.STARTREK.COM

Gewidmet der Erinnerung anDave GalanterWir vermissen dich, Deet. Und wir lieben dich.

ZUVOR …

2376

•Captain Benjamin Sisko kehrt von seinem Aufenthalt bei den bajoranischen Propheten zurück, der ein Jahr zuvor nach dem Ende des Dominion-Krieges begonnen hat. (STAR TREK: DEEP SPACE NINE – »Das, was du zurücklässt«)

•Bajor schließt sich der Vereinigten Föderation der Planeten an. (STAR TREK: DEEP SPACE NINE-Roman »Einheit«)

2377

•Nachdem sie sieben Jahre zuvor im Delta-Quadranten gestrandet sind, beenden Captain Kathryn Janeway und die Besatzung des Raumschiffs Voyager ihre 70.000 Lichtjahre weite Reise zurück zur Erde. (STAR TREK: VOYAGER – »Endspiel«)

2378

•Wesley Crusher begleitet den Reisenden, von dem er gelernt hat, seine erwachenden Fähigkeiten zu erweitern und zu fokussieren, zu dessen Heimatplanet, Tau Alpha C. Dort wird er als Reisender »wiedergeboren«. (STAR TREK: THE NEXT GENERATION-Roman »Zeit des Wandels – Geburt«)

2379

•Föderationspräsident Min Zife wird für schuldig befunden, der unabhängigen Welt Tezwa illegal Waffen verkauft zu haben, die zu Millionen von Toten geführt haben, und mithilfe von Jean-Luc Picard heimlich von einer Gruppe Sternenflottenadmirals seines Amts enthoben. Ohne Picards Wissen wird Zife von Sektion 31 ermordet. (STAR TREK-Romane »Zeit des Wandels – Töten« und »Zeit des Wandels – Heilen«)

•Shinzon, ein Klon von Picard, der ursprünglich geschaffen worden war, um den Captain als romulanischer Spion in der Sternenflotte zu ersetzen, reißt nach einem Putsch die Kontrolle über das Romulanische Sternenimperium an sich. Er startet einen gewagten Plan, um die Erde anzugreifen und die Föderation auszuschalten, doch Picard und die Enterprise besiegen ihn. Die diplomatischen Beziehungen zwischen der Föderation und den Romulanern werden erneuert. (STAR TREK: NEMESIS)

•Captain William Riker übernimmt das Kommando über die U.S.S. Titan. Seine Frau, Commander Deanna Troi, begleitet ihn als Schiffscounselor und Spezialistin für Erstkontakte. (STAR TREK: TITAN-Romanreihe)

2380

•Picard heiratet Beverly Crusher. (STAR TREK: THE NEXT GENERATION-Roman »Mehr als die Summe«)

•Während eines Angriffs der Borg gibt Admiral Kathryn Janeway ihr Leben, um die Föderation zu beschützen. (STAR TREK: THE NEXT GENERATION-Roman »Heldentod«)

2381

•Die Borg beginnen eine massive Invasion der Föderation, verwüsten zahllose Planeten und löschen Milliarden Leben aus, bevor der Sternenflotte ein finaler Sieg gelingt, der die permanente Bedrohung durch das Kollektiv für immer beendet. (STAR TREK: DESTINY-Romantrilogie)

•Während der Invasion übernimmt Ezri Dax, die an Bord der U.S.S. Aventine als zweiter Offizier dient, das Kommando, als ihr Captain und Erster Offizier getötet werden.

•Riker und Troi bekommen eine Tochter, Natasha Miana Riker-Troi, benannt nach Enterprise-Besatzungsmitglied und Freundin Tasha Yar und der verstorbenen Schwester von Aili Lavena, einem Besatzungsmitglied der Titan. (STAR TREK: TITAN-Romanreihe)

•Durch die Hilfe unerwarteter Verbündeter wird der Tod von Admiral Janeway rückgängig gemacht. Sie übernimmt das Kommando über Projekt Full Circle, bei dem die U.S.S. Voyager und eine gesamte Flotte abgestellt werden, um den Delta-Quadranten weiter zu erforschen. (STAR TREK: VOYAGER-Roman »Ewige Gezeiten«)

•Picard und Crusher bekommen einen Sohn, René Jacques Robert François Picard. Der Junge ist benannt nach Picards Neffen René, dessen Vater, Picards älterem Bruder Robert, und Crushers erstem Ehemann Jack Crusher. (STAR TREK: DESTINY-Roman »Verlorene Seelen«, STAR TREK: TYPHON PAKT-Roman »Bestien«)

•Nach der Borg-Invasion übernimmt Sisko das Kommando über die U.S.S. Robinson. (STAR TREK: TYPHON PACT-Roman »Bestien«)

2382

•Admiral Janeway stimmt zusammen mit der Besatzung der U.S.S. Voyager zu, dem Volk der Edrehmaia auf ihrer langen Reise aus unserer Galaxis heraus zu helfen. Sie brechen aus dem Delta-Quadranten in unbekannte Gefilde auf. (STAR TREK: VOYAGER-Roman »Das Streben nach mehr«)

•Andor löst sich nach Problemen, die inzwischen kritische Reproduktionskrise der Andorianer betreffend, von der Föderation. (STAR TREK: TYPHON PACT-Roman »Zwietracht«)

2383

•Breen- und Tzenkethi-Truppen greifen die Föderationsstation Deep Space 9 an und zerstören sie. Über tausend Tote werden verzeichnet. (STAR TREK: TYPHON PACT-Roman »Schatten«)

2384

•Jahre nachdem er sich selbst geopfert hat, um Picard zu retten, wird Data »wiedergeboren«, indem seine Erinnerungen aus seinem Bruder, dem Androiden B-4, entnommen und in den Körper eines neuen Androiden, geschaffen von Noonian Soong, transferiert werden. Auch seine Androidentochter Lal wird repariert und reaktiviert. (STAR TREK: THE NEXT GENERATION-Romantrilogie KALTE BERECHNUNG)

2385

•Die Föderationsstation Deep Space 9 (II) wird für einsatzbereit erklärt und wie ihr Vorgänger in der Nähe des bajoranischen Wurmlochs positioniert. Bei der Einweihung wird Föderationspräsidentin Nanietta Bacco ermordet. Föderationsratsmitglied Ishan Anjar von Bajor wird als Interimspräsident eingesetzt. (STAR TREK: THE FALL-Roman »Erkenntnisse aus Ruinen«)

•Julian Bashir widersetzt sich der Sternenflotte und Interimspräsident Ishan, um den Andorianern ein Heilmittel für ihre Reproduktionskrise zu bringen. Es gelingt ihm mit der Hilfe von Captain Dax. Beide werden verhaftet. (STAR TREK: THE FALL-Roman »Auf verlorenem Posten«)

•Interimspräsident Ishan wird als Verbrecher entlarvt. Andor schließt sich wieder der Föderation an. Eine Andorianerin gewinnt die Wahl zum Föderationspräsidenten und begnadigt Bashir und Dax. (STAR TREK: THE FALL-Roman »Königreiche des Friedens«)

2386

•Bei der Erkundung des Odysseischen Passes begegnen Picard und die Enterprise einer gewaltigen Waffe, die von einem fremden Volk nach dem Prototypen eines »Planetenkillers« rekonstruiert und aus dem fünfundzwanzigsten Jahrhundert zurück durch die Zeit geschickt wurde. Bei der Untersuchung der Computersysteme der Waffe stößt Lieutenant Commander Taurik auf Informationen über die Zukunft, die er nicht enthüllen darf. Taurik wird von der Behörde für Temporale Ermittlungen befragt und gemäß der Obersten Temporalen Direktive zur Verschwiegenheit verpflichtet. (STAR TREK: THE NEXT GENERATION-Roman »Der Pfeil des Schicksals«)

•Picard und die Enterprise entdecken einen Planeten, der willkürlich durch verschiedene Dimensionen und Zeiten springt. Sie begegnen einer anderen Version der U.S.S. Enterprise NCC-1701-D aus einer Realität, in der Picard seine Gefangennahme und Assimilation durch die Borg nicht überlebt hat. (STAR TREK: THE NEXT GENERATION-Roman »Absturz«)

•Journalistin Ozla Graniv enthüllt mithilfe von Bashir und Data die gesamte Geschichte von Sektion 31 und die lange Liste an illegalen Aktivitäten, die mehr als zwei Jahrhunderte zurückreicht. Alle bekannten Sektion-31-Agenten werden verfolgt und verhaftet. Picard wird mit der Ermordung des Föderationspräsidenten Min Zife durch die Organisation im Jahr 2379 in Verbindung gebracht. (STAR TREK: SEKTION 31-Roman »Kontrolle«)

2387

•Entlastet von den Anschuldigungen im Zusammenhang mit Sektion 31 bereitet sich Captain Picard darauf vor, mit der Enterprise zum Odysseischen Pass zurückzukehren, um dessen Erforschung fortzusetzen. (STAR TREK: THE NEXT GENERATION-Roman »Kollateralschaden«)

UND NUN …

Inhalt

TEIL I SENSENHIEB DER ZEIT

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

TEIL II EIN MANN, DEN UNGLÜCK NIEDERSCHLUG

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

TEIL III DAS SPIEL IST NUN ZU ENDE

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

NACHWORT

DANKSAGUNGEN

ÜBER DEN AUTOR

TEIL I

SENSENHIEB DER ZEIT

1

Wie so viele andere, die er auf seinen Reisen gesehen hatte, war dies eine tote Welt. Einst hatte es hier blühendes Leben gegeben, doch das war seit unzähligen Jahrtausenden vorbei.

Als er noch deutlich jünger gewesen war und gerade dabei, zu lernen, seine aufkeimenden Fähigkeiten zu kontrollieren, war der Reisende auf diesen Planeten gekommen, um die Zivilisation zu beobachten, die hier zu Hause war. Ihre Gesellschaft war eine des Friedens, der Kunst und der Wissenschaft, der Wunder und des Staunens. Mit derselben Leidenschaft, mit der sie die Sterne über sich erkundeten, forschten und lernten sie auch alles über die Welt um sich herum und sogar jene in ihrem Inneren. Er hatte nie herausgefunden, was letztlich den Untergang dieser Welt herbeigeführt hatte, oder auch nur, wann er stattgefunden hatte. Wie so vieles andere an diesem Planeten blieb das Schicksal dieser Leute ein Rätsel, das sich allen Versuchen, die Wahrheit ans Licht zu zerren, widersetzte.

Aber obwohl die Leute lange tot waren, gab es immer noch Leben hier. Er konnte es spüren – die leiseste Ahnung am äußersten Rand seiner Wahrnehmung, aber doch vorhanden. Vielleicht würden die einfachen Aminosäuren, denen es gelang, lange genug zu überleben, um die ersten mikroskopischen Proteine zu bilden, sich mit der Zeit weiterentwickeln zu anderen, höheren Lebensformen. In Milliarden von Jahren könnte eine neue Zivilisation diese Welt für sich beanspruchen. Dann, stellte sich der Reisende vor, würde sich der Kreislauf vielleicht wiederholen, wie er es im gesamten Universum und darüber hinaus auf zahllosen Welten getan hatte.

Das war nun einmal die Natur des Lebens – und der Zeit.

Er bemühte sich, die zunehmende Müdigkeit, die auf ihm lastete, abzuschütteln, doch er wusste, dies war nur eine kurze Verschnaufpause. Früher oder später würden seine Verfolger – wer oder was immer sie waren – ihn finden. Die Erholung, die er hier finden mochte, würde bestenfalls vorübergehend sein, bevor der Kampf von Neuem losging. Selbst jetzt, an diesem Ort, war Zeit ein Luxus, den sich der Reisende nicht erlauben konnte. Tatsächlich war auf so viele Arten die Zeit sein eigentlicher Feind.

Der Boden, auf dem er stand, war ein Bild der Trostlosigkeit, zweifellos kaum verändert, seit die vorherige Zivilisation vor langer Zeit gestorben und zu Staub zerfallen war. Er konnte sehen, wo der windgepeitschte Sand über Jahrtausende hinweg die Felsformationen und anderen Vorsprünge glatt geschliffen hatte, die die Landschaft in allen Richtungen überzogen. Schneebedeckte Berge in der Ferne deuteten darauf hin, dass es immer noch reichlich Wasser gab. Mit seinen geschärften Sinnen entdeckte er in der Nähe eine unterirdische Quelle. Der Reisende richtete den Träger seines abgetragenen Lederbeutels – eine unnötige Spielerei, eine greifbare Erinnerung an ein vergangenes Leben –, sodass er höher auf seiner rechten Schulter saß, und ging dem Geräusch entgegen.

Eine kleine Vertiefung am Fuß einer riesig aufragenden Felsformation war mit Wasser gefüllt. Er kniete sich neben das Becken und schöpfte mit der Hand Wasser heraus. Bevor er davon trank, bemerkte er, wie kühl es war. Auch ohne es vorher probiert zu haben, wusste er, dass er gefahrlos davon trinken konnte, und genoss die Erfrischung. Das aufgewühlte Wasser beruhigte sich, und er beugte sich tiefer, um sein Spiegelbild in der Oberfläche zu betrachten. Wann hatte er zuletzt sein eigenes Gesicht gesehen?

Wesley Crusher starrte die tiefen Falten in seinem Gesicht an. Zumindest an den Stellen, die nicht von dem Vollbart verdeckt waren, der inzwischen grauer war, als er ihn aus einer Zeit in Erinnerung hatte, die so weit zurücklag, dass er sie sich nur mit Mühe vergegenwärtigen konnte. Dasselbe galt für sein Haar, das ihm über die Ohren und in die Stirn fiel und bis zu den Schultern seiner abgetragenen dunklen Lederjacke reichte. Ohne darüber nachzudenken, fuhr er sich mit einer Hand durch die dichten Locken, deren helle Farbe ihn weit älter erscheinen ließ, als er eigentlich war. Wie alt auch immer das sein mochte.

Er hatte es vor langer Zeit aufgegeben, sich um solche Dinge zu kümmern, da sie in seiner gegenwärtigen Existenz keinerlei Bedeutung mehr hatten. Einerseits war es über ein Vierteljahrhundert her, seit er seine Reise begonnen hatte. Von einem anderen Standpunkt aus waren die Jahre, seit er sein Leben als gewöhnlicher Sterblicher hinter sich gelassen hatte, innerhalb eines Augenblicks vergangen. Beides stimmte, genauso wie die unumstößliche Tatsache, dass seine Reise Millionen Jahre umfasst hatte, sowohl in der Vergangenheit als auch in der Zukunft. Egal wie kleinlich man seine Lebensspanne betrachten wollte oder wie klein die Zeiteinheit war, mit der man sie maß, er konnte sich an jeden Aspekt erinnern. Er fühlte sich so jung und voller Hoffnung und Begeisterung wie zu Beginn, während gleichzeitig jeder Bestandteil von ihm unter dem Gewicht der vergangenen Zeit stöhnte. Durch Willenskraft konnte er Letzteres verdrängen, aber Wesley war sich mit einem Mal schmerzlich bewusst, wie viel Energie ihn das zu kosten schien.

Hatte die Zeit ihn schließlich doch eingeholt? Wie viel länger mochte seine Reise noch dauern? Es gab keine Möglichkeit, sicher zu sein. Und mehr denn je spielten Faktoren mit hinein, die diese Fragen noch gewichtiger machten. Trotz der Fähigkeiten, die er in seinem seltsamen, außergewöhnlichen Leben gesammelt hatte, waren seine einzigen Einblicke in die Zukunft jene, die er auf seinen Reisen gesammelt hatte. Wie er aus den Lektionen seines Mentors sowie der Sternenflottenausbilder in jenem längst zurückgelassenen Leben gelernt hatte, war dieses Wissen aus zahllosen Gründen gefährlich. Wesley hatte immer aufgepasst, dass die Verlockungen des Vorauswissens seine Entscheidungen und Taten nicht beeinflussten. Das Ausmaß dieser Gefahren war selbst für ihn zu gewaltig, um es wirklich zu begreifen. Die Regeln des temporalen Reisens, die er in seinem früheren Leben beachtet hatte, waren immerhin von dem Wunsch geleitet gewesen, keinen Schaden anzurichten. Zwar wirkten sie fast schon naiv, da sie von Wesen geschaffen worden waren, die nicht wirklich in der Lage waren, die Konsequenzen zu begreifen. Doch zum Teil hatten sich diese Überlegungen in die Richtlinien übertragen, an denen er sich heute orientierte, wenn er sich durchs Universum bewegte.

Doch das alles schien ziemlich bedeutungslos zu sein.

Während er sich über die trostlose Landschaft bewegte, bemerkte Wesley, dass die Felsformationen zu beiden Seiten anzusteigen und näher zu kommen schienen. Auch wenn er wusste, wohin er ging, wurde er das Gefühl nicht los, dass die Felsen ihn in eine bestimmte Richtung leiteten. Er erinnerte sich, dass er schon bei seinen vorherigen Besuchen auf dieser Welt ähnlich empfunden und sich jedes Mal gefragt hatte, ob mehr dahintersteckte als eine Laune der Natur. Vielleicht war der Weg gezielt so angelegt worden. Es war eine der vielen Fragen über diesen Ort, auf die er nie eine Antwort gefunden hatte.

Eine Lücke tat sich in den Felsen vor ihm auf, und mit jedem Schritt wurde sich Wesley mehr des fast schon musikalischen, tiefen, lockenden Singens in der Luft bewusst. Als er auf der anderen Seite eine weitere flache Ebene erreichte, war das Dröhnen unmöglich zu ignorieren. Bildete er sich das nur ein, oder war es sogar noch durchdringender und intensiver, als er es von seinen letzten Besuchen in Erinnerung hatte?

Wesley gab sich die größte Mühe, das inzwischen allgegenwärtige Summen zu ignorieren, und richtete den Blick auf die Ruinen der toten Stadt, die sich in alle Richtungen über die karge Landschaft erstreckte. Er war in der Nähe des Zentrums dieser uralten, verlassenen Metropole herausgekommen, wodurch er das atemberaubende Zusammenspiel von Form und Funktionalität, von Kunstfertigkeit und künstlerischer Freiheit, die in den Bau dieser Stadt geflossen waren, bewundern konnte. Er staunte immer wieder, dass Leute, die so talentiert gewesen waren, ein solches Wunder zu erschaffen, aus irgendeinem unerfindlichen Grund zugelassen hatten, dass sie von dieser Welt getilgt worden waren. Alles, was von ihren Errungenschaften noch übrig war, war das, was noch nicht von den Elementen sowie dem gnadenlosen Zahn der Zeit vernichtet worden war. Doch was verblieb, war ein stummes Testament von Kunstfertigkeit und Schönheit.

Und dann war da noch das Artefakt.

Umgeben von einem Mysterium, das sogar noch undurchdringlicher war als das Schicksal der ausgestorbenen Bewohner dieses Planeten, schien die merkwürdige Konstruktion weder hierher noch an irgendeinen anderen Ort, den Wesley besucht hatte, zu passen. Ganz allein kauerte sie zwischen den Ruinen im Zentrum der toten Stadt. Überreste uralter Bauwerke hielten in seinem Umfeld Wache und deuteten an, dass das Artefakt ein Objekt gewesen war, das Respekt forderte, keine Anbetung. Auf der ausgedörrten, toten Erde ruhte ein aufrecht stehendes, asymmetrisches Ellipsoid auf einem Podest. Es schien aus Stein gemeißelt zu sein, doch selbst mit seinen Fähigkeiten konnte Wesley die genaue Zusammensetzung nicht bestimmen. Versuchen, sein Alter zu bestimmen, hatte es sich ebenfalls widersetzt. Aufzeichnungen über die erste Begegnung der Sternenflotte mit dem Objekt deuteten außerdem darauf hin, dass es Jahrmilliarden vor der Entstehung von Leben auf dieser Welt erbaut oder hier platziert worden war. Was wiederum aller Wahrscheinlichkeit nach bedeutete, dass es schon hier gewesen war, lange bevor sich Leben auf den Welten dieser Galaxie entwickelt hatte. Doch keiner der nachfolgenden Versuche, das Artefakt zu untersuchen und zu verstehen, war von Erfolg gekrönt gewesen. Wesley stand davor und spähte durch die zentrale Öffnung, die ihm für einen Moment gestattete, mehr von den umstehenden Ruinen der Stadt zu sehen. Abgesehen von den Gelegenheiten, bei denen Föderationswissenschaftler und -forscher es genutzt hatten, um vergangene Ereignisse zu beobachten – und jenen noch selteneren Fällen, in denen jemand tatsächlich hindurchgetreten war, um seine erstaunlichen Fähigkeiten zu nutzen –, stand es schweigend da.

Wie er es den Großteil seiner Existenz getan hatte, wartete der Hüter der Ewigkeit auf eine Frage.

»Hüter.« Wesleys Augen verengten sich, als er das Zeitportal betrachtete. »Hörst du mich?«

Als Reaktion auf seine einfache Frage begann die Ellipse zu glühen und von innen heraus zu pulsieren. Der Effekt wurde hervorgerufen von Mineralen oder anderen Materialien, die sich allen Versuchen, sie zu scannen oder zu bestimmen, widersetzt hatten. Die Öffnung wurde unscharf und verschwamm, war erfüllt von einem Durcheinander wirbelnder Farben. Nun, da es aktiv war, spürte Wesley die Verzweiflung, die ihn überhaupt erst hierhergeführt hatte, zusammen mit den Wellen der zunehmenden Energie temporaler Verzerrung, die mit der Aktivierung des Zeitportals einhergingen.

»Ich bin der Hüter«, antwortete ein tiefer Bariton, der von den umstehenden Ruinen und Felsformationen zurückgeworfen zu werden schien. »Ich höre dich, wie ich alle höre.«

Wesley spürte eine neue Instabilität in der Energie, die das Artefakt nun erzeugte. Diese waren sehr viel stärker als in den Aufzeichnungen der Wissenschaftler, die seine Funktion untersucht hatten, und sein Instinkt sagte ihm, dass es seine Reaktion auf etwas war, das es als Bedrohung wahrnahm. Äußere Einflüsse, die von … irgendwo anders auf den Hüter eindrangen.

»Du wirst angegriffen.« Es war eher eine Feststellung als eine Frage. Wesley konnte zunehmende Energiestöße spüren, die gegen das Portal drängten. »Weißt du, von wem? Oder von was?«

»Von allem, was war. Von allem, was sein wird«, antwortete der Hüter.

»Ja, sehr hilfreich.«

Auch wenn er von den gewaltigen Energien, die das alterslose Zeitportal erzeugte, angelockt worden war, war Wesley auch selbst auf der Suche nach Antworten. Er hatte vermutet, dass das Portal als eins von einer Handvoll bekannter Zeitphänomene, die es in der gesamten Galaxis gab, seine noch immer unbekannten Verfolger anziehen könnte. Würde es ihm Schutz bieten vor seinem mysteriösen Feind? Er konnte es unmöglich mit Sicherheit sagen, da die Grenzen der Macht des Hüters selbst ihm verborgen blieben. Zumindest glaubte er, dass die temporalen Verzerrungen, die durch die offensichtliche Notlage des Artefakts ausgelöst wurden, ihn vor der Entdeckung schützen und ihm Zeit verschaffen konnten, hinter die wahre Natur seines Gegners zu kommen.

Du kannst wegrennen, mahnte er sich selbst, aber du kannst dich nicht verstecken.

»Weißt du, wie lange du schon angegriffen wirst?«, fragte er.

Der Hüter, dessen innere Mechanismen noch immer vor Energie pulsierten, erwiderte: »Der Angriff hat noch nicht begonnen. Der Angriff dauert seit unendlichen Zeiten an. Der Angriff wird nie beginnen, und doch wird er ewig anhalten.«

Wesley knirschte mit den Zähnen und schüttelte frustriert den Kopf. »Was zum Teufel soll das bedeuten? Wie soll ich dich verstehen?« Der Hang des Hüters, in Rätseln zu sprechen, war legendär, eine Angewohnheit, die nur nachließ, wenn man ihn direkt nach bestimmten Fähigkeiten fragte, die er besaß. Warum also hüllte er sich jetzt so hartnäckig in Unklarheiten? Was übersah Wesley? Vielleicht wusste das uralte Portal einfach nicht, was es bedrohte. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf suchte Wesley händeringend nach einer Frage, die er stellen konnte, um eine nützlichere Antwort zu erhalten.

Halt, dachte er. Was ist …? Nein!

Etwas war jetzt anders. Er spürte die plötzliche Energiespitze, die aus dem Hüter schoss, nur einen Wimperschlag bevor die wirbelnden Farben im Inneren des Portals an Helligkeit zunahmen und sich wild überschlugen. Es war sehr viel extremer als die ausgestrahlten Verzerrungen – als würde das Portal all seine Energie zusammenziehen, um eine neue, noch brutalere Attacke abzuwehren, als es sie je erlebt hatte. Die schiere Macht der Eskalation brach über Wesley herein, als wäre er in einer reißenden Flut gefangen, die von allen Seiten auf den Hüter eindrang. Und auf ihn.

Kein Wasser!, schrie sein Verstand die Erkenntnis heraus. Zeit!

Das war es. Gnadenlose, unnachgiebige Zeitströme, die sich alle hier versammelten und von noch immer unbekannten Mächten gelenkt wurden. Bisher war Wesley seinen Verfolgern noch nicht begegnet. Sie hatten ihm keinen Hinweis auf ihre Identität gegeben oder auf den Grund, aus dem sie ihn jagten. Stattdessen griffen sie einfach nur an, als würden sie von blinder Wut getrieben, aber er wusste es besser. Er spürte ihre Zielgerichtetheit ebenso wie ihre Entschlossenheit, besonders jetzt, da die Zeit selbst mit Gewalt auf ihn einstürmte.

Aber da war noch mehr. Wesley konnte fühlen, wie es um ihn herum und sogar durch ihn hindurch floss, während der sintflutartige Strom weiter zunahm. Er erkannte eine Absicht, einen sich bewegenden Vorsatz. Was immer es war, es wollte nicht einfach nur ihn. Er konnte sich des Eindrucks – der absoluten Sicherheit – nicht erwehren, dass der noch immer unsichtbare Feind alles wollte.

Wesley spürte, wie sich die ersten Anzeichen von Angst langsam in sein Bewusstsein schlichen. An diesem Punkt in seinem beeindruckenden Leben, nach allem, was er erlebt hatte, war es ein beinahe fremdes Gefühl, und doch konnte er es nicht leugnen. Was, wenn er nicht in der Lage war, das, was hinter ihm her war, aufzuhalten oder auch nur zu bekämpfen? Was war mit …?

Zum ersten Mal seit gefühlten Ewigkeiten vergaß Wesley Crusher alles über das fantastische Wesen, zu dem er geworden war, als sein Verstand und seine Emotionen sich auf einen einzigen Gedanken konzentrierten, eine einzige Person, die ihm mehr bedeutete als alle anderen – und die er vielleicht nicht würde beschützen können.

Mom.

2

U.S.S. Enterprise NCC-1701-E

2387

»Wesley?«

Das Bild ihres Sohnes – zumindest war sie sich sicher, dass es ihr Sohn war – blitzte vor Beverly Crushers Augen auf. Dann verschwomm alles vor ihren Augen und sie spürte, wie sie das Gleichgewicht verlor. Sie tastete nach etwas, woran sie sich festhalten konnte, und taumelte gegen das nächste Krankenbett.

»Doktor? Alles in Ordnung?«

Die Stimme klang leise und weit entfernt und konnte das plötzliche Klingeln in ihren Ohren nicht übertönen. Nun, da sie am Bett lehnte, spürte Crusher eine Hand an ihrem Arm und erkannte, dass sie ihrem Patienten gehören musste. Ihre Sicht klärte sich bereits wieder, und der Schwindel ließ nach. Die bunten Flecken nahmen wieder klare Gestalt an, inklusive der großen direkt vor ihr. Sekunden später klärte sie sich zu einem blonden Menschen, Lieutenant Bryan Regnis. Der Sicherheitsoffizier, den sie bis vor einem Moment noch untersucht hatte, starrte sie mit besorgter Miene an.

»Doktor Crusher«, erklang eine weitere Stimme, und als Crusher sich umdrehte, sah sie, wie Tamala Harstad durch die Krankenstation der Enterprise auf sie zukam. Sie trug Zivilkleidung, und einen Moment lang fragte sich Crusher, warum die junge Ärztin in ihrer Freizeit überhaupt in der Krankenstation war. Hinter ihr trat Doktor Tropp aus den Büros, die für die Mediziner des Schiffs vorgesehen waren. Der denobulanische Arzt, der ihr Stellvertreter als leitender medizinischer Offizier war, schloss zu Harstad auf, als beide vor sie traten. Wie üblich trug er über seiner Sternenflottenuniform den blauen Laborkittel, der für das Team der Krankenstation vorgesehen war.

»Was ist passiert?«, erkundigte sich Harstad bei Lieutenant Regnis, der sich aufgesetzt hatte und gerade die Beine über die Bettkante schwingen wollte.

Regnis warf Crusher einen besorgten Blick zu, bevor er antwortete: »Ich bin nicht sicher. Sie war gerade dabei, mich zu scannen, und hatte mich gefragt, wie ich mich fühle.« Er klopfte neben seinem rechten Bein aufs Bett. »Und plötzlich sah sie aus, als würde sie ohnmächtig.« Die Sorge in seinem Gesicht vertiefte sich, als er sie betrachtete. »Sicher, dass es Ihnen gut geht, Doktor?«

Crusher zwang sich zu einem Lächeln und nickte. »Ich denke schon, Lieutenant. Danke.«

»Lassen Sie mich das entscheiden«, sagte Tropp.

Der Denobulaner trug Lieutenant Antoinette Mimouni, einer der diensthabenden Schwestern der Krankenstation, auf, sich um Regnis zu kümmern, und führte Crusher aus dem Patientenbereich zu ihrem Büro. Harstad folgte ihnen. Nachdem sie außer Sicht- und Hörweite ihrer Untergebenen und aller anderen waren, bedeutete Tropp Crusher, sich hinter ihren Schreibtisch zu setzen, und sie sah, dass er bereits einen medizinischen Trikorder aus der Tasche seines Laborkittels zog. Sie lächelte, als ihr klar wurde, dass Tropp sie bewusst aus dem Behandlungsraum gebracht hatte, um nicht noch mehr Unruhe unter ihrem Team und den Patienten zu stiften, sollte sein Scan etwas Besorgniserregendes enthüllen. Während er arbeitete, kam Harstad um den Schreibtisch herum, und Crusher fiel wieder auf, dass sie definitiv nicht ihre reguläre Sternenflottenuniform trug. Das leuchtend bunte Top und die beigefarbenen Leggings hoben sich von der dunklen Haut der Ärztin ab und passten gut zu dem goldenen Band, mit dem sie sich das schwarze Haar aus dem Gesicht gebunden hatte. Das Outfit erinnerte Crusher daran, dass ihre Kollegin um diese Zeit nicht mal in der Krankenstation sein sollte.

»Was machen Sie eigentlich hier, Tamala?«, fragte sie also. »Sie wollten doch mit Geordi bei einem frühen Abendessen sitzen, bevor Sie ein neues Holodeckprogramm ausprobieren, das er entdeckt hat. Sonnenaufgang auf Zeta Minor oder so was.«

Harstad lehnte sich gegen den Schreibtisch. »Das war der Plan, aber er ist immer noch unten im Maschinenraum und schraubt an einem Regulator oder Flusssensor oder was auch immer. Ich dachte, während ich auf ihn warte, könnte ich ein paar meiner Berichte fertig machen.« Sie beugte sich näher und fügte fast schon verschwörerisch hinzu: »Kleiner Tipp: Lassen Sie sich nie mit dem Chefingenieur eines Raumschiffs ein.«

»Und was immer Sie tun«, fügte Crusher hinzu, »heiraten Sie auf keinen Fall den Captain eines solchen Schiffs.«

»Wir sollten eigentlich auf dem Weg zu unserem Landurlaub sein.« Harstad seufzte. »Aber ich bin ziemlich sicher, dass ich ihn vom Schiff entführen muss, wenn wir da sind.«

»Sternenbasis 11 hat mit die schönsten Strände, die ich je gesehen habe«, erwiderte Crusher. »Einer der Vorteile, wenn man auf einem Planeten und nicht auf einer Raumstation ist. Es gibt da diese Bungalows, die auf Stelzen im Wasser stehen. Man kann direkt aus dem Schlafzimmer ins Meer springen. Es geht doch nichts über ein Bad im Mondschein, wenn die nächsten Nachbarn hundert Meter entfernt sind.«

»Was wollen Sie damit sagen, Doktor?« Harstad hob eine Augenbraue.

»Ich will sagen, wenn Sie es ihm richtig verkaufen, müssen Sie ihn nicht entführen.«

Allein durch diesen Moment der Unbeschwertheit fühlte Crusher sich schon besser. Was immer passiert war, es schien vorbei zu sein. Blieben nur die üblichen Fragen, von denen sie wusste, dass ihre Kollegen sie gleich stellen würden.

Während Tropp den kleinen Diagnosescanner über Crushers Kopf schwenkte, fragte Harstad: »Ist Ihnen so was in letzter Zeit schon mal passiert?«

Crusher schüttelte den Kopf. »Nein. Gar nicht.« Sie lehnte sich in ihrem Sessel zurück. Das anhaltende Gefühl der Unruhe ließ nach und ließ sie mit der Frage zurück, was das Erscheinen von Wesley zu bedeuten haben mochte. »Ich habe nicht mal an ihn gedacht. Zumindest nicht bewusst.« Als ihr die Bemerkung seltsame Blicke von ihren Kollegen einbrachte, erkannte sie, dass sie sie vermutlich im Behandlungsraum nicht gehört hatten. »Tut mir leid. Für einen kurzen Moment war ich …« Sie unterbrach sich und wählte ihre nächsten Worte ganz bewusst. »Ich war abgelenkt von einer Vision von meinem Sohn Wesley.«

»Ich vermute, Sie denken oft an ihn?«, erkundigte sich Tropp, schaltete den Scanner aus und ballte die rechte Hand um das Gerät, während er die Trikorderdaten studierte. Crusher bemerkte seinen Gesichtsausdruck. Wie die meisten Denobulaner war er in der Regel leicht zu durchschauen.

»Natürlich tue ich das«, erwiderte Crusher. Mit einer Handbewegung relativierte sie ihre Antwort. »Ich meine, nicht in jeder wachen Minute, aber er ist mein Sohn. Ich denke ständig an ihn. Sie sind selbst Vater, Doktor. Sie wissen, wie das ist.«

Tropp lächelte und schien nicht einmal zu versuchen, den offensichtlichen Stolz zu verbergen. »Das bin ich. Acht Kinder, vierunddreißig Enkel und drei Urenkel.« Er unterbrach sich und richtete seinen Blick auf einen Punkt irgendwo hinter Crusher, bevor er einen Finger hob. »Fünfunddreißig Enkel. Den letzten habe ich noch nicht kennengelernt, und je älter ich werde, desto schwerer wird es, sich alle zu merken.«

»Ich bin schon vom Zuhören erschöpft«, bemerkte Harstad.

Der Kommentar entlockte allen drei Ärzten ein Lachen, bevor Tropp seinen Trikorder zuklappte und ihn wieder in seinen Laborkittel steckte. Er ließ die Hand dort und schob auch die andere Hand in die andere Tasche. Sein Lächeln erstarb und wurde von einer Miene professioneller Besorgnis ersetzt.

»Wann haben Sie Ihren Sohn zuletzt gesehen?«, fragte er.

»Nicht seit der Geschichte mit Data und dem Maschinenplaneten im Zentrum der Galaxis«, antwortete Crusher.

Wesley und sein Mentor, der Reisende, hatten die Enterprise um Hilfe gebeten, nachdem sie eine gigantische Konstruktion entdeckt hatten, die ganze Sternsysteme vernichtete. Andere Reisende, die sich vor der Macht der Maschine fürchteten, hatten sich zurückgezogen, sodass Wesley sich gezwungen gesehen hatte, Hilfe von den Leuten zu erbitten, denen er am meisten vertraute. Gemeinsam hatten er, Data und Picard die Maschine überzeugt, ihr Ziel aufzugeben, den Subraum, und damit einhergehend auch Reisen und Kommunikation bei Überlichtgeschwindigkeit, zu zerstören, um so den Weg zu ebnen, alle Lebewesen in der Galaxis auszulöschen. Im Anschluss an diese Krise hatte sich Wesley wieder auf die Reise durch den Kosmos gemacht, der nun sein Zuhause war. Ohne eine Möglichkeit, mit ihm zu kommunizieren, hatte Crusher keine Ahnung, was er gerade tat oder wie es ihm ging. Sie konnte nur hoffen, dass er eines Tages zurückkehren würde.

»Haben Sie vielleicht von ihm geträumt?«, fragte Harstad.

Mit einem leisen Seufzen schüttelte Crusher den Kopf. »Nicht dass ich wüsste. Was immer es war, so etwas habe ich noch nie gefühlt. Ich weiß nicht mal, wie ich es beschreiben soll, außer dass es sehr intensiv war. Wie ein plötzlich auftretender Tagtraum, aber viel heftiger, gleichzeitig aber vage und undeutlich.« Sie schloss die Augen und rieb sich die Nasenwurzel. »Vielleicht bin ich nur müde. Es war … na ja, es war ein langes Jahr. Nicht wahr?«

Harstad klopfte auf den Tisch. »Tja, sie stellt schon wieder rhetorische Fragen. Das muss ein gutes Zeichen sein. Stimmt’s?«

»Meine Scans haben nichts Auffälliges ergeben«, sagte Tropp, presste dann aber die Lippen zusammen. Nach einem Moment fügte er hinzu: »Ich würde gern eine komplette Untersuchung durchführen, nur um sicherzugehen.« Als hätte er ihren Protest schon vorhergesehen, zog er die rechte Hand aus der Tasche und hielt sie hoch. »Wir können das machen, nachdem wir die aktuellen Patienten entlassen haben. Niemand hier hat irgendwelche ernsthaften Beschwerden, und wir können die Krankenstation in dreißig Minuten leer haben. Es könnte sogar gut für die Moral sein, wenn die Mannschaft sieht, wie wir den leitenden medizinischen Offizier denselben Torturen unterziehen wie sie.« Sein breites Grinsen war zurück und verriet Crusher, dass er nur Spaß machte.

»Dafür reicht es schon, wenn ich den Captain seinen Routineuntersuchungen unterziehe.«

Crusher wusste, dass es sinnlos war, mit Tropp diskutieren zu wollen, der ein ebenso guter Arzt wie sie selbst war und in so einer Angelegenheit kein Nein akzeptieren würde. So gern sie die Sache auch einfach unter den Teppich gekehrt hätte, riet ihr die Vernunft, den Arzt seine Untersuchung durchführen zu lassen. Wenn sonst nichts dabei herauskam, könnten sie zumindest alle physiologischen oder neurologischen Ursachen ausschließen.

»Sie haben gewonnen.« Ergeben hob sie die Hände. »Ich unterwerfe mich Ihrer Gnade, Doktor.«

Offensichtlich zufrieden mit ihrer Antwort nickte Tropp. »Sehr gut. Ich kümmere mich um die letzten Patienten. Ich schlage vor, Sie bleiben so lange in Ihrem Büro. Nur für den Fall, dass zu einem weiteren … Zwischenfall kommt.«

»Dabei kann ich helfen«, erklärte Harstad. »Ich habe noch ein bisschen Zeit totzuschlagen, und wenn Geordi nach mir sucht, soll er warten, bis wir fertig sind.« Sie und Crusher tauschten einen vielsagenden Blick aus. »Geschieht ihm recht, wenn er eine Dame warten lässt.«

»Definitiv«, bekräftigte Crusher, erhob sich aus ihrem Sessel und griff nach einem Padd, das auf ihrem Schreibtisch lag. Sie hatte selbst noch ein paar Berichte, die sie vervollständigen konnte, während sie auf Tropp wartete. »Bitte richten Sie Lieutenant Regnis meine Entschuldigung aus.«

»Das werde ich«, antwortete Tropp. »Ich vermute aber, er wird nicht …«

Das Interkom des Schiffs unterbrach den Doktor, gefolgt von der Stimme von Hailan Casmir, dem Leiter der zivilen Lehrkräfte und der Kindertagesstätte des Schiffs. »Bildungszentrum an Doktor Crusher.«

Ihr erster Impuls war, auf das Chronometerdisplay auf ihrem Computermonitor zu blicken. Hatte sie die Zeit aus den Augen verloren und vergessen, ihren Sohn René aus der Schule abzuholen? Das Chronometer versicherte ihr, dass dem nicht so war, was aber nur dafür sorgte, dass ganz neue Ängste in ihr aufstiegen. Sie tippte auf den Kommunikator an ihrem Uniformoberteil. »Doktor Crusher hier. Was gibt es, Mister Casmir?«

Sorge lag in der Stimme des Argelianers, als er antwortete: »Es tut mir leid, Sie zu stören, Doktor, aber es geht um René. Er hat plötzlich angefangen zu weinen. Wir haben versucht, ihn zu trösten, aber er lässt sich nicht beruhigen. Könnten Sie vielleicht …?«

»Schon unterwegs.«

3

Eine weitere Welle temporaler Verzerrungen schoss aus der zentralen Öffnung des Hüters, in der inzwischen ein Strudel aus pulsierendem, schilderndem Licht tobte. Das Heulen der kaum zu kontrollierenden Raserei war so laut, dass Wesley schmerzlich das Gesicht verzog. Bildete er sich das nur ein, oder erzitterte das uralte Zeitportal unter der Macht des Angriffs?

»Hüter!«, brüllte er, konnte seine eigene Stimme über den zunehmenden Lärm aber kaum hören. »Was geht hier vor?«

»Ein Kampf beginnt«, erwiderte das Artefakt. »Ein Kampf endet. Ein Kampf wird verhindert. Ein Kampf beginnt von Neuem.«

Wesley schüttelte den Kopf über die unglaubliche Fähigkeit des Hüters, sich weiter geheimnisvoll zu geben. Wie sollte er verstehen, was das Portal durchmachte, oder ihm gar im Kampf helfen, wenn das alterslose Konstrukt nur in Rätseln sprach?

Vielleicht ist das der Schlüssel?

Könnte der Hüter versuchen, ihm Hinweise oder Informationen zukommen zu lassen in der Hoffnung, dass er ihm half? Womöglich hinderte ihn der Angriff, den er gerade abwehren musste, daran, ihm eine verständliche Antwort zu geben. Konnte es sein, dass das Portal all seine Kräfte auf seine Verteidigung verwendete und kaum noch etwas übrig hatte, um zu kommunizieren oder um Hilfe zu bitten? Das ergab zumindest einen gewissen Sinn, entschied Wesley. Aber was sollte er tun?

Konzentrier dich, mahnte er sich. Konzentrier dich auf den Hüter.

Er lenkte seine Sinne nach innen, sammelte seine Gedanken und konzentrierte sie in eine einzelne, einfache Interaktion, die er auf das richten konnte, was er als den Hüter erkannte; einen einzelnen Punkt der Stabilität in dem zunehmenden Wirbel aus Chaos und Wut. Er drängte vorwärts und streckte sich tiefer in den Sturm, bis er diese Insel des Bewusstseins fast berühren konnte, die das eigentliche Wesen des Zeitportals war.

Ich bin der Hüter der Ewigkeit.

Die Aussage dröhnte in Wesleys Geist und verdrängte alle anderen Gedanken und Wahrnehmungen. Er war am Ziel. Er hatte es geschafft. Kontakt und vielleicht sogar Verstehen waren zum Greifen nah.

Ich bin Wesley Crusher.

Du bist ein Reisender.

Und ich bin hergekommen, weil ich deine Not gespürt habe. Ich fühle den Angriff, gegen den du dich wehren musst. Wer ist dafür verantwortlich?

Ich weiß es nicht.

Wie kann ich helfen? Sag mir, was ich tun soll.

Es gibt nichts, was du tun kannst, Wesley Crusher. Zumindest nicht für mich. Ich bin nur ein Werkzeug. Einige sehen mich als Waffe. Andere sehen mich als Erlösung. Viele solcher Reisen sind möglich, aber es ist nicht an mir, zu entscheiden, welche die richtigen sind. Ich kann nur dienen …

Wesley zuckte zusammen, als die zentrale Öffnung gleißend weiß aufleuchtete und ihn ins Hier und Jetzt zurückriss bevor … etwas aus dem Portal herausbrach. Eine verschwommene Masse, dunkel und zitternd, gefolgt von drei noch unheilvolleren Gestalten, die mit einer solchen Wucht hervortraten, dass er sah, wie der Hüter erzitterte, als sei er von einem Schlag getroffen worden. Wesley spürte, wie er das Gleichgewicht verlor, und ruderte mit den Armen, um sich auf den Beinen zu halten.

Hüter!

Einmal mehr streckte er seine Gedanken aus, doch diesmal hörte oder fühlte er nichts. Es war, als hätte sich der Hüter abgeschaltet. Es blieb jedoch keine Zeit, um festzustellen, ob das Portal irgendwelche Schäden erlitten hatte. Wesley richtete seine Aufmerksamkeit auf die Neuankömmlinge.

Nachdem die verschwommenen Massen sich vom Hüter entfernt hatten, verfestigten sie sich zu gut vier Meter großen, zuckenden, schlangenartigen Kreaturen. Ihre blassen, sehnigen, muskulösen Körper, die sich zu geschmeidigen, in die Luft gereckten Schwänzen verjüngten, schimmerten grünlich. Jede Schlange hatte einen riesigen Kopf, und Knochenkämme zogen sich rechts und links vom Scheitel über den Rücken. Es war das erste Mal, dass seine Gegner sich als physische Wesen manifestierten, doch selbst jetzt noch konnte er spüren, wie sie immer wieder aufhörten zu existieren und dann wieder zurückkehrten. Sie bewegten sich auf dieser Realitätsebene, aber auch noch auf einer anderen. Einem Ort, den Wesley nie gesehen hatte und den er sich nicht vorstellen konnte.

Nicht dass das jetzt wichtig wäre, ermahnte er sich.

Und noch etwas anderes verstand er jetzt. Mit jedem Augenblick stieß der Hüter immer stärkere temporale Verzerrungen aus und tat alles in seiner bizarren Macht Stehende, um eine Verteidigung gegen die Neuankömmlinge aufzubauen. Der Boden bebte unter seinen Füßen und die Erschütterungen reichten bis tief ins Erdreich. Wesley hatte das Gefühl, als zapfe der Hüter den Planeten selbst an, um seine Verteidigung zu verstärken.

Statt sich davon einschüchtern zu lassen, schienen die Schlangen diese neue, zunehmende Energie jedoch in sich aufzusaugen. Er spürte, dass die Kreaturen Kraft daraus zogen, selbst als der Hüter sich in sich selbst zurückzuziehen schien, um die Schlangen davon abzuhalten, diese Energie abzuzapfen. Wesley spürte deutlich den Kampf des Artefakts und erkannte die Veränderung der Energie, als sie sich nach innen richtete und eine Barriere um den Hüter entstehen ließ.

Dann wandten die Kreaturen ihre Aufmerksamkeit ihm zu.

Anfangs erinnerte ihr Angriff nur an ein Rudel wilder, von Blutdurst getriebener Tiere, als sie sich auf ihn stürzten. Sie glitten durch die Luft wie Aale, die sich durchs Wasser wanden. Wesley brauchte einen Moment, um zu erkennen, dass mehr dahintersteckte. Die Schlangen teilten sich auf, kamen aus unterschiedlichen Richtungen auf ihn zu und zwangen ihn, in Bewegung zu bleiben, um auf Angriffe von allen Seiten vorbereitet zu sein. Indem sie sich aufteilten, während sie den kargen Boden überquerten, versuchten sie, ihn einzukesseln, ihn gegen eine der nahen Felsformationen zu drängen, um ihn dort schutzlos festzusetzen.

»Netter Versuch.« Wesley funkelte seine Angreifer an, hob die Hände und spreizte die Finger. »Aber nicht mit mir.«

Er beschwor die Kräfte herauf, die er in seinen vielen Jahren des Wanderns – nein, des Reisens – durch das Universum entwickelt hatte, und richtete diese Macht auf seine Angreifer. Die Wirkung zeigte sich sofort. Jede der vier Schlangen erstarrte mitten in der Luft, als wäre die Zeit stehen geblieben. Diese Fertigkeit hatte Wesley immer weiter verfeinert in den Jahrzehnten, seit er seinen wahren Platz im Universum sowie seine Fähigkeit entdeckt hatte, sich wie kein anderer Mensch oder gewöhnlicher Sterblicher darin zu bewegen. Das erste Mal, dass er diese Kraft angewendet hatte, war es ein Unfall gewesen, ausgelöst durch Angst und Panik, und es hatte dazu geführt, dass er alles und jeden um sich herum angehalten hatte. Erst da hatte er seinen wahren Platz im Universum verstanden, dank des mysteriösen Fremden, den er nur als »den Reisenden« gekannt hatte. Zusammen mit seinem ungewöhnlichen Mentor hatte Wesley an diesem Tag erlebt, wie sein normales Leben geendet hatte, und sich auf eine ganz neue Reise zu höheren Existenzebenen und größerem Verständnis begeben.

Die Kräfte, von denen er in diesem Übergangmoment nicht einmal gewusst hatte, dass sie in ihm schlummerten, waren so lange genährt worden, bis er sie bewusst freisetzen konnte. Die Anstrengung, die er einst empfunden hatte, wenn er versucht hatte, sie zu kontrollieren, war längst der Selbstsicherheit von jemandem gewichen, der in vollkommenem Einklang war mit seiner eigenen Existenz, seinen Fähigkeiten und seinen Grenzen. Er hatte die Schlangen, die in Stasis in der Luft vor ihm hingen, unter Kontrolle.

Wesleys erster Gedanke war, dass er sie vernichten sollte, denn sie würden ihn mit Sicherheit töten, wenn sie die Gelegenheit dazu bekamen. Die bessere Option wäre allerdings, sie dorthin zurückzuschicken, wo sie hergekommen waren. Vielleicht konnte er sie zu ihrem Ursprung verfolgen, um zu erfahren, wer sie geschickt hatte und warum. Es musste hier doch um mehr gehen als nur um ihn? In der riesigen Weite des Kosmos musste er doch unbedeutend sein. War er, ohne es zu wissen, eine Bedrohung für jemanden oder etwas? Warum? Es gab zu viele Fragen, und nun hatte er endlich die Chance auf Antworten.

Du hast nichts.

Die Worte dröhnten Wesley in den Ohren, hallten durch seinen Geist und erklangen über die verlassene Landschaft um ihn herum. Gleichzeitig sah er, wie eine weitere Gestalt aus dem Hüter trat. Der Neuankömmling war humanoid und gekleidet in dunkle, fließende Roben, die einen Großteil seines Körpers einhüllten. Dennoch konnte Wesley einen übergroßen Kopf ausmachen, teilweise von einer Kapuze verdeckt, die tief in die Stirn der Gestalt gezogen war. Der Humanoide stand neben dem Hüter und legte eine Hand auf den Stein des Portals. Wesley zuckte zusammen, als die Wellen der temporalen Energie, die vom Artefakt erzeugt wurden, plötzlich stärker wurden.

»Was tust du?« Wesley trat einen Schritt auf den Fremden zu, doch dann bemerkte er, dass die Schlangen langsam seine Kontrolle abschüttelten. Er konnte spüren, wie sie immer wieder aus der Phase und zurück glitten. Sie manipulierten ihre Körper inner- und außerhalb der Raumzeit, wie jemand, der zu Beginn eines Gewitters versuchte, den Regentropfen auszuweichen. Nur dass die Kreaturen mehr Erfolg hatten. Binnen Sekunden hatten sie sich aus dem vorübergehenden Gefängnis befreit, in das er sie gesperrt hatte, und waren erneut hinter ihm her.

»Wer immer du bist«, sagte Wesley, »du lässt mir keine Wahl.«

Er richtete seine Aufmerksamkeit auf die nächste Schlange, ballte die Fäuste und boxte in die Luft. Rote Energieblitze schossen aus seinen Händen, zuckten zu dem Wesen hin und schlugen darin ein. Die Schlange stieß einen schmerzerfüllten Schrei aus, als ihr Körper sich unter dem doppelten Energiestoß auflöste. Ihre drei Kameraden hielten in ihrem Angriff inne und schienen zumindest für den Moment Angst vor dieser neuen Bedrohung zu haben. Wesley nutzte ihr Zögern, um sich eine weitere Kreatur vorzunehmen, und sammelte Energie für einen erneuten Schlag. Er unterbrach seine Vorbereitungen, als der Humanoide eine Hand hob und die verbliebenen Schlangen ihren Angriff abbrachen. Sie zogen sich hinter ihn zurück, der offenbar ihr Meister war und immer noch mit einer Hand auf dem Hüter dastand, und verschwanden in dem Energiewirbel, der aus dem Portal austrat. Sobald sie weg waren, drehte sich die Gestalt zu Wesley um und schien ihn anzustarren, obwohl ihre Gesichtszüge in den Schatten der Kapuze verborgen waren.

»Was zum Teufel soll das?« Wesley ging mit ausgestrecktem Arm auf den Fremden zu. »Wer bist du? Und was willst du?«

Du weißt nichts. Während die Worte scheinbar direkt auf Wesleys Bewusstsein einprasselten, hob der Humanoide eine Hand und deutete auf ihn.

Du bist … nichts.

Die Gestalt wandte sich dem Hüter zu und verschwand ebenfalls durch das Portal. Im selben Augenblick begann Wesley zu zittern, als neue Energiewellen daraus hervorbrachen, ungehindert aus dem Kern der uralten Konstruktion strömten.

»Ich bin mein eigener Anfang«, dröhnte es aus dem Artefakt. »Ich bin mein eigenes Ende.«

Dann brach der Hüter auseinander, und der Steinrahmen verging in einer neuerlichen Flut ungehinderter temporaler Verzerrungen. Wesley staunte über die schiere Energie, die den Untergang des alterslosen Portals begleitete. All die Geheimnisse und das Wissen, die Fragen, die es in sich trug und die Antworten, die es barg, waren für immer verloren, als es vor seinen Augen zu Staub zerfiel. Die darauffolgende Schockwelle begann dort, wo das Portal eben noch gestanden hatte, und nahm an Stärke und Geschwindigkeit zu, als sie über den Boden und durch die Luft fegte.

Wesley riss die Hände hoch. Er konnte die Druckwelle zwar verlangsamen, aber nicht aufhalten. Pure Willenskraft traf auf pure Gewalt, und die Gewalt gewann. Er konnte bereits spüren, wie sie ihn überwältigte. Ihm blieben nur noch Sekunden, um zu reagieren, und nur eins, was er tun konnte: Er floh.

Wesley warf sich in die Leere zwischen den Augenblicken und löste sich von diesem Punkt in der Raumzeit. Aus seiner losgelösten Position beobachtete er, wie gewaltige, gezackte Risse sich über die Oberfläche des Planeten des Hüters ausbreiteten. Bergketten und andere Landschaftsmerkmale verschwanden in klaffenden Schluchten, als der Planet in sich selbst zusammenfiel. Er verging in einer Flut aus Licht und Energie, die sich um den einstigen Kern der Welt ausbreitete. Wesley spürte, wie die Wellen der temporalen Verzerrungen sich zu verschiedenen Punkten der Zeit ausbreiteten und über sie hinwegfluteten. Brüche und Risse explodierten überall um ihn herum, nicht nur in dieser Realität, sondern in so vielen anderen, die er am Rand seines Bewusstseins erahnen konnte. Er ließ sich von ihnen mitreißen und nutzte die Gelegenheit, um seine erschöpften Kraftreserven aufzutanken.

Wo zum Teufel bist du hin?

Diese Frage ging ihm durch den Kopf, während er langsam das Ausmaß dessen begriff, was gerade geschehen war. Der Hüter war zerstört. Und damit waren auch die Möglichkeiten – und die Bedrohungen – der Reisen verloren, die er jedem eröffnet hatte, der dazu bereit war. Und während es sicher einige gab, die erleichtert aufatmeten in dem Wissen, dass er nicht länger für dunkle Machenschaften benutzt werden konnte, konnte sich Wesley des Gedankens nicht erwehren, dass eine Verteidigungslinie nun für immer unerreichbar war.

Dafür ist jetzt keine Zeit, tadelte er sich selbst, und ihm entging nicht die Ironie dieses einfachen Gedankens. Wesley zwang seine Gedanken, sich auf die aktuelle Situation zu konzentrieren, und streckte seine Sinne aus. Fast wäre sie ihm in all dem Chaos entgangen, aber da war sie: eine schwache Spur, die der mysteriöse Humanoide hinterlassen hatte, als er durch den Hüter verschwunden war. Wer war der Fremde, und wohin war er gegangen? Was hatte das alles zu bedeuten?

Während er sich durch Raum und Zeit tastete auf der Suche nach seinem rätselhaften Gegner, überkam ihn dasselbe Gefühl, das ihn schon zuvor erfasst hatte: Angst. Sie war so greifbar, es war, als könnte Wesley spüren, wie jemand – nein, etwas – starb. Die Furcht ging über die Beschränkungen eines einzigen Individuums hinaus und erstreckte sich bis an die Grenzen seiner Wahrnehmung, vielleicht sogar bis an die Grenzen der Realität selbst. Milliarden Gesichter, alle ohne erkennbare Züge, blitzten vor seinem geistigen Auge auf und verschwanden genauso schnell wieder. Sterne wurden geboren, erstrahlten und starben in einem einzigen Wimpernschlag. War das, was er spürte, der Todeskampf von … allem?

Nein, entschied er. Es war gezielter, aber er konnte es nicht einmal für sich selbst definieren oder beschreiben, geschweige denn einen möglichen Erklärungsansatz finden. Plötzlich überkam Wesley ein ungutes Gefühl, und er verließ eilig diese Existenzebene. Auf seinem Flug zwischen den Realitäten hindurch ignorierte er die Visionen von Tod und Zerstörung, während seine Sinne nach denjenigen suchten, die Antworten auf seine Fragen hatten. Bei dieser Reise tauchten zwei Gesichter aus dem undeutlichen Gewirr von allem und nichts auf. Sie standen an der Grenze des Vergessens, doch sie starrten ihn an. Er erkannte sie: seine Mutter und ein kleiner Junge, den er kaum kannte und doch schon ewig gekannt hatte. Eine greifbare, kostbare Verbindung zu einem Leben, das er hinter sich gelassen hatte, aber immer noch in seinem Herzen trug.

Er verstand nicht, wie oder warum, aber er war zutiefst überzeugt, dass jeder und alles kurz vor der Auslöschung stand.

Es war, erkannte er, einfach nur eine Frage der Zeit.

4

U.S.S. Enterprise 1701-E

2387

Beverly Crusher hatte die Krankenstation in ihrer Abwesenheit Tropp und Harstad überlassen und rannte nun fast, als sie den Eingang zum Bildungszentrum des Schiffs erreichte. Kaum hatte sie den Raum betreten, suchte sie ihn nach René ab, doch er war nirgends zu sehen. Zu dieser Zeit waren die wenigen Kinder im Vorschulalter längst von ihren Eltern abgeholt worden. Auch die Handvoll älterer Schüler war nicht mehr da. Der Lehrer hatte sie mit ihren Hausaufgaben aus dem heutigen Unterricht entlassen. Durch die Tür, die aus dem Eingangsbereich zu einem der Klassenzimmer führte, sah sie, dass der Raum im Dunkeln lag. Die Lichter und die Computer waren ausgeschaltet.

Wo also war ihr Sohn?

»René?«, rief sie und ging tiefer in die Einrichtung hinein. Sie wusste, dass der kurze Gang vor dem Klassenzimmer zu den Büros von Hailan Casmir und Hegol Den, dem Schiffscounselor, führte. Zusätzlich gab es Arbeitsplätze für zwei junge Zivilisten, einen Menschen und eine Vulkanierin, an deren Namen Crusher sich nicht erinnern konnte. Das Paar assistierte Casmir und Hegol, half aber auch in der Bibliothek der Enterprise und dem Archiv, das sich im Bildungszentrum befand.

Casmir trat aus dem Büroflur. Er trug ein weit geschnittenes, leuchtend jadegrünes Hemd mit Stehkragen und dazu eine schwarze Hose. Sein langes blondes Haar hatte er zu einem Zopf geflochten, der an den von Commander Worf erinnerte, während sein Bart mit einer Präzision gestutzt war, die sogar William Riker beeindruckt hätte. Zu Crushers Erleichterung wirkte Casmir nicht mehr ganz so beunruhigt, wie er über das Interkom geklungen hatte, und streckte sogar die Hand zur Begrüßung aus, als er mit einem freundlichen Lächeln auf sie zukam. »Doktor, danke, dass Sie so schnell gekommen sind. Es tut mir leid, Sie beunruhigt zu haben. Sie wissen, ich würde Sie nur in einem echten Notfall kontaktieren, aber René hat sich noch nie so besorgniserregend verhalten. Ich wollte lieber auf Nummer sicher gehen.«

Unsicher, wie sie auf die Bemerkung des Lehrers reagieren sollte, sah sich Crusher über seine Schulter hinweg weiterhin nach René um. »Nein, ich bin froh, dass Sie mich gerufen haben. Wo ist er?«

Casmir bedeutete ihr, ihm zu folgen, drehte sich um und ging den Weg zurück, den er gekommen war. Doch so sehr sie auch lauschte, sie konnte kein Weinen oder andere Anzeichen von Angst hören. Sie gingen den kurzen Gang hinunter zu Casmirs Büro. Auf dem Sofa gleich neben der Tür, gegenüber dem geschwungenen Schreibtisch des Argelianers, saß ihr Sohn, René Jacques Robert François Picard.

Mit seinem wilden roten Schopf, der auf dem Farbspektrum irgendwo zwischen ihrem eigenen Haar und dem lag, das der Vater des Jungen vor einer Ewigkeit einmal gehabt hatte, saß er still da und war ganz in das Buch auf seinem Schoß vertieft. Statt ein Padd zu benutzen, hatte René eine Vorliebe für echte Bücher entwickelt, eine Angewohnheit, die er sich bei seinem Vater abgeguckt hatte. Er las auf einem Level, das sogar noch über dem eines begabten Sechsjährigen lag. Sie konnte noch nicht erkennen, welches Buch den Jungen so gefesselt hatte, vermutete aber, dass es eine der Abenteuergeschichte war, die er sich so gern von ihrem Ehemann zur Schlafenszeit vorlesen ließ. Als er sie kommen hörte, blickte René von seiner Lektüre auf, und ein breites Grinsen erschien auf seinem Gesicht. »Mommy!«

Er legte das Buch neben sich aufs Sofa, und sie musste sich ein Lachen verkneifen, als sie sah, wie akribisch er darauf achtete, den Buchrücken oder die Seiten nicht zu knicken, bevor er vom Sofa rutschte und auf sie zukam. Er war jetzt fast sieben Standardjahre alt und reichte ihr schon bis über die Taille, die er umklammerte, sobald er in Reichweite war. Obwohl sie an seinen geröteten Augen sehen konnte, dass er geweint hatte, gab es keine anderen Anzeichen für den Vorfall zuvor. Crusher, die auf diese Reaktion nicht vorbereitet war, blickte unsicher zu Casmir, der nur mit den Schultern zuckte und entschuldigend die Hände hob.

»Als ich Sie kontaktiert habe, war er sehr aufgebracht«, erklärte der Lehrer. »Im einen Moment ist er noch in seine Geschichtsstunde vertieft, im nächsten fängt er an zu schluchzen und sich umzusehen, als hätte er vor etwas Angst.« Casmir deutete aufs Sofa. »Ich habe ihn aus dem Klassenzimmer hierhergebracht in der Hoffnung, dass ihn das beruhigen würde. Sobald wir von den anderen Kindern weg waren, hat er angefangen, etwas vor sich hin zu murmeln, das ich nicht verstanden habe, bis auf ein Wort.«

Da sie abgelenkt war, während sie vor René kniete und sich von ihm umarmen ließ, brauchte Crusher einen Moment, um zu bemerkten, dass Casmir aufgehört hatte zu sprechen. Über den Kopf ihres Sohnes hinweg blickte sie den Lehrer streng an. »Hailan«, drängte sie. »Was ist los?«

Casmirs Miene wurde sanfter, als er antwortete: »Er sagte ›Wesley‹. Soweit ich weiß, ist das das erste Mal, dass er seinen Bruder beim Namen genannt hat, zumindest hier in der Schule. Ich weiß, René ist ihm nicht oft begegnet, und ich habe keine Ahnung, was für eine Bindung die beiden haben. Aber ohne weitere Informationen kommt es mir ein bisschen ungewöhnlich vor, dass er nach Wesley rufen sollte und nicht nach Ihnen oder Captain Picard.«

Es stimmte, René wusste nur sehr wenig über seinen großen Bruder. Wesleys letzter Besuch war hauptsächlich von der Notlage geprägt gewesen, die ihn dazu gezwungen hatte, Picard und die Enterprise um Hilfe zu bitten, und hatte wenig Raum für Persönliches gelassen. Seine Begegnung mit seinem kleinen Bruder war kurz, aber emotional gewesen. Viel zu schnell hatte Wesley wieder aufbrechen müssen, um sich um die Folgen der Krise um den Maschinenplaneten zu kümmern und sicherzustellen, dass die Vereinbarung, die sie mit ihm getroffen hatten, eingehalten wurde. Die Ausmaße von Wesleys Leben als Reisender waren nicht nur gewaltig, sondern auch erstaunlich. Seine Entwicklung von einem unschuldigen Kind über einen hochbegabten Teenager und desillusionierten Sternenflottenkadetten hin zu einem Wesen von fast grenzenlosem Potenzial schien nicht mehr als einen Augenblick gedauert zu haben.

Wo war nur die Zeit hin? Für Wesley hatte Zeit keine große Bedeutung, zumindest nicht so, wie ein normaler Mensch sie wahrnahm, aber Crusher hatte das Gefühl, als wäre ein Teil ihres Lebens nur so dahingerast und vorbei gewesen, bevor sie es überhaupt bemerkt hatte. Dank seiner Fähigkeiten konnte Wesley – wenn er wollte – sogar durch die Zeit zurückreisen und sie an einem Punkt in der Vergangenheit besuchen, als wäre die Zeit bis zum heutigen Tag nie vergangen. Bedeutete die Tatsache, dass sie sich an keinen solchen Besuch erinnern konnte, dass es nie einen gegeben hatte, oder hatte Wesley etwas getan, um alle Anomalien, die sich in die Zeitlinie eingeschlichen haben mochten, zu neutralisieren? Über Probleme dieser Art hatten ihre Ausbilder in temporaler Mechanik an der Akademie immer gestöhnt. Ihr schwindelte allein bei dem Gedanken, aber so war es ihr auch damals im Unterricht immer ergangen.

Crusher spürte, dass jemand in der Tür zu Casmirs Büro stand, und als sie aufsah, entdeckte sie ihren Ehemann, Jean-Luc Picard. In seiner Standarduniform war er wie immer der Inbegriff eines Sternenflottenoffiziers. Sie bezweifelte, dass Casmir bemerkte, dass er leicht außer Atem war – wahrscheinlich war er von der Brücke hierhergeeilt.

»Es tut mir leid, Hailan.« Hegol Den trat aus dem Flur neben Picard. »Ich habe den Captain informiert, bevor ich wusste, dass die Situation bereits unter Kontrolle ist.«

»Schon gut, Doktor Hegol«, versicherte Picard und hob beschwichtigend die Hand. »Ich weiß Ihre Fürsorge zu schätzen.« Er gab sich wie üblich beherrscht und sprach ruhig, doch Crusher erkannte einen Anflug von Besorgnis, als sein Blick auf René fiel. Trotz allem war sie froh, ihn zu sehen. Auch wenn er immer ein Arbeitstier bleiben würde, gab es herzlich wenig im Universum, was ihn von seinem Sohn fernhalten konnte, wenn er diesen in Gefahr vermutete.

»Wie geht es ihm?« Er betrat das Büro und ließ sich auf ein Knie sinken, als René sich aus den Armen seiner Mutter löste und zu ihm kam.

»Offenbar gut«, antwortete Crusher. »Was immer ihn so aufgeregt hat, scheint vorbei zu sein.« Dies war weder der richtige Ort noch die richtige Zeit, entschied sie, um ihm von ihrer eigenen kleinen Episode in der Krankenstation zu erzählen.

Nachdem er René liebevoll gedrückt hatte, hielt der Captain seinen Sohn auf Armeslänge von sich und musterte ihn kurz. »René, ist irgendwas passiert? Etwas, worüber du reden willst?«

»Nein.« Der Junge zuckte mit der rechten Schulter.

»Was denn«, meinte Crusher, »ist dir meine medizinische Einschätzung nicht gut genug?« Sie lächelte, um ihrer spitzen Bemerkung ein wenig von ihrer Schärfe zu nehmen.

Picard erwiderte das Lächeln. »Ich würde nie an dir zweifeln.« Doch seine Aufmerksamkeit ruhte immer noch auf René, als er fragte: »Kannst du uns sagen, was dich so aufgeregt hat?«

René schien einen Moment über die Frage nachzudenken, bevor er antwortete: »Ich hatte Angst, aber ich weiß nicht mehr, warum.«

»Aber jetzt hast du keine Angst mehr?«

René schüttelte den Kopf. »Nein. Er hat mir geholfen, keine Angst mehr zu haben.«

Als sie diese Worte hörte, hatte Crusher einen Verdacht und sie hakte nach: »Wer hat dir geholfen?«

»Wesley.« Der Junge hatte weder gezögert noch wirkte er in seiner Antwort unsicher, was ausreichte, um Crusher und Picard, aber auch Casmir und Hegol einen skeptischen Blick zu entlocken. Die vier Erwachsenen sahen einander an, und zweifellos fragte sich jeder, was die anderen denken mochten.

»René«, fragte Picard mit sanfter Stimme. »Willst du damit sagen, dass du Wesley gesehen hast?«

Der Junge nickte und sah ihn aus großen Augen an. »Er hat mir gesagt, ich müsste keine Angst haben. Und er hat gesagt, dass er mich bald wieder besuchen kommt.«

Picard blickte zu Crusher. Auch ohne Worte konnte sie seinem Gesicht die Frage ablesen und schüttelte den Kopf. »Ich habe nichts von ihm gehört.«

Erneut überlegte sie, ihm von ihrem Erlebnis in der Krankenstation zu erzählen, entschied sich aber dagegen. Sie würde warten, bis sie allein waren.

Picard ließ seinen Sohn los, der sofort zu Crusher zurückging, und wandte sich an Hegol und Casmir: »Hat er irgendwas anderes gesagt oder getan, was Ihnen untypisch erschien?«

»Nein, Captain«, erwiderte Casmir. »Es gab noch nie Probleme mit seinem Verhalten. Er ist ein Musterschüler.«

»Dem kann ich nur zustimmen«, fügte Hegol hinzu. »René benimmt sich immer sehr reif für sein Alter und hat sich noch nie über irgendwas beklagt.«

Crusher, die jetzt Renés Hand hielt, sagte: »Ich würde ihn gern auf die Krankenstation bringen. Nur um sicherzugehen, dass alles in Ordnung ist.«