Starship Troopers - Robert A. Heinlein - E-Book

Starship Troopers E-Book

Robert A. Heinlein

4,5

Beschreibung

Gewinner des Hugo Awards! DER KLASSIKER DER SCIFI-LITERATUR IST ZURÜCK! "NUR EIN TOTER BUG IST EIN GUTER BUG!" Der junge Juan Rico tritt der mobilen Infanterie bei und erlebt als Soldat den totalen Krieg gegen die außerirdischen "Bugs". Heinleins düstere Vision einer militarisierten Zukunft ist eines der erfolgreichsten und gleichzeitig umstrittensten Werke der Science Fiction Literatur! "TO THE EVERLASTING GLORY OF THE INFANTRY!"

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Robert A. HeinleinSTARSHIP TROOPERS

Robert A. Heinlein

STARSHIP TROOPERS

Aus dem Englischen von Ulrich Schüppler

Roman

Titel der englischen Originalausgabe:STARSHIP TROOPERS

1. AuflageVeröffentlicht durch den MANTIKORE-VERLAGNICOLAI BONCZYKFrankfurt am Main 2014www.mantikore-verlag.de

Copyright © der deutschsprachigen AusgabeMANTIKORE-VERLAG NICOLAI BONCZYKText © Robert A. Heinlein 1959

Titelbild: Ignacio Bazán LazcanoDeutschsprachige Übersetzung: Ulrich SchüpplerLektorat: Nora-Marie BorruschSatz: Matthias LückBildbearbeitung: Thomas MichalskiCovergestalltung: Karolina Gardovic

ISBN: 978-3-945493-13-7

Inhalt

KA:01

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KA: 11

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Ein historischer Hinweis

About the Autor

Danksagung

Die Zeilen aus dem Gedicht von Rudyard Kipling, zu Beginn des siebten Kapitels, sind mit Erlaubnis der Nachlassverwalter Kiplings verwendet worden. Zitate aus der Ballade „Rodger Young“ wurden mit freundlicher Genehmigung des Autors Frank Loesser verwendet.

GEWIDMET „SARGE“ ARTHUR GEORGE SMITH – SOLDAT, BÜRGER UND WISSENSCHAFTLER – UND ALLEN SERGEANTEN ZU JEDER ZEIT, DIE SICH DARAN ABGEARBEITET HABEN, AUS JUNGEN MÄNNER ZU MACHEN.

R. A. H.

KA:01

Vorwärts, ihr Affen! Wollt ihr ewig leben?

– Unbekannter Platoonsergeant, 1918

Vor einem Absprung bekomme ich immer das Zittern. Ich habe natürlich die Injektionen bekommen und die vorbereitende Hypnose und es leuchtet ein, dass ich nicht wirklich Angst haben kann. Der Schiffspsychiater hat meine Hirnströme überprüft und mir dämliche Fragen gestellt, während ich schlief, und er sagt mir, es sei keine Angst, es sei nichts Wichtiges – es sei eher wie das Beben eines erwartungsfrohen Rennpferds in der Startbox.

Ich habe dazu keine Meinung; ich war nie ein Rennpferd. Aber Tatsache ist: Ich mache mir vor Angst in die Hosen, jedes Mal.

Dreißig Minuten vor dem Absprung, nachdem wir im Sprungraum der Rodger Young zusammengerufen worden waren, inspizierte uns der Platoonleader. Es war nicht unser üblicher Platoonleader, weil es Lieutenant Rasczak bei unserem letzten Sprung erwischt hatte; es war tatsächlich der Platoonsergeant, Career Ship’s Sergeant Jelal. Jelly war ein Finno-Türke aus Iskander nahe Proxima – ein dunkler, kleiner Mann, der wie ein Beamter aussah, aber ich habe ihn einmal gegen zwei durchgeknallte Gefreite angehen sehen, die so groß waren, dass er nach oben greifen musste, ihre Köpfe wie Kokosnüsse gegeneinander schlug, und einen Schritt zurücktrat, während sie hinfielen.

Außerhalb des Dienstes war er kein schlechter Kerl – für einen Sergeant. Man konnte ihn sogar offen mit „Jelly“ ansprechen. Natürlich nicht als Rekrut, aber jeder, der mindestens einen Kampfabsprung hingelegt hatte.

Aber jetzt war er im Dienst. Wir hatten alle unsere Kampfausrüstung begutachtet (schau, es geht hier um deinen Hals – klar soweit?), der Diensthabende hatte seinen Blick über uns schweifen lassen, nachdem er uns zusammengerufen hatte, und nun nahm sich Jelly uns ebenfalls nochmal vor, mit seinem fiesen Gesicht und seinen Augen, denen nichts entging. Er hielt bei dem Mann, der vor mir stand, und drückte den Knopf auf dessen Gürtel, der Auskunft über den körperlichen Zustand gab. „Raustreten!“

„Aber Sarge, es ist nur eine Erkältung. Der Arzt sagte …“

Jelly unterbrach ihn. „Aber Sarge!“, fuhr er auf. „Der Arzt macht den Sprung nicht – und Sie auch nicht, mit anderthalb Grad Fieber. Denken Sie, ich hab’ Zeit, vor einem Sprung mit Ihnen zu plaudern? Raustreten!“

Jenkins verließ uns, er sah traurig und wütend aus – und ich fühlte mich auch mies. Weil es den Lieutenant beim letzten Sprung erwischt hatte und Leute in der Hierarchie nachgerückt waren, war ich Stellvertretender Sektionsführer, Zweite Sektion, für diesen Sprung, und nun hatte ich eine Lücke in meiner Abteilung und keine Möglichkeit, sie zu schließen. Das ist nicht gut; es bedeutet, dass einer meiner Leute in eine üble Lage kommen kann, um Hilfe ruft, aber keiner da ist, der ihm hilft.

Jelly rief keinen anderen mehr heraus. Momentan baute er sich vor uns auf, musterte uns und schüttelte traurig den Kopf. „Was für eine Affenbande!“, knurrte er. „Wenn ihr bei diesem Sprung alle draufgeht, könnten sie vielleicht von vorn anfangen und die Art von Truppe aufbauen, die ihr nach der Erwartung des Lieutenants hättet sein sollen. Aber wahrscheinlich nicht – mit der Sorte von Rekruten, die wir heutzutage kriegen.“ Er richtete sich plötzlich auf und schrie: „Ich will euch Affen nur daran erinnern, dass jeder von euch der Regierung – wenn man Waffen, Panzerung, Munition, Instrumente und Training, also alles zusammenrechnet, inklusive eures maßlosen Appetits – über den Daumen gepeilt mehr als eine halbe Million gekostet habt. Wenn ihr dazu die dreißig Cent addiert, die ihr momentan wert seid, dann ergibt das eine ganz schöne Summe.“ Er starrte uns an. „Also bringt sie zurück! Wir können auf euch verzichten, aber nicht auf den hübschen Anzug, den ihr tragt. Ich will keine Helden in dieser Truppe; das würde der Lieutenant nicht wollen. Ihr habt einen Job zu verrichten, ihr geht runter, ihr macht ihn, ihr stellt eure Lauscher auf für den Rückruf und ihr seid prompt und vollzählig zur Stelle für den Rücktransport. Habt ihr das verstanden?“

Er starrte uns wieder an. „Ihr solltet den Plan kennen. Aber einige von euch haben keinen Verstand, den man hypnotisieren könnte, daher werd’ ich ihn euch erklären. Ihr werdet in zwei Gefechtsreihen abgeworfen, kalkuliert mit zweitausend Yard Abstand. Peilt mich sofort an, sobald ihr den Boden erreicht, peilt eure Kameraden an und prüft den Abstand zu ihnen, nach beiden Seiten, während ihr Deckung sucht. Damit habt ihr schon zehn Sekunden verschwendet, ihr werdet also alles zu Kleinholz machen, was sich im Umkreis befindet, bis die Flügelleute sich zu Boden geworfen haben.“ (Er redete von mir – als Stellvertretender Sektionsführer würde ich an die linke Flanke gesetzt, mit niemanden an meiner Seite. Ich begann zu zittern.)

„Wenn sie zuschlagen – begradigt die Kampflinien! Vereinheitlicht die Abstände zwischen euch! Hört auf mit allem anderen und tut nur das! Zwölf Sekunden. Dann rückt überschlagend vor, gerade und ungerade, die Stellvertretenden Sektionsführer zählen durch und leiten die Umgehung.“ Er sah mich an. „Wenn Sie das ordentlich hinbekommen haben – was ich bezweifle –, werden die Flanken Kontakt aufnehmen, sobald das Rückrufsignal ertönt … was bedeutet, ihr könnt nach Hause. Irgendwelche Fragen?“

Es gab keine; es gab nie welche. Er fuhr fort: „Eines noch – das ist nur ein Scharmützel, keine Schlacht. Es ist eine Demonstration von Feuerkraft und Schrecklichkeit. Unsere Mission ist es, den Feind wissen zu lassen, dass wir seine Stadt hätten zerstören können – aber es nicht taten –, aber dass er nicht sicher ist, auch wenn wir von einem Totalbombardement Abstand nehmen. Es werden keine Gefangenen gemacht. Ihr tötet nur, wenn ihr es nicht vermeiden könnt. Aber das gesamte Abwurfgebiet ist zu verwüsten. Ich will keinen von euch Faulenzern zurück an Bord haben mit ungenutzten Bomben. Habt ihr mich verstanden?“ Er blickte auf die Uhr. „Rasczaks Raufbolde haben einen Ruf zu verteidigen! Der Lieutenant hatte mir vor seinem Ableben gesagt, ich solle euch mitteilen, dass er zu jeder Minute stets ein Auge auf euch haben wird … und dass er erwartet, wie eure Namen im Glanz erstrahlen!“

Jelly warf einen Blick auf Sergeant Migliaccio, den Ersten Sektionsführer. „Fünf Minuten für den Padre“, sagte er. Einige der Jungs traten aus den Reihen, gingen hinüber und knieten vor Migliaccio nieder, noch nicht einmal notwendigerweise Anhänger seines Glaubens – Muslime, Christen, Gnostiker, Juden, wer auch immer vor dem Sprung mit ihm reden wollte, er war da. Ich habe mal gehört, dass es Truppenteile gab, deren Feldkaplane nicht an den Seiten der anderen kämpften, aber ich habe nie begriffen, wie das funktionieren soll. Ich meine, wie kann ein Kaplan etwas segnen, dass er nicht selbst zu tun bereit ist? In der Mobilen Infanterie jedenfalls springt jeder und es kämpft auch jeder – der Kaplan und der Koch und der Schreiber vom Alten. Wenn sie uns erst mal die Röhre hinuntergeschickt hätten, dann würde kein einziger Raufbold an Bord verbleiben – außer Jenkins natürlich, und das war nicht seine Schuld.

Es ging nicht vorbei. Ich fürchtete immer, irgendjemand könne mein Zittern bemerken, wenn es einsetzte, und der Padre konnte mich doch ebenso bequem von dort aus segnen, wo er stand. Aber er kam zu mir herüber, als die letzten Nachzügler aufstanden, und drückte seinen Helm gegen meinen, um vertraulich mit mir zu reden. „Johnnie“, sagte er ruhig, „das ist dein erster Sprung als Unteroffizier.“

„Oh ja.“ Ich war nicht wirklich ein Unteroffizier, ebenso wenig wie Jelly ein richtiger Offizier war.

„Nur so viel, Johnnie. Geh ja nicht drauf. Du kennst deinen Job; mach ihn. Mach ihn einfach. Versuch nicht, eine Medaille zu gewinnen.“

„Oh, danke, Padre. Ich werd’s nicht tun.“

Er fügte noch etwas Sanftes in einer Sprache hinzu, die ich nicht kannte, klopfte mir auf die Schulter und eilte zurück zu seinem Abschnitt. Jelly rief: „Stillge… standen!“, und wir nahmen alle Haltung ein.

„Platoon!“

„Sektion!“, hallte es von Migliaccio und Johnson wider.

„Nach Sektionen – Backbord und Steuerbord – zum Absprung bereitmachen!“

„Sektion! Kapseln bemannen! Marsch!“

„Squad!“ – Ich musste warten, während die Gruppen vier und fünf ihre Kapseln bemannten und durch die Abwurfröhre hinunterglitten, bevor meine Kapsel auf der Backbordschiene auftauchte und ich hineinklettern konnte. Ich fragte mich, ob die Kämpfer vergangener Zeiten auch so zitterten, als sie in das Trojanische Pferd stiegen. Oder ging das nur mir so? Jelly überprüfte bei jedem Mann, wie er eingeschlossen wurde, und er selber schloss meine Kapsel. Als er es tat, beugte er sich zu mir vor und sagte: „Bau keinen Mist, Johnnie. Das ist nur wie eine Übung.“

Die Kuppel schloss sich und ich war allein. „Nur wie eine Übung“, sagt er! Ich begann unkontrolliert zu zittern.

Dann hörte ich Jelly in meinen Ohrhörern, aus der mittleren Röhre: „Brücke! Rasczaks Raufbolde … zum Absprung bereit!“

„Siebzehn Sekunden, Lieutenant!“, hörte ich die muntere, tiefe Altstimme der Schiffskapitänin als Erwiderung – und nahm ihr übel, dass sie Jelly „Lieutenant“ nannte. Gewiss, unser Lieutenant war tot und vielleicht würde Jelly seine Beförderung bekommen … aber wir waren immer noch Rasczaks Raufbolde.

„Viel Glück, Jungs!“, ergänzte die Stimme.

„Danke, Capt’n!“

„Festhalten! Fünf Sekunden.“

Ich war komplett vergurtet – Bauch, Stirn, Schienbeine. Aber ich zitterte so stark wie nie zuvor.

Es ist besser, sobald man abgeworfen wird. Bis dahin sitzt man in völliger Dunkelheit, eingewickelt wie eine Mumie als Schutz gegen die Beschleunigung, kaum zum Atmen fähig – mit dem Wissen, dass um dich herum nur Stickstoff in der Kapsel ist, selbst wenn du deinen Helm öffnen könntest, was natürlich nicht geht – und auch wissend, dass die Kapsel vom Abwurfrohr umgeben ist, und wenn das Schiff getroffen wird, bevor sie dich abwerfen, hast du keine Zeit zum Gebet, du stirbst einfach, unfähig, dich zu bewegen, hilflos. Es ist dieses endlose Warten in der Dunkelheit, das das Zittern erzeugt – du denkst, dass sie dich vergessen haben … das Schiff wird querab gelegt und verbleibt in der Umlaufbahn, tot, und bald erwischt es dich auch, unfähig, dich zu bewegen, wenn du auf dem Weg nach unten nicht geröstet wirst.

Dann setzte das Bremsprogramm des Schiffes ein und mein Zittern hörte auf. Achtfache Erdbeschleunigung, würde ich sagen, vielleicht zehnfache. Wenn eine Pilotin das Schiff steuert, dann gibt es dabei nichts Angenehmes; du hast Abschürfungen an jeder Stelle, an der du angegurtet bist. Jaja, ich weiß, dass sie bessere Piloten abgeben als wir Männer; ihre Reaktionen sind schneller und sie können eine höhere Beschleunigung aushalten. Sie kommen schneller rein, kommen schneller raus und erhöhen damit die Überlebenschance für alle, deine genauso wie ihre. Aber das macht es immer noch nicht zum Spaß, mit dem zehnfachen deines Körpergewichts gegen dein Rückgrat gepresst zu werden.

Ich muss allerdings zugeben, das Kapitän Deladrier ihr Geschäft versteht. Da gab es keine Frickelei, wenn die Rodger Young einmal das Bremsmanöver beendet hatte. Sofort hörte ich sie blaffen: „Mittelröhre … Feuer!“, und es gab zwei Rückstoßgeräusche, als Jelly und sein Diensthabender abgeworfen wurden – worauf sofort ertönte: „Backbord- und Steuerbordröhre – Automatik-Feuer!“, und der Rest von uns wurde hinauskatapultiert.

Bumm! Und deine Kapsel rückt um einen Platz nach und wieder bumm! Und wieder rutscht sie nach, genau wie Patronen, die in die Kammer einer altmodischen Automatikwaffe geladen werden. Nun ja, was anderes sind wir ja nicht … nur, dass die Trommeln des Revolvers die Zwillingsabwurfröhren eines Raumtruppentransporters bildeten und dass jede Patrone eine Kapsel von der Größe war, dass (gerade eben) ein Infanterist samt kompletter Feldausrüstung hineinpasste.

Bumm! – ich war an den dritten Abschussplatz gewöhnt, da ging es früh hinaus; jetzt war ich der Kerl am Ende, als letzter raus nach drei Squads. Das erzeugt ein ermüdendes Warten, selbst wenn jede Sekunde eine Kapsel abgefeuert wird; ich versuchte, die Knaller zu zählen – bumm! (zwölf) bumm! (dreizehn) bumm! (vierzehn – mit einem komischen Ton, denn in dieser leeren Kapsel hätte Jenkins sitzen sollen) bumm! –

Und klick! – ich bin an der Reihe, da meine Kapsel in die Schusskammer geladen wird – dann KAWUMM! Die Explosion erwischt dich mit einer Kraft, die das Bremsmanöver unserer Kapitänin als liebevolles Tätscheln erscheinen lässt.

Dann plötzlich nichts mehr.

Gar nichts. Kein Ton, kein Druck, keine Last. Gleiten durch die Dunkelheit … im freien Fall, aus vielleicht dreißig Meilen Höhe, über der effektiven Atmosphäre, rauschst du schwerelos auf die Oberfläche eines Planeten zu, den du niemals zuvor gesehen hast. Aber jetzt zittere ich nicht; es ist das Warten vorher, das dich fertigmacht. Wenn man einmal draußen ist, dann kann man nicht mehr verwundet werden – denn wenn jetzt etwas schiefgeht, dann passiert das so schnell, dass du weg vom Fenster bist, bevor du dir nur Gedanken machen kannst, dass du gerade stirbst.

Beinahe augenblicklich fühle ich das Drehen und Schlingern der Kapsel, dann geht’s schnurgerade nach unten, so dass mein Gewicht auf meinem Rücken lastet … Gewicht, das sich schnell aufgebaut hat, bis ich das volle Gewicht für diesen Planeten erreicht habe (0,87 g, haben sie uns gesagt), gerade als die Kapsel ihre Endgeschwindigkeit für die dünne obere Atmosphäre erreicht hat. Ein Pilot, der ein wahrer Künstler ist (und unsere Kapitänin war es), wird Anflug und Bremsen so steuern, dass dich deine Abwurfgeschwindigkeit bei Verlassen der Röhre im Raum genau auf null setzt, relativ zur Planetenrotation auf diesem Breitengrad. Die beladenen Kapseln sind schwer; sie durchstoßen die hohen, dünnen Winde der oberen Atmosphäre, ohne dadurch zu weit vom Kurs abzukommen – aber ebenso wird sich ein Platoon auf dem Weg nach unten auffächern und etwas von der perfekten Formation verlieren, in der es abgeworfen wurde. Ein schlampiger Pilot kann das noch verschlimmern und eine Eingreiftruppe über so viel Terrain verstreuen, dass sie noch nicht mal das Sammeln für den Rücktransport hinbekommt und schon gar nicht ihre Mission ausführen kann. Ein Infanterist kann nur kämpfen, wenn ihn jemand anderes in seine Zone bringt; in gewisser Weise denke ich, dass die Piloten ebenso entscheidend sind wie wir.

Am sanften Eintritt in die Atmosphäre konnte ich ermessen, dass uns die Kapitänin mit einem Seitenvektor nach unten gebracht hatte, der so nahe bei null lag, wie man es sich nur wünschen konnte. Ich fühlte mich glücklich – nicht nur eine geschlossene Formation für den Angriff und kein Zeitverlust: Ein Pilot, der dich gut nach unten bringt, ist auch ein Pilot, der gewieft und präzise für den Rücktransport sorgt.

Die äußere Hülle schmolz und fiel ab – ungleichmäßig, denn ich taumelte. Dann verlor die Kapsel den Rest und ich richtete mich auf. Die Turbulenzbremsen der zweite Hülle griffen und der Ritt wurde heftig … und heftiger, als die Bremsen eine nach der anderen wegschmolzen und die zweite Hülle in Stücke sprang. Eines der Dinge, die einen Kapsel-Trooper lange genug am Leben erhalten, damit er in Rente gehen kann, ist die Eigenart der Kapselhüllen. Sie bremsen ihn nicht nur ab, sondern müllen auch den Himmel über der Abwurfstelle dermaßen zu, dass ein Radar Dutzende von reflektierenden Zielen für jeden einzelnen Mann im Abwurf aufnimmt. Jedes davon könnte ein Mann sein, oder eine Bombe, oder sonst was. Das reicht, um einem Ballistikcomputer einen Nervenzusammenbruch zu verpassen – und das tut es.

Um den Spaß zu vergrößern, legt das Schiff ein paar hohle Eier in den Sekunden direkt nach dem Abwurf. Diese fallen schneller, da sich hier keine Hüllen abschälen. Sie tauchen unter dir weg, explodieren, stoßen Täuschkörper aus, arbeiten sogar als Transponder, schießen raketenmäßig zur Seite und noch viele Dinge mehr, um die Verwirrung deines Empfangskomitees am Boden zu erhöhen.

Mittlerweile ist dein Schiff fest auf den Peilsender deines Platoonleaders geeicht, ignoriert das Störrauschen, das es erzeugt hat, und folgt dir nach, unter Berechnung deines Aufschlags für spätere Verwendung.

Als die zweite Hülle zerfallen war, öffnete die dritte automatisch meinen ersten Außenfallschirm. Er hielt nicht lange, aber das sollte er auch nicht; ein heftiger Ruck bei mehreren g Belastung, dann flog er seines Wegs und ich den meinen. Der zweite Fallschirm hielt etwas länger durch und der dritte eine ganze Weile; es wurde mir langsam zu warm in der Kapsel und ich dachte über die Landung nach.

Die letzte Außenhülle schälte sich ab, als der letzte Fallschirm weg war, und nun hatte ich nur noch meinen Kampfanzug und ein Plastikei um mich herum. Ich war immer noch in ihm festgegurtet und bewegungsunfähig. Es war an der Zeit, sich das Wo und Wie meiner Landung zu überlegen. Ohne Armbewegung (die war unmöglich) drückte ich mit dem Daumen den Schalter für den Umgebungsscan und sah den Instrumentenreflektor in meinem Helm vor meiner Stirn aufleuchten.

Eins Komma acht Meilen – ein wenig zu nah für meinen Geschmack, besonders ohne Begleitung. Das innere Ei hatte eine gleichmäßige Geschwindigkeit erreicht, durch einen weiteren Verbleib in seinem Inneren war nichts mehr zu gewinnen, und seine Hüllentemperatur zeigte an, dass es sich für eine ganze Weile nicht automatisch öffnen würde – also legte ich mit meinem anderen Daumen einen Schalter um und war es los.

Die erste Ladung zerfetzte alle Gurte; die zweite ließ das Plastikei von mir weg in acht separate Teile zerbersten – und ich war draußen, ritt in der Luft, und konnte sehen! Noch besser, die acht abgesprengten Stücke waren metallbeschichtet (abgesehen von dem kleinen Stück, durch das ich den Umgebungsscan durchgeführt hatte) und würden dieselbe Reflexion zurückwerfen wie ein gepanzerter Mann. Jeder Radarbeobachter, egal ob lebend oder kybernetisch, würde nun eine schwere Zeit dabei durchleiden, mich von dem Müll um mich herum zu trennen, nicht zu vergessen die tausend anderen Stücke, die sich meilenweit zu jeder Seite hin, nach oben und nach unten, um mich herum erstreckten.

Ein Teil der Ausbildung eines Infanteristen besteht darin, ihm vom Boden aus zu zeigen, wie verwirrend so ein Abwurf für die Streitkräfte auf dem Boden aussieht, sowohl mit dem bloßen Auge als auch mit dem Radar – denn dort oben fühlt man sich schrecklich nackt. Es ist leicht, in Panik zu geraten und entweder einen Fallschirm zu früh zu öffnen und dann dazusitzen wie das Huhn auf der Stange (tun die das eigentlich wirklich? – und wenn ja, warum?) oder aber zu vergessen, ihn zu öffnen, und sich die Knöchel zu brechen, das Rückgrat und den Schädel.

Ich streckte mich also, beseitigte meine verkniffene Haltung, und sah mich um … dann krümmte ich mich wieder zusammen und ging in einen schwanenmäßigen Gleitflug über, das Gesicht nach unten, und sah mich gründlich um. Es war Nacht dort unten, wie geplant, aber Infrarotsichtgeräte lassen einen das Gelände ganz gut einschätzen, wenn man sich erst mal an sie gewöhnt hat. Der Fluss, der die Stadt diagonal zerschnitt, war beinahe unter mir und näherte sich rasch, deutlich hervorstechend, da er wärmer war als die Landmasse. Es war mir egal, auf welcher Seite ich landete, aber ich wollte nicht im Fluss selbst landen; das würde mich bremsen.

Ich bemerkte ein Blitzlicht auf meiner Höhe, von rechts kommend; irgendein unfreundlicher Einheimischer dort unten hatte offenbar einen Teil meines Eies getroffen.

Ich öffnete meinen ersten Fallschirm sofort, mit der Absicht, mich aus seinem Sichtfeld zu katapultieren, wenn er den Weg seiner Ziele nach unten in die Schussreichweite verfolgte.

Ich versteifte mich in Erwartung des Rucks, ließ es laufen und sank etwa zwanzig Sekunden nach unten, bevor ich den Schirm abstieß – schließlich wollte ich nicht dadurch Verdacht auf mich lenken, dass ich nicht in derselben Geschwindigkeit herabfiel wie all das Zeugs um mich herum.

Es musste funktioniert haben; ich war nicht getroffen worden.

In etwa sechshundert Fuß Höhe öffnete ich den zweiten Fallschirm … ich sah sehr schnell, dass ich in den Fluss hinübergetragen wurde, und bemerkte, dass ich ein flaches Lagerhaus oder etwas Ähnliches in Flussnähe in etwa hundert Fuß Höhe überfliegen würde … ich stieß den Fallschirm ab und kam einigermaßen, wenn auch etwas ruppig, auf dem Dach zur Landung, indem ich die Steuerdüsen des Kampfanzugs benutzte. Als ich aufschlug, versuchte ich sofort, Sergeant Jelals Peilsender zu orten.

Und ich sah, dass ich mich am falschen Flussufer befand; Jellys Stern leuchtete im Kompassring im Inneren meines Helms auf, viel weiter südlich, als er hätte sein sollen – ich war zu weit im Norden. Ich trottete zur Flussseite des Daches und ortete dabei Entfernung und Richtung des nächstgelegenen Gruppenführers, stellte fest, dass er mehr als eine Meile außerhalb der vorgesehenen Position war, funkte ihn an: „Ace, richte deine Linie aus“, und warf eine Bombe hinter mich, als ich vom Gebäude hinabglitt und mich über den Fluss aufmachte. Ace antwortete, wie ich es hatte erwarten können – Ace hätte meinen Platz einnehmen sollen, aber er wollte sein Squad nicht abgeben; dennoch fiel es ihm schwer, von mir Befehle zu erhalten.

Das Lagerhaus ragte hinter mir auf und die Detonation traf mich, als ich mich noch über dem Fluss befand, anstatt von den Gebäuden der anderen Seite Deckung zu erhalten, wie es eigentlich hätte sein sollen. Die Druckwelle brachte verflixterweise beinahe mein Gyroskop ins Trudeln und ich war kurz davor, selbst ins Trudeln zu geraten. Ich hatte den Zünder der Bombe auf fünfzehn Sekunden eingestellt … oder hatte ich nicht? Mir wurde plötzlich klar, dass ich mich selbst in Aufregung versetzt hatte, was das Schlimmste ist, das man am Boden tun kann. „Nur wie eine Übung“, so musste es laufen, genau wie Jelly mich gewarnt hatte. Nimm dir Zeit und mach es richtig, auch wenn es eine halbe Sekunde extra kostet.

Als ich aufsetzte, pinnte ich Ace wieder an und sagte ihm nochmals, er solle sein Squad neu ausrichten. Er antwortete nicht, war aber schon dabei, es zu tun. Ich ließ es laufen. Solange Ace seinen Job machte, konnte ich es mir leisten, auch seinen Missmut zu schlucken – vorerst. Aber zurück an Bord (sofern Jelly mich als Stellvertretenden Sektionsführer behielt) würden wir uns eine ruhige Ecke suchen müssen, um herauszufinden, wer der Boss war. Er war ein Berufskorporal und ich nur ein auf Zeit verpflichteter Stabsgefreiter in der Funktion eines Korporals, aber er diente jetzt unter mir und da kann man es sich unter diesen Umständen nicht leisten, eine dicke Lippe zu riskieren. Jedenfalls nicht auf Dauer.

Aber in diesem Moment hatte ich keine Zeit, darüber nachzudenken; während ich den Fluss überquert hatte, hatte ich ein lohnendes Ziel ausgemacht und ich wollte es erreichen, bevor jemand anderes es bemerkte – eine wundervolle große Gruppe von anscheinend öffentlichen Gebäuden auf einem Hügel. Tempel vielleicht … oder ein Palast. Sie waren meilenweit außerhalb des Areals, in dem wir aufräumten, aber eine Regel der Hau-Drauf-und-Raus-Taktik ist es, wenigstens die Hälfte deiner Munition außerhalb des Zielgebiets zu verballern. Auf diese Weise ist der Feind verwirrt und weiß nicht, wo du überhaupt bist – tu das und bleib in Bewegung und das alles flott. Du bist zahlenmäßig immer drastisch unterlegen; Überraschung und Geschwindigkeit sind es, die dich retten.

Ich lud bereits meinen Raketenwerfer, während ich nach Ace sah und ihm zum zweiten Mal mitteilte, er solle seine Reihen schließen. Jellys Stimme erreichte mich genau in diesem Moment über die allgemeine Frequenz: „Platoon! Überschlagend vorrücken! Vorwärts Marsch!“

Mein Vorgesetzter, Sergeant Johnson, erwiderte den Befehl: „Überschlagend vorrücken! Ungerade Zahlen zuerst! Vorwärts!“

Damit blieb mir für zwanzig Sekunden nichts, worüber ich mir Sorgen machen musste, daher sprang ich auf das nächstgelegene Gebäude, hob den Raketenwerfer auf die Schulter, visierte das Ziel an und drückte den ersten Abzug, um die Rakete einen Blick auf ihr Ziel werfen zu lassen – drückte den zweiten Abzug, warf der Rakete einen Abschiedskuss hinterher und sprang zurück auf den Boden. „Zweite Sektion, gerade Zahlen!“, rief ich aus … zählte in Gedanken weiter und befahl dann „Vorrücken!“

Und das tat ich selbst auch, indem ich über die nächste Häuserreihe hüpfte und, während ich mich in der Luft befand, die erste Reihe am Flussufer mit dem Flammenwerfer abfackelte. Sie schien aus Holz gebaut und es schien mir eine gute Zeit zu sein, um ein Feuer zu entfachen – mit etwas Glück enthielten einige dieser Lagerhäuser Ölprodukte oder sogar Explosivstoffe. Als ich aufkam, verschoss das Y-Gestell auf meinen Schultern zwei kleine Hochexplosivgeschosse, die jeweils einige hundert Yard zu meiner Rechten und Linken einschlugen. Ich habe aber nie erfahren, was sie anrichteten, da gerade in diesem Moment meine erste Rakete einschlug – mit diesem (wenn Sie es je gesehen haben sollten) hellen Leuchten einer Atomexplosion. Es war natürlich nur ein Bömbchen, mit weniger als zwei Kilotonnen konventioneller Sprengkraft, dazu mit Dämmung und Implosionsverdichter versehen, so dass es auch als unterkritische Masse explodierte. Aber wer möchte schon mit einer kosmischen Katastrophe ein Gruppenkuscheln veranstalten? Es genügte jedenfalls, um den gesamten Hügel abzuräumen und alle Einwohner der Stadt dazu zu bringen, Schutz vor dem radioaktiven Niederschlag zu suchen. Falls einer von diesen Bauerntölpeln sich draußen aufhielt, um sich das anzusehen, dann würde er in den kommenden Stunden gar nichts mehr sehen können – und damit auch nicht mich. Der Blitz hatte mich nicht geblendet und würde keinen von uns blenden; unsere Visiere sind bleiverglast, wir tragen Spähbrillen über den Augen – und wir sind darauf trainiert, den Kopf einzuziehen und die Panzerung als Schutz zu verwenden, wenn wir doch mal in die falsche Richtung schauen.

Ich zwinkerte nur einmal kräftig – öffnete meine Augen und blickte geradewegs auf einen Einheimischen, der aus einem Hauseingang vor mir herauskam. Er sah mich an, ich sah ihn an und er begann etwas anzuheben – vermutlich eine Waffe –, als Jelly ausrief: „Ungerade Zahlen! Vorwärts!“

Ich hatte keine Zeit, mich mit diesem Typen zu behängen: Ich war gut und gerne fünfhundert Yard von der Stelle entfernt, an der ich hätte sein sollen. Immer noch trug ich den Flammenwerfer in meiner Linken; also röstete ich den Kerl und übersprang das Gebäude, aus dem er gekommen war, während ich mit dem Zählen begann. Der Flammenwerfer ist eigentlich für das Legen von Bränden gedacht, aber man kann ihn bei eingeschränktem Bewegungsspielraum auch gut als Antipersonenwaffe benutzen. Mit dem Ding muss man nicht groß zielen.

Gefangen zwischen Aufregung und Furcht, den Anschluss zu verpassen, sprang ich zu hoch und zu weit. Es liegt immer eine gewisse Versuchung darin, das Bestmögliche aus deiner Sprungausrüstung herauszuholen – aber tu es nicht! Dadurch hängt man sekundenlang in der Luft und gibt ein dickes, fettes Ziel ab. Die richtige Vorgehensweise besteht darin, ganz knapp über das Gebäude zu streifen, es kaum recht in Augenschein zu nehmen, und jede Deckung zu nutzen, wenn man am Boden ist. Auch sollte man nie länger als ein bis zwei Sekunden an einem Ort verweilen und dem Gegner nie die Chance geben, dich als Ziel zu erfassen. Sei woanders, irgendwo. Und bleib in Bewegung.

Dieses Mal vermasselte ich es – zu weit für eine Häuserreihe, aber zu kurz für die Reihe dahinter; ich merkte, dass ich auf dem Dach zum Stehen kommen würde. Aber es war kein angenehm flaches, bei dem ich drei Sekunden hätte abzweigen können, um ein weiteres A-Bömbchen zu starten; dieses Dach war ein Dschungel aus Röhren und Pfosten und sah aus wie eine Eisenwarenhandlung – vielleicht eine Fabrik oder eine Art Chemiewerk, aber kein Landeplatz. Obendrein tummelte sich hier ein halbes Dutzend Einheimischer. Diese Heinis sind humanoid gebaut, acht oder neun Fuß groß, viel dünner als wir selbst und haben eine höhere Körpertemperatur; sie tragen keine Kleidung und leuchten in der Spähbrille auf wie eine Neonreklame. Bei Tageslicht und mit bloßen Augen betrachtet, sehen diese Typen noch komischer aus, aber ich ziehe es vor, gegen sie zu kämpfen anstatt gegen die Arachniden – bei diesen Bugs wird mir übel.

Wenn diese Kerle hier schon dreißig Sekunden zuvor da herumgestanden waren, als meine Rakete einschlug, dann konnten sie mich nicht sehen oder überhaupt irgendetwas. Aber ich konnte mir nicht sicher sein und wollte mich ohnehin nicht mit ihnen anlegen; darum ging es bei diesem Einsatz nicht. Also sprang ich wieder los und während ich noch in der Luft war, verstreute ich ein paar Sprengkapseln mit zehn Sekunden bis zur Detonation, um sie beschäftigt zu halten. Ich landete kurz, sprang sofort wieder los und befahl: „Zweite Sektion! Gerade Zahlen! … Vorwärts!“ und blieb dabei in Bewegung, um den Anschluss nicht zu verlieren; dabei hielt ich weiter Ausschau nach Zielen, die eine Rakete wert waren. Ich hatte noch drei Mini-Atombomben bei mir und hatte sicher nicht vor, die wieder mit aufs Schiff zu nehmen. Aber es war mir auch eingehämmert worden, dass Atomwaffen so eingesetzt werden müssen, dass sie ihr Geld wert sind – es war auch erst das zweite Mal, dass ich sie dabeihaben durfte.

Im Moment versuchte ich, das feindliche Wasserwerk aufzuspüren; ein Direktschlag gegen die Wasserversorgung konnte die ganze Stadt unbewohnbar machen und den Feind zur Evakuierung zwingen, ohne jemand geradeheraus töten zu müssen – was genau der Art von Unwesen gleichkam, das wir hier unten treiben sollten. Gemäß der Karte, die wir unter Hypnose einstudiert hatten, sollte das Wasserwerk ungefähr drei Meilen flussaufwärts von meinem derzeitigen Standpunkt entfernt sein.

Aber ich konnte es nicht sehen; vielleicht waren meine Sprünge dafür nicht hoch genug. Ich war versucht, einen höheren Sprung zu wagen, doch ich erinnerte mich an Migliaccios Worte, nicht nach einer Tapferkeitsauszeichnung zu streben, und an diese Doktrin hielt ich mich. Ich stellte den Y-Werfer auf Automatik um und ließ ihn jedes Mal ein paar kleine Granaten abgeben, wenn ich den Boden berührte. Dazwischen ließ ich die Dinge mehr oder weniger zufällig in Flammen aufgehen und ich versuchte dabei immer noch, das Wasserwerk oder irgendein anderes lohnendes Ziel zu entdecken.

Jawohl, da war doch etwas in der richtigen Entfernung – egal ob Wasserwerk oder nicht, es war groß. Also hüpfte ich auf das Dach des höchsten Gebäudes in meiner Nähe, nahm das Ziel aufs Korn und schickte die Rakete auf den Weg. Als ich wieder hinuntersprang, hörte ich Jelly: „Johnnie! Red! Führt die Flanken zusammen!“

Ich bestätigte, hörte auch Reds Bestätigung und schaltete dann um auf Blinksignal, damit Red mich eindeutig ausmachen konnte, maß Entfernung und Richtung zu seinem Blinker und befahl: „Zweite Sektion! Einschwenken zur Umfassung! Squadleader, bitte bestätigen!“

Die vierte und fünfte Gruppe antwortete mit „Jawoll!“; Ace sagte: „Wir sind schon dabei – mach dich auf die Socken!“

Reds Peilung verriet mir, dass die rechte Flanke sich fast

unmittelbar zu mir gedreht hatte und mindestens fünfzehn

Meilen von mir entfernt war. Grundgütiger! Ace hatte recht; ich würde mich sputen müssen, oder ich würde es nie schaffen, die Lücke zwischen den Flanken rechtzeitig zu schließen – dabei trug ich noch ein paar Zentner Munition und ein hübsches Sortiment an Gemeinheiten auf den Rücken geschnallt, für das ich noch Verwendungszeit finden musste. Wir waren in einer V-Formation gelandet, mit Jelly am unteren Knick des V und Red und ich an den Enden der beiden Schenkel. Nun mussten wir das Ganze zu einem Kreis zusammenführen, rund um den Punkt, der für das Rückholmanöver vorgesehen war …

Das bedeutete, dass Red und ich eine größere Fläche abdecken mussten als die anderen und dabei dennoch den vollen vorgesehenen Schaden anzurichten hatten. Wenigstens war das überschlagende Vorrücken vorbei, in dem Moment, in dem wir den Kreis schlossen. Ich konnte aufhören zu zählen und mich darauf konzentrieren, die nötige Schnelligkeit aufzubringen. Es war auch nicht mehr angesagt, sich irgendwo lange aufzuhalten, selbst bei schneller Bewegung nicht. Wir hatten mit dem enormen Vorteil des Überraschungsmoments begonnen, hatten den Boden ohne Verluste erreicht (wenigstens hoffte ich, dass es niemanden während

des Absprungs erwischt hatte) und waren mit geballter Kraft über sie hergefallen, so dass wir beliebig feuern konnten, ohne Gefahr zu laufen, uns gegenseitig zu treffen. Der Feind hingegen riskierte durchaus, seine eigenen Leute zu erwischen, wenn er zurückfeuerte – sofern er uns überhaupt als Ziel ausmachen konnte. (Ich bin kein Experte für taktische Spiele, aber ich bezweifle, dass irgendein Computer in der Lage gewesen wäre, unser Tun zu analysieren, um unseren nächsten Zug vorherzusagen.)

Nichtsdestotrotz begann der Feind sich jetzt zu wehren, ob das nun koordiniert war oder nicht. Ein paar Mal verfehlten mich Granaten nur um ein Haar, so dass mir selbst in meiner Panzerung die Zähne klapperten. Und dann streifte mich eine Art Strahl, der mir die Haare zu Berge stehen ließ und mich für einen Moment halb lähmte. Es war ein Gefühl, als hätte jemand auf meinen Musikantenknochen gehauen, nur erstreckte sich dieses Gefühl auf den gesamten Körper. Wenn ich meinem Anzug nicht bereits den Befehl zum Sprung gegeben hätte, wäre ich da wohl nicht mehr herausgekommen. In solchen Momenten fragt man sich, warum man eigentlich Soldat geworden ist – nur dass ich zu beschäftigt war, um mich irgendetwas zu fragen.

Zweimal sprang ich blind über ein Gebäude und landete mitten in einer Gruppe von Feinden. Sofort sprang ich wieder hoch, während ich mit dem Flammenwerfer wild um mich feuerte.

Auf diese Art angetrieben, schloss ich ungefähr die Hälfte meines Teils an der Lücke in Rekordzeit, es mögen etwa vier Meilen gewesen sein, allerdings richtete ich auch nicht viel mehr als zufälligen Schaden an. Mein Y-Werfer hatte beim vorletzten Sprung

seine Ladung verschossen gehabt; ich befand mich gerade alleine auf irgendeinem Innenhof und hielt an, um die Waffe mit meinen übrigen Hochexplosivgranaten zu laden, während ich Ace anpeilte. Ich stellte fest, dass ich genug Abstand zwischen mich und die Gruppe an meiner Flanke gebracht hatte, dass ich über den Abschuss meiner letzten beiden Atomraketen nachdenken konnte. Ich sprang auf das höchste Gebäude in meiner Nähe.

Es war inzwischen so hell geworden, dass man auch mit bloßem Auge sehen konnte. Ich schob die Spähgläser auf meine Stirn hinauf und blickte mich rasch um, auf der Suche nach irgendeinem Ziel hinter uns, das einen Schuss lohnte, eben überhaupt irgendetwas; ich hatte keine Zeit, wählerisch zu sein.

Ich entdeckte etwas am Horizont, in der Richtung ihres Raumhafens – vielleicht das Verwaltungsgebäude mit der Leitstelle oder eventuell sogar ein Raumschiff. Fast auf gleicher Höhe, aber nur halb so weit entfernt, lag eine gewaltige Konstruktion, die ich aber auch nicht annähernd identifizieren konnte. Die Entfernung zum Raumhafen war extrem, dennoch ließ ich die Rakete das Ziel aufnehmen und sagte zu ihr: „Los Baby, hol’s dir!“ Dann schickte ich sie los, lud die letzte Rakete nach, feuerte sie auf das nähergelegene Gebilde ab und sprang.

Als ich gerade das Gebäude verließ, bekam es eine Breitseite. Entweder hatte einer von diesen langen Lulatschen sich (zu Recht) gesagt, dass es sich lohnen würde, eines ihrer Gebäude für einen von uns zu opfern, oder einer meiner Kampfgenossen war ziemlich nachlässig beim Verschießen seiner Feuerwerkskörper.

Jedenfalls wollte ich von diesem Ort jetzt nicht mehr weiterspringen, und sei es auch noch so flach, sondern beschloss, mich durch die nächsten Häuser hindurchzubewegen statt über sie hinweg. Also schnappte ich mir den schweren Flammenwerfer vom Rücken, als ich auf dem Boden aufsetzte, schob die Spähbrille wieder über die Augen und attackierte die Mauer vor mir mit einer voll aufgedrehten Schneidflamme. Ein Teil der Wand fiel heraus und ich stürmte hinein.

Und dann zog ich mich mindestens ebenso rasch wieder zurück.

Ich weiß nicht, was ich da angebohrt hatte. Einen Gemeindegottesdienst – eine Massenherberge für die langen Lümmel – oder vielleicht sogar das Hauptquartier ihres Heimatschutzes. Ich wusste nur, dass ich in einen großen Saal eingedrungen war, in dem sich mehr von diesen Bohnenstangen befanden, als ich in meinem ganzen Leben sehen wollte.

Wahrscheinlich war es keine Kirche, denn jemand schoss auf mich, als ich rückwärts wieder ins Freie floh. Es war nur eine Kugel, die von meiner Panzerung abprallte, meine Ohren klingeln ließ und mich zum Stolpern brachte, ohne mich zu verletzen. Aber sie erinnerte mich daran, dass ich nicht abtreten sollte, ohne ihnen ein Souvenir als Erinnerung an meinen Besuch zu hinterlassen. Ich nahm das erstbeste Ding, das an meinem Gürtel hing, und schmiss es hinein. Ich hörte, wie das Ding mit schriller Stimme zu plappern anfing. Eine spontane, konstruktive Handlung, lernen wir schon in der Grundausbildung, ist besser, als sich Stunden später zu überlegen, was man am besten getan hätte.

Der Zufall wollte es, dass ich genau das Richtige getan hatte. Es handelte sich um eine Spezialbombe, von der jeder von uns genau eine mit der Weisung erhalten hatte, sie nur zu verwenden, wenn sie ihre Wirkung auch nutzbringend entfalten konnte. Das Geplapper, das ich gehört hatte, kam aus der Bombe, die in der Sprache der Langen verkündete (frei übersetzt): „Ich bin eine Dreißig-Sekunden-Bombe! Ich bin eine Dreißig-Sekunden-Bombe! Neunundzwanzig! … Achtundzwanzig! … Siebenundzwanzig!“

Die Bombe war dazu gedacht, ihre Nerven zum Flattern zu bringen. Vielleicht tat sie das, mir jedenfalls ging sie gründlich auf die Nerven. Ich halte es für die sanftere Tour, einen Mann zu erschießen. Ich wartete nicht, bis der Countdown zu Ende war. Ich sprang, während ich mich fragte, ob das Gebäude genug Türen und Fenster besaß, so dass sie sich alle ins Freie flüchten konnten.

Im Scheitelpunkt des Sprungs peilte ich Reds Blinker an, und nach der Landung den von Ace. Ich war schon wieder hinterher – es war an der Zeit, aufzuholen.

Aber drei Minuten später hatten wir die Lücke geschlossen. Red befand sich keine halbe Meile von mir entfernt an meiner linken Flanke. Er erstattete Jelly Meldung. Wir empfingen Jellys erleichtertes Knurren über den Kopfhörer, als er dem gesamten Platoon verkündete: „Der Ring ist geschlossen, aber der Peilsender ist noch nicht abgesetzt. Rückt langsam vor und macht euch noch bemerkbar! Heizt ihnen noch ein bisschen ein, aber denkt an eure Nebenleute; macht ihnen keinen Ärger! Gute Arbeit bis jetzt – aber versaut es nicht! Platoon! Sektionsweise antreten!“

Es kam auch mir so vor, als hätten wir gute Arbeit geleistet. Große Teile der Stadt standen in Flammen, und obwohl es schon fast hell geworden war, war der Rauch so dick, dass man nicht hätte sagen können, ob man mit dem bloßen Auge oder mit der Infrarotbrille mehr gesehen hätte.

Johnson, unser Sektionsführer, kam über den Kopfhörer herein: „Zweite Sektion, durchzählen!“

Ich rief zurück: „Squad vier, fünf und sechs: Durchzählen und melden!“ Die Vielzahl an sicheren Frequenzen, die uns in der Funkausrüstung der neuen Generation zur Verfügung standen, trug sicherlich zur Beschleunigung unserer Aktionen bei; Jelly konnte zu allen sprechen oder nur zu seinen Sektionsführern; ein Sektionsführer konnte seine gesamte Sektion ansprechen oder nur die Unteroffiziere; und das Platoon konnte, wenn es um Sekunden ging, doppelt so schnell Aufstellung nehmen.

Ich hörte, wie das vierte Squad durchzählte, während ich meine verbliebenen Munitionsreserven durchging und eine Granate auf einen der langen Lümmel pfefferte, der sein Nase um die Ecke gesteckt hatte. Der verkrümelte sich und das tat ich auch – wir sollten uns ja nur „bemerkbar machen“, hatte der Boss gesagt.

Das vierte Squad wurstelte mit der Zählerei herum, bis der Gruppenführer auf die Idee kam, Jenkins fehlende Nummer anzusagen; das fünfte Squad zählte herunter wie ein Rechenschieber und ich begann mich gut zu fühlen … als die Zählung nach Nummer vier in der Einheit von Ace zum Stillstand kam. Ich rief: „Ace, wo ist Dizzy?“

„Sei still“, sagte er. „Nummer sechs! Durchzählen!“

„Sechs!“, antwortete Smith.

„Sieben!“

„Sechstes Squad, Flores fehlt“, vollendete Ace. „Squadleader meldet sich ab zur Suche.“

„Ein Mann fehlt“, meldete ich an Johnson. „Flores, Squad sechs.“

„Verschollen oder gefallen?“

„Ich weiß es nicht. Squadleader und Stellvertretender

Sektionsführer melden sich ab, um Vermissten zu suchen.“

„Johnnie, überlass das Ace!“

Aber ich hörte ihn nicht mehr, also antwortete ich auch nicht. Ich hörte nur, wie er Jelly Meldung erstattete und wie Jelly fluchte. Sehen Sie, ich wollte keine Medaille gewinnen – es ist die Aufgabe des Stellvertretenden Sektionsführers, nach Vermissten zu suchen; er ist der Mann, der alle einsammelt, der letzte am Rückholpunkt, er ist entbehrlich. Die Squadleader haben andere Arbeiten zu erledigen. Wie Sie inzwischen zweifellos erkannt haben, ist der Stellvertretende Sektionsführer nicht unbedingt so lange am Leben wie der Sektionsführer.

In diesem Moment kam ich mir ungewöhnlich entbehrlich vor, fast schon abgeschrieben, weil ich den süßesten Ton im ganzen Universum hörte, das Signal, auf das die Landung des Bergungsschiffes folgen würde und das unseren Rückruf ankündigte. Das Signal ist eine Roboterrakete, die vor dem Bergungsschiff gezündet wird, nur so eine Spitze, die sich in den Boden wühlt und dann diese so herzlich willkommene Musik aussendet. Das Bergungsschiff kommt automatisch drei Minuten später auf diesem Peilstrahl herunter, und man muss rechtzeitig zur Stelle sein, weil der Bus nicht warten kann und es keinen späteren mehr gibt.

Aber man lässt keinen von den anderen Kapsel-Troopern im Stich, nicht solange noch die Chance besteht, dass er noch am Leben ist – nicht bei Rasczaks Raufbolden, nicht bei irgendeiner anderen Truppe der Mobilen Infanterie. Man versucht, jeden mit heim zu nehmen.

Ich hörte Jellys Befehl: „Kopf hoch, Jungs! Haltet euch nahe am Rückholkreis auf und riegelt alles ab! Auf los geht’s los!“

Und ich hörte die liebliche Stimme des Senders: „… zum ewigen Ruhm der Infanterie, glänzt der Name, glänzt der Name von Rodger Young!“, und ich fühlte mich zu dieser Stimme so sehr hingezogen, dass ich am liebsten auf sie draufgesprungen wäre.

Stattdessen bewegte ich mich in die andere Richtung, näher an den Peilsender von Ace heran, und verpulverte alles, was ich noch an Bomben, Sprengsätzen und sonstigem Krempel bei mir hatte, der mich jetzt nur bremsen konnte. „Ace, hast du seine Peilung?“

„Ja. Kehr um, ich brauch’ dich nicht!“

„Ich hab’ dich jetzt im Blickfeld. Wo ist er?“

„Direkt vor mir, vielleicht eine Viertelmeile. Verzieh dich! Er ist mein Mann.“

Ich antwortete ihm nicht; ich bog nur schräg nach links ab, um etwa parallel mit Ace an die Stelle zu gelangen, an der sich nach seinen Worten Dizzy befinden sollte.

Und ich sah Ace über ihm stehen, ein paar verschmorte Lulatsche lagen herum und einige mehr von ihnen rannten davon. Ich landete neben ihm.

„Wir müssen ihn aus der Panzerung herausbekommen – das Schiff wird jede Sekunde landen!“

„Er ist zu schwer verletzt!“

Ich blickte nach unten und sah, dass es stimmte – der Panzer hatte tatsächlich ein Loch, aus dem das Blut strömte. Ich war wie vor den Kopf gestoßen. Wenn man einen Verwundeten bergen will, zieht man ihm die Panzerung aus … dann hebt man ihn einfach auf die Arme – eine Leichtigkeit für einen Mann in einem düsengetriebenen Anzug – und hüpft wieder davon. Ein nackter Mann wiegt viel weniger als die Bomben und die Munition, die man verblasen hat. „Was sollen wir tun?“

„Wir tragen ihn“, entgegnete Ace grimmig. „Du nimmst ihn links an seinem Gürtel.“ Er packte ihn an der rechten Seite und wir stellten Flores wieder auf die Füße. „Festhalten! Jetzt … bereit zum Sprung, wenn ich zähle – eins – zwei!“

Wir sprangen. Nicht sehr weit, nicht sehr gut. Ein Mann allein hätte ihn unmöglich von der Stelle bewegen können; der gepanzerte Anzug ist viel zu schwer dafür. Aber wenn zwei Männer das Gewicht unter sich aufteilen, kann man es schaffen.

Wir sprangen – und wir sprangen – wieder und wieder, während Ace anzählte und wir bei jeder Landung Dizzy auffingen und wieder aufrichteten. Sein Gyroskop-Stabilisator schien ausgefallen zu sein.

Wir hörten, wie der Rückrufsender das Signal abschaltete, als das Bergungsschiff auf ihm landete – ich sah es landen … und es war viel zu weit von uns entfernt. Wir hörten den Ruf des Diensthabenden: „Nacheinander, fertigmachen zum Einstieg!“

Und Jelly rief: „Befehl noch nicht ausführen!“

Wir erreichten endlich das freie Feld und sahen das Schiff auf seinem Heck stehen, hörten das Heulen der Warnsirene, die den Start anzeigte – sahen das Platoon immer noch auf dem Boden im Absperrkreis um das Schiff herum, geduckt hinter dem Schild, den sie aufgebaut hatten.

Wir hörten Jelly schreien: „Nacheinander, Einstieg – Marsch!“

Und wir waren immer noch zu weit weg! Ich konnte sie sehen, die Männer vom ersten Squad, die sich aus dem Kreis schälten, zum Einstieg ausschwärmten, und wie der Sperrkreis enger wurde.

Und einer brach aus dem Kreis aus und kam so rasch auf uns zu, wie das mit einem Kommandeursanzug überhaupt nur machbar ist.

Jelly erreichte uns, als wir noch in der Luft schwebten, packte Flores an seinem Y-Gestell und half uns beim Tragen.

Mit drei Sprüngen waren wir beim Schiff. Alle waren schon an Bord, doch die Luke stand noch offen. Wir hoben Flores hinein und schlossen die Tür, während die Schiffspilotin uns anschrie, dass sie unseretwegen das Rendezvous-Manöver versäumt habe und wir jetzt alle draufgehen würden! Jelly beachtete sie gar nicht; wir setzten Flores ab und legten uns neben ihn. Als der Schub uns packte, murmelte Jelly zu sich selbst: „Alle Mann an Bord, Lieutenant. Drei Verletzte – aber wir sind vollzählig!“

Eins muss ich Kapitän Deladrier lassen: Es gibt keinen besseren Piloten als sie. Ein Rendezvous-Manöver, Bergungsschiff an Raumschiff im Orbit, ist exakt vorausberechnet. Ich weiß nicht, weshalb und warum, aber das Manöver ist festgelegt, und daran kann man nichts ändern. Es geht nicht.

Aber sie schaffte es trotzdem. Sie sah auf ihrem Schirm, dass das Bergungsschiff versäumt hatte, rechtzeitig zu zünden; sie bremste, beschleunigte wieder – stimmte den Kurs auf uns ab, nur nach dem Augenmaß, und wir konnten andocken. Ihr wäre gar keine Zeit geblieben, das Manöver neu zu berechnen. Falls der Allmächtige mal einen Assistenten braucht, um die Sterne auf ihrem Kurs zu halten, dann weiß ich, wo er suchen muss.

Flores starb auf dem Weg nach oben.

KA:02

It scared me so, I hooked it off,

Nor stopped as I remember,

Nor turned about till I got home,

Locked up in mother’s chamber.

Yankee Doodle, keep it up,

Yankee Doodle dandy,

Mind the music and the step,

And with the girls be handy.

Ich hatte nie wirklich vorgehabt, mich zum Dienst zu melden. Und schon gar nicht bei der Infanterie! Warum? Nun, ich hätte mir lieber auf einem öffentlichen Platz zehn Peitschenhiebe verabreichen lassen und mir den Vorwurf meines Vaters angehört, dass ich eine Schande für unseren stolzen Namen sei.

Oh, ich hatte es mal meinem Vater gegenüber erwähnt, gegen Ende meiner Schulzeit im Abschlussjahr, dass ich mich mit dem Gedanken trüge, mich freiwillig zum Dienst bei den Föderalen Einsatzkräften zu melden. Vermutlich denkt jeder Jugendliche darüber nach, wenn sein achtzehnter Geburtstag naht, und meiner fiel in die Woche meiner Abschlussprüfung. Natürlich denken die meisten nur mal darüber nach, spielen ein wenig mit dem Gedanken, und tun dann doch etwas anderes - gehen aufs College, besorgen sich einen Job oder etwas in der Art. Vermutlich hätte ich das auch getan … wenn mein bester Kumpel sich nicht mit der todernsten Absicht getragen hätte, dem Korps beizutreten.

Carl und ich hatten in der Highschool alles zusammen unternommen – wir hatten den Mädchen nachgeglotzt, waren paarweise mit ihnen ausgegangen, hatten uns im gleichen Debattierklub die Köpfe heißgeredet und uns in seinem Heimlabor mit elektronischen Spielereien vergnügt. Ich war kein Held in Elektrotechnik, aber ich konnte ganz gut mit einem Lötkolben umgehen. Carl steuerte den Gehirnschmalz bei und ich führte seine Anweisungen aus. Es machte Spaß; alles, was wir gemeinsam anstellten, machte Spaß. Carls Familie besaß nicht annähernd so viel Geld wie mein Vater, aber das spielte zwischen uns keine Rolle. Als mein Vater mir zum vierzehnten Geburtstag einen Rollscopter schenkte, gehörte er Carl ebenso wie mir; umgekehrt galt das auch für sein Kellerlabor.

Deshalb gab es mir zu denken, als Carl mir mitteilte, er werde sein Studium aufschieben und sich erst mal als Zeitsoldat verpflichten. Er meinte es wirklich so; anscheinend hielt er das für eine natürliche, richtige und offensichtliche Entscheidung.

Deshalb sagte ich ihm, ich würde mich ebenfalls melden.

Er warf mir einen seltsamen Blick zu. „Dein alter Herr wird das nicht erlauben.“

„Hä? Wie könnte der mich aufhalten?“ Und selbstverständlich konnte er das nicht, nicht gesetzlich. Es ist die erste vollkommen freie Wahl, die jeder hat (und vielleicht auch die letzte); wenn ein Junge – oder ein Mädchen – achtzehn Jahre alt wird, kann man sich freiwillig zum Dienst melden, und kein anderer darf einem da etwas reinreden.

„Du wirst es schon sehen.“ Carl wechselte das Thema.

Also setzte ich mich mit meinem Vater auseinander, vorsichtig, auf Umwegen.

Er legte seine Zeitung und seine Zigarre beiseite und starrte mich an. „Sohn, hast du den Verstand verloren?“

Ich murmelte, dass ich das nicht dachte.

„Nun, es hört sich aber so an.“ Er seufzte. „Trotzdem … ich hätte so etwas erwarten müssen; es ist eine voraussehbare Phase bei einem heranwachsenden jungen Mann. Ich erinnere mich noch daran, als du laufen lerntest und kein Baby mehr warst – offen gestanden warst du eine Weile ein kleiner Teufel. Du zerbrachst eine von Mutters Ming-Vasen – absichtlich. Da bin ich ganz sicher … aber du warst zu jung, um zu begreifen, dass sie kostbar war, also bekamst du nur einen Klaps auf die Hand. Ich erinnere mich noch an den Tag, als du mir eine Zigarre geklaut hast und wie übel dir davon wurde. Deine Mutter und ich haben damals absichtlich übersehen, dass du dann kein Abendbrot essen konntest, und es ist das erste Mal, dass ich es dir gegenüber erwähne – Jungs müssen solche Dinge ausprobieren und selbst darauf kommen, dass die Laster der Alten nichts für sie sind. Wir sahen dir zu, wie du den Wendepunkt zum Jugendlichen erreichtest und dir klar wurde, dass Mädchen anders sind – und wunderbar.“

Er seufzte erneut. „Alles normale Entwicklungsstufen. Und die letzte besteht darin, dass ein Junge sich gegen Ende seines Heranwachsens dazu entschiedet, sich freiwillig zu melden und eine hübsche Uniform zu tragen. Oder er entscheidet, dass er verliebt ist, so sehr wie noch keiner vor ihm – und dass er auf der Stelle heiraten muss. Oder beides.“ Er lächelte grimmig. „Bei mir war es beides. Aber ich kam in beiden Fällen noch rechtzeitig zur Vernunft, ehe ich mich zum Deppen machte und mein Leben ruinierte.“

„Aber Vater, ich würde mein Leben nicht ruinieren. Ich werde nur Zeitsoldat – kein Kaderoffizier.“

„Dann lass es uns diskutieren, sollen wir? Ich werde dir sagen, was du tun wirst – weil du das willst. Erstens hat sich diese Familie seit mehr als hundert Jahren aus der Politik herausgehalten und sich nur um ihren eigenen Kram gekümmert – ich sehe keinen Anlass, warum du diese stolze Tradition unterbrechen solltest. Vermutlich steckt dieser Bursche an deiner Schule dahinter – wie war noch gleich sein Name? Du weißt doch, wen ich meine!“

Er meinte unseren Lehrer für Geschichte und Moralphilosophie – selbstverständlich ein Veteran. „Mr. Dubois.“

„Genau der; was für ein blöder Name – der passt zu ihm. Zweifellos ein Ausländer. Es sollte gesetzlich verboten werden, die Schulen als getarnte Rekrutierungsstationen zu benutzen. Ich denke, ich sollte einen gesalzenen Beschwerdebrief schreiben – ein Steuerzahler hat auch ein paar Rechte!“

„Aber Vater, das tut er doch gar nicht! Er …“ Ich hielt inne, weil ich nicht wusste, wie ich es beschreiben sollte. Mr. Dubois hatte eine schnoddrige, überhebliche Art. Er behandelte uns so, als wäre keiner von uns wirklich gut genug für den Dienst. Ich mochte ihn nicht. „Oh, wenn überhaupt, dann entmutigt er uns.“

„Ja klar! Du weißt aber schon, dass man Mäuse mit Speck fängt? Ist auch egal. Wenn du dein Examen in der Tasche hast, wirst du Betriebswirtschaft in Harvard studieren; du weißt das auch. Danach verbringst du eine Zeit an der Sorbonne, gehst auf Reisen, machst dich mit unseren Vertriebspartnern bekannt und siehst dir an, wie das Geschäft anderswo läuft. Dann kommst du wieder nach Hause und machst dich an die Arbeit. Du wirst mit dem üblichen, körperlich anstrengenden Job anfangen, Lageraufseher oder etwas in der Art, aber das ist reine Formsache. Denn ehe du dich versiehst, wirst du dich in einer Führungsposition wiederfinden, denn ich werde nicht jünger, und je früher du dir die Verantwortung auflädst, desto besser. Sobald du tüchtig und willens genug dafür bist, wirst du der Boss sein. Na, hallo! Wie gefällt dir dieses Programm? Oder willst du lieber zwei Jahre deines Lebens vergeuden?“

Ich sagte nichts. Es war keine Neuigkeit für mich; ich hatte gründlich darüber nachgedacht. Vater stand auf und legte seine Hand auf meine Schulter. „Glaube nicht, mein Sohn, dass ich dir nicht zustimme; das tue ich. Aber halten wir uns doch an die Tatsachen. Hätten wir einen Krieg, wäre ich der erste, der dich ermuntern würde – und der seine Firma auf den Kriegsbedarf umstellen würde. Aber wir befinden uns nicht im Krieg und, Gott sei Dank, wird es auch nie wieder welchen geben. Wir sind dem Krieg entwachsen. Dieser Planet ist nun voller Frieden und Glück, und wir unterhalten zudem gute Beziehungen zu anderen Planeten. Was sollen also diese ganzen ‚Föderalen Einsatzkräfte’? Schmarotzertum, nichts weiter! Ein Organ ohne Funktion, äußerst überflüssig, das auf Kosten des Steuerzahlers existiert. Ein entschieden teurer Weg, damit Schwachköpfe, die ansonsten arbeitslos wären, für eine Reihe von Jahren dem Staat auf der Tasche liegen können, um dann den Rest ihres Lebens den Popanz zu spielen. Das willst du tun?“

„Carl ist kein Schwachkopf!“

„Entschuldige. Nein, er ist ein netter Junge … aber fehlgeleitet.“ Er runzelte die Stirn, dann lächelte er. „Mein Sohn, ich hatte eigentlich vor, etwas als Überraschung aufzusparen – ein Geschenk zum Schulabschluss. Aber ich sage es dir jetzt, damit du diesen Unfug leichter aus dem Kopf bekommst. Nicht dass ich Angst davor hätte, was du tust; ich vertraue auf deinen grundlegenden gesunden Menschenverstand, auch wenn du noch grün hinter den Ohren bist. Aber du steckst in der Klemme, ich sehe das – und es wird dich daraus befreien. Kannst du erahnen, was es ist?“

„Äh, nein.“

Er grinste. „Eine Urlaubsreise zum Mars.“

Ich muss wie erschlagen ausgesehen haben. „Guter Gott, Vater, ich hatte ja keine Ahnung …“

„Ich wollte dich überraschen und ich sehe, das ist mir gelungen. Ich weiß doch, wie sehr ihr jungen Leute aufs Reisen steht, obwohl ich nicht verstehe, was daran so toll sein soll, wenn man es einmal erlebt hat. Aber für dich ist es genau die richtige Zeit, so eine Reise zu unternehmen – ganz allein; erwähnte ich das bereits? – und auf andere Gedanken zu kommen … denn wenn du erst einmal Verantwortung trägst, hast du so viel zu tun, dass du dir nicht einmal für eine Woche auf Luna freinehmen kannst.“

Er nahm seine Zeitung zur Hand. „Nein, danke mir nicht, mach dich fort und lass mich meine Zeitung fertig lesen – ich erwarte heute Abend ein paar Herren, um es kurz zu sagen. Geschäftliches.“

Ich trollte mich. Ich glaube, er dachte, damit sei die Sache erledigt … und vermutlich dachte ich das auch. Zum Mars! Und das ganz allein! Doch ich sagte Carl nichts davon; ich hatte den leisen Verdacht, dass er die Reise als Bestechung sehen würde. Vielleicht war sie das auch. Stattdessen sagte ich ihm nur, dass meine Ansichten und die meines Vaters sich offenbar nicht deckten.

„Ja“, erwiderte er, „meiner ist auch dagegen. Aber es ist mein Leben.“

Daran musste ich denken in unserer letzten Unterrichtsstunde in Geschichte und Moralphilosophie. Das Fach unterschied sich von den anderen Unterrichtsdisziplinen darin, dass jeder daran teilnehmen musste, aber keiner die Prüfung abzulegen brauchte – und Mr. Dubois war es offensichtlich egal, ob er bei uns etwas auslöste oder nicht. Er pflegte nur mit dem Stumpf seines linken Armes auf einen zu deuten (er kümmerte sich nie um Namen) und mit einer Frage zu bombardieren. Daraus entwickelte sich dann ein Streitgespräch.

Doch an dem letzten Tag schien er feststellen zu wollen, was wir gelernt hatten. Eine Schülerin machte sich das einfach und sagte: „Meine Mutter behauptet, dass Gewalt niemals zu etwas gut ist.“

„So?“ Mr. Dubois blickte sie düster an. „Ich bin sicher, die Stadtväter von Karthago wären froh, das zu erfahren. Warum teilt deine Mutter es ihnen nicht mit? Oder warum tust du das nicht?“

Sie hatten sich schon häufig während des Unterrichts in den Haaren gehabt, und da man in diesem Fach nicht durchfallen konnte, war es auch nicht nötig, Mr. Dubois Honig ums Maul zu schmieren. Sie erwiderte schrill: “Sie wollen sich wohl über mich lustig machen! Jeder weiß, dass Karthago zerstört wurde.“

„Dir schien das aber unbekannt zu sein“, entgegnete er grimmig. „Da dir die Geschichte jedoch vertraut ist, musst du auch zugeben, dass die Gewalt ihr Schicksal sehr gründlich entschieden hat, oder etwa nicht? Ich wollte dich auch keineswegs persönlich lächerlich machen, das war nicht meine Absicht, sondern nur meine Verachtung für eine unentschuldbar dämliche Meinung ausdrücken – das ist ein Grundsatz, dem ich folge. Jedem, der sich an die historisch unhaltbare – und absolut unmoralische – Lehrmeinung klammert, dass ‚Gewalt nie etwas bringt’, würde ich raten, die Geister von Napoleon Bonaparte und dem Herzog von Wellington zu beschwören und darüber debattieren zu lassen. Hitlers Geist könnte den Schiedsrichter spielen, und die Geschworenen könnte man aus ausgerotteten Vogelarten wie dem Dodo, dem Riesenalk und der Wandertaube rekrutieren. Kein Faktor in der Geschichte hat mehr Auseinandersetzungen beendet als Gewalt, die nackte Gewalt, und die gegenteilige Ansicht ist im schlimmsten Falle Wunschdenken. Jede Population, die diese Grundwahrheit verleugnete, musste immer mit ihrem Leben und ihrer Freiheit dafür bezahlen.“

Er seufzte. „Wieder ein Abschlussjahrgang – und wieder eine Niederlage für mich. Man kann einem Kind Wissen vermitteln, aber man kann es nicht zum Denken zwingen.“ Plötzlich deutete er mit seinem Stumpf auf mich. „Du. Welchen moralischen Unterschied, falls überhaupt, gibt es zwischen dem Soldaten und dem Zivilisten?“

„Der Unterschied“, erwiderte ich vorsichtig, „zeigt sich auf dem Gebiet der staatsbürgerlichen Tugend. Ein Soldat übernimmt persönliche Verantwortung für die Sicherheit einer politischen Gemeinschaft, zu der er gehört, und wird sie nötigenfalls sogar mit dem Preis seines Lebens verteidigen. Der Zivilist tut das nicht.“

„Wortwörtlich aus dem Lehrbuch“, sagte er verächtlich. „Aber verstehst du das auch? Glaubst du daran?“

„Äh – ich weiß nicht, Sir.“

„Natürlich glaubst du nicht daran! Ich bezweifle, dass jemand von euch die ‚staatsbürgerliche Tugend’ erkennen würde, wenn sie hier auftauchen und euch ins Gesicht schreien würde!“ Er blickte auf seine Uhr. „Und das ist alles, wirklich alles, dieses Mal. Vielleicht werden wir uns einmal unter glücklicheren Umständen wiedersehen. Wegtreten.“

Gleich danach folgte das Examen und drei Tage später mein Geburtstag, und eine knappe Woche später hatte Carl ebenfalls Geburtstag – und ich hatte Carl immer noch nicht gestanden, dass ich mich nicht freiwillig melden würde. Sicherlich setzte er bereits meine Weigerung voraus, aber wir redeten nicht darüber – es war hochnotpeinlich. Ich sorgte nur dafür, dass ich ihn am Tage nach seinem Geburtstag treffen konnte und begleitete ihn zum Rekrutierungsbüro.