Star Trek - The Next Generation: Der Pfeil des Schicksals - Dayton Ward - E-Book

Star Trek - The Next Generation: Der Pfeil des Schicksals E-Book

Dayton Ward

4,4

Beschreibung

Captain Jean-Luc Picard und seine Besatzung entdecken ein gigantisches fremdes Schiff, das schon seit Jahrzehnten durch die Leere des Alls treibt. Die Sensoren empfangen an Bord des Wracks Lebenszeichen – Angehörige einer fremden Spezies im Kälteschlaf. Obwohl es wie ein riesiges Schläferschiff aussieht, handelt es sich in Wirklichkeit um eine Waffe mit der Möglichkeit, ganze Welten auszulöschen … die letzte Kriegslist aus der Zeit eines Konflikts, der über Generationen hinweg in einem System in der Nähe geführt wurde. Die Waffe selbst stammt aus der Zukunft und wurde nur aus einem Grund in der Zeit zurückgeschickt: den interplanetaren Krieg zu beenden, bevor er überhaupt beginnt!

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STAR TREK

THE NEXT GENERATION ™

DER PFEIL DES SCHICKSALS

DAYTON WARD

Based onStar TrekandStar Trek: The Next Generationcreated by Gene Roddenberry

Ins Deutsche übertragen vonBernd Perplies

Die deutsche Ausgabe von STAR TREK – THE NEXT GENERATION: DER PFEIL DES SCHICKSALS wird herausgegeben von Amigo Grafik, Teinacher Straße 72, 71634 Ludwigsburg. Herausgeber: Andreas Mergenthaler und Hardy Hellstern, Übersetzung: Bernd Perpliesr; verantwortlicher Redakteur und Lektorat: Markus Rohde; Lektorat: Kerstin Feuersänger und Gisela Schell; Cover Artwork: Mark Rademaker, Satz: Rowan Rüster/Amigo Grafik; Print-Ausgabe gedruckt von CPI Moravia Books s.r.o., CZ-69123 Pohorelice. Printed in the Czech Republic.

Titel der Originalausgabe: STAR TREK – THE NEXT GENERATION: ARMAGEDDON‘S ARROW

German translation copyright © 2017 by Amigo Grafik GbR.

Original English language edition copyright © 2015 by CBS Studios Inc. All rights reserved.

TM & © 2017 CBS Studios Inc. STAR TREK and related marks and logos are trademarks of CBS Studios Inc. All Rights Reserved.

This book is published by arrangement with Pocket Books, a Division of Simon & Schuster, Inc., pursuant to an exclusive license from CBS Studios Inc.

Print ISBN 978-3-95981-184-2 (Juni 2017) · E-Book ISBN 978-3-95981-185-9 (Juni 2017)

WWW.CROSS-CULT.DE · WWW.STARTREKROMANE.DE · WWW.STARTREK.COM

Für Michi, Addison und Erin,die mich jeden Tag an das erinnern,was wirklich wichtig ist.

HISTORISCHE ANMERKUNGEN

Diese Geschichte spielt Anfang Januar des Jahres 2386, ungefähr sechs Jahre nachdem die U.S.S. Enterprise-E auf Praetor Shinzon traf (STAR TREK – NEMESIS) und gerade mal zwei Monate nachdem Kellessar zh’Tarash nach der Ermordung von Nanietta Bacco (STAR TREK – THE FALL 5 »Königreiche des Friedens«) zur Präsidentin der Vereinten Föderation der Planeten gewählt wurde.

INHALT

HISTORISCHE ANMERKUNGEN

DAMALS

KAPITEL 1

KAPITEL 2

JETZT

KAPITEL 3

KAPITEL 4

KAPITEL 5

KAPITEL 6

KAPITEL 7

KAPITEL 8

KAPITEL 9

KAPITEL 10

KAPITEL 11

KAPITEL 12

KAPITEL 13

KAPITEL 14

KAPITEL 15

KAPITEL 16

KAPITEL 17

KAPITEL 18

KAPITEL 19

KAPITEL 20

KAPITEL 21

KAPITEL 22

KAPITEL 23

KAPITEL 24

KAPITEL 25

KAPITEL 26

KAPITEL 27

KAPITEL 28

KAPITEL 29

KAPITEL 30

KAPITEL 31

KAPITEL 32

KAPITEL 33

KAPITEL 34

DANKSAGUNGEN

DAMALS

KAPITEL 1

Der Mond selbst wirkte klein und unbedeutend, obwohl er mitten auf dem Zielbildschirm prangte und von einem pulsierenden blauen Hof umgeben war. Er hing einsam vor einem Hintergrund von undurchdringlicher Schwärze und reflektierte die Strahlen der canborekischen Sonne so, dass er wie eine Boje im All wirkte. Er besaß nicht einmal genug Atmosphäre, um sich auch nur geringfügig vor dem Beschuss von Meteoriten und anderen kleinen Himmelskörpern zu schützen, die durch das canborekische System streiften und seit ungezählten Generationen auf ihn einprasselten. Selbst aus der Entfernung, in der sich das Raumschiff nun zu ihm befand, waren die Folgen dieser Misshandlungen deutlich zu erkennen. Zahllose Krater zierten die Oberfläche des Mondes, aber auch andere landschaftliche Marker, wie Gebirge und Schluchten, waren zu sehen.

»Zieltelemetrie ist aktiv«, meldete Bnira, die Waffenspezialistin der Besatzung. Sie drehte sich um, sodass sie von ihrer Station zu Jodis blicken konnte. »Die Hauptkanone wird in weniger als drei linzatu mit voller Kraft einsatzbereit sein.«

Jodis sah zu seiner Schiffskameradin und engen Freundin hin und nickte. »Sehr gut.«

Wenn die Antiprotonenkanone erst einmal mit voller Kraft lief, würde es nur noch einen oder zwei linzatu brauchen, um auszuführen, was in Wahrheit kaum mehr als einen Test der Fähigkeiten dieses Schiffs darstellte. Die eigentliche Mission würde erst beginnen, nachdem man diesen Test vollständig ausgeführt hatte. Auch das Schiff selbst schien das zu wissen, Jodis konnte das buchstäblich fühlen … in den Vibrationen, die seine Konsole durchliefen, in den Bodenplatten unter seinen Füßen und in jeder Oberfläche eines jeden Geräts, das man in dieses Cockpit gestopft hatte. Jedes Quäntchen Energie wurde in die gewaltige Bewaffnung des Schiffs geleitet. Die Poklori gil dara war ein Raumschiff, das man nur zu einem einzigen Zweck gebaut hatte; und alles und jeder an Bord war aus keinem anderen Grund hier, als diesem Zweck zu dienen: einen Krieg zu gewinnen, und zwar ein für alle Mal.

Bnira wandte sich wieder ihrer Konsole zu, und Jodis hörte, wie sie eine Reihe von Obszönitäten in sich hinein murmelte.

»Stimmt irgendetwas nicht?«, wollte er wissen.

»Ich glaube, diese Gurte hier bringen mich noch um«, erwiderte Bnira. »Ich muss sie anders einstellen.«

So wie jeder andere auf dem Kommandodeck wurde auch sie von einer Art Geschirr in ihrem Sitz festgehalten, damit sie nicht aus ihrem Sessel schwebte. Jeder Sitz war individuell eingestellt und passte sich demjenigen, dem er gehörte, eigens an, sodass er größtmöglichen Schutz bot. Das schloss die integrierten Gurte mit ein, die jeder anzulegen hatte. »Sie fühlen sich an, als seien sie auf Ehondar eingestellt.«

Jodis musste lachen, als er an den kleinen Ingenieur der Poklori gil dara dachte, der im Augenblick die an Bord befindlichen Systeme von seiner Arbeitsstation ein paar Decks unterhalb des Cockpits überwachte. Der überaus fähige technische Spezialist war von zierlichem Körperbau und nur bescheidener Größe, was ihn zeitweilig wie einen Halbwüchsigen wirken ließ. Nur die deutlich sichtbaren Linien in seinem Gesicht verrieten sein wahres Alter.

Was die speziellen Sitze und ihr Geschirr anging, einschließlich derer, die Bnira gerade plagten, waren sie notwendig, da im Cockpit keine künstliche Schwerkraft herrschte. Das hatte es den Ingenieuren ermöglicht, den gesamten Raum zu nutzen. Die acht Arbeitsstationen des Kommandoraums, je eine Konsole für die acht Besatzungsmitglieder, waren sowohl an den Wänden als auch auf dem Boden und der Decke angebracht, was den Raum bis zum letzten Winkel ausnutzte. So wies Jodis’ Station nach vorn, während Bniras Konsolen links über ihm montiert waren. Die anderen Stationen, die ebenfalls der Kontrolle der Hauptsysteme dienten, waren nicht besetzt, denn der Rest der Besatzung hatte sich tief ins Innere des Schiffs zurückgezogen, wo sich die Maschinenräume befanden. Hinter Jodis befand sich eine Druckschleuse, die in einen engen Tunnel führte, der die Kommandobrücke mit dem Rest des Schiffsinneren verband. Diese Druckschleuse war in der Regel verschlossen. Das Cockpit konnte so als Überlebenskapsel dienen, wenn eine Katastrophe den Rest des Schiffes zerstörte.

»Füg es der Mängelliste hinzu«, schlug Jodis vor und tat sein Bestes, ein weiteres Lachen auf Kosten seiner Freundin zu unterdrücken. »Wir kümmern uns später darum.«

Er und seine Besatzung hatten viele Zyklen für das Training für diese Mission aufgewendet, doch all diese Vorbereitungen hatten in Simulatoren und mithilfe von gespielten Szenarien stattgefunden, in denen die Systeme und Arbeitsbereiche der Poklori gil dara nur Requisiten gewesen waren. Immerhin war die Konstruktion des Schiffs unter dem Siegel striktester Geheimhaltung auch während dieser Zeit fortgesetzt worden. Infolgedessen hatten Jodis und seine Mannschaft nur einen winzigen Bruchteil der Trainingsphase an Bord des Raumschiffes verbracht.

Es hatte nicht lange gedauert und sie hatten festgestellt, dass hier an Bord nicht alles genau so war, wie die Simulationen suggeriert hatten. Die Lebenserhaltungssysteme und die anderen wichtigen Einrichtungen funktionierten innerhalb akzeptabler Parameter, aber Jodis und die anderen hatten eine ganze Reihe von Kleinigkeiten entdeckt, die den Operationsstatus des Schiffs zwar nicht unbedingt beeinträchtigten, die aber dennoch bis zu einem gewissen Grad einfach unbequem waren oder schlicht und ergreifend irritierend. Ein Teil der Computer-Software war nicht ordnungsgemäß installiert worden und musste verändert und teilweise neu justiert werden, damit alles den Spezifikationen gemäß funktionierte. Auch die Scanner für die Zielerfassung hatten neu eingestellt werden müssen, bevor man sie benutzen konnte. Das war eines der ersten Probleme gewesen, um die sie sich hatten kümmern müssen, als sie an Bord gekommen waren. Bniras Sitzgurte waren da nur das Tüpfelchen auf dem i der ganzen Ärgernisse, auch wenn sich das zumindest korrigieren ließ. Solch triviale Hindernisse würden einfach auf einen geeigneteren Zeitpunkt warten müssen.

Jodis ignorierte das Schimpfen der Waffentechnikerin und wandte sich wieder den Zielerfassungsscannern und dem Mond zu, den sie ins Visier genommen hatten. Das Sonnenlicht schien auf seiner zerklüfteten und zerfurchten Oberfläche zu tanzen und weckte die Illusion, dass es sich eben nicht um einen leblosen Himmelskörper handelte, sondern vielmehr um einen Planeten wie den, den er umkreiste. Er war jedoch nichts weiter als eine Ressourcenquelle, deren verschiedene mineralische Schätze von den Leuten des Planeten, den er umkreiste, ausgebeutet wurden. Aus diesem Grund beheimatete er eine Handvoll militärischer Stützpunkte und Minenkolonien, die über seine Oberfläche verstreut waren. Im Orbit von Copan, dem dritten Planeten des Canborek-Systems, war der Mond vor Generationen von den Golvonek, der mächtigen Zivilisation der nachbarlichen Welt Uphrel, annektiert worden. Innerhalb wesentlich kürzerer Zeit war der Mond dann zu einem der wichtigsten Streitpunkte im ständigen Krieg zwischen den Golvonek und Jodis’ Volk, den Raqilan, geworden.

Der Krieg.

Es war ein Konflikt, der lange vor Jodis’ Geburt begonnen und schon sein ganzes Leben bestimmt hatte. Beinahe die ganze Zivilisation der Raqilan war von dem generationenlangen Kampf zwischen Uphrel und ihrem eigenen Planeten Henlona betroffen. Die Ressourcen beider Welten waren beinahe erschöpft und hatten die Eroberung anderer Planeten und Monde notwendig gemacht, die um die canborekische Sonne kreisten. Doch obwohl die Unterstützung des andauernden Krieges natürlich oberste Priorität besaß, musste man ebenso ans einfache Überleben denken. Selbst wenn die Feindseligkeiten am heutigen Tag ein Ende fänden, würde es doch Generationen dauern, um sich von den Auswirkungen des Krieges zu erholen. Es war ungewiss, ob einer der beiden Planeten in der Lage wäre, die Größe der jeweiligen Population zu unterhalten, doch die Regierung und die führenden Wissenschaftler auf Henlona entwickelten bereits Pläne sowohl für noch größere und permanente Habitate im All als auch für die Kolonisation der übrigen Planeten des Systems. Auch wenn solche Informationen in der Regel nicht an die zivile Bevölkerung weitergegeben wurden, wusste Jodis als Kommandant eines Kriegsschiffes sehr wohl, dass den schlimmsten Voraussagen zufolge sein Heimatplanet in schon fünf Generationen nicht mehr in der Lage wäre, Leben zu erhalten.

»Nach den letzten Berichten«, sagte er nach einem Augenblick, »befand sich noch nicht evakuiertes Personal auf den Außenposten.«

Ohne sich von ihrer Konsole abzuwenden, antwortete Bnira: »Der Status wurde offiziell nicht noch einmal aktualisiert. Unsere Beobachtungssatelliten haben allerdings verfolgt, dass alle Transporte, die den Basen auf dem Mond zugeteilt waren, gestartet sind und Flugbahnen nach Uphrel eingeschlagen haben. Bis auf einen.«

Sie legte den Kopf so, dass sie ihm nun einen Blick zuwerfen konnte. »Unsere Befehle haben sich nicht geändert.«

»Dessen bin ich mir bewusst«, erwiderte Jodis scharf.

Er wandte den Blick vom Scanner der Zielerfassung ab und betrachtete den Mond durch die gewölbte vordere Sichtscheibe, die einen Ausblick aus dem Kommandodeck gewährte. Zweifel breiteten sich in ihm aus, auch wenn er versuchte, sie zu verdrängen. Der Mond war ein legitimes militärisches Ziel, das war richtig, und man hatte sowohl die Vorsitzenden der zivilen Regierung Uphrels als auch die Führung der Streitkräfte über den bevorstehenden Waffentest informiert. Bis zu diesem Zeitpunkt waren sich beide Parteien der Poklori gil dara und auch der einfachen Tatsache bewusst, dass nichts in dem ihnen verbliebenen Waffenarsenal dem gewaltigen Kriegsschiff etwas entgegensetzen konnte. Trotzdem. Bedachte man ihr oberstes, das wichtigste Prinzip, musste man sich nicht fragen, ob die Demonstration der Macht dieses Raumschiffs wirklich notwendig war?

Ja, rief sich Jodis ins Gedächtnis. Selbst wenn man den Wert, den die Lage und die Bodenschätze des Mondes für die Golvonek bedeuteten, beiseiteließ, hatte man die Hauptstrahlenkanone des Schiffs bisher noch nie in dieser Form getestet. Solche Versuche waren bisher unmöglich gewesen, wenn man die schiere Größe und die in ihr verbauten Kapazitäten der Poklori gil dara bedachte und außerdem noch die Notwendigkeit in die Waagschale warf, die Existenz des großen Schiffs geheim zu halten, bis es hatte starten können. Wie alles andere waren Jodis und seine Mannschaft gezwungen gewesen, mit Computersimulationen zu trainieren, die Algorithmen und andere Daten nutzten, um die Reichweite und die Effekte der Kanone darzustellen. Doch nun war die Zeit der Übungen und der Illusionen vorbei, nun konnte man das Schiff vor den Golvonek nicht mehr verstecken. Ihm blieb keine andere Wahl mehr, als den Befehlen zu folgen.

Es ist so weit.

Ein Alarmsignal erklang über ihm. Bnira verkündete: »Kanone hat volle Kapazität erreicht.«

»Bereithalten zum Feuern«, befahl Jodis. Man hatte ihn zum Kommandanten der Poklori gil dara gemacht, was viele Übungen und viel Training mit sich gebracht hatte, und so hatte er seit vielen Zyklen nicht mehr an einer realen Schlacht teilgenommen. Das dennoch vertraute Gefühl der Erwartung prickelte in jeder Faser seines Körpers. Er rutschte auf seinem Sitz hin und her, seine Muskeln spannten sich an. Mit einem letzten Blick auf seine Zielerfassung presste Jodis sich tiefer in seinen Sitz und bereitete sich auf das vor, was nun kommen würde.

»Feuer.«

Seinem Befehl entsprechend drückte Bnira den verantwortlichen Knopf auf ihrer Konsole. Prompt leuchteten überall auf dem kleinen Kommandodeck Lichter und Anzeigen auf. Energie wurde aus allen Schiffssystemen abgezogen und der Partikelkanone zugeführt. Selbst der gewaltige Schiffsantrieb flackerte kurz auf, eine Reaktion auf die neuen Herausforderungen, die an ihn gestellt wurden. Dann trat das alles in den Hintergrund vor der Wucht, mit der die Poklori gil dara ihren alleinigen Daseinsgrund ausführte.

Jodis’ Hand fuhr hoch, um seine Augen zu schützen, als die Kanone feuerte, ein gewaltiger, breiter Strahl von brillantem, rotorangem Licht, das aus einer Öffnung am Bug des Schiffes brach. Im Inneren des Schiffs waren die Folgen sofort zu spüren, die Schotten stöhnten gleichzeitig mit dem Heulen der Energie auf, die aus dem Generator der Kanone geschleudert wurde. Entlang der Hülle hatte man Düsen installiert, die vom Bordcomputer kontrolliert wurden, um in diesem Fall die Position zu halten, aber Jodis wusste, dass sie nur mit Mühe gegen die Kraft der kaum gebändigten Energie ankamen.

»Feuer aufrechterhalten!«, schrie er über den immer lauter werdenden Krach hinweg. Er starrte durch das vordere Beobachtungsfenster und sah zu, wie der Strahl auf die Oberfläche des Mondes traf, wie die Energie in die farblose, trockene Erde einschlug und sie zerriss. Ein Ring aus Dreck und Trümmern breitete sich in einem immer größer werdenden Kreis aus. Risse, tiefe, dunkle Risse, von ähnlich goldroter Farbe wie der Strahl selbst, erschienen nun rund um den Einschlagspunkt, breiteten sich ebenfalls aus und erweiterten sich mit jedem Augenblick, der verging. Der konzentrierte Antiprotonenstrahl bohrte sich immer weiter in den Kern des toten Satelliten hinein. Jodis fühlte, wie seine Kinnlade herunterklappte, als sich immer größere Teile aus dem Mond lösten.

»Feuer einstellen«, befahl er. Sein Blick klebte nach wie vor am Sichtfenster und der grauenvollen Szenerie, die sich dahinter abspielte. Der Mond wurde immer weiter auseinandergerissen, enorme Teile davon wurden von der Kraft der Partikelkanone davongeschleudert. Trümmer umgaben den Satelliten nun vollständig, breiteten sich ins All aus und bildeten eine große Wolke.

Über ihm erklang Bniras überraschte Stimme. »Das ist unfassbar. Ich wusste durch die Simulationen, was uns erwartet, aber das ist das Unglaublichste, was ich jemals gesehen habe.«

Jodis’ Aufmerksamkeit war stattdessen auf seine eigenen Instrumente und Statusanzeigen gerichtet. Einen Augenblick später durchdrang ein Kollisionsalarm das abgeschlossene Kommandodeck.

»Die Scans registrieren die erwartete Schockwelle!«, rief er aus. »Volle Kraft auf die vorderen Schilde.« Er aktivierte auf seiner Konsole das schiffsinterne Kommunikationssystem. »Auf Einschlag vorbereiten!«

Genau wie die Kanone waren auch die energetischen Schutzschilde der Poklori gil dara nicht unter realen Schlachtbedingungen getestet worden. Obwohl alle Anzeigen darauf hinwiesen, dass die Generatoren für das System funktionierten wie prognostiziert, gab es nur eine Möglichkeit, ihre Effektivität tatsächlich zu testen.

Jodis packte die Armlehnen seines Sitzes in genau dem Augenblick, in dem eine unsichtbare Kraft auf das Schiff prallte. Auch wenn der Aufprall weniger stark war, als er erwartet hatte, war es doch immerhin genug, um eine andere Welle von Alarmsignalen loszutreten. Er wurde in seinem Sitz durchgerüttelt, sein Körper in die Gurte gepresst. Um ihn herum leuchteten Monitore und Statusanzeigen hektisch auf, und Jodis hörte das Wummern der Maschinen, die versuchten, gegen den Beschuss anzukämpfen.

»Die Kraftfelder halten!«, rief Bnira. Die Anspannung war ihrer Stimme anzuhören. »Aber es gibt im ganzen Schiff Energiefluktuationen.«

Die Welle wurde nun schwächer, eine Tatsache, die Jodis den Instrumenten entnehmen konnte, aber auch der Reaktion seines Körpers und der des Schiffs. Vor dem Sichtfenster konnte er sehen, wie die sich immer noch ausbreitende Trümmerwolke sich langsam stabilisierte. Die Manövrierdüsen taten ihr Bestes, um die Position des Schiffs zu halten. Ein schneller Blick auf die Zielerfassungsscanner bestätigte, was er schon vermutet hatte. »Berechne Kurs für den Rückzug.« Seine Hand griff nach den Steuerkontrollen auf seiner Konsole.

»Jodis, hier ist Ehondar«, sagte eine neue Stimme durch das interne Kommunikationssystem. »Wir registrieren hier unten einige Energieüberladungen und Stromausfälle. Nichts davon scheint ernster Natur zu sein, aber es wird einige Zeit brauchen, um alles zu reparieren.«

Bevor Jodis dem Ingenieur antworten konnte, erklang ein neues Alarmsignal, das von den Zielerfassungsscannern ausging. Ein Blick auf die computergenerierten Darstellungen zeigte mehrere neue Kontakte an. Dreizehn rote Symbole waren an der unteren Kante des Bildschirms erschienen und bewegten sich nun auf seine Mitte zu, wo das größere, grüne Symbol der Poklori gil dara prangte.

»Annäherung von Golvonek-Schiffen«, kündigte Bnira an und wandte sich ihm zu. »Den Anzeigen zufolge ist es ein komplettes Angriffsgeschwader.«

Eine militärische Antwort der Golvonek kam natürlich nicht unerwartet. Der Feind würde in dem Augenblick Schiffe auf Abfangkurs senden, in dem ihre Langstreckensensoren die Poklori gil dara entdeckt hatten. Diese Aktion würde wahrscheinlich nur verstärkt, wenn sich erst einmal herausstellte, dass das gewaltige Schiff die Quelle der Bedrohung war, vor der man die planetare Regierung auf Uphrel und den Mond gewarnt hatte, der bis vor wenigen Momenten den Planeten Copan umkreist hatte. Jodis war sogar überrascht, dass die Regierung der Golvonek so lange gebraucht hatte, um ihnen irgendeine Streitmacht entgegenzuschicken. Jetzt waren sie auf dem Weg und Jodis wusste, dass die Kommandanten der Schiffe, die auf sie zukamen, selbst von der Zurschaustellung der gewaltigen Kraft wohl kaum eingeschüchtert sein würden.

»Ein ganzes Angriffsgeschwader«, wiederholte Jodis, seinen Blick starr auf die Scanner der Zielerfassung gerichtet. Computersimulierte Schlachten hatten gezeigt, dass feindliche Kontingente diese fiktiven Schlachten beinahe ebenso häufig gewonnen hatten wie verloren. Man konnte nicht sicher sein, dass die herannahende Armada besiegt werden konnte.

»Vorbereiten auf Deckung des Rückzugs«, sagte Jodis, bevor er wieder die schiffsinterne Kommunikation öffnete. »Ehondar, die Reparaturen werden warten müssen. Feindliche Schiffe auf Angriffskurs. Auf Verteidigungsmaßnahmen vorbereiten.«

KAPITEL 2

Ehondar starrte auf die Monitore und Anzeigen, die überall im primären Maschinenraum des Schiffs angebracht waren. Sie zeigten für seinen Geschmack entschieden zu viele Warnungen und andere besorgniserregende Statusberichte an. Seine Arbeitsstation befand sich auf einer erhöhten Plattform, die sich der Länge nach durch die große Halle zog, und hatte die Form eines fünfeckigen Turms, dessen Seiten jeweils identisch mit Konsolen, Bildschirmen, Anzeigen und zahlreichen Messgeräten bestückt waren. Jede Information, die wichtig war, konnte so auf allen fünf Seiten des Turms gleichzeitig abgelesen werden, sodass jeder, der an einer anderen Station im Raum arbeitete, egal an welcher Stelle, alle Daten, die die wichtigsten Schiffssysteme betrafen, sofort zur Hand hatte. Und was der Turm ihm nun sagte, war, gelinde gesagt, besorgniserregend.

Das Dröhnen der Maschinen wurde lauter, als das Schiff seinen Kurs änderte und beschleunigte. Ehondar wusste, dass Jodis und Bnira auf dem Kommandodeck gerade einen strategischen Rückzug durchführten. Nun war es erforderlich, dass die gesamte Besatzung an einem Strang zog, um mit den Auswirkungen des drohenden Angriffs lange genug fertigzuwerden, um zu entkommen.

»Lenkt die Energie in den zweiten Verteilerstromkreis um«, rief Ehondar und nahm die Kopfhörer ab, die er zum Schutz vor der Kakofonie getragen hatte, die mit dem Abfeuern der Hauptwaffe der Poklori gil dara einhergegangen war.

Die Maschinensektion des Schiffs, das Operatordeck und die restlichen Bereiche des Schiffs, in denen die Mannschaft sich aufhalten konnte, waren um die gewaltige, zylinderförmige Röhre herum gebaut worden, die die antiprotonische Partikelkanone beherbergte. Immerhin war sie der einzige Grund, warum dieses Raumschiff überhaupt existierte. Auch wenn man die Wucht der gebündelten Energien der Waffe durch das ganze Schiff spüren konnte, waren die Auswirkungen hier doch am deutlichsten zutage getreten.

Seine Erfahrung und das Zittern von Deck und Schotten sagten Ehondar schon vor den Bildschirmanzeigen seines Informationsclusters, dass das Schiff kurz davor stand, in den Überlichtmodus zu wechseln. Das Deckenlicht flackerte und ein deutliches Pulsieren im Dröhnen der Maschinen begleitete den Übergang.

»Pulsantrieb aktiviert«, berichtete Ehondar und begab sich zur nächsten Konsole des Turms. Die Anzeigen dort meldeten, dass der Überlichtantrieb besser funktionierte als vorgesehen. Eine kurze Überprüfung eines anderen Monitors zeigte, dass das Schiff sich aus dem canborekischen System fortbewegte, auf einem bogenförmigen Kurs, der die Poklori gil dara, wenn alles nach Plan lief, zuletzt wieder an ihren Ausgangspunkt zurückbringen würde.

Jedenfalls so ungefähr, korrigierte sich Ehondar und wandte sich seiner Arbeitsstation zu. Die Kontrollen und Schalter waren wie überall auf dem Schiff so arrangiert, dass sie von jedem Besatzungsmitglied mit Leichtigkeit bedient werden konnten. Das Design hatten Ehondar und ein Team von Spezialisten während der Entwicklung des Schiffs entworfen. Es vermied konventionelle Ästhetik, stattdessen war es einfach und direkt gestaltet, sodass man es überall auf jeder Arbeitsstation auf dem Schiff verwenden konnte. Das erlaubte ein schnelles Einüben der Handgriffe für jede der Kontrollen und ermöglichte jedem Mitglied der Mannschaft, die Arbeit jedes seiner Kollegen in möglichst kurzer Zeit und ohne viele Schwierigkeiten zu übernehmen.

Kaum hatte Ehondar die Befehle in die Konsole eingegeben, als er auch schon hörte, wie sich das Dröhnen des Hauptgenerators änderte. Die Energie wurde von den beschädigten Verbindungen fort- und in die Ersatzsysteme geleitet. Diese Redundanz war eine von vielen Schutzmaßnahmen, die man bei der Konstruktion des Schiffes berücksichtigt hatte. Sie sollten der Mannschaft dabei helfen, Reparaturen auch ohne eine spezielle Einrichtung oder eine eigens dafür geeignete Raumbasis auszuführen. Auch das ergab Sinn, wenn man die Mission bedachte, für die dieses riesige Raumschiff gebaut worden war, und die Wahrscheinlichkeit, dass – hatte man diese Mission erst einmal ausgeführt –, es für Jodis und seine Mannschaft wohl kaum einen Ort gab, an den sie sich würden wenden können.

Immer vorausgesetzt, wir überleben die nächsten paar linzatu, schoss es Ehondar durch den Kopf.

»Haben Sie die taktischen Anzeigen gesehen?«, fragte jemand hinter ihm. Er drehte sich zu Dlyren um, seinem Assistenten, der auch dazu ausgebildet war, Bnira an der Waffenstation des Kommandodecks und bei der Verteidigung des Schiffs zu helfen. »Ein ganzes Geschwader der Golvonek verfolgt uns.«

Ehondar zwang sich zu einem Lächeln und wandte sich vom Operationsturm ab. »Sie machen sich zu viele Sorgen. Dieses Schiff ist größer und stärker als alles, was die Golvonek gegen uns einsetzen könnten. Außerdem kann niemand Jodis auf dem Gebiet eines militärischen Kommandanten das Wasser reichen. Unsere Feinde sind dem Untergang geweiht. Sie wissen es nur noch nicht.«

Im Gegensatz zu seinem jungen Assistenten war Ehondar zum großen Teil in die frühen Entwürfe einbezogen und auch weitgehend an der tatsächlichen Konstruktion des Schiffs beteiligt gewesen. Jodis und der Rest der Mannschaft waren mit dem Training für diese Mission vollauf beschäftigt gewesen, Ehondar dagegen hatte mit den Ingenieuren während des ganzen Entwicklungsprozesses zusammengearbeitet und sich dabei jedes wissenswerte Detail über das Schiff eingeprägt, angefangen von den grundlegenden Rahmenbedingungen bis hin zu den bordinternen Systemen. Es gab nur sehr wenig von dem, was man in dieses Schiff gestopft hatte, das er nicht kannte, geschweige denn Geräte, die zu bedienen er nicht qualifiziert war. Abgesehen von den zivilen und den militärischen Anführern der Raqilan, die den Bau des Schiffes angeordnet hatten, und denen, die an seiner Verwirklichung gearbeitet hatten, war Ehondar das Individuum, das am meisten über die Poklori gil dara und alles an Bord wusste. Dieses spezielle Wissen war es auch gewesen, das ihn hatte infrage stellen lassen, ob das Schiff in einem längeren Gefecht mit einem bis an die Zähne bewaffneten Angriffsgeschwader der Golvonek nicht vielleicht unterlegen wäre.

Wenn das Glück mit uns ist, dann sind wir schnell von hier verschwunden.

Eine weitere Anzeige flackerte auf einem der Bildschirme des Operatorturms auf und sagte Ehondar, dass mehr Energie auf die Verteidigungssysteme des Schiffs geleitet wurde. Die Schilde waren zwar beeindruckend; immerhin hatten sie die Poklori gil dara vor den Auswirkungen der Schockwelle geschützt, die der Zerstörung des Mondes gefolgt war. Dennoch hatten sie unter der Wucht der Welle gelitten, die gegen sie angebrandet war. Die Generatoren, die dafür sorgten, dass die Schilde mit Energie versorgt wurden, funktionierten noch, aber sie waren nun weiteren Beanspruchungen ausgesetzt, bevor Ehondar und sein Team sie hatten überprüfen können. Wenn er etwas an der Mission auszusetzen hatte, auf der er und seine Gefährten sich befanden, dann die Tatsache, dass trotz all ihres Trainings und all der Vorbereitungen das Schiff und die, die die Aufgabe hatten, es zu steuern und zu pflegen, in die Schlacht hatten ziehen müssen, ohne es anständig auf Herz und Nieren zu prüfen. Schlüsselsysteme waren nach wie vor nicht unter Realbedingungen getestet worden, einschließlich einiger kritischer Ausrüstung, der die Mannschaft wohl in sehr kurzer Zeit ihr nacktes Leben würde anvertrauen müssen.

Ehondar überprüfte ein weiteres Mal die Anzeigen um ihn herum. Mit jedem der drei langen Finger seiner rechten Hand bediente er eine andere Kontrolle, um die verschiedenen Informationsanzeigen zu ändern. Dann zeigte einer der Bildschirme die taktischen Anzeigen, die, wie der Ingenieur wusste, auch Jodis und Bnira auf dem Kommandodeck vor Augen hatten.

»Schaltung auf das zweite Verteilernetzwerk vollständig«, meldete Dlyren. »Kraftfeldgeneratoren laufen wieder auf voller Stärke.«

Ehondar nickte zur Bestätigung, bevor er einen weiteren Schalter umlegte, um einen Kommunikationskanal zu öffnen. »Neline und Rilajor, wie steht es mit den Spannungsspulen?«

Eine Pause entstand, bevor Neline, die medizinische Spezialistin der Poklori gil dara, erwiderte: »Unsere Vorbereitungen sind beinahe abgeschlossen, aber wir haben vielleicht ein Problem. Die Schockwelle hat einen der Speicherkristalle im Computer beschädigt.« Ihre Stimme verklang für ein linzatu, als sie sich offenbar von der Kommunikationskonsole entfernte und etwas sagte, das Ehondar nicht verstand. Der Ärger und der Ernst in ihrer Stimme waren dennoch unverkennbar. Sie gab Instruktionen an ihren Assistenten weiter, bevor sie sich wieder an Ehondar wandte.

»Ich habe den Speicherkristall durch einen aus dem Ersatzteillager ersetzt, aber jetzt muss ich die Prozeduren, die die Stase und den Wiederbelebungsprozess bei der temporalen Dislokation betreffen, neu eingeben. Die Ersatzmodule aus dem Lager sind vor dem Start nicht korrekt mit den geläufigen Prozeduren ausgestattet worden.«

Ehondar stieß ein frustriertes Stöhnen aus und rieb sich die glatte Haut auf seinem Kopf. Diese Nachlässigkeit war nur eine von vielen, die dieses Schiff seit seinem Start geplagt hatten. Teilweise ließ sich das mit dem Geheimhaltungsstatus erklären, dem auch Jodis und die Mannschaft unterlagen. Die finalen Entscheidungen und Anweisungen, was den Kurs und das Ziel der anstehenden Mission der Poklori gil dara anging, waren beinahe bis zum letzten Augenblick vor dem Start des Schiffs zurückgehalten worden und hatten eine Vielzahl von hastig einzugebenden neuen Updates notwendig gemacht, um die Computer auf die gerade erst freigegebenen Informationen einzustellen. Die meisten dieser Modifikationen konnten auf einen angemesseneren Zeitpunkt warten, aber die, die die Spannungsspulen betrafen, waren besonders relevant.

Zeit. Das Wort flammte in Ehondars Verstand auf. Wir hätten mehr Zeit gebraucht.

Sowohl er als auch Jodis hatten ausreichende Gelegenheiten gefordert, um diese Art von letzten Anpassungen vornehmen zu können. In Anbetracht der Mission und ihrer Parameter schien Zeit der Luxus zu sein, den man sich würde leisten können. Doch sehr zu Ehondars Enttäuschung und aus Gründen, die sein Fassungsvermögen überstiegen, war die oberste Militärführung der Raqilan mit diesen Empfehlungen nicht einverstanden gewesen. Dennoch hatte ihn die Entscheidung letztendlich nicht überrascht.

»Verstanden«, erwiderte Ehondar in den offenen Kanal und konnte sich gerade noch davon abhalten, eine Reihe von üblen Flüchen auszustoßen. »Halten Sie mich auf dem Laufenden.« Er schloss den Kommunikationskanal.

»Ehondar«, meldete sich Dlyren wieder zu Wort. Als sich der Ingenieur zu seinem Protegé umdrehte, ging dieser auf den Operatorturm zu. Dlyren betätigte mehrere Schalter, dann erschien eine Reihe von neuen Informationen auf einem der Monitore vor ihm. »Diese Anzeigen weisen darauf hin, dass der Chronopulsantrieb nicht bereit sein wird, bevor das Geschwader uns erreicht hat.«

»Wir sind nicht hilflos«, erwiderte Ehondar. Er unterdrückte den leichten Ärger angesichts des Gesagten nicht. »Unsere Waffen sind mehr als ausreichend, um ihren Angriff lange genug abzuwehren, bis wir den Wandel einleiten können.«

»Aber was ist denn mit den Berechnungen?« Dlyren blieb beharrlich. »Wir müssen sie ständig verfeinern, besonders wenn wir kurz davor stehen, den Wandel einzuleiten.«

Ehondar nickte. »Mir sind die vielen Variablen bewusst, ebenso wie die Risiken.«

Dlyrens Beobachtung entsprach den Tatsachen. Temporale Dislokation war gefährlich, selbst wenn man alle möglichen Vorsichtsmaßnahmen beachtete. Er war Zeuge verschiedener mit automatischen Drohnen durchgeführter Experimente geworden, zu der Zeit, als man die Technologie perfektioniert hatte. Ehondar hatte diese Experimente sowohl erfolgreich enden als auch scheitern gesehen. Meist waren die Testobjekte nur ein paar linzatu in die Zukunft gesprungen und dann wieder zurückgeholt worden, um sie zu untersuchen. Es waren kontrollierte Versuche mit begrenzten Parametern gewesen, und sie bargen nur wenig Gefahr in sich. Was die Poklori gil dara nun allerdings vorhatte, war eine ganz andere Sache. Die Spannungsspulen waren wichtiger Bestandteil des temporalen Dislokationsgenerators. Ohne sie, wenigstens war das die Überzeugung aller Wissenschaftler und Ingenieure, die an der Perfektion des Chronopulsantriebs gearbeitet hatten, würden sie den Sprung nicht überleben.

»Kümmern Sie sich um Ihre Pflichten«, sagte Ehondar und bedeutete Dlyren, sich wieder an seine Station zu begeben. »Wir haben alle viel Arbeit vor uns, wenn dieses haarsträubende Abenteuer Erfolg haben soll.«

Um sie herum erzitterte das Schiff wie unter einem enormen Aufprall. Ehondar spürte die Fluktuationen in den Schwerkraftplatten unter seinen Füßen und griff rasch nach seiner Konsole, um sich festzuhalten. Dlyren machte es ihm nach. Ehondar sah den Ausdruck der Besorgnis in der Miene des jungen Raqilan, als das Heulen des Antriebs durch das Maschinendeck hallte; ein Protest, der von der Schiffshülle selbst zurückgegeben wurde.

»Der Pulsantrieb ist ausgefallen!«, rief Dlyren über den neuen Chor aus Alarmsignalen hinweg, der jetzt durch den Maschinenraum schallte.

»Schadensbericht!«, befahl Ehondar, dessen Finger schon über seine Konsole huschten, um sich den Status des Schiffs aufzurufen. Wie schon zuvor blitzte eine alarmierende Menge von Meldungen auf. Ehondar stöhnte frustriert und hieb auf die Konsole, um den Kommunikationskanal zu öffnen.

»Jodis! Wir haben den Pulsantrieb verloren!«

Wenn er sich die Informationen wegdachte, die ihm seine Konsole und auch sein Bordingenieur übermittelten, hätte Jodis fast glauben können, dass das Schiff keinerlei Beeinträchtigungen durch den Angriff davongetragen hatte. Allerdings zeigten ihm seine Instrumente eine ganz andere Ansicht der Ereignisse.

»Können Sie den Antrieb reparieren?«, wollte Jodis wissen

»Nicht, wenn wir gleichzeitig gegen die Golvonek kämpfen«, erwiderte der Ingenieur. »Ich bräuchte Energiereserven, die derzeit den Schilden zur Verfügung stehen.«

Jodis nickte. Diese Antwort hatte er erwartet. »Zweigen Sie alles ab, was Sie brauchen, um die temporale Dislokation vorzubereiten. Wir werden uns weiterhin um den Angriff kümmern.«

Die Angriffsschwadron der Golvonek hatte keine Zeit verloren, die Poklori gil dara einzukreisen. Jedes der dreizehn Schiffe löste sich der Reihe nach immer wieder aus dem Verband und feuerte unabhängig, aber gleichzeitig mit den anderen. Die meisten der ersten Schüsse waren von den Schutzschilden der Poklori gil dara aufgefangen worden, aber das Geschwader hatte den Angriff verstärkt und nun gab es mehr und mehr Treffer, die tatsächlich Schaden anrichteten.

»Die Kraftfelder in der Nähe der Kühlerleitungsventile schwanken«, meldete Bnira. In ihrer Stimme schwang Sorge mit, ein äußerliches Zeichen ihrer wachsenden Besorgnis. Sie konzentrierte sich auf ihre Konsole, ihre Hände huschten entschlossen und geschickt über die Schalterreihen. »Wir haben auch einen Treffer in den Rohren der Backbordgeschütze. Sie sind ausgefallen.«

Jodis war sich dank der pulsierenden Alarmsignale auf seiner eigenen Konsole dieser neuesten Beschädigung des Schiffs bereits bewusst. Die Schilde waren eine Sache, sicher, aber die Geschützstände der Waffen waren ebenso wichtig. Abgesehen von der Antiprotonenkanone war die Poklori gil dara auch mit einer Reihe von konventionellen Geschützen bestückt, die an den Seiten der äußeren Schiffshülle entlang montiert waren.

Mit dem übergroßen Schiff waren einige der Ausweichmanöver unmöglich, die bei einem kleineren Schiff in einer Schlacht selbstverständlich waren, und so bestand die Hauptverteidigung des Schiffs in diesen Waffenreihen. Eine dieser Kanonen zu verlieren, bedeutete eine Lücke im Defensivfeld. Aufmerksame Angreifer konnten die Verteidigung so leicht durchbrechen und vielleicht den Schaden in diesem Bereich noch vergrößern.

Das Brummen der Antriebe veränderte die Tonhöhe, als Bnira die Kanonen ein weiteres Mal aktivierte. Jodis warf einen Blick auf die Zielerfassungen und sah, wie das fünfte der ursprünglich dreizehn Symbole, die die Schiffe der Golvonek darstellten, sich abwandte und von den anderen entfernte. »Noch ein Treffer!«

»Ja«, erwiderte Bnira. »Seine vorderen Schilde sind unten und die Scans zeigen, dass die Bugwaffen beschädigt sind.«

Ein linzat später fügte sie hinzu: »Das Schiff zieht sich zurück.«

»Beschleunige auf maximale Geschwindigkeit.« Jodis betätigte alle Kontrollen, die für die so dringend benötigte Beschleunigung notwendig waren. Auf dem Scanner sah er den größeren Avatar, der die Poklori gil dara repräsentierte, sich von den acht übrig gebliebenen Schiffen der Golvonek entfernen, aber das dezimierte Geschwader formierte sich gerade neu, um die Verfolgung aufzunehmen.

»Die Schilde über den hinteren Energiekollektoren sind ausgefallen«, meldete Bnira. »Jeder weitere Treffer in diesem Bereich wird wahrscheinlich die Außenhülle beschädigen.«

Selbst die energieabweisende Beschichtung der Außenhülle des Schiffs würde wohl dem andauernden Beschuss der Golvonek-Waffen nicht lange standhalten. Allein die Größe der Poklori gil dara sorgte dafür, dass es sich nicht ohne Weiteres verstecken konnte, und mit ausgefallenem Pulsantrieb war es unmöglich, dem Angriffsgeschwader davonzufliegen. Die einzige Option, die Jodis und seiner Mannschaft jetzt noch blieb, war, jede Verteidigung, die sie noch besaßen und auftreiben konnten, einzusetzen, sodass Ehondar und seine Techniker Zeit genug hatten, ihre hastigen Vorbereitungen zu beenden.

Jodis erinnerte sich an einen Trick, den er auf einem Begleitschiff gelernt hatte, das man zu einer frühen Zeit in seiner Karriere einem der größeren und noch wesentlich schwerfälligeren Versorgungsschiffe der Raqilan-Flotte zugeteilt hatte. Er gab ein paar neue Kommandos in die Manövrierdüsen ein.

»Ich beginne mit einer Rolle«, erklärte er, damit Bnira Bescheid wusste. »Das sollte helfen, die Sektion zu schützen, deren Schilde ausgefallen sind. Programmiere die übrigen Waffen so, dass sie das kompensieren, und schalte die automatische Zielerfassung ein. Volle Feuerkraft.«

Er hoffte, dass der intensivere Beschuss aus den noch verbliebenen Geschützen des Schiffs die restlichen Golvonek-Schiffe für einige wenige kostbare linzatu beschäftigen würde.

»Bestätigt«, erwiderte Bnira. »Aber ich glaube nicht, dass uns das lange helfen wird.«

»Das muss es gar nicht«, entgegnete Jodis. »Wenn wir den Sprung nicht machen können, wird uns gar nichts mehr helfen.«

Er richtete seinen Blick auf das Aussichtsfenster und sah, wie die Schiffe der Golvonek auf das Rollmanöver reagierten. Sie änderten ihre Angriffsvektoren so, dass sich ihre Waffen nun auf die Hülle der sich um sich selbst drehenden Poklori gil dara richteten, während diese nun beschleunigte und sich auf einen neuen Kurs ausrichtete. »Wir haben nun Maximalgeschwindigkeit. Stehen die Berechnungen für die temporale Dislokation?«

»Ehondar meldete, dass Rilajor und Gagil immer noch Anpassungen vornehmen«, antwortete Bnira und bezog sich damit auf die beiden Mitglieder des Technikerteams, die mit der Sorge um den immer noch ungetesteten Chronopulsantrieb beauftragt waren.

Jodis schaltete das Autopilot-Computerprogramm ein und öffnete dann einen Kommunikationskanal. Diesmal stellte er ihn so ein, dass er ins gesamte Schiff übertragen wurde. »Hier spricht Jodis. Sichern Sie Ihre Stationen und begeben Sie sich zu den Suspensionskapseln.«

Ohne auf eine Antwort zu warten, löste er die Gurte, die ihn im Sitz hielten. »Es ist so weit«, sagte er und signalisierte Bnira, ihm aus dem Kommandoraum hinaus zu folgen. Er benutzte dabei die Schwerelosigkeit seiner Umgebung, um sich in den Verbindungstunnel zu stoßen. Die ersten Anzeichen von Schwerkraft spürte er, als er nach der Leiter griff, die durch den Tunnel führte.

Nach den Sprossen zu greifen, genügte, um ihm den Schwung zu verleihen, sich in der engen Passage korrekt an der Leiter zu positionieren. Jetzt hatte ihn die normale Gravitation, die von den Deckplatten des Verbindungstunnels ausging, vollständig erfasst. Mit dem Kopf zuerst kletterte er in den Tunnel, der die gesamte Länge des Schiffes vom Bug bis zum Heck entlanglief. Er reichte Bnira eine Hand, als sie in den Korridor kletterte, dann machten sich beide im Laufschritt auf den Weg. Nur einmal verlor Jodis das Gleichgewicht, als eine erneute Salve von einem oder mehreren der Schiffe der Golvonek die Hülle der Poklori gil dara traf. Er stolperte und wäre beinahe gefallen, aber er schaffte es, auf den Füßen zu bleiben und mit Bnira an seiner Seite weiterzulaufen.

Als sie in der Suspensionskammer ankamen, sah Jodis, dass bereits drei der acht speziellen Kapseln von Mitgliedern seiner Mannschaft besetzt waren. Dlyren, Gagil und Waeno machten es sich in den Kapseln bequem, die nicht anders aussahen als kompakte Betten, die man in transparenten Zylindern untergebracht hatte.

Er sah zu Neline, die die Vorbereitungen jedes Einzelnen überwachte, und fragte: »Haben Sie die Updates in die Computer der Kapseln eingegeben?«

»Die Suspensions- und Wiederbelebungsprozesse wurden einprogrammiert«, erwiderte die Medizinerin. »Aber ich hatte keine Zeit, einen vollen Konfigurationstestlauf durchzuführen. Immerhin wurde keine dieser Einstellungen vor den Schäden verändert, also sollte das Risiko minimal bleiben.«

»Oder wenigstens nicht schwerwiegender sein als die Alternative«, warf Bnira ein.

»Richtig. Die verbleibenden Kalkulationen sind ebenso programmiert worden.« Neline sprach hastig und in scharfem Tonfall, der der Dringlichkeit der Situation entsprach. »Wenn wir uns erst alle in der Stase befinden, wird das Schiff jegliche Vorwärtsbewegung einstellen und den Chronopulssprung vornehmen.«

Bnira löste die Verschlüsse ihres Raumanzugs, um ihn auszuziehen. Nackt streckte sie die Arme aus und ließ zu, dass Nelines Assistent Rilajor ihr kleine Sensoren auf die bloße Haut klebte. Danach drehte Neline sich zu Jodis, der sich ebenfalls ausgezogen hatte, um auch ihn mit den Sensoren zu versehen.

Hinter Neline, am anderen Ende des Schotts, wandte sich Ehondar von einer Arbeitsstation ab. Jodis konnte erkennen, dass sie benutzt wurde, um die Schiffssysteme konstant überwachen zu können. »Noch einer der Schildgeneratoren ist ausgefallen, ebenso wie drei der Geschützstände. Die Zeit läuft uns davon.«

Jodis befahl allen, die Vorbereitungen für das Einsteigen in die Suspensionskapseln abzuschließen. Dann stand er still, um Neline zu ermöglichen, auch die restlichen Sensoren auf seiner Haut zu befestigen. Er spürte die Vibrationen des Schiffs um sich herum. Die Poklori gil dara kämpfte mithilfe des Bordcomputers darum, seine Angreifer in Schach zu halten und der Mannschaft genügend Zeit zu geben, auch die letzten Aufgaben zu beenden.

Als die medizinische Spezialistin fertig war, bedeutete sie Jodis, sich zu seiner Kapsel zu begeben. Dann begannen sie und Rilajor, sich vorzubereiten, aber Jodis nutzte die kurze Gelegenheit, um einen Blick auf die Monitore zu werfen, die Ehondar auf der nahen Arbeitsstation nicht abgeschaltet hatte. Die Meldungen darauf waren besorgniserregend, aber jetzt gab es nichts mehr, was er hätte tun können, um die Situation zu ändern. Ungeachtet des Ausgangs der Schlacht waren er und seine Mannschaft jetzt dem ausgeliefert, was sie begonnen hatten.

»Jodis, es ist so weit«, erklang Bniras Stimme hinter ihm und er wandte sich ihr zu. Es gab nichts mehr, das sie tun konnten, außer dem Schiff und seinem Computer zu vertrauen, dass diese die ihnen übertragenen Aufgaben ausführten. Dazu waren die Geräte geschaffen worden und ihre Priorität lag in der Sorge für das Wohl und die Sicherheit der Mannschaft, die ihre Leben nun sehr bald dieser Ansammlung von Maschinen anvertrauen würden. Jodis griff nach Bniras Hand und zog sie dicht an sich, sodass er ihre Wange streicheln konnte. Sie lächelte und tat das Gleiche bei ihm. Ihre Beziehung hatte sich dank der langen und gemeinsam verbrachten Trainingsperioden weit über das hinaus entwickelt, was einen Kommandanten mit einem Besatzungsmitglied gemeinhin verband. Die strikte Geheimhaltung hatte dafür gesorgt, dass die acht Mannschaftsmitglieder der Poklori gil dara gezwungen waren, miteinander zu arbeiten und zu leben, also war es wohl nur natürlich, dass die Beziehungen untereinander enger wurden als üblich. Auch wenn Psychologen vor den Gefahren solcher Beziehungen gewarnt hatten, schenkten Jodis und die anderen diesen Warnungen keine Beachtung. Immerhin hatten sie niemanden sonst.

»Ich hoffe, ich sehe als Erstes dein Gesicht, wenn ich wieder aufwache«, sagte Bnira.

Jodis lächelte. »Ich freue mich schon darauf.«

An einer anderen Konsole berührte Neline, die nun ebenfalls nackt war und auf ihrer bloßen Haut Sensoren angebracht hatte, einige Kontrollen in rascher Folge, bevor sie sich rasch zu ihrer eigenen Suspensionskapsel begab. Eine mechanische Stimme begann, einen Countdown herunterzuzählen.

Jodis lag nun sicher in seiner Kapsel und sah zu, wie sich der transparente Zylinder über ihm schloss und um ihn herum versiegelte, bevor ein leises, zischendes Geräusch erklang, das das programmierte Eindringen der kryogenen Gase in den abgeschlossenen Raum andeutete. Hinter der geschlossenen Barriere hörte man die nunmehr gedämpfte Stimme mit dem Countdown. Er wandte seinen Kopf und sah, wie der Rest seiner Mannschaft, jeder in seiner eigenen Kapsel geborgen, langsam von den Gasen und anderen Komponenten eingehüllt wurde, die für den Übergang in die Hibernation notwendig waren.

Dann erschütterte ein gewaltiger Einschlag das ganze Schiff und ließ erneut eine Kakofonie von Alarmsignalen und anderen Warnungen auf den Arbeitsstationen um sie herum erklingen, aber nun konnte Jodis nur noch daliegen und abwarten. Außerhalb seiner Kapsel zählte der Computer die letzten noch fehlenden linzatu herunter, dann ergriff ihn die unvermeidliche Kryostase und hüllte ihn vollständig ein.

Seine letzten Gedanken galten der Mission, die noch vor ihnen lag.

Es wird keinen Krieg mehr geben.

JETZT

KAPITEL 3

»Willst du wissen, wo das Problem liegt, wenn man dorthin geht, wo noch niemand zuvor gewesen ist? … Es dauert eben verdammt lange, bis man dort ist.«

Lieutenant T’Ryssa Chen saß an einem Tisch nahe dem vorderen Aussichtsfenster der Mannschaftslounge der Enterprise. Sie lächelte Lieutenant Commander Taurik, mit dem sie die Mahlzeit einnahm, an, als dieser seinen Blick hob. Vor ihm stand ein Frühstücksteller mit Obst. Auf seinem Gesicht lag das vulkanische Äquivalent eines verwirrten Ausdrucks, das sich allerdings nur in einer hochgezogenen rechten Augenbraue zeigte. Für einen Augenblick war Chen sicher, dass sie nun einen Vortrag über die Natur von riesigen interstellaren Entfernungen und die begrenzten Fähigkeiten moderner Raumschiffe, diese Entfernungen zu überwinden, würde über sich ergehen lassen müssen. Stattdessen war Tauriks Erwiderung entschieden schlichter.

»In der Tat.«

Seine Antwort ließ Chens Grinsen nur breiter werden. »Das ist alles? Ein ›in der Tat‹? Ich biete dir eine solche Steilvorlage und du gibst mir nur ein ›in der Tat‹? Du versuchst es ja nicht einmal.«

Trotz seiner Selbstdisziplin war nun zu sehen, wie die Andeutung eines Lächelns um Tauriks Mundwinkel spielte. »Ich sah keinen Grund, deine Feststellung zu widerlegen. Man könnte durchaus der Ansicht sein, dass deine Beobachtung stichhaltig ist.«

Als erinnere er sich plötzlich an seine Rolle in dem Spiel, das sie offenbar gerade mit ihm spielen wollte, fuhr er schließlich fort. »Ich würde meinen, dass besonders du sehr angetan bist von dem Potenzial, das unsere Mission in sich birgt.«

Okay, du willst es so, dachte Chen und fühlte sich als die Siegerin. »Besonders ich?«

Taurik nickte. »Du bist Kontaktspezialistin. Mit wenigen Ausnahmen haben deine Aufgaben seit dem Beginn deines Dienstes auf der Enterprise dir nicht gerade viele Gelegenheiten geboten, die Pflichten auszuüben, für die du ausgebildet wurdest. Unsere derzeitige Mission gibt zumindest Anlass dazu, zu hoffen, dass wir den Erstkontakt zu einigen neuen Zivilisationen herstellen können.« Er widmete sich wieder kurz seiner Mahlzeit, dann fügte er noch hinzu: »Ich freue mich für dich, T’Ryssa.«

»Du freust dich?« Chen nahm sich zusammen. Ihre Stimme war so laut geworden, dass sie nun die Blicke einiger Mannschaftskollegen an den umliegenden Tischen auf sich zog. Taurik dagegen schien von ihrem Beinahe-Ausbruch ungerührt. »Du freust dich?«, presste sie zwischen ihren Zähnen hervor. »Du verbringst zu viel Zeit mit mir.«

»Es ist nicht unvernünftig, die Hypothese aufzustellen, dass mein langer Kontakt mit dir noch nicht näher definierte Auswirkungen auf meine Gedankenprozesse, Gefühle und Reaktionen auf verschiedene externe Stimuli haben kann.«

Nun war es an Chen, mit den Augenbrauen zu wackeln. »Erzähl mir mehr über diese verschiedenen externen Stimuli.«

Nachdem er sich verstohlen umgesehen hatte, als wolle er sich vergewissern, dass niemand ihre Unterhaltung belauschte, beugte Taurik sich vor. »Ich glaube nicht, dass ich das tun werde.«

»Dann werde ich mir wohl selbst welche ausdenken müssen«, gab Chen zurück und musterte ihn mit verschmitztem Lächeln.

Taurik spießte mit seiner Gabel ein Stück einer gelborangen Frucht auf, die Chen nicht kannte. »Ich vermute, dass deine Vorstellungskraft da eine ganze Reihe von Möglichkeiten produzieren wird«, sagte er, bevor er weiteraß. Er unterstrich die Bemerkung mit einem erneuten Heben seiner Augenbraue, eine einfache Geste, die in Chen unkontrolliertes Gelächter auszulösen drohte.

Den Vulkanier gelegentlich zu ärgern und ab und an mit ihm zu flirten, war schon seit einiger Zeit zu einer ihrer liebsten Freizeitbeschäftigungen geworden, auch wenn es erst wirklich lustig geworden war, seit Taurik sich darauf einließ. Trotz seiner kontrollierten Fassade und der strikten emotionalen Disziplin, die man von jemandem mit seiner vulkanischen Abstammung erwartete – etwas, das Chen bei sich selbst gern ignorierte –, besaß er einen feinen und manchmal schrägen Humor. Sie fand diese Eigenschaft attraktiv, wenn nicht sogar verführerisch. Es war einer von vielen Charakterzügen, die sie in der Zeit, die sie ihn nun schon kannte, zu bewundern gelernt hatte. Das war sogar nach ihrem kurzen und ungeschickten Versuch, eine intimere Beziehung einzugehen, so geblieben. Nun pflegten sie eine angenehme Freundschaft, die auf gegenseitigem Respekt basierte.

»Warum lächelst du?«

Es brauchte ein paar Sekunden, bevor Chen erkannte, dass sie sich selbst gestattet hatte, sich in angenehmen Erinnerungen zu verlieren. Ihre Wangen röteten sich spürbar vor Verlegenheit und sie griff nach dem Wasserglas, das neben ihrem Teller stand.

»Ach, nichts.« Sie nahm einen Schluck.

Taurik wechselte das Thema. »Commander La Forge zufolge bist du heute dem Maschinenraum zugewiesen.«

»Es sieht ganz so aus«, bestätigte Chen. »Ich habe mich freiwillig gemeldet, um Diagnosen der Ebene eins in den Shuttles durchzuführen und in den Bordcomputern dort ein paar Software-Upgrades zu installieren.« Sie zuckte mit den Schultern. »Wenigstens kann ich mich so nützlich machen.«

Sie deutete auf die vorderen Aussichtsfenster und den kaleidoskopartigen Mahlstrom der Sterne, der an ihnen vorbeihuschte, während sich die Enterprise mit hoher Warpgeschwindigkeit durch den Weltraum bewegte. »Wenigstens bis wir dort ankommen, wo wir hinwollen.«

Chen machte die Tatsache, dass der Chefingenieur der Enterprise sie ein paar Schichten lang für wichtige, wenn auch nicht gerade glamouröse Arbeiten eingeteilt hatte, nichts aus. Sie hatte sich schon vor langer Zeit an solche Realitäten gewöhnt, immerhin gab es für eine Spezialistin für Erstkontakte die meiste Zeit ihres Diensts auf dem Schiff nichts zu tun. Sie betrachtete diese Arbeiten als eine Chance, ihre Fähigkeiten zu erweitern und in vielen Bereichen und Disziplinen Erfahrung zu sammeln. Chen hatte sich freiwillig gemeldet, in jeder der verschiedenen Abteilungen des Schiffs auszuhelfen, in der es an zusätzlichem Personal fehlte, und für jede Aufgabe, die gerade anfiel. Seit sie auf der Enterprise angekommen war, hatte sie ein direktes Training an so ziemlich jedem der größeren Systeme des Schiffs durchgeführt, angefangen beim Hauptcomputer bis hin zum Warpantrieb und allem dazwischen.

Sie hatte eine Menge Gelegenheiten erhalten, Erfahrungen zu sammeln, denn bisher hatte man ihre spezifischen Kompetenzen und das Wissen ihrer Ausbildung kaum wirklich nötig gehabt. Aber das betraf zahlreiche Erstkontaktspezialisten auf den meisten Raumschiffen der Sternenflotte. Viele der Ressourcen waren nach der letzten Invasion der Borg in den Alpha-Quadranten darauf konzentriert worden, überall in der Föderation die Zivilisationen wieder aufzubauen. Aus diesem Grund waren Captain Picard und die Enterprise in den folgenden drei Jahren auf eine Vielzahl von Missionen geschickt worden, bei denen sowohl die diplomatischen Kenntnisse des Captains als auch die militärischen Fähigkeiten des Raumschiffs benötigt wurden. Besonders wichtig war das angesichts der Tatsache, dass der Typhon-Pakt immer weiter erstarkte und seinen Einfluss ausdehnte. Auch wenn er sich selbst als eine »Alternative« für Welten verstand, die unabhängig bleiben wollten und dennoch die Geborgenheit einer größeren Gemeinschaft suchten, war die unwahrscheinliche Allianz von sechs interstellaren Mächten – den Romulanern, den Gorn, den Tholianern, Breen, Tzenkethi und den Kinshaya – eine nie versiegende Quelle von Zwietracht und Ärger für die Föderation.

Einer der frühesten Siege des Pakts hatte darin bestanden, dass man die hoch geheimen Pläne der Slipstream-Technologie aus den Flottenwerften von Utopia Planitia gestohlen hatte. Auch wenn man den Schaden, der aus diesem Diebstahl vielleicht entstanden wäre, glücklicherweise hatte eindämmen können, zeigte der Vorfall, dass der Pakt kein Rivale war, den man unterschätzen oder dem man gar vertrauen sollte. Kurz darauf hatten die Tholianer die Föderation und die Sternenflotte sogar beschuldigt, lieber tatenlos dabei zuzusehen, wie die Andorianer ausstarben, statt ihnen mit geheimen Informationen zu helfen, ihre gefährdete Bevölkerung zu retten. Das hatte dazu geführt, dass die Andorianer, wenn auch nur kurzzeitig, aus der Föderation ausgetreten waren, die sie vor mehr als zwei Jahrhunderten mit gegründet hatten.

Captain Picard und die Enterprise hatten während dieser und weiterer Geschehnisse eine Handvoll Missionen durchgeführt, die in der einen oder anderen Weise mit dem Pakt oder mit Völkern zu tun gehabt hatten, die sich für die Föderation als Plage erwiesen hatten. Da war die Ermordung von Präsidentin Nanietta Bacco gewesen und die Jagd nach ihren Killern. Dem Aufdecken des Komplotts und der Festnahme der Hintermänner dieser abscheulichen Verschwörung waren zahlreiche weitere Ereignisse gefolgt, die die Aufmerksamkeit der Beteiligten erfordert hatten. Immerhin war kein Geringerer als Ishan Anjar in die Sache verwickelt, der bajoranische Offizielle, der als Interimspräsident gedient hatte, bis man Baccos Nachfolger hatte wählen können. Die Suche nach denjenigen, die vielleicht eine Rolle in Baccos Ermordung gespielt hatten, die nicht abreißenden Sorgen, die der Typhon-Pakt machte, sowie die Überbrückung der vielen Differenzen, die die Föderation und ihre Verbündeten trennten, waren nur ein paar der Herausforderungen, denen sich die neue Präsidentin Kellessar zh’Tarash und die Sternenflotte zu stellen hatten.

Und doch sind wir nun hier, unterwegs ans andere Ende des Nichts.

Die Enterprise war schon seit Wochen mit hoher Warpgeschwindigkeit unterwegs, wobei Chen das Aussetzen von Subraumbojen, die dabei helfen würden, mit dem Kommando der Sternenflotte in Kontakt zu bleiben, noch als den spannendsten Aspekt empfand. Nun näherte sich das Raumschiff dem ersten der Sternensysteme, zu denen es geschickt worden war. Die Enterprise sollte diese Region jenseits des Territoriums der Föderation erforschen. Bisher waren nur automatische Drohnen hier gewesen. Den Daten zufolge, die diese Drohnen gesammelt hatten, bestand das System, das in der Datenbank der stellaren Kartografie System 3955 genannt wurde, aus zwei Planeten, die in der Lage waren, Leben zu erhalten. Zudem hatte man Anzeichen für intelligentes Leben, ja, sogar fortgeschrittene Zivilisationen auf beiden Welten entdeckt. Wenn sie eine Überlicht-Antriebstechnologie entwickelt hatten, dann standen die Chancen gut, dass Captain Picard die Erstkontaktprotokolle einleiten würde. Und das bedeutete, dass Chen jedem Außenteam zugeteilt werden würde, das man auf die Oberfläche schickte, um die Repräsentanten einer dortigen Regierung zu treffen. Oder irgendeine andere machthabende Körperschaft, der man die Ehre zuwies, die erste zu sein, die Besucher von jenseits der Sterne begrüßte.

»Du scheinst dich mit deinen Gedanken woanders zu befinden«, stellte Taurik fest.

Als Chen von ihrem Frühstück aufsah, bemerkte sie seinen beobachtenden Blick. Wie lange saß sie wohl schon hier, in ihren Gedanken verloren? Ein Blick auf Tauriks Teller sagte ihr, dass es bereits eine Weile sein musste, denn der Vulkanier hatte seine Mahlzeit bereits beendet.

»Tut mir leid«, erwiderte Chen. »Ich habe nur darüber nachgedacht, dass es uns so seltsam vorkommt, hier draußen unterwegs zu sein, wo es doch zu Hause so viel zu tun gibt.«

Tatsächlich war nicht ein Tag vergangen, seit die Enterprise von der Erde aufgebrochen war, an dem sie nicht über ihren neuen Auftrag nachgedacht hatte und darüber, ob das Schiff, seine Besatzung und besonders sein Captain nicht doch vielleicht woanders eher gebraucht würden. Nachdem sie Ishan Anjar verhaftet hatten, hatte Picard die Admirals Leonard James Akaar und William Riker über seine Besorgnis über die Rolle der Sternenflotte als ein Instrument der Föderationspolitik in Kenntnis gesetzt. Besonders beunruhigten ihn dabei die eher kriegerischen Unternehmen, die, auch wenn sie wohl notwendig waren, die ursprüngliche Prämisse der Forschung und der Erweiterung von Wissen untergruben. Zur Überraschung vieler war Picard zur Enterprise zurückgekehrt, nicht um zu verkünden, dass er in den Ruhestand ging oder befördert oder versetzt worden war, sondern mit Befehlen, die das Schiff in eine ganz unbekannte Region des Alls schickten. Nach ein paar kurzen Verzögerungen, die auf den Wunsch von Admiral Riker zurückgingen, die Enterprise solle an einigen Aufgaben teilnehmen, die die Kenntnisse des Captains und seiner Mannschaft benötigten, hatte das Raumschiff die gewohnten Gegenden des Föderationsraums verlassen und war ins Unbekannte aufgebrochen.

»Es gibt Leute, die behaupten würden, dass die Ideale, auf denen sich die Föderation und die Sternenflotte gründen, auf dem Prüfstand stehen«, bemerkte Taurik. »Und dass unsere Möglichkeiten und sogar unser Wille, diese Prinzipien aufrechtzuerhalten, nicht mehr groß genug sind. Ich glaube, dass der Umstand, Schiffe Missionen zuzuteilen, wie die Enterprise sie gerade ausführt, zusammen mit anderen Initiativen, die Präsidentin zh’Tarash angestoßen hat, viel dazu beitragen wird, diese Bedenken zu zerstreuen.«

Chen nickte. Ihr waren bereits ähnliche Gedanken gekommen. Es war beruhigend zu hören, dass Taurik sie aussprach. Wenn ein zugeknöpfter, immer logischer Vulkanier das Gute in dem sehen konnte, was sie taten, dann musste es doch richtig sein, oder?

Ich denke, das werden wir noch herausfinden.

Die lockere Atmosphäre in der Lounge wurde plötzlich von dem altbekannten Klang eines Alarms unterbrochen. Chen, Taurik und die anderen um sie herum spannten sich in ihrem Sitz an. Die Gespräche erstarben, als ein hochfrequenter Ton durch die internen Kommunikationskanäle des Schiffs drang.

»Hier spricht der Erste Offizier«, erklang nun Commander Worfs Stimme über das Interkom. »Das Schiff befindet sich in Gelbem Alarm. Dies ist keine Übung. Bitte melden Sie sich auf Ihren Stationen. Captain Picard und die Stabsoffiziere, bitte melden Sie sich auf der Brücke. Lieutenant Chen, auf die Brücke bitte.«

Chen zog eine Grimasse, als sie ihren Namen hörte. »Ich?«

»Das hat der Commander gesagt«, erwiderte Taurik.

Sie tippte auf ihren Kommunikator. »Chen an Brücke. Ich bin unterwegs, Commander.«

»Und ich mache mich auf in den Maschinenraum.« Der Vulkanier stand auf.

Als sie zusammen mit den anderen Offizieren und Besatzungsmitgliedern auf dem Weg zum Ausgang waren, bemerkte Taurik: »Vielleicht bedeutet das, dass der Captain eine Spezialistin für Erstkontakte benötigt.«

Chen rang sich ein Lächeln ab und zuckte mit den Schultern. »Dabei hatte ich mich doch schon so darauf gefreut, mich näher mit den Shuttles zu befassen …«

KAPITEL 4

Captain Jean-Luc Picard stand in der Mitte der Brücke und musterte mit vor der Brust verschränkten Armen das Raumschiff, das vor ihm auf dem Hauptschirm aufgetaucht war. Selbst aus dieser Entfernung war das Bild, das die Langstreckensensoren lieferten, so deutlich, dass Picard die Schweißnähte der einzelnen Hüllenplatten erkennen konnte, deren Farben von Grau bis hin zu verschiedenen Amethysttönen changierten. Die gewaltige Struktur des Schiffes war lang und schmal, und immer wieder stachen einzelne, geschwungene Segmente aus dem konisch geformten Schiffskörper heraus.

Es ähnelte einer Art Keil. Hinten hatte es die Form einer Glocke und verjüngte sich nach vorne zum Bug hin, bis es beinahe spitz zulief. Zahlreiche Andockstationen, Luken, Vorsprünge und andere Befestigungen übersäten die Hülle. Waffenaufbauten und etwas, das wie Manövrierdüsen wirkte, waren ebenfalls zu sehen. Sie waren in regelmäßigen Abständen zwischen Bug und Heck aufgereiht, ganz vorne befand sich ein großer, runder Zugang oder eine Art Port. Das Schiff schien keinerlei Positionslichter zu besitzen und war so vom dunklen All, das es umgab, kaum zu unterscheiden. Dass es überhaupt dargestellt werden konnte, war nur den Sensoren der Enterprise und der Grafiksoftware des Hauptcomputers zu verdanken. Es lag auf der Hand, dass das riesige Schiff antriebslos im Raum dümpelte.

»Die Langstreckensensoren haben das Schiff vor weniger als zehn Minuten entdeckt«, berichtete Commander Worf. Er stand vor seinem Stuhl neben Captain Picards Kommandosessel. »Wir haben versucht, es auf allen möglichen Frequenzen zu rufen, aber wir haben keine Antwort erhalten. Keinerlei Anzeichen dafür, dass ein Antrieb aktiviert ist, sind erkennbar. Wir empfangen auch keine Lebenszeichen.« Der Erste Offizier hielt inne, und Picard bemerkte das leichte Funkeln in den Augen des Klingonen.

»Ich dachte, das fänden Sie interessant, Sir.«

Picard lächelte. »Das ist leicht untertrieben, Nummer Eins.«

Er wandte seinen Blick wieder dem mutmaßlichen Wrack zu und fragte: »Haben Sie schon die Ergebnisse eines ersten Sensorscans?«

Seine Aufmerksamkeit richtete sich auf die zahlreichen Brandflecken, die Einschlagdellen und Risse, die an dem fremden Schiff nun erkennbar wurden. Anzeichen, dass es sich in einer Art Schlacht befunden haben musste.

Lieutenant Dina Elfiki antwortete. Sie saß an einer der wissenschaftlichen Konsolen an der hinteren Steuerbordwand der Brücke. »Ja, Sir. Die meisten unserer Scans werden gestört, möglicherweise ein unbekanntes Material oder eine Substanz, die bei der Konstruktion des Schiffs verwendet wurde. Die Hüllenplatten bestehen aus einer Legierung, die offenbar Neutronium und noch ein paar andere, uns nicht bekannte Mineralien enthält.«

Nach einem Augenblick fügte die Wissenschaftsoffizierin hinzu: »Wenn wir näher herankommen, werden wir mehr erfahren. Derzeit allerdings fangen die Sensoren minimale Energiesignaturen auf. Wenn ich raten müsste, handelt es sich um eine Art Notfallsystem.«

»Es schwebt definitiv antriebslos dahin«, meldete Lieutenant Aneta Šmrhová, die Sicherheitschefin der Enterprise. »Ich kann ebenfalls keinerlei Anzeichen für einen aktiven Antrieb entdecken.«

Sie stand an ihrer Station hinter Picards linker Schulter und tippte noch ein paar Befehle auf ihrer Konsole ein, bevor sie weitersprach. »Bisher weist nichts darauf hin, dass es auf unsere Anwesenheit reagiert.«

»Ensign Scagliotti, Kurs auf das Objekt, Geschwindigkeit entsprechend anpassen«, befahl Picard.

Ensign Allison Scagliotti an der Steuerkonsole bestätigte. »Aye, Sir.«

»Sir«, meldete sich wieder Šmrhová zu Wort. »Wir haben genug Daten gesammelt, um eine vorläufige taktische Darstellung zu ermöglichen.«

»Auf den Schirm.«

Auf Picards Befehl hin änderte sich das Bild auf dem Hauptschirm in eine computergenerierte Darstellung des nicht identifizierten Schiffs. Es erschien als eine Gitterstruktur, die nun begann, sich horizontal zu drehen. Nachdem das technische Diagramm einen vollen Kreis beschrieben hatte, drehte es sich seitlich, damit Picard nun einen Blick von oben auf das Raumschiff werfen konnte. Das Modell drehte sich auch aus diesem Blickwinkel einmal um sich selbst, bevor der Zyklus wieder von vorn begann, sodass der Captain nun ein vollständiges Bild des gesamten Schiffs hatte. Jedenfalls eines, das so vollständig war, wie es dem Computer dank der Telemetrie der Sensoren der Enterprise nur möglich war.

»Keine aktiven Waffen oder Verteidigungen?«, wollte Picard wissen.

»Keine, die ich entdecken könnte«, antwortete die Sicherheitschefin. Und als habe sie seine nächste Frage erraten, fügte sie hinzu: »Die Kampfspuren, wenn es denn welche sind, scheinen über hundert Jahre alt zu sein. Die meisten dürften von einer Art Partikelstrahlwaffe zu stammen, aber von einer, die uns vollkommen unbekannt ist. Es gibt auch einige Stellen, an denen die Hülle offenbar von einer Art Energietorpedo durchschossen wurde, aber keinesfalls einem, der so fortgeschritten ist wie unsere.«

»Wir erreichen nun das Raumschiff, Captain«, meldete Scagliotti.

»Holen Sie uns aus dem Warp, Ensign«, befahl Worf. »Schilde hoch.« Als Picard ihm einen trockenen Blick zuwarf, erwiderte der Klingone ihn unverwandt. »Man kann nie zu vorsichtig sein, Sir.«

Picard nickte. »Ganz richtig.«

An Elfiki gewandt sagte er: »Normale Ansicht.«

Das Bild auf dem Hauptschirm änderte sich erneut, gerade rechtzeitig, damit die Anwesenden Zeuge werden konnten, wie die blauroten Sternstreifen zu kleinen hellen Punkten wurden, die die totale Schwärze des interstellaren Raums übersäten.

Das Objekt ihres Interesses schoss auf sie zu. Das düstere Schiff drehte sich gemächlich um seine eigene Längsachse. Dunkel und kantig wie ein Kampfmesser lag es da. Nein, entschied Picard. Auf ihn wirkte das Schiff eher wie die Spitze eines gewaltigen Speers.

Hinter sich hörte er nun das Zischen der Türen des Turbolifts, die sich im hinteren Teil der Brücke befanden. Beinahe sofort darauf war die Stimme seines Chefingenieurs zu hören.

Commander La Forges erster Kommentar bestand nur aus einem »Wow!«, aber er reichte aus, dass Picard sich umwandte und den ehrfürchtigen Ausdruck auf dem Gesicht des Chefingenieurs zu sehen bekam, kaum dass dieser aus dem Turbolift getreten war. »Jetzt sieh sich das mal einer an.«

»Haben wir«, meinte Picard und konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. »Willkommen auf unserer Party, Mr. La Forge.«

»Danke für die Einladung, Sir!«, gab der Commander prompt zurück und trat zur Konsole des Maschinendecks im hinteren Teil der Brücke.

Mit ihm war auch T’Ryssa Chen gekommen, die sich vom Turbolift direkt zu Šmrhová gesellte.

»Melde mich wie befohlen, Captain«, sagte sie.

Picard nickte. »Ich dachte, Sie sollten ebenfalls einen Blick darauf werfen. Es könnte sich immerhin um eine Spezies handeln, die in dieser Region des Weltalls heimisch ist. Lieutenant«, wandte er sich nun an Elfiki. »Was können Sie uns noch sagen?«

»Der Länge nach misst es zweitausendsiebenhundert Meter und an der breitesten Stelle rund achthundert Meter. Unsere Scans können die Hüllenplatten nur teilweise durchdringen, aber die Anzeigen bleiben unklar. Ich werde die Sensoren darauf einstellen müssen.« Sie schüttelte den Kopf. »Geht man nach der Größe dieser Ausstoßdüsen des Antriebs, dann ist das, was dieses Ding antreibt, sicher höchst beachtlich.«