Staubsauger und andere Monster (Kurzgeschichten) - Uli Kreimeier - E-Book

Staubsauger und andere Monster (Kurzgeschichten) E-Book

Uli Kreimeier

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Beschreibung

Neue satirisch-überspitzte Kurzgeschichten von Uli Kreimeier, dem Meister der grotesken Wendung. Stories über den ganz normalen Wahnsinn. INHALT Fröhliche Weihnacht Hass Hilfe! Sommerzeit Mr. Cool Sriller Vorschrift Was hat der gesagt? Weißnich Wie eine Klette Zugfahrt Plastikflaschen Diät Ein schweres Los Kalt Kleinigkeiten Vergessen

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Seitenzahl: 63

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Staubsauger und andere Monster

Ein CassiopeiaPress E-Book

© by Author

© 2012 der Digitalausgabe 2012 by AlfredBekker/CassiopeiaPress

www.AlfredBekker.de

1. digitale Auflage 2014 Zeilenwert GmbH

ISBN 9783956171031

INHALT

Cover

Titel

Impressum

Staubsauger und andere Monster

Fröhliche Weihnacht

Hass

Hilfe!

Sommerzeit

Mr. Cool

Sriller

Vorschrift

Was hat der gesagt?

Weißnich

Wie eine Klette

Zugfahrt

Plastikflaschen

Diät

Ein schweres Los

Kalt

Kleinigkeiten

Vergessen

Fröhliche Weihnacht

In grellem Licht räkeln sich rot-gold glitzernde Geschöpfe lasziv vor meinen Augen. Verführerisch präsentierte, braungebrannte und knusprig anmutende Wesen sorgen für erhöhten Speichelfluss. Von zarter Haut umhüllte, im Munde langsam schmelzende und für bisher nie gekannte sinnliche Genüsse sorgende Leckereien, machen es mir schwer zu widerstehen.

Es ist der 1. September. Das herannahende Weihnachtsfest soll ab sofort für neue Polster auf den Hüften der Käufer und auf den Konten der Kaufleute sorgen. In diesem Jahr hat sich die Leitung des Kaufhauses innovativ wie nie zuvor effektivste Stimuli für zaudernde Konsumenten einfallen lassen.

Wenn es der willensstarke Mann oder die resolute Frau auch schaffen mag, den lecker dargebotenen Konditoreiprodukten unter Aufbietung der letzten Willenskraftreserven so eben noch zu widerstehen, so kann niemand der neuesten Masche mehr entrinnen.

Allerorten stehen süße Weihnachtsengel in Strapsen oder ölglänzende Sixpack-Kerle im original Tarzan-Lendenschurz. Diese Animateure halten silberne Tabletts mit Kostpröbchen in den Händen und bitten alle Vorbeiströmenden, reichlich davon zu probieren.

Ob Nürnberger Mammut-Lebkuchen, mit Pflaume in Madeira gefülltes Marzipan oder dicke Scheiben allerfeinsten Dresdner Christstollens… alles, was die Geschmacksknospen der Genießer aufblühen lässt, wird feilgeboten.

Im kulinarischen Rausch wandert da auch schon mal die Hand einer treusorgenden Gattin verschämt und zaudernd zum kaum bedeckten, strammen Po eines bronzefarbenen Bodybuilders. So mancher rüstige Rentner riskiert einen Blick in die tiefsten Abgründe des Dekolletés der engelsgleichen, ganz in Weiß gewandeten Schönheiten.

Mascara, Lidschatten, Kajal-Stift, Lippenstift und Lipgloss, Rouge und Duft von Chanel: sage mir jemand, wie ein vom alten Adam abstammendes männliches Geschöpf, durch dessen Adern auch nur noch ein schmales Rinnsal Blut fließt, diesem weiblichen Waffen-Arsenal heldenhaft Widerstand leisten können soll. Er kann es einfach nicht! Er siecht dahin! Der Overkill hat sein Ziel erreicht.

Die Kundinnen (und einige der Kunden ebenso) verlieren die Contenance angesichts haariger Oberschenkel, straffer Brustmuskeln und strahlend blauer Augen in Men’s Health-Cover-kompatiblen Adonis-Gesichtern.

Da in der Getränkeabteilung des Kaufhauses auf derselben Etage anlässlich des zehnten Jahrestages der Geschäftseröffnung Sekt kostenlos ausgeschenkt wird, legen manche Kunden eine gewisse Beschwingtheit an den Tag.

Auch die Animateure nippen zur Feier des Tages an Sektgläsern oder Glühwein, der– im September friert man in Deutschland gemeinhin jämmerlich– zusätzlich zum Zwecke der Steigerung der Verkaufszahlen an eigens dafür aufgestellten Theken ausgeschenkt wird. Kleine blaue Bonbons verschwinden in den Mündern der Adonisse. (Hört sich an wie Penisse, aber egal.) Müssen Halsschmerzen haben.

Ich stehe staunend an der Seite und gebe vor, in einem Lebkuchen-Prospekt zu lesen. Sehr bald sucht die eine oder andere Zunge einer Kundin den Weg in einen Adonis-Mund. Hier ist das Ziel nicht nur der Weg!

Dass alsbald alle in den Etagen darüber und darunter liegenden Umkleidekabinen mit kopulierenden Weihnachtsengeln und vögelnden Bodybuildern in beliebiger Kombination (Engel mit Adonis, öliger Kerl mit männlichem Verkaufspersonal, verheirateter Hosenkäufer mit Rauschgold-Püppchen) belegt sind, soll in der Folge für einen Skandal beträchtlichen Ausmaßes in der überwiegend katholisch geprägten deutschen Großstadt sorgen.

„Gruppensex im Kaufhaus“ oder „Süße Sauereien“ lauten Schlagzeilen in der Presse an den Tagen darauf. In der Geschäftsleitung sollte das noch ein lautes Stühlerücken zur Folge haben.

Verwirrt und belustigt zugleich, versuche ich dem Spektakel zu entgehen. Es gibt inzwischen mehr Betrunkene als Nüchterne auf der gesamten Ebene des Gebäudes. Ich schleiche mich zu einem Aufzug und fahre gen Erdgeschoss und Ausgang. Doch in der zweiten Etage wird der Lift abgebremst.

Ein vollbusiger, halb bekleideter Weihnachtsengel und ein sichtlich erschöpft wirkender „ganzer Kerl“ (dank Chappi) steigen zu.

„Wenn dein Nikolaus nicht mehr Stehvermögen hat… Ihr Kerle sollt nicht so viele Anaholika schlucken. So heißen die Dinger doch?“ Der Bemeckerte rollt resigniert die Augen.

Der Vorbau vom Christkind erfordert offenbar Körbchen, die von der Größe her auch einem Zwergdackel Zuflucht gewähren könnten. Beim Anblick solcher Königs-Klopse bekomme ich schon mal Luftnot. Leichter Schwindel stellt sich jetzt bereits ein.

„Ach, das is’ ja noch einer.“ Spricht’s und stoppt den Aufzug zwischen den Stockwerken.

„Nein danke, ich hab’ heute Migräne“, wende ich verschüchtert ein.

„Aber dein Weihnachtsmann doch bestimmt nicht“, säuselt die in an chemische Kriegsführung erinnernde  Parfümwolken gehüllte Weihnachtsmaus. Sie hat verschmiertes Make-up und blutunterlaufene Augen. Die Zähne möchte ich lieber nicht sehen; ich wette, Mausi hat zwei übermäßig lange Eck-Bajonette.

„Ich muss um zwölf das Essen auf dem Tisch stehen haben. Ich bin Hausmann, Sie verstehen doch? Bitte verschonen Sie mich… Die Kinder kommen von der Schule und der Gasableser wollte auch noch…“

„Papperlapapp! Bin ich– ups, Bäuerchen– bin ich dir etwa nicht gut genug, mein Hase?“

„Doch, doch. Jederzeit gern, nur gerade heute…“

Sie öffnet den Reißverschluss an meiner Hose. Ich haue ihr auf die Finger. Sie lässt sich nicht beirren. Ich sacke zusammen und stelle mich tot. Hilft auch im Tierreich!

„Nu, was hadder denn, der Kleine?“. Erst jetzt fällt mir auf, dass sie etwas sächselt. Ist in der DDR wahrscheinlich nur knapp an einer Ausweisung wegen exorbitanter Genossen-verschleißender Nymphomanie (wenn’s das gab) vorbeigekommen.

Der zweiten Geisel gelingt es in dem Moment, den Aufzug weiterfahren zu lassen. Das Erdgeschoss ist schnell erreicht, ich erwache zum Erstaunen der anderen Fahrgäste abrupt aus dem Koma und suche das Weite.

„Hey, so geht’s aber nich’, einfach so abzuhauen. Na dann musst du noch mal, mein Held“, quetscht sie den armen Adonis mit der gesammelten Potenz der riesigsten Möpse der Stadt an die Aufzugwand.

„Hilfe“, kann ich noch undeutlich bei meiner Flucht ausmachen. Die ihm vor dem Gesicht dräuenden Fleischberge dämpfen sein Ansinnen aber weitestgehend. Die Nase ist bereits jetzt verschwunden, wie ich bei einem schnellen Blick über meine Schulter feststelle.

Vor dem Eingang gewahre ich ein „Frie-Tiwi“-Team, das schon die Witterung aufgenommen hat und Sodom und Gomorrha digital festhalten möchte– für die nächste Sendung mit Brigitte Schrobacke.

Ich genieße die vorweihnachtlichen 27 Grad und freu mich schon aufs Fest. Sie auch?

Hass

Wissen Sie, was Ihnen entgeht, wenn Sie noch nie mit aller Inbrunst gehasst haben? Der träge Kreislauf kommt aus dem Keller (wenn ich wüsste, was er da immer will, da ist es doch kalt und dunkel), die blasse Haut bekommt Farbe, die Atmung wird beschleunigt und geht in den besten Momenten in ein Keuchen und Stöhnen über. Nie gehörte, in der gesamten Nachbarschaft zu vernehmende Schreie und Seufzer entringen sich der Brust.

Nee, nee, kein Sex. Pfui. Hass! Nu’ denken Sie, welcher Schuft kann jemanden so zur Weißglut bringen. Falsch, ganz falsch. Betrachten Sie ruhig einmal unseren…

…Staubsauger. Ein guter, alter Bodenstaubsauger des deutschen Herstellers schlechthin. Zuerst fummeln sie an seinem Hinterteil herum, um ihm eine langes, langes Kabel aus dem selbigen heraus zu ziehen. Bandwurm lässt grüßen.

Nach dem Herstellen der Verbindung mit dem sich den horrend hohen Benzinpreisen langsam aber sicher angleichenden deutschen Stromnetz, drücken Sie nun bitte auf die Taste mit dem Strich, der inmitten eines Kreises sich befindet. Erinnert in etwa an das Schild „Verbot der Einfahrt“; der Strich ist nur dünner.

Dann brüllt das Monster los. Alle tausendundsoundsoviel Watt stemmen ihre Hacken in den Boden und ziehen, was das Zeug hält: nämlich die Luft durch die Bodendüse in den Bauch des sinistren Unholds.