Star Trek - Titan: Aus der Dunkelheit - James Swallow - E-Book

Star Trek - Titan: Aus der Dunkelheit E-Book

James Swallow

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Beschreibung

Im Kielwasser politischer Unruhen finden sich Admiral William Riker und die Besatzung der U.S.S. Titan in einer prekären Situation wieder. Eine neue Mission zieht veränderte Aufgaben an Bord nach sich. Auf Befehl der Sternenflotte setzt die Titan Kurs auf den Rand des Föderationsraums, um sich ihrer neuesten Aufgabe zu stellen: mit einer fremden Spezies, den Dinac, zusammenzuarbeiten und gegen einen unaufhaltsamen Eindringling zu kämpfen.

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AUS DER DUNKELHEIT

JAMES SWALLOW

BASED UPON STAR TREK ANDSTAR TREK: THE NEXT GENERATION®CREATED BY GENE RODDENBERRY

Ins Deutsche übertragen vonHelga Parmiter

Die deutsche Ausgabe von STAR TREK – TITAN: AUS DER DUNKELHEIT wird herausgegeben von Amigo Grafik, Teinacher Straße 72, 71634 Ludwigsburg.

Herausgeber: Andreas Mergenthaler und Hardy Hellstern, Übersetzung: Helga Parmiter; verantwortlicher Redakteur und Lektorat: Markus Rohde; Lektorat: Anika Klüver und Gisela Schell;

Satz: Rowan Rüster/Amigo Grafik; Cover Artwork: Tobias Richter;

Print-Ausgabe gedruckt von CPI Moravia Books s.r.o., CZ-69123 Pohořelice. Printed in the Czech Republic.

Titel der Originalausgabe: STAR TREK – TITAN: SIGHT UNSEEN

German translation copyright © 2017 by Amigo Grafik GbR.

Original English language edition copyright © 2015 by CBS Studios Inc. All rights reserved.

™ & © 2017 CBS Studios Inc. STAR TREK and related marks and logos are trademarks of CBS Studios Inc. All rights reserved.

This book is published by arrangement with Pocket Books, a Division of Simon & Schuster, Inc., pursuant to an exclusive license from CBS Studios Inc.

Print ISBN 978-3-95981-501-7 (November 2017) • E-Book ISBN 978-3-95981-502-4 (November 2017)

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Inhalt

HISTORISCHE ANMERKUNG

KAPITEL 1

KAPITEL 2

KAPITEL 3

KAPITEL 4

KAPITEL 5

KAPITEL 6

KAPITEL 7

KAPITEL 8

KAPITEL 9

KAPITEL 10

KAPITEL 11

KAPITEL 12

KAPITEL 13

KAPITEL 14

KAPITEL 15

KAPITEL 16

KAPITEL 17

KAPITEL 18

KAPITEL 19

EPILOG

DANKSAGUNGEN

HISTORISCHE ANMERKUNG

Diese Geschichte spielt Anfang 2386, sieben Jahre nach der Konfrontation der U.S.S. Enterprise-E mit dem romulanischen Praetor Shinzon (STAR TREK – NEMESIS). Nur wenige Monate sind vergangen, seit William T. Riker zum Rear Admiral befördert (STAR TREK – THE FALL„Der Giftbecher“) und Kellessar zh’Tarash nach Nanietta Baccos Ermordung zur Präsidentin der Vereinigten Föderation der Planeten gewählt wurde (STAR TREK – THE Fall„Königreiche des Friedens“).

KAPITEL 1

Es war nicht das erste Mal während dieses Einsatzes, dass er sich überfordert fühlte. Dafür gab es einen einfachen Grund: Das fremde Raumschiff war mit nichts vergleichbar, das er jemals zuvor gesehen hatte.

Ythiss war direkt aus dem Ingenieurgelege auf Selay rekrutiert worden und hatte seine Heimatwelt und die Nester seines Clans verlassen, um die Sternenflottenakademie zu besuchen. Und bei der Haut seiner Ahnen – er hatte dort seinen Abschluss mit Auszeichnung gemacht. Ythiss hielt sich selbst für intelligent und sensibel und strotzte vor der »Wir schaffen alles«-Einstellung, in der die Sternenflotte ihre Ingenieure bestärkte. Doch dieses Schiff passte zu keinem Grundriss, den er je gesehen hatte – weder im Weltraum noch in Lehrbüchern. Das fing schon damit an, dass es überwiegend aus Holz zu bestehen schien.

Eine hochgewachsene und muskulöse weibliche Humanoide ließ sich aus der geschnitzten Ladeluke über ihren Köpfen in den Korridor fallen und legte mühelos eine Dreipunktlandung auf den Deckplanken hin. »Hier«, sagte sie und stand auf. Sie gab ihm ein Seil, das aus geflochtenem Pflanzenmaterial bestand. »Helfen Sie mir mal.«

»Wie Sie wünschen.« Der Lieutenant blinzelte mit seinen großen Schlitzaugen, neigte seinen Reptilienkopf zur Seite und packte das dargebotene Seil.

Guoapa war eine Dinac und die Kommandantin des Schiffs, obwohl die Pflichten, die sie auf ihrem Schiff wahrnahm, auf einem Föderationsschiff in den Aufgabenbereich eines untergeordneten Ingenieuroffiziers wie Ythiss gefallen wären. Als er ihr das erzählt hatte, hatte die hundeähnliche Frau eine Mischung aus Bellen und Schnauben als Zeichen der Belustigung ausgestoßen. Welche Flotte überträgt denjenigen das Kommando, die nicht selbst Pfote an die Maschinen legen? Nach diesem Kommentar hatte sich der Selay sofort für den fremden Captain erwärmt. Gleichzeitig hatte Guoapa von dem Moment an darauf bestanden, Ythiss als Verbindungsoffizier zugeteilt zu bekommen. Sie sprach kaum mit dem kommandierenden Offizier des Lieutenants an Bord der U.S.S. Whitetree – sehr zum Unmut von Captain Minecci –, doch nach einer Weile hatten die Mannschaften der Sternenflotte und der Dinac eine angenehme Balance für ihre Zusammenarbeit gefunden.

Ythiss wartete auf ein Nicken von Guoapa und gemeinsam zogen sie kräftig. Das Seil spannte sich ruckartig an, und seine Hörorgane fingen das Geräusch von Keramikrollen auf, die sich irgendwo innerhalb der Luke drehten. Der Lieutenant wusste – wenigstens hoffte er es –, dass man auf diese Weise die Propellerflügel der Zwischenkühler, die außen an der Pinasse der Dinac zusammengefaltet waren, von Hand lösen konnte. Aus der Ferne betrachtet waren Dinac-Schiffe von einer Schönheit, die Ythiss recht anziehend fand. Ihre Stromlinienform war an die Warpfähigkeit angepasst, und sie besaßen hauchdünne Flügel, die als Energiekollektoren dienten und ihn an die großen Regenmotten erinnerten, die in den kühleren Jahreszeiten auf Selay ausschwärmten.

Er zog und tat, was man ihm befohlen hatte. Doch Ythiss störte immer noch die Tatsache, dass die Whitetree beinahe einen Monat mit den Dinac verbracht hatte und er immer noch keinen Deut schlauer war, was ihren merkwürdigen Überlichtantrieb anging. Er war eine seltsame Kombination aus Warptechnologie und Elementen der mit purer Kraft arbeitenden Gorn-Motoren. Dazu kamen Eigenschaften der Slipstream-Maschinen der Vok’sha und bestimmter Modelle älterer romulanischer Systeme. Das alles war eine ziemlich einzigartige Mischung. Ythiss fand das absolut faszinierend, und zwar so sehr, dass er viel zu viel seiner Zeit an Bord der Pinasse verbrachte und versuchte, den Maschinen auf den Grund zu gehen.

Als es nötig gewesen war, die Maschinen notfallmäßig abzuschalten, wodurch sie einige Lichtjahre vom Heimatsystem der Dinac entfernt aus der Warpgeschwindigkeit in die Tiefen des Alls geschleudert worden waren, war er tatsächlich ein bisschen erfreut gewesen. Nicht weil das Schiff beschädigt sein könnte – natürlich nicht. Doch ihn freute, dass er jetzt einen weiteren Vorwand hatte, im Maschinenkern herumzukriechen und sich die fremde Technologie aus nächster Nähe und mit eigenen Augen anzusehen. Die Whitetree hatte schnell umgedreht, um längsseits Position zu beziehen, und ein Reparaturtrupp unter der Leitung von Chief Medeiros befand sich bereits an Bord und verstärkte die Umweltkontrollen auf den unteren Decks. Abgesehen von ein paar Beulen und Prellungen, die Doktor Shull zu verzeichnen hatte, war lediglich der Stolz der Dinac verletzt.

Schwere Zahnräder rasteten knackend ein, und Guoapa bedachte Ythiss mit einer auf und ab wippenden Bewegung ihres Kopfes. Das war ihre Art, sich zu bedanken. Die kulturellen Aufzeichnungen der Föderation über die Dinac machten deutlich, dass die Fremden eine stolze, aber auch praktisch veranlagte Spezies waren. Sie hatten nicht aktiv die Hilfe der Sternenflotte gesucht, doch sie hatten diese bereitwillig akzeptiert, als sie angeboten wurde. Ythiss ließ das Seil los und atmete durch. Er war von der Anstrengung erschöpfter, als er sich eingestehen wollte. In den letzten Nächten hatte der Selay Schwierigkeiten gehabt, zur Ruhe zu kommen, und er hatte dies der Tatsache zugeschrieben, dass seine Gedanken zu sehr auf den Warpantrieb der Fremden fokussiert gewesen waren.

Die Aufzeichnungen besagten, dass die Dinac einer zweibeinigen Form eines Erdentiers, das als Fuchs bekannt war, ähnelten. Kurzes Fell bedeckte fast ihren ganzen Körper. Sie hatten lange, dreieckige Ohren und große Augen über einer spitzen Schnauze, die mit kleinen, scharfen Zähnen ausgestattet war. Ythiss verzweifelte manchmal an den unweigerlichen Vergleichen zwischen fremden Völkern und Arten der Erdfauna, was wohl daran lag, dass eine überdurchschnittlich große Zahl der Exobiologen in der Föderation auf der Erde geborene Menschen waren. Er entstammte einem Volk, das die Menschen oft als kobraähnlich bezeichneten. Irgendwann hatte er mal eine dieser Schlangen in einem Reservat auf der Benecia-Kolonie gesehen und sich angesichts des Vergleichs ansatzweise beleidigt gefühlt.

Wie immer man sie beschreiben wollte, die Dinac waren ein lebhaftes Volk mit einem kühnen Geist, den Ythiss erfrischend fand. Sie waren neu auf der galaktischen Bühne, obwohl sie bereits vor Jahrzehnten einen mehr oder weniger verlässlichen interstellaren Antrieb entwickelt hatten. Bis vor Kurzem waren sie damit zufrieden gewesen, sich innerhalb der Grenzen ihres Heimatsystems aufzuhalten. Doch jetzt hatte ihre Regierung den Wunsch geäußert, außerordentliches Mitglied der Vereinigten Föderation der Planeten zu werden. Im Zuge der ersten Schritte auf diesem Weg war die Whitetree den Dinac als Teil eines technologischen und kulturellen Austauschprogramms zugeteilt worden.

Die Sternenflotte ihrerseits half nicht nur dabei, eine Allianz mit einer neuen Spezies zu formen, sondern erhielt auch eine wertvolle Gelegenheit, diesen Austausch zu Lehrzwecken zu nutzen. Die Whitetree war ein kleines Schiff der Saber-Klasse, das der Sternenflottenakademie zur Verfügung gestellt worden war. Der größte Teil ihrer Mannschaft bestand aus Offiziersanwärtern auf ihrem ersten Kadettenflug. Die Dinac-Mission war die ideale Gelegenheit, der nächsten Generation Sternenflottenoffiziere die Art von Herausforderungen – und Wundern – nahezubringen, auf die sie nach ihrem Abschluss treffen würden.

Einen Moment lang rief Ythiss sich seinen Kadettenflug ins Gedächtnis, und seine Gedanken wanderten zurück zu einer Epoche, die längst vergangen schien.

So viel war seitdem geschehen. Die Borg-Invasion, seine Erfahrungen während seines Diensts an Bord der U.S.S. Titan, der Aufstieg des Typhon-Pakts und als Letztes die Auswirkungen der Ermordung von Föderationspräsidentin Nanietta Bacco. Monate später – unter neuer Führung und mit neuer Zielstrebigkeit in der VFP – hatte sich die Sternenflotte wieder der Erforschung zugewandt, und wenn seine Zeit auf der Whitetree zu Ende war, hoffte Ythiss, wieder an die Front dieser Bemühungen zurückzukehren. Doch er verstand auch, wie wichtig es war, den Kadetten zu zeigen, dass die Kernkompetenz der Sternenflotte darin lag, zu erkunden und neue Verbündete zu gewinnen und nicht nur als Verteidigungskraft zu existieren.

Allerdings würde nichts davon passieren, wenn sie die Pinasse nicht wieder auf den Weg bekamen.

Guoapa sprach in ein Mikrofonröhrchen, das in den Kragen ihrer Vielzweckweste mit den zahlreichen Taschen eingenäht war. Ohne Übersetzung klang die Dinac-Sprache wie eine Ansammlung aus hohen Jaul- und Heullauten. Doch der Tonfall war deutlich genug. Ythiss nahm an, dass sie jemandem Befehle erteilte. Als Antwort erbebte das Holzdeck unter ihnen, und das Schiff machte einen Satz vorwärts, weil die Maschinen nicht richtig ansprangen. Guoapa fletschte verärgert die Zähne.

Ythiss klappte seinen Trikorder auf und vollführte einen Scan, wobei er sich gleichzeitig mit den Außensensoren der Whitetree verband. Sofort erkannte er das Problem. »In diesem Gebiet gibt es beachtliche Störungen durch Subraumpartikel. Offensichtlich verhindert das die Initiierung einer brauchbaren Warpmatrix.«

»Als ob die Maschine abgewürgt wird, ja«, schnaufte Guoapa. »Auf einem Dutzend Reisen ist das nie zuvor passiert. Normalerweise reicht es, die Flügel neu auszurichten. Dann wird die Matrix freigesetzt, um sich zu bilden, und …«

Die Ingenieurkommandantin kam nicht dazu, den Gedanken zu beenden. Plötzlich erklang im gesamten schlauchförmigen Korridor ein kreischender Alarm. Ythiss’ Nasenschlitze zuckten, als er die Freisetzung eines Alarmgeruchs in der Atmosphäre der Pinasse wahrnahm. Im selben Augenblick tauchten auf der kleinen Anzeige des Trikorders rote Warnsignale auf, als die Energiemessungen alarmierend in die Höhe schossen. Die Sensorübertragung von seinem Schiff brach plötzlich ab.

Mit einer Klauenhand tippte der Lieutenant auf seinen Kommunikator. »Ythiss an Whitetree, hören Sie mich?«

Als Antwort erhielt er ein Wirrwarr aus Geräuschen, das kaum als Stimme zu erkennen war. Da er keine einzelnen Worte ausmachen konnte, rannte er zu einem Fenster in seiner Nähe und drückte das Gesicht an das Glas.

Weil er von Natur aus eine exotherme Lebensform war, war die Temperaturdifferenz der Flüssigkeit in Ythiss’ Adern zu vernachlässigen. Dennoch fiel ihm instinktiv eine menschliche Redensart über das sprichwörtliche Gefrieren des Bluts in den Adern ein, als er sah, was mit der Whitetree geschah.

Das spatenförmige Schiff fiel. Draußen in der geräuschlosen Dunkelheit war das Weltall aufgerissen – aus einer großen Wunde in der Leere bluteten Bänder aus gleißender violetter Energie. Als Warpingenieur war Ythiss das Bestiarium räumlicher Anomalien und unliebsamer Stellarphänomene, die Schiffe mit Überlichtgeschwindigkeit treffen konnten, wohlbekannt. Ein hervorragend ausgebildeter, ruhiger und gelassener Teil seines Geistes erkannte, dass es sich hier höchstwahrscheinlich um einen Subraumriss vom Typ Gamma handelte, der mindestens Stärke sieben auf der Ros-Sina-Michael-Skala hatte. Der Rest seiner Gedanken kristallisierte sich zu einem einzigen, unausgesprochenen Aufschrei: Meine Freunde, meine Mannschaftskollegen sind auf dem Schiff dort.

Die erste von vielen Gravitationsverzerrungen, die aus dem Riss herausstrahlten, traf die Pinasse der Dinac, und Ythiss spürte, wie das Schiff schlingerte und sich schüttelte. Er versuchte, sich von dem Fenster loszureißen, doch er konnte den Blick nicht von dem entsetzlichen Geschehen abwenden, das sich vor seinen Augen abspielte. Die Maschinen der Whitetree liefen auf vollen Touren. Das Glühen der Impulsverteiler wurde gleißend hell, während das Schiff erfolglos versuchte, dem gewaltigen Sog der neu entstandenen Singularität zu entkommen. Blitze peitschten über den Rumpf des Schiffs und hinterließen hässliche tränenförmige Risse, als einzelne Abschnitte eine verheerende Dekompression erfuhren. Quälend langsam wurde das Schiff der Sternenflotte allmählich rückwärts in den tobenden Schlund des Risses gezogen.

Er hörte, wie Guoapa hinter ihm Befehle brüllte, und dort, wo seine Klauen die Wand der Pinasse berührte, spürte er die Vibrationen, während das Schiff der Dinac wieder und wieder vergeblich versuchte, seine eigenen Maschinen zu aktivieren und zu fliehen. Meter um Meter wurde die Whitetree als Ganzes von dem gezackten Maul der Raumspalte verschlungen, genau wie eine Handvoll Rettungskapseln, die in der Hoffnung abgesprengt worden waren, dem Sog zu entkommen.

Exotische Partikel sprühten wie Springbrunnen kurz im sichtbaren Spektrum auf und setzten den Schlusspunkt unter das Verschwinden der Whitetree.

Die Verzerrungswellen rollten immer wieder heran und hämmerten auf die Außenhülle der Pinasse ein wie eine Sturmflut, die auf einen Uferdamm trifft. Holz stöhnte, als ob es lebendig wäre, und die überlasteten Streben zerbarsten splitternd. Ythiss spürte, wie das Schiff erneut einen Satz machte, als es nun langsam und unaufhaltsam auf den Ereignishorizont des Risses zutrieb.

Die Lampen auf der gesamten Länge des Korridors erloschen, und Reif bildete sich an den Fenstern, als die Lebenserhaltungssysteme ausfielen. Ythiss spürte eine Pfote auf seiner Schulter und drehte sich um. Guoapa stand mit vor Verzweiflung weit aufgerissenen Augen hinter ihm. »Es tut mir so leid«, platzte es aus ihr heraus. »Haben wir das angerichtet?«

Er versuchte immer noch, eine Antwort zu formulieren, als die Anomalie einen letzten Energiestoß aussandte, bevor sie sich selbst verschluckte und verschwand. Einen Lidschlag später pulsierte ein letztes Nachbeben aus verzerrten Gravitonen durch die Finsternis und traf die Pinasse frontal.

Das Holzdeck stieg blitzartig hoch und traf Ythiss … Dann war da Schmerz … Dann nichts mehr.

Als er erwachte, war es dunkel und winterlich, und der Lieutenant hatte keine Möglichkeit, einzuschätzen, wie viel Zeit vergangen war. Der Trikorder war beschädigt, viele der Erfassungsfunktionen waren durch die Subraumentladung oder vielleicht auch von der reinen physikalischen Kraft, mit der er durch das Innere des Dinac-Schiffs geschleudert worden war, unbrauchbar geworden.

Ythiss war sich vage der Tatsache bewusst, dass er sich einige Knochen im Bein gebrochen hatte, doch die interne Schwerkraft der Pinasse war ausgefallen, und das machte es einfacher, mit der Verletzung umzugehen. Guoapa kam zu ihm, als er gerade das Bewusstsein wiedererlangte, und er erkannte, dass sie ihn in einen anderen Raum gebracht hatte. Weitere Mannschaftsmitglieder der Dinac sowie ein paar bekannte Gesichter von der Whitetree drängten sich dort zusammen, um ihre Körperwärme bestmöglich auszunutzen. Als er ausatmete, bildete sich weißer Dampf. Die Luft war polarkalt und stach in seiner Brust wie Messer. Die eisige Kälte ließ ihn langsam werden, und Ythiss verfluchte seine echsenartige Abstammung.

»Alle Hauptsysteme sind ausgefallen«, sagte Guoapa, deren Ohrenstellung Trostlosigkeit zum Ausdruck brachte. »Die Maschinen reagieren nicht. Die Kommunikationssysteme scheinen nicht zu funktionieren. Wir haben einige Unterstützungsakkus umgestellt, um Energie für die Lebenserhaltungssysteme zu bekommen, aber das wird nicht lange halten. Bestenfalls einen Tag.«

Ythiss nahm diese trostlose Nachricht mit einem Nicken zur Kenntnis und betrachtete den Trikorder. Die Anzeigen waren konfus. »Sind das … alle?«

»Es sieht so aus. Einige Ebenen des Schiffs wurden der Leere ausgesetzt. Wir erhalten von dort keine Antwort.« Er spürte, dass sie ihre Gefühle zum Wohle der Mannschaft fest im Griff behielt, aber der Lieutenant hatte die Dinac-Frau in den letzten Wochen gut genug kennengelernt, um zu erkennen, dass ihre Lage sie wütend machte. »Also halten wir alle, die hier sind, am Leben, bis es nicht länger geht.«

Er nickte erneut. »Dieser Effekt, den wir gesehen haben. Er war … extern. Verursacht von etwas, das sich außerhalb … beider Schiffe befindet.« Seine Gedanken waren extrem langsam, und Ythiss verzog finster das schuppige Gesicht.

Für einen kurzen Moment schien sich Guoapas Laune etwas zu bessern. »Ich hatte Angst, dass wir dieses Ding erzeugt hätten. Diese neuen Abläufe unserer Maschinenkonstruktionen wurden noch nicht getestet. Wir hätten …«

Ythiss schüttelte den Kopf. »Nein. Ich glaube … wir waren am falschen Ort. Zur falschen Zeit.« Er schauderte angesichts seiner eigenen Untertreibung. So nichtssagende Worte als Grabinschrift für fast einhundert Offiziere, Mannschaftsmitglieder und Kadetten. Ihm wurde übel, als er erkannte, dass er und die wenigen Überlebenden um ihn herum sich bald zu den Verlorenen gesellen würden. Entweder würde ihnen die Luft ausgehen, oder die Kälte würde ihnen das Leben rauben. Hier, irgendwo zwischen den Sternen an den unerforschten Grenzen des Alpha-Quadranten würde niemand kommen, um sie zu retten.

Der Dinac-Captain schien seine Gedanken zu ahnen. »Lieutenant Ythiss. Sie und Ihre Sternenflotte haben so einen weiten Weg zurückgelegt, um mit uns Freundschaft zu schließen. Ich bedaure, dass dies das Ergebnis davon ist.«

Er suchte noch nach einer passenden Antwort, als der Trikorder ein ersticktes Blöken von sich gab. Ythiss sah auf den Bildschirm hinunter. Der Scanner registrierte einige Lebensformen, die sich ihnen näherten. »Guoapa – sind Sie sicher, dass es keine weiteren Überlebenden gab?«

»Ich schwöre es bei meiner Welt.«

Der Scan zeigte merkwürdige, unnormale Ergebnisse. Keine auf Kohlenstoff basierenden Lebensformen. Irgendein organischer Stamm, den das beschädigte Gerät nicht erkennen kann. Er drückte einen anderen Knopf und aktivierte eine Überlagerungsfunktion. Es gab keine Resonanzspuren von Transportern, und nichts wies darauf hin, dass sich in der Nähe ein weiteres Schiff im Vakuum aufhielt. Wenn hier jemand an Bord gekommen ist, wo ist er hergekommen?

In dem Korridor vor ihrem Abteil knirschte und ächzte vereistes Holz, als Gewicht es belastete. Jemand kam näher.

Ythiss raffte sich auf und machte einen Schritt auf die verschlossene Luke zu. »Hallo?«

Auf der anderen Seite der Luke erklang ein scharfes, metallisches Geräusch, als ob Knochen zerbrachen.

»Nun …«, Admiral William Riker warf einen Blick über seine Schulter, als sie aus dem Transporterraum hinaus in den Hauptkorridor gingen. »Wie viele Nachrichten hat es diesmal gebraucht, um ihn mürbe zu machen? Zehn? Zwanzig?« Er zog eine Augenbraue hoch. »Fünfzig?«

Der dünne, schlaksige Caitianer, der neben ihm ging, wischte sich gedankenverloren mit einer Pfote übers Gesicht und glättete dort das schwarz-weiße Fell. »Ich bin nicht sicher, ob ich die genaue Zahl kenne, Sir.«

Riker gestattete sich ein dünnes Lächeln. »Mister Ssura, das glaube ich keine Sekunde lang. Sie sind mein Adjutant, weil Sie alles bis auf den x-ten Prozentpunkt genau wissen. Ich weiß, dass Sie exakt wissen, wie oft ich Admiral Akaars Büro für dieses Zusammentreffen anrufen musste.«

»In der Tat, Sir«, räumte der Lieutenant ein. Seine Ohren zuckten entschuldigend. »Allerdings wirkt meine Übergenauigkeit meiner Erfahrung nach in bestimmten Unterhaltungssituationen auf einige abschreckend. Deshalb versuche ich, mich etwas mehr an die … Umgangssprache zu halten.«

»Und außerdem sind Sie der Meinung, dass es keine Rolle spielt?«

Ssura neigte den Kopf in einer flachen Nickbewegung nach vorne. »Das auch.« Er gestikulierte mit dem Padd, das er niemals aus der Hand zu legen schien. »Es ist hinlänglich bekannt, dass Admiral Akaar nicht gerade der kommunikativste Vorgesetzte ist.«

»Ist mir noch gar nicht aufgefallen«, versetzte Riker trocken. Tatsache war, dass der von Capella IV stammende hochgewachsene Admiral eine ganze Sternenflotte zu leiten hatte, wobei er Hunderte von Schiffen beaufsichtigen, die Grenzen einer interstellaren Nation patrouillieren und einen weit entfernten Grenzraum erforschen lassen musste. Die Anliegen eines einzelnen Mannes – und eines einzelnen Kommandopostens – standen wahrscheinlich ziemlich weit unten auf seiner Prioritätenliste.

Dennoch hatte Will Riker gehofft, der Aufstieg zum Admiral würde einen Unterschied machen. Allerdings hatte er schnell gelernt, dass die Hackordnung unter den Lamettaträgern der Sternenflotte ebenso streng eingehalten wurde, wie es zwischen der ersten und vierten Klasse an seinem ersten Tag an der Akademie der Fall gewesen war … wenn nicht noch strenger. Er lächelte wieder, als ihm der Lieblingssatz seines alten Freundes und früheren Kommandanten Jean-Luc Picard einfiel: Plus ça change …

Der Korridor, durch den sie gingen, beschrieb einen kreisförmigen Bogen um die Innenwand von Sternenbasis 1, der großen spindelförmigen Raumstation, die hoch über der Erde in der Umlaufbahn schwebte. Als sie weitergingen, wichen die langweiligen Wände einem atemberaubenden Anblick durch riesige Scheiben aus transparentem Aluminium, die vom Boden bis zur Decke reichten. Der gewaltige Hangar des Raumdocks erstreckte sich bis weit über die Fenster hinaus. Dort draußen in der Schwerelosigkeit schwebte ein halbes Dutzend Raumschiffe verschiedener Konfigurationen. Die meisten wiesen die perlmuttartig schimmernde Außenhaut von Sternenflottenschiffen auf, obwohl Riker auch einen Blick auf einen stromlinienförmigen Rumpf in Terrakottaschattierungen erhaschte.

Ssura bemerkte, worauf sich sein Augenmerk richtete. »Von der vulkanischen Handelsdelegation«, erklärte der Katzenartige.

Riker nickte und hakte im Geiste alle Klassen und Registrierungen der Schiffe mit derselben Sorgfalt ab, die er schon während seiner Kindheit in Alaska an den Tag gelegt hatte. Damals hatte er grübelnd über den Seiten eines Leitfadens mit dem Titel Raumschiffführer gesessen – jetzt hatte er sein eigenes Schiff, obwohl sich die Titan in Utopia Planitia über dem Mars befand. Dennoch … ein wenig der Aufregung, die er in seiner Jugend verspürt hatte, holte ihn wieder ein, während er die Schiffe beobachtete, die hier angedockt hatten. Jedes einzelne verkörperte eine Geschichte, die darauf wartete, erzählt zu werden. Sie alle waren der Beginn einer Reise ins Unbekannte.

Und aus diesem Grund war er hier: um seine eigene Geschichte wieder auf Kurs zu bringen.

Ein Turbolift brachte sie einige Etagen tiefer auf den sekundären Andockring und eine Wartungsgalerie, die aus der inneren Wand des Weltraumhangars hinausragte. Als Riker diese betrat, sah er die Wölbung eines ovalen Primärrumpfs hinter Scheiben mit projizierten Holografien. Ein Schiff von der Größe eines Kreuzers hatte dort angedockt. Es handelte sich um ein älteres Schiff der New Orleans-Klasse. Er sah die Arbeitsdrohnen und Shuttles, die hinüber zum Rumpf schwebten und letzte Vorbereitungen für die Abreise trafen.

Riker riss sich von dem Anblick los und entdeckte Fleet Admiral Leonard James Akaar, der wie ein grauhaariger Wächter mitten im Raum stand. Er sprach so leise mit zwei jüngeren Offizieren, dass Riker nicht verstehen konnte, was gesagt wurde. Eine der beiden Personen kam ihm bekannt vor – eine dunkelhaarige Efrosianerin mit den Rangabzeichen eines Commanders am Kragen –, doch er wusste nicht, wo er ihr Gesicht unterbringen sollte. Neben ihr stand ein männlicher Lieutenant mit dem senfgelben Uniformunterhemd eines Ops-Offiziers. Dieser riskierte einen Blick in seine Richtung und nickte ihm skeptisch, aber respektvoll zu. Der junge Mann war ihm unbekannt und Riker konnte auf Anhieb auch nicht seine Spezies erkennen. Er war humanoid, hatte aber senkrechte Linien aus Schuppen an seiner Stirn, seinen Ohrläppchen und seiner Kehle. Riker nahm sich vor, Ssura später nach den beiden Offizieren zu fragen. Die präzise und penible Art seines Adjutanten hatte ihre Vorteile. Der Caitianer war fast so gut wie ein Bibliothekscomputer.

Als ob er Riker plötzlich gerochen hätte, kehrte Akaar dem Mann und der Frau den Rücken zu und richtete seinen kühlen, ruhigen Blick auf ihn. »Will«, begann er ohne Vorrede. »Gehen wir ein Stück.«

»Sir.« Riker hielt mit dem größeren Offizier Schritt und zog unwillkürlich am Saum seiner Uniformjacke, um sie zu glätten.

Akaar führte ihn aus der Wartungsgalerie hinaus in einen Laufstegschlauch, der sich ein ganzes Stück über die Untertassensektion des unter ihnen angedockten Raumschiffs erstreckte. Wären da nicht die Stützstreben aus Tripolymer gewesen, die die durchsichtigen Scheiben fixierten, hätte Riker glauben können, dass sie sich hoch über dem Rumpf im Freien befanden – wie die Seeleute der alten Zeiten oben auf dem Mast einer Galeone.

»Die Tokyo«, brummte Akaar und zeigte auf das Schiff. »Sie ist vom Bug bis zum Heck gründlich überholt worden. Kaum ein Quadratmeter des ursprünglichen Rumpfskeletts wurde ausgelassen.«

Riker nickte. Die Quelle der Föderationsressourcen war nicht unerschöpflich, und manchmal war es unumgänglich, ältere Schiffe mit neuen Technologien und Verbesserungen nachzurüsten, weil sie weit über die ursprünglich angedachte Nutzungszeit hinaus ihren Dienst verrichten mussten. Die Kiellegung der Tokyo musste in etwa zur selben Zeit wie die der Enterprise-D stattgefunden haben … Und hier war sie – Jahrzehnte später – kurz davor, ihren Dienst wiederaufzunehmen. »Ich kenne ihren Captain. Christopher Jones. Guter Mann.«

Akaar erwiderte das Nicken und blieb stehen. »Er und sein andorianischer XO werden mit ihr auf einen ausgedehnten Flug gehen. Vier Jahre Tiefenraumforschung.«

Etwas in Akaars Ton machte Riker nervös. Der Grund, weshalb er auf dieses Treffen gedrängt hatte – der Grund, weshalb er jetzt hier war, der Grund, weshalb er seiner Meinung nach in der Sternenflotte war –, waren Missionen wie diese. Eine Weile lang war ihm das zuteilgeworden, und er hatte den zentralen Platz auf der Titan eingenommen, während das Schiff die Grenzen ausweitete und dorthin ging – wie die alte Flottenmaxime besagte –, wo niemand zuvor gewesen war.

Doch das war ihm im Zuge der Ereignisse um den Mord an Präsidentin Bacco entglitten. Vielleicht zahlte ihm das Schicksal auf diese Weise all die Gelegenheiten heim, bei denen er die Beförderung zum Captain abgelehnt hatte. Doch Rikers Erhebung in einen Flaggoffiziersrang war vollkommen unerwartet gekommen, und irgendwie versuchte er immer noch – selbst Monate nachdem er diesen Posten bereits ausübte –, das zu verarbeiten. Ihn zum Admiral zu machen, war die Entscheidung anderer gewesen – die Entscheidung von Akaar und Offizieren wie ihm –, und Riker hatte sein Bestes gegeben, um diese Rolle auszufüllen.

Er wusste, dass die Beförderung etwas mit Zweckmäßigkeit zu tun gehabt hatte, weil man den richtigen Mann zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle gebraucht hatte. Und er hatte diese Verantwortung übernommen und dabei geholfen, diejenigen, die hinter Baccos Ermordung steckten, der Gerechtigkeit zuzuführen und gleichzeitig die Föderation von einem dunkleren, militaristischeren Pfad wegzuholen. Doch es war immer noch schwierig, alles in Einklang zu bringen. Bei all seinen Plänen für die Zukunft hatte Will Riker nicht über die Brücke der Titan sowie die Liebe seiner Frau Deanna und seiner Tochter Natasha hinausgedacht.

Sogar jetzt gab es Augenblicke, in denen er sich im Spiegel betrachtete und sich unterschwellig fragte, wann das alles hier zu einem Ende kommen würde. Okay, Riker. Genug gescherzt. Geben Sie die Rangabzeichen wieder zurück.

Akaar ließ allerdings kein Lächeln erkennen. »Ich habe Ihre Bitte sehr gründlich überdacht«, sagte der Admiral, als ob er die Gedanken des anderen Mannes lesen könnte. »Antrag abgelehnt.«

Riker war bitter enttäuscht, aber er verbarg seine Reaktion tief im Inneren. »Einfach so?«

»Einfach so«, wiederholte Akaar. »Sie wollen die Titan wieder in ihren ursprünglichen Missionsplan versetzen, mit Ihrem Schiff wieder hinaus in den Vela-Sektor fliegen und dort weitermachen, wo Sie aufgehört haben.« Er schüttelte den Kopf. »Nein. Das wird nicht passieren.«

»Sir …«, begann Riker.

»Sie sind kein Captain mehr. Sie können sich nicht den Luxus gönnen, in unbekannte Gebiete davonzufliegen und im Schmutz merkwürdiger neuer Welten zu graben. Akzeptieren Sie das und wenden Sie sich neuen Dingen zu.«

Diese unverblümte Ansage war genau das, was er von dem Capellaner erwartet hatte. Dennoch spürte Riker ein leises Aufflackern von Verärgerung angesichts der Zurückweisung in diesen Worten. »Ich habe Ihnen gesagt, Sir, dass ich tue, was immer die Flotte von mir verlangt. Das ist der Job, der Preis dafür, die Uniform zu tragen.« Er richtete sich auf. »Aber ich bin in die Sternenflotte eingetreten, um ihr bestmöglich zu dienen. Und um ehrlich zu sein, bin ich nicht sicher, ob ich das erreichen kann, wenn sich meine Mission nur um Händeschütteln und Handelsvereinbarungen dreht. Ich bin kein Diplomat. Das war ich nie. Das überlasse ich den Leuten, die darin wirklich gut sind – wie meiner Frau.«

Akaar stieß ein zustimmendes Geräusch aus. Das war das Letzte, was Riker erwartet hatte. »Interstellare Beziehungen sind nicht Ihre Stärke. Das ist unbestreitbar. Ihr Bericht über die Situation auf Garadius IV hat das deutlich gemacht. Vice Admiral Peters war nicht erfreut.«

Riker unterdrücke das Verlangen, bei der Erwähnung der Mission auf dem umstrittenen Planeten zusammenzuzucken. Sich mit den manipulativen, feindseligen Wesen auf dieser Welt auseinanderzusetzen, hatte seine Geduld auf eine sehr harte Probe gestellt.

»Und dann die Situation vor Kurzem mit den Cytherianern und diesem sogenannten ›Gipfeltreffen‹ …« Akaar beendete den Satz nicht. »Etwas, das jeder, der daran beteiligt war, gerne hinter sich lassen möchte.«

Riker lief rot an. Was einige Kasernenwitzbolde mit dem Spitznamen »Takedown-Vorfall« bedacht hatten, war nicht gerade ein Spaziergang für den frischgebackenen Admiral gewesen. Gemeinsam mit gleichrangigen Offizieren anderer galaktischer Mächte war Riker von Elementen in einer uralten fremden Zivilisation dazu verleitet worden, verheerende Schäden in einem Dutzend Sternensystemen anzurichten. Die Tatsache, dass man ihn gegen seinen Willen als Spielfigur missbraucht hatte, war immer noch allgegenwärtig und eine Quelle des Zorns und der Peinlichkeit. Das war ein weiterer Grund, weshalb Riker wieder dort hinauswollte – um das Stigma abzulegen und dorthin zurückzukehren, wo er am meisten bewirken konnte.

»Ich weiß, Sie glauben, dass Sie zu schnell befördert wurden«, fuhr Akaar fort. »Und es gibt noch andere beim Kommando, die das genauso sehen. Doch was geschehen ist, ist geschehen. Ich habe Sie ausgewählt, weil ich weiß, dass Sie das tun werden, was die Flotte von Ihnen verlangt.« Er zeigte erneut auf die Tokyo. »Jones und seine Mannschaft werden da ansetzen, wo Sie im Gum-Nebel aufgehört haben. Die Proxima ist bereits auf dem Weg dorthin und wird die Mission der Ganymed übernehmen.«

»Sie rufen alle Schiffe der Luna-Klasse zurück?« Riker runzelte die Stirn.

»Ich rufe sie nicht zurück. Ich verteile die Aufgaben neu. Das ist zum Teil politisch begründet … Ein Grund ist, dass die Romulaner ebenfalls Sondierungsschiffe nach Vela entsenden. Wir wissen, dass der Typhon-Pakt die Luna-Schiffe eher als schwere Kreuzer denn als Forschungsschiffe ansieht. Und wir wollen ihn auf keinen Fall erneut gegen uns aufbringen. Kleinere Schiffe in größerer Zahl werden nicht als Bedrohung aufgefasst werden.« Der Capellaner schüttelte den Kopf. »Tatsache ist, dass die Missionsprofile im gesamten Quadranten überprüft werden. Vom Bug bis zum Heck.«

Riker hielt eine Frage zurück. Ihm waren Gerüchte zu Ohren gekommen, nachdem es in der Sternenflotte in den letzten Wochen zahlreiche Veränderungen gegeben hatte. Einige behaupteten, das läge an der unverhältnismäßigen Einflussnahme des nach Baccos Ermordung eingesetzten Interimspräsidenten auf die Streitkräfte. Ishan Anjar – der ehrgeizige bajoranische Politiker, der nach dem Mord auf Deep Space 9 an ihre Stelle getreten war – hatte eine Schlüsselrolle in genau der Verschwörung gespielt, die zu ihrer brutalen Ermordung geführt hatte. Er hatte das mit altbekannter Rhetorik gerechtfertigt, Selbstverherrlichung mit Patriotismus verschleiert und behauptet, dass Baccos Friedenspolitik schlussendlich die Vereinigte Föderation der Planeten schwächen und zerstören würde. Obwohl er jetzt im Gefängnis saß, hielt Ishans Einfluss an einigen Stellen immer noch an. Also räumt Akaar das Haus auf, dachte Riker.

Erneut bewies der Fleet Admiral seine beinahe unübertroffene Fähigkeit, Fragen bereits zu erahnen, bevor sie gestellt wurden. »Eines Tages wachte ich auf und sah, dass unsere Besten und Intelligentesten alle zu Kriegstreibern wurden. Das kann nicht angehen, Will. Es ist unerlässlich, dass wir der neuen Generation Offiziere und Mannschaftsmitglieder, die uns nachfolgt, zeigen, dass Streitlust nicht der Weg der Föderation ist. Wir sind jetzt eine Nachkriegsgesellschaft. Was wir in den nächsten paar Jahren tun, wird uns auf Jahrzehnte hinaus definieren.«

»Ich verstehe.« Riker nickte erneut. »Wir müssen mit gutem Beispiel vorangehen.«

»Ganz genau. Sie haben immer wieder unter Beweis gestellt, dass Sie nicht nur Ihre Pflicht erfüllen können, sondern dass Sie auch über den Tellerrand hinausschauen können. Das ist eine Eigenschaft, die Sie an alle Ihre Leute auf der Titan weitergegeben haben. Und das ist der Grund, weshalb ich Sie und dieses Schiff in meiner Nähe brauche.« Sein Tonfall wurde etwas milder. »Aber vielleicht schrauben wir die diplomatischen Missionen für den Moment etwas herunter. Mir schwebt etwas anderes vor.« Akaar schob die Hand in eine Tasche seiner langen Uniformjacke und holte ein kleines Padd hervor. Er gab es Riker.

»Neue Befehle, Sir?«

»Und noch einiges mehr. Ich habe Ihnen die Lizenz erteilt, die Dinge etwas aufzurütteln. Daran sind allerdings verschiedene Bedingungen geknüpft.«

Riker behielt sein Pokerface bei, während er die Befehle überflog und den Inhalt nach den Höhepunkten absuchte. Ein Begriff sprang ihm ins Auge, und er las ihn, ohne nachzudenken, laut vor: »Sektorkommandant …?«

»Das mag nicht die Mission sein, die Sie wollen, Will«, sagte Akaar. »Aber es ist die, die sie haben. Geben Sie sich Mühe.«

»Aye, Sir.« Riker spürte, dass er entlassen war, wandte sich um und wollte den Gang hinuntergehen, doch Akaar streckte eine Hand aus, um ihn aufzuhalten.

»Eins noch.« Der Capellaner neigte den Kopf in Richtung der Wartungsgalerie, wo Lieutenant Ssura geduldig mit vor dem Körper gekreuzten Pfoten in Gesellschaft der beiden Offiziere wartete, mit denen Akaar gesprochen hatte und die immer noch Haltung angenommen hatten. »Zwei, um genau zu sein.«

In dem Moment dämmerten Riker die fehlenden Informationen, nach denen er vor ein paar Minuten noch gesucht hatte. Zunächst erkannte er, dass der junge Lieutenant zur Spezies der Skagaraner gehörte. Diese Wesen teilten sich eine Welt mit Menschen, deren Vorfahren vor langer Zeit von den Skagaranern verschleppt worden waren. Und dann wurde ihm klar, dass die Frau mit dem Rang eines Commanders Dalit Sarai war. Früher war sie eine Mitarbeiterin des Sternenflottengeheimdiensts gewesen und hatte sich Ishan Anjars aggressiver Politik angepasst … wodurch sie zur Außenseiterin geworden war.

KAPITEL 2

Als Ensign Torvig Bu-kar-nguv das Holodeck betrat, passten sich seine optischen Verstärkungen automatisch an und schwächten das helle Leuchten der Datenströme, die den Raum erfüllten, ein wenig ab.

Der Choblik blinzelte. Es gab eine Menge zu erfassen, und selbst für sein kybernetisch verbessertes Gehirn war die digitale Schnittstelle zu schnell. Säulen aus leuchtendem Binärcode reichten von der Decke bis zum Boden. Jede einzelne war ein Wasserfall aus Daten, die aus Dutzenden verschiedener Quellen hereinströmten. Gigaquads an Informationen schossen vorüber, und in der Mitte stand eine statische, humanoide Gestalt … ein merkwürdiger Umriss eines Wesens, das aus einfachen mathematischen Formen bestand.

Das einzige Merkmal auf dem sphärischen Kopf der Gestalt war ein umgekehrtes Dreieck aus schwarzen Punkten. Außerdem besaß sie acht Gliedmaßen und nicht die eher üblichen vier. Sechs Fingersätze waren vor ihrem Rumpf verschränkt, und Torvig fühlte sich an Bilder von betenden Wesen erinnert.

Kommunizieren. Ja, so hieß der Ausdruck. Die Entität vor ihm kommunizierte mit der endlosen Flut aus Informationen, die unsichtbar überall um sie herum durch den Subraum wogte.

»Sei gegrüßt, Torvig.« Die Stimme erklang überall um ihn herum.

»Hallo, Weiß-Blau. Wie geht es dir heute?« Er sah sich um. »Du scheinst, äh, fleißig zu sein.«

»Ich/Wir sind beschäftigt«, erklang die Antwort. Einige der Datensäulen verblassten, um das Durcheinander auf dem Holodeck zu vermindern. Das Leuchten im Raum nahm ab und wurde deutlich angenehmer. Der holografische Humanoide sah zu dem Ingenieur auf. Mit dieser Geste – und genau genommen auch mit dem Avatar an sich – kam er Torvig entgegen, denn Weiß-Blau existierte eigentlich in den bioneuralen Schaltkreisen, die überall in die Wände um sie herum eingebaut waren. »Besten Dank für die neue Koprozessormatrix, die du zur Verfügung gestellt hast. Ich/Wir waren in der Lage, die Funktionalität um einen Faktor von dreiundzwanzig Prozent zu erhöhen.«

»Ich bin froh, dass ich helfen konnte.« Torvig zögerte. »Ich habe mich gefragt, ob du noch einmal über das nachgedacht hast, worüber wir gesprochen haben.«

»Das Daystrom-Institut«, sagte das Hologramm. »Jawohl. Ich/Wir bereiten eine vereinfachte Version meines Programms vor, um es ihnen zu Untersuchungszwecken zur Verfügung zu stellen. Ein Proxy ohne Empfindungen, um genau zu sein. Ich/Wir hoffen, dass er für ihre Forschungen nützlich sein wird.«

»Das ist gut, nehme ich an …«

Das Hologramm fuhr fort. »Zusätzlich wurde eine Analyse über die Bestandteile der Schadsoftware, der wir vor Kurzem bei der Kinshaya-Transmitterreihe begegnet sind, abgeschlossen. Ich/Wir haben die Codebasis vollkommen zerlegt und verschiedene mögliche Gegenvektoren konfiguriert, falls die Waffe oder etwas Ähnliches wieder eingesetzt werden sollte.« Weiß-Blaus Stimme nahm kurz einen leidenschaftslosen Tonfall an. »Eine plumpe Manipulation von Subraumkommunikationstechnologie. Das System sollte sich lieber damit befassen, grundverschiedene Lebensformen zu einen, statt ihnen Schaden zuzufügen. Ich/Wir haben die maßgeblichen Dateien in eure Datenspeicher gestellt. Vielleicht könntest du sie mit Admiral Rikers Erlaubnis ans Sternenflottenkommando weiterreichen.«

»Natürlich.« Torvig hatte immer noch Schwierigkeiten, sich an die Veränderungen, die sein Freund in letzter Zeit durchlaufen hatte, zu gewöhnen, auch wenn Weiß-Blau damit keine oder nur geringe Probleme zu haben schien.

Als sie sich das erste Mal begegnet waren, war ZweitGen Weiß-Blau eine künstliche Maschinenintelligenz in einer roboterartigen »Drohne« gewesen und Mitglied einer künstlichen Spezies, die sich Wächter-Koalition nannte. Die KI hatte darum gebeten, die Titan auf ihrer Forschungsmission begleiten zu dürfen, und war eine Weile lang eine wertvolle Bereicherung für die Mannschaft gewesen – und ein Freund für Torvig, dessen Vergangenheit als teilweise künstliche Lebensform ihnen eine gemeinsame Grundlage bot.

Dann hatte Weiß-Blau seine Existenz allem Anschein nach aufgegeben, um eine fremde Welt zu retten, aber Torvig hatte das nie akzeptiert. Stattdessen hatte er nach einer Möglichkeit gesucht, die Software der KI zu rekonstruieren – ein Ziel, das er möglicherweise nie erreicht hätte, wäre da nicht ein riskanter Prozess gewesen, der die Intelligenz der toten Maschine mit einem fortgeschrittenen Holoprogramm verbunden hatte. Zufall, Glück und reine Wissenschaft hatten Torvigs Freund wieder zum Leben erweckt. Doch diese neue Ausgabe von Weiß-Blau war nicht dasselbe Wesen. Nicht ganz. Die KI »lebte« jetzt in reiner Datenform auf einem Holodeck der Titan, und zwar in einer Weise, die weit über organische oder mechanische Mittel hinausging.

»Geht es dir hier unten gut?« Die Frage klang merkwürdig, sobald sie Torvigs Mund verlassen hatte. »Bist du, äh … einsam?«

Die Hände falteten sich auseinander. »Freund Torvig, deine Sorge um das emotionale Wohlergehen dieses Konstrukts wird enorm gewürdigt. Deine Unterstützung während dieser Periode der Neuintegration/Neudefinition war von unschätzbarem Wert.« Weiß-Blau zögerte. »Mir/Uns ist vollkommen bewusst, dass die Existenz der primären Ausgabe ausgelöscht wurde und die Existenz dieser Ausgabe nicht vorhanden wäre, wenn du nicht gewesen wärst. Besten Dank dafür. Du hast diesem Konstrukt eine zweite Lebenschance gegeben. Das ist in der Tat ein großes Geschenk.«

Torvig hatte das Gefühl, dass ihm eine schwere Last von den Schultern genommen wurde. »Ich bin … froh, dass du das so siehst. Ich war nicht sicher, ob es das Richtige war, dich wieder zurückzuholen.«

»Das war es. Und im Gegenzug möchte dir dieses Konstrukt etwas anbieten.«

Der Ensign hob einen seiner bionischen Arme. »Das ist nicht nötig …« Er brach ab. »Moment, worum geht es?«

»Sieh her.« Weiß-Blau streckte seine Hände aus. Der Rest der Datensäulen verschwand spurlos und wurde durch ein maßstabgerechtes, virtuelles Modell ersetzt, das wie eine erheblich veränderte Version einer Sternenflottensensorensonde der Klasse eins aussah. »Das ist ein angepasstes Rumpfskelett aus Komponenten der Föderation, einer Mikrotranswarpmaschine und einigen neu angepassten bioneuralen Modulen, die auf den Protokollkonzepten der Wächter basieren.« Nach einer Geste teilte sich die größte Projektion in Abschnitte auf und wurde zu einem dreidimensionalen technischen Diagramm.

Fasziniert spähte Torvig tief in die Darstellung. »Du hast die Reichweite und Sensorschärfe erhöht. Und das Verarbeitungssystem und die Kapazität des Datenspeichers sind viel größer als bei jeder anderen Sonde, die ich kenne … zu groß, um genau zu sein.«

»Negativ. Für das Missionsprofil, das ich/wir erstellt haben, ist sie korrekt.«

»Und das wäre?«

Weiß-Blau zeigte auf die Sonde. »Wenn Admiral Riker es erlaubt, wird dieses Konstrukt sein gesamtes Programm in die Sondeneinheit herunterladen. Ein vollständiger Transfer des Bewusstseins.«

Torvig riss die Augen weit auf. »Aber was ist mit deiner Hülle? Die befindet sich immer noch unten im Maschinenraum in der Aufbewahrung …«

»Ich/Wir haben uns über die Grenzen dieser Hülle hinaus entwickelt. Chefingenieur Ra-Havreii hat oft den Wunsch zum Ausdruck gebracht, dieses Konstrukt auseinanderzunehmen, wenn er glaubte, dass ich/wir nicht zuhörten. Er hat die Erlaubnis, mit der Hülle so zu verfahren. Sie wird nicht länger benötigt. Die Transwarpsonde wird es diesem Konstrukt ermöglichen, das zu erreichen, was wir/ich immer wollten. Zu forschen.« In der künstlichen Stimme lag ein Hauch von Ehrfurcht. »An Bord der Titan kann dieses Konstrukt nicht länger sein volles Potenzial ausschöpfen. Du und William Riker habt geholfen, dass ich/wir so viel erreichen konnten, Torvig. Frage: Wirst du das noch einmal tun?«

Der Ensign verspürte einen Anflug von Traurigkeit, überspielte diesen jedoch schnell. »Wenn es das ist, was du möchtest … Aber ich hatte gehofft, dass wir noch mehr voneinander lernen könnten.«

»Können wir. Werden wir.« Weiß-Blau rief eine neue Bilderreihe auf, und Torvig erkannte die Bauweise einer fortschrittlichen neuralen Schnittstelle. »Du kannst mich/uns begleiten. Diese Cyberverbindung wird es dir ermöglichen, deinen organischen Geist in ein positronisches Neuralnetz herunterzuladen, das sich an Bord einer anderen Transwarpsonde befindet.«

»Wie bitte?«

»Die neurale Architektur der Chobliken ist mit diesem Entwurf bestens vereinbar«, fuhr Weiß-Blau fort, der die Blässe, die sich um Torvigs Schnauze herum ausbreitete, offensichtlich nicht bemerkte. »Es wäre ein relativ schmerzloser Vorgang.«

Während er zusah, durchlief das Schnittstellengerät einen simulierten Downloadzyklus. Lange Auslesenadeln, die darauf ausgelegt waren, tief in die Gehirnmasse vorzudringen, wurden an der inneren Oberfläche der Einheit ausgefahren, und der Choblik strich sich unwillkürlich mit der Hand über seinen pelzigen Kopf. »Relativ schmerzlos«, wiederholte Torvig mit tonloser Stimme.

»Bestätigt. Zusätzlich würde deine Lebensdauer unbegrenzt ausgedehnt werden.« Weiß-Blau zögerte. »Du hast einmal gesagt, dass du zur Sternenflotte gegangen bist, um die Galaxis zu sehen. Dies ist eine effiziente Methode, um dieses Ziel zu erreichen.«

»Ich bin dankbar für das, ähm, Angebot«, brachte er heraus und suchte nach den richtigen Worten. »Aber ich bin nicht sicher, ob ich bereit bin, meinen organischen Körper jetzt schon vollkommen aufzugeben.«

»Das Angebot steht«, antwortete Weiß-Blau. »Da die Titan ihre Forschungsmissionen im Vela-Sektor nicht fortsetzen wird, könnte es die einzige dir verbleibende Möglichkeit sein …«

»Moment mal, was hast du gesagt? Die Mission wurde eingestellt?« Torvig taumelte ein Stück zurück. Diese Tatsache, die die KI so nebensächlich erwähnte, schockierte ihn. »Woher weißt du das?« Der Ensign hatte auf dem Schiff Gespräche darüber aufgeschnappt, dass sich Admiral Riker mit Fleet Admiral Akaar traf, um über die Zukunft der Titan zu sprechen. Doch soweit Torvig wusste, hatte es noch keine offizielle Stellungnahme gegeben. Er betrachtete das Hologramm eingehend. »Bitte sag mir, dass du nicht ohne Erlaubnis in gesicherte Datenbanken der Sternenflotte eingedrungen bist …«

»Negativ.« Weiß-Blau wirkte angesichts dieser Andeutung beleidigt. »Du hast diesem Konstrukt euer merkwürdiges Bedürfnis, bestimmte Datengruppen unter Verschluss zu halten, sehr deutlich gemacht. Diese Grenzen wurden respektiert.« Informationstafeln erwachten überall um Torvig herum zum Leben: alles von Frachtbriefen bis hin zu Raumüberwachungen, von nicht geheimen Kommunikationsprotokollen bis hin zu Ausrüstungsanforderungen. »Unter der Verwendung von Modellabgleichungen haben ich/wir verschiedene Anzeichen beobachtet, die zur üblichen Vorgehensweise des Sternenflottenkommandos bei der Entsendung auf Missionen gehören. Anhand der Analyse mehrerer Tausend Quellen des Informationsflusses war dieses Konstrukt in der Lage zu bestimmen, dass der nächste Einsatz der Titan innerhalb der Grenzen des bekannten Föderationsraums stattfinden wird. Wahrscheinlichkeit plus oder minus fünf Komma fünf eins Prozent.«

Torvig bemerkte einen Teil der Daten, die auf einer Informationstafel vorbeiscrollten: eine Anfrage vom Wissenschaftsteam der Tokyo an Memory Alpha, in der es alle Missionsprotokolle der Titan aus ihrer Zeit im Gum-Nebel und darüber hinaus anforderte. »Oh.« Jetzt, da die KI ihn darauf aufmerksam gemacht hatte, sah Torvig alle Indizien, die darauf hindeuteten, dass Weiß-Blaus Vorhersage wahrscheinlich richtig war. Plötzlich war er enttäuscht. »Aber … Wir wollten doch wieder dorthin zurück. Wir wollten die Kosmozoen wiedersehen, die Kalwale, sogar dein Volk … Wir sind da draußen noch nicht fertig.«

»Wie es scheint, haben deine Kommandanten andere Pläne«, sagte das Hologramm. Die Datentafeln verblassten, und das Bild des furchterregend aussehenden neuralen Schnittstellengeräts tauchte wieder auf. »Frage: Möchtest du deine Meinung vielleicht ändern?«

»Seien Sie ehrlich, Deanna.« Commander Christine Vale warf einen Blick über ihre Schulter auf den Counselor und Chefdiplomaten der Titan. »Was geht im Kopf Ihres Mannes vor?«

Die Angesprochene lächelte schwach. »Sie wissen, dass das so nicht funktioniert, Chris.« Troi tippte sich mit einem Finger an die Schläfe. »Empath, nicht Telepath – erinnern Sie sich? Es gibt Zeiten, in denen Will für mich wie ein geschlossenes Buch ist.«

»Ich weiß, was Sie meinen«, sagte Vale und atmete tief durch. »Heute mehr denn je. Ich nehme an, das zusätzliche Gewicht am Kragen wiegt schwerer, als es aussieht.« Sie zeigte auf die drei Rangabzeichen an ihrem weinroten Hemd.

Beide Frauen ließen die Blicke durch den Hauptshuttlehangar des Raumschiffs schweifen, als ein Alarmsignal ertönte und Lichter an der breiten Luke, die diesen Bereich dominierte, zu blinken begannen. Petty Officer Tabyr bewegte ihre langen Finger über eine Konsole. Das Zischen einer Druckveränderung war zu hören, und die Luke öffnete sich wie die Zugbrücke eines mittelalterlichen Schlosses. Troi konnte die funkelnde Membran des Energiefeldes erkennen, das die Atmosphäre des Schiffs sicher an Ort und Stelle hielt. Dahinter befanden sich die Leere des Weltalls und ein Bruchteil eines rostroten Bogens. Das war alles, was sie aus ihrer hohen Umlaufbahn von der Oberfläche des Mars erkennen konnten. Ein Typ-11-Shuttle glitzerte, als das Sonnenlicht der weit entfernten Sol von ihm reflektiert wurde. Es näherte sich dem Raumschiff.

Vale ließ den Blick über die Reihe der Offiziere wandern, und ohne ein Wort von ihr nahmen alle förmlich Haltung an. Deannas Ehemann hatte nie viel davon gehalten, bei Zeremonien strammzustehen, und seine Beförderung zum Admiral hatte daran nichts geändert. Dennoch wusste die Betazoidin, dass Vale und die anderen Will Riker enormen Respekt entgegenbrachten und ihm diesen auch zeigen wollten. Dies würde ein wichtiger Moment werden und er brauchte ein wenig Pathos.

Wie es ihre Art war, hatte sich Christine mal wieder für eine neue Frisur entschieden, um den Anlass zu würdigen. Dieses Mal war ihr Haarschnitt faszinierend asymmetrisch, und eine breite, kupferfarbene Strähne blitzte sehr auffällig zwischen den restlichen Locken auf. Zur Rechten des Ersten Offiziers stand der nächste in der Kommandokette an Bord der Titan, der taktische Offizier des Schiffs, Commander Tuvok. Wie immer war das Gesicht des Vulkaniers reglos und undurchdringlich. Für Trois empathische Sinne war er wie eine ruhige Oase zwischen dem Treibsand der Empfindungen, der von den anderen um sie herum ausging. Nach außen hin war Sicherheitschef Ranul Keru so stoisch wie sein vulkanisches Gegenüber. Aber unter dieser leidenschaftslosen Oberfläche war der unvereinigte Trill nur kontrollierte Energie und gesteuerte Kraft. Er fing ihren Blick auf und lächelte Troi freundlich zu. Der Rest der Gruppe aus Abteilungsleitern bestand aus Aili Lavena und Sariel Rager, die der Titan seit dem ersten Verlassen des Raumdocks ausgezeichnete Dienste als Pilotin und Ops-Offizierin geleistet hatten.

Links von Troi verlagerte der Chefarzt der Titan – Shenti Yisec Eres Ree – das Gewicht seiner Krallenfüße leicht, und sein Schwanz bewegte sich langsam und lässig hin und her. Der echsenartige Pahkwa-thanh schnüffelte und grunzte tief in seiner Kehle. »Ich rieche Erwartung«, sagte er leise.

»So kann man das auch nennen.« Am Ende der Reihe stand Commander Melora Pazlar, die Wissenschaftsoffizierin der Titan. Wer die Elaysianerin nicht kannte, hätte niemals gedacht, dass sie von einer Welt mit Niedrigschwerkraft stammte, weshalb sie gezwungen war, jederzeit einen g-Anzug unter ihrer Uniform zu tragen. Deanna konnte ausmachen, dass die höchste Erwartung im Raum von ihr ausging.

Eigentlich hätte noch eine weitere Person mit auf dem Vorfeld warten sollen, aber wie immer hatte sich Chefingenieur Xin Ra-Havreii entschuldigt und sich geweigert, den Warpkern für einen – wie er es nannte – »oberflächlichen Empfang« zu verlassen. Das Schiff stand kurz vor der Vollendung diverser kleinerer Umbauten. Mit einigen davon hatte man begonnen, als sie vor Wills Beförderung zur Erde zurückgerufen worden waren, aber sie waren nie fertiggestellt worden. Ra-Havreii behauptete, dass er die letzten wichtigen Elemente dieser Verbesserungen abhaken müsse. Das war allerdings nur eine nützliche Halbwahrheit, die er vorschieben konnte, um sich vor dem Verlassen seines privaten kleinen Königreichs im Hauptmaschinenraum zu drücken.

Als sie an Xin dachte, warf Troi Pazlar erneut einen Blick zu. Die andauernde halbromantische Beziehung zwischen der elaysianischen Wissenschaftsoffizierin und dem efrosianischen Chefingenieur hatte so viele Höhen und Tiefen wie eine Sinuskurve. Und wenn man der Gerüchteküche an Bord des Schiffs glauben konnte, steckte sie momentan in einer sehr tiefen Phase. Sie schob diese Tatsache für spätere Überlegungen beiseite. Trois diplomatische Pflichten erstreckten sich auch auf ihre eigenen Mannschaftskollegen.

Ein tiefes Rumpeln war zu hören, als das Shuttle Armstrong die Atmosphärenbarriere durchquerte. Troi sah Ensign Olivia Bolaji auf dem Pilotensitz. Sie setzte das kleine Fluggerät geschickt und vorsichtig auf dem Deck ab. Als das Brummen der Impulstriebwerke leiser wurde, glitt eine Luke zur Seite, und auf Trois Gesicht breitete sich ein Lächeln aus, als sie Will sah.

Sein suchender Blick fand sie sofort, und er erwiderte das Lächeln, doch in derselben Sekunde wusste Troi, dass etwas nicht stimmte.

»Admiral an Deck!«, verkündete Vale, und die versammelten Offiziere nahmen sofort Haltung an. Eine künstliche Bootsmannpfeife verkündete mit dem vertrauten Dreiklang, dass sich der Admiral an Bord befand.

»Schön, wieder hier zu sein«, sagte Riker und ging hinunter. »Stehen Sie bequem.«

Troi sah, dass er einen Blick über seine Schulter warf. Sie spürte die anderen Leute im Shuttle, aber er hatte sie offensichtlich darum gebeten, für einen Moment drinnen zu warten. Die Freude, ihren Mann wiederzusehen, verblasste.

Vale schien es ebenfalls zu spüren und die andere Frau warf ihr einen fragenden Blick zu. Will sah die unausgesprochene Frage und hob eine Hand, um die Kontrolle über den Moment zu übernehmen. Seine Lippen wurden schmal. »Okay. Bringen wir die schlechte Nachricht hinter uns. Die Sternenflotte hat uns unsere Mission weggenommen. Wir werden nicht wieder in den Vela-Sektor zurückfliegen. Um genau zu sein, werden wir überhaupt nicht wieder in die Tiefen des Alls fliegen, jedenfalls nicht in absehbarer Zeit.«

Er ließ das sacken, und Troi spürte, wie die Emotionen aller um sie herum wie Wasser bei Ebbe zurückwichen. In den letzten Tagen war die Stimmung innerhalb der Mannschaft der Titan aufgekratzt und optimistisch gewesen. An Bord des Schiffs gab es niemanden, der nicht erwartet hätte, dass sich das Schiff wieder seiner ersten und besten Bestimmung zuwenden würde: der Chance, über die Grenzen des bekannten Raums hinaus vorzudringen und sich auf unerforschtes Gebiet zu begeben. Sie wollen Geschichte schreiben, hatte Troi ihm vor ein paar Tagen beim Abendessen gesagt. Sie wollen etwas Gutes tun.

»Ja.« Riker nickte ihnen zu. »Glauben Sie mir, ich weiß genau, wie Sie sich fühlen. Ich bin auch nicht sehr erfreut darüber. Aber Befehle sind Befehle, und wir tun das, was das Kommando von uns verlangt.« Er trat vor und sah seinen Offizieren nacheinander in die Augen. »Wir haben im letzten Jahr eine Menge durchgemacht. Veränderungen zum Guten und zum Schlechten. Doch wir haben die Zähne zusammengebissen und sind gestärkt daraus hervorgegangen. Und ich bin absolut davon überzeugt, dass das daran liegt, dass dieses Schiff eins der besten in der Flotte ist. Von Anfang an wurde die Titan als ein Mikrokosmos der Vereinigten Planeten der Föderation geschaffen. Kein anderes Schiff der Sternenflotte hat eine unterschiedlichere Mischung aus Spezies und Bürgern unserer Mitglieder, die Seite an Seite dienen, wie es auf der Titan der Fall ist. Wir haben dafür gesorgt, dass es funktioniert.« Er grinste breit. »Nein, mehr als das: Wir haben dafür gesorgt, dass es eine Erfolgsgeschichte wird. Als die Titan in den Gum-Nebel und an all die Orte darüber hinaus geflogen ist, haben wir ein Stück der Föderation mitgenommen. Nicht nur die Ideale unserer Statuten und die Absichten, die ihnen zugrunde liegen, sondern ein lebendiges, atmendes Beispiel für das, was wir sind und was wir erreichen können. Und ich gestehe Ihnen zu, dass es sich so anfühlt, als würden wir hier draußen unerledigte Aufgaben zurücklassen, doch das tun wir nicht. Andere Schiffe werden den Stab übernehmen, denen wir ihnen übergeben. Sie werden aus dem, was wir getan haben, lernen, und all die Erfolge, die die Titan erzielt hat, sind der Sternenflotte zugutegekommen. Wir haben die Prinzipien der Föderation bekräftigt. Auf uns können die Leute zeigen, wenn sie sagen: Wir stehen zusammen, gemeinsam sind wir größer.«

Rikers Leidenschaft und Gewissheit waren ansteckend. Troi spürte, wie sich die Flut der Emotionen wieder verlagerte, als die Ehrlichkeit seiner Worte jeden einzelnen ihrer Mannschaftskameraden erreichte. Ihre Blicke trafen sich, und er schenkte seiner Frau das Lächeln, das ganz allein für sie reserviert war.

»Ich weiß, dass Sie Geschichte schreiben wollen«, sagte er und bezog sich auf Trois Worte von vor ein paar Tagen. »Ich weiß, dass Sie etwas Gutes tun wollen. Und das werden wir. Die neuen Missionen der Titan bedeuten, dass sie sich nicht so weit von zu Hause entfernen wird, wie es in den vergangenen Jahren der Fall war. Aber das macht das, was wir tun werden, nicht weniger wichtig.« Riker tippte auf beinahe selbstironische Weise auf das Admiralsabzeichen an seinem Kragen. Ich bin nicht länger Admiral ohne Geschäftsbereich. Seit 0900 heute Morgen bin ich amtierender Sektorkommandant des Grenzbereichs des Alpha-Quadranten.«

Keru, Lavena und Rager nickten und verarbeiteten das.

Der Raumbereich, von dem Will sprach, war eine Randzone der VFP, wo es Unmengen blockfreier Welten, kleiner, unabhängiger galaktischer Mächte und angrenzender Sternensysteme gab. Nach dem Chaos der Borg-Invasion hatte die Sternenflotte diese Sektoren zum großen Teil sich selbst überlassen, doch da der Typhon-Pakt jetzt eine Größe war, mit der man zu rechnen hatte, und die Föderation noch im Wiederaufbau begriffen war, konnte man es sich nicht länger leisten, nur nach innen zu blicken.

Riker fuhr fort: »Sie wissen wahrscheinlich, dass Sektorkommandant normalerweise ein Job für jemanden mit dem Rang eines Commodores ist, der auf eine Sternenbasis in einer Umlaufbahn oder einen planetaren Außenposten versetzt wird, doch Admiral Akaar hat mir einen gewissen Spielraum gegeben.« Er grinste wieder. »Ich erhalte die Titan als Flaggschiff und mobile Operationsbasis zurück und werde von hier aus alles im Blick behalten. Sie alle kennen mich. Ich bin niemand, der sich hinter seinem Schreibtisch verschanzt. Ich möchte gerne den Wind im Rücken spüren.«

Riker machte eine Pause und wartete Kommentare ab. Pazlar war die Erste, die das Wort ergriff. »Von jetzt an dreht sich also alles um Patrouillenmissionen?« Sie konnte die Enttäuschung in ihrem Tonfall nicht verbergen, so sehr sie sich auch bemühte. »Sir, was ist mit unseren Expeditionsoperationen?«

Tuvok antwortete anstelle des Admirals: »Im Grenzsektor gibt es vieles, was wissenschaftliche Neugier hervorruft.«

»Ich könnte mir vorstellen, dass wir ein bisschen von allem machen«, sagte Riker und ließ den Blick zwischen den beiden Offizieren hin- und herschweifen. »Wir werden nicht aufhören, Forscher zu sein, Melora. Die Mannschaft der Titan ist zu gut darin, um sie nicht einzusetzen. Doch wir werden auch Friedenshüter, Wächter und Retter sein … Und was immer wir sonst sein müssen.« Er sah sich zu den Schotten des Schiffs um. »Das, wovon ich vorhin gesprochen habe … der Standard, den wir eingeführt haben: Er wird nicht in der Ferne verschwinden. Wir werden dabei helfen, den Ton einer Föderation anzugeben, die in letzter Zeit einige schwere Rückschläge einstecken musste. Die Titan ist nicht nur ein Raumschiff, sie ist nicht nur eine Tritaniumhülle, die ein paar Hundert organische Wesen in der Dunkelheit am Leben erhält. Sie steht für die Prinzipien, nach denen wir zu leben beschlossen haben. Wir werden noch eine Weile hierbleiben und die Leute an das erinnern, was uns größer macht. Wir werden mit gutem Beispiel vorangehen und anführen, lehren, verteidigen und aufrechterhalten.« Ihm schienen die Worte auszugehen, doch es reichte aus.

»Guter Vortrag, Admiral«, sagte Vale und brach das folgende Schweigen. »Ich denke, ich bin überzeugt.«

»Ich bin noch nicht fertig«, sagte Riker und wandte sich wieder zu dem Shuttle um. Dann winkte er die Leute heran, die geduldig an Bord warteten. »Ich habe mehr als nur Worte mitgebracht.«

Drei weitere Offiziere waren hinter dem Admiral ausgestiegen. Der erste war Lieutenant Ssura, der Caitianer mit den langen Gliedmaßen, den man Riker während der Bacco-Krise als Adjutant zugeteilt hatte. Er nickte grüßend, als der Admiral erklärte, dass Ssura dauerhaft auf die Titan versetzt werden würde, um weiterhin in seiner derzeitigen Rolle seinen Dienst zu tun. Der nächste war ein skagaranischer Lieutenant, der einen Stoffseesack über seiner Schulter trug. Ein dunkler Hut mit breiter Krempe baumelte an seinen Fingern, und in der anderen Hand hielt er einen großen, merkwürdig geformten Gegenstand aus Leder.

»Ist das … ein Sattel?«, fragte Keru mit gedämpfter Stimme.

»In der Tat«, bestätigte Tuvok. »Merkwürdig, dass ein junger Offizier so viel von seiner ihm zustehenden Gepäckmenge für solch ein Objekt verwendet.«

»Und noch den dazu passenden Hut«, fügte Vale hinzu. Sie bemerkte, dass Troi den jungen Mann eingehend betrachtete.

»Das ist ein Stetson«, sagte der Counselor.

Der Lieutenant war von feingliedriger Gestalt, und sein struppiges, dunkles Haar verbarg nicht die für seine Spezies typischen Schuppenreihen. Er merkte, dass er beobachtet wurde und nahm Haltung an. »Captain«, sagte er und sprach Vale als ranghöchsten Offizier neben Admiral Riker an. »Lieutenant Ethan Kyzak meldet sich zum Dienst. Erbitte Erlaubnis, an Bord kommen zu dürfen.« Er sprach gedehnt, und Vale konnte sich nicht entscheiden, ob sie das charmant oder angeberisch fand. Sie runzelte die Stirn.

»Erlaubnis erteilt, Mister Kyzak.«

»Der Lieutenant wird sich uns als Ops-Offizier anschließen.« Riker warf Rager, dem leitenden Ops-Offizier des Schiffs, einen Blick zu. »Sariel, würden Sie vortreten?« Er bedeutete Lavena, sich an ihre Seite zu begeben. »Aili, Sie ebenfalls.«

Rees Schnauze näherte sich Vales Ohr, als die beiden Offiziere der Titan an ihnen vorbeigingen. »Wissen Sie, wer das ist?« Der Doktor zeigte auf die letzte Person, die das Shuttle verließ. Es war eine efrosianische Frau mit gleichmütiger, humorloser Miene, die das ansonsten durchschnittliche Gesicht verunzierte.

Vale zählte die drei Rangabzeichen eines Commanders am Kragen der Efrosianerin. »Keine Ahnung«, flüsterte sie zurück, »aber sie sieht nicht besonders glücklich aus, hier zu sein.«

»Vielleicht hat sie die Rede nicht gehört.«

Vale wollte noch etwas hinzufügen, doch Riker hatte sich aufgerichtet und sprach erneut. »Die Änderungen am Missionsprofil der Titan sind nicht die einzigen, die heute beschlossen wurden. Weitere werden in den nächsten Tagen folgen. Doch hier und jetzt werde ich das Vorrecht des Admirals in Anspruch nehmen, um selbst einige Änderungen vorzunehmen.« Er atmete tief durch. »Lieutenant Sariel Rager, Lieutenant Aili Lavena. Sie beide haben diesem Schiff und der Sternenflotte ausgezeichnete Dienste erwiesen und sowohl Ihren Mut als auch Ihre Fähigkeiten unter Beweis gestellt. Es ist mir deshalb eine Ehre, Sie beide mit sofortiger Wirkung zum Lieutenant Commander zu befördern und Ihnen alle Rechte und Pflichten dieses Rangs zu verleihen.« Vale hörte, wie Lavena überrascht aufkeuchte – was aufgrund ihres mit Wasser gefüllten Atemgeräts wie ein hektisches Blubbern klang –, als Riker zwei einzelne, goldene Rangabzeichen mit schwarz ausgefüllter Mitte hervorzog und den beiden Frauen jeweils einen übergab.

Rager nahm ihren mit einem Salut und offensichtlichem Stolz entgegen. »Ich danke Ihnen, Admiral!«

»Danke, Sir«, sagte Lavena mit strahlenden Augen.

»Sie beide haben sich das redlich verdient«, sagte Riker zu ihnen und meinte jedes Wort.

Vale warf Troi einen Blick zu. »Dieser Tag wird immer interessanter. Erinnern Sie sich noch an das letzte Mal, als so etwas passierte?«

Die Betazoidin bedachte sie mit einem kurzen Blick. »Ich glaube nicht, dass Will schon fertig ist.«

Als sie sich wieder umdrehte, sah sie der Admiral direkt an. »Commander Christine Vale«, begann er. »Treten Sie vor.«

Sie gehorchte automatisch. Ihr Körper leistete dem Befehl Folge, bevor ihr klar wurde, was vor sich ging. Ihre Gedanken rasten, um Schritt zu halten. Was kommt jetzt?, fragte sie sich. Ein Teil von ihr wagte es zu hoffen, doch sie drückte die Hoffnung nieder, bevor sie Gestalt annehmen konnte. Was macht er?

Rikers ruhige Art wurde förmlich. »Achtung! Haltung annehmen für Befehlsvergabe.« Er bedeutete Ssura, ihm ein Padd auszuhändigen. Von diesem las er ab. »Es soll zu Protokoll genommen werden, dass ich zur jetzigen Sternzeit vom Posten als kommandierender Offizier dieses Schiffs zurücktrete und im Gegenzug meine Flagge an Bord hisse, bis ich diese Entscheidung widerrufe. Die vollständigen Befehle lauten: An Admiral William T. Riker, kommandierender Offizier der U.S.S. Titan. Sie werden hiermit gebeten und verpflichtet, das Kommando Ihres Schiffs an Captain Christine Vale zu übergeben, die ab sofort kommandierender Offizier der U.S.S. Titan ist. Unterzeichnet, Admiral Leonard James Akaar, Sternenflottenkommando.« Irgendwo in der Ferne ertönte ein bestätigendes Piepen, als der Schiffscomputer die Befehle ins Logbuch aufnahm. »Computer, übertrage alle Kommandocodes an Christine Vale. Stimmautorisierung: Riker Bering Yukon.«

»Übertragung abgeschlossen«, sagte die künstliche, weibliche Stimme des Schiffs. »Die Titan steht jetzt unter dem Kommando von Captain Christine Vale.«

Riker streckte ihr seine Hand hin und darin lag ein einzelnes, goldenes Rangabzeichen. Er beugte sich vor, um es in der Reihe der drei bereits vorhandenen an Christines Kragen zu befestigen. Während er das tat, sprach er mit leiser Stimme, sodass nur sie ihn hören konnte. »Sie haben mir vor einer Weile gesagt, dass Sie das Schiff wollen. Jetzt haben Sie es.«

Blut rauschte in ihren Ohren. »Sir.« Mehr brachte sie nicht heraus. Captain, sagte eine Stimme in ihrem Hinterkopf. Captain Vale. Dieses Mal wirklich