Stay Lucky - Leta Blake - E-Book

Stay Lucky E-Book

Leta Blake

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Beschreibung

Vor langer Zeit wurde Grants Hoffnung auf ein Happy End mit seinem Kindheitsfreund Leo zerschlagen, als dieser sich nicht für ihn, sondern für einen Filmstar entschieden und ihre gemeinsame Heimatstadt verlassen hat. Jetzt ist Leo zurück – ohne Partner und mit seiner kleinen Tochter Lucky im Schlepptau. Eigentlich ist Grant fest entschlossen, Leo aus dem Weg zu gehen, doch das lässt sich kaum umsetzen, denn Leo ist aufgrund gesundheitlicher Probleme unerwartet häufig in dem Krankenhaus, wo Grant als Chirurg arbeitet. Immer wieder begegnet Grant Lucky im Wartezimmer und freundet sich im Laufe der Zeit mit dem cleveren Mädchen an. Und auch Leo schleicht sich mit seiner ruhigen Stärke und dem unerbittlichen Kampfeswillen in Grants Herz. Gewährt ihnen das Schicksal hier eine zweite Chance oder verlässt die beiden Männer das Glück, noch bevor sie wieder zueinandergefunden haben?

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Seitenzahl: 338

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Deutsche Erstausgabe (ePub) April 2022

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2020 by Leta Blake

Titel der Originalausgabe:

»Stay Lucky«

Published by Arrangement with Leta Blake

Für die deutschsprachige Ausgabe:

© 2022 by Cursed Verlag

Inh. Julia Schwenk

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,

des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung

durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit

Genehmigung des Verlages.

Bildrechte Umschlagillustration

vermittelt durch Shutterstock LLC; iStock; AdobeStock

Satz & Layout: Cursed Verlag

Covergestaltung: Hannelore Nistor

Druckerei: CPI Deutschland

Lektorat: Bernd Frielingsdorf

ISBN-13: 978-3-95823-940-1

Besuchen Sie uns im Internet:

www.cursed-verlag.de

Aus dem Englischen von Charlotte Roiß

Liebe Lesende,

vielen Dank, dass ihr dieses eBook gekauft habt! Damit unterstützt ihr vor allem die*den Autor*in des Buches und zeigt eure Wertschätzung gegenüber ihrer*seiner Arbeit. Außerdem schafft ihr dadurch die Grundlage für viele weitere Romane der*des Autor*in und aus unserem Verlag, mit denen wir euch auch in Zukunft erfreuen möchten.

Vielen Dank!

Euer Cursed-Team

Klappentext:

Vor langer Zeit wurde Grants Hoffnung auf ein Happy End mit seinem Kindheitsfreund Leo zerschlagen, als dieser sich nicht für ihn, sondern für einen Filmstar entschieden und ihre gemeinsame Heimatstadt verlassen hat. Jetzt ist Leo zurück – ohne Partner und mit seiner kleinen Tochter Lucky im Schlepptau. Eigentlich ist Grant fest entschlossen, Leo aus dem Weg zu gehen, doch das lässt sich kaum umsetzen, denn Leo ist aufgrund gesundheitlicher Probleme unerwartet häufig in dem Krankenhaus, wo Grant als Chirurg arbeitet. Immer wieder begegnet Grant Lucky im Wartezimmer und freundet sich im Laufe der Zeit mit dem cleveren Mädchen an. Und auch Leo schleicht sich mit seiner ruhigen Stärke und dem unerbittlichen Kampfeswillen in Grants Herz. Gewährt ihnen das Schicksal hier eine zweite Chance oder verlässt die beiden Männer das Glück, noch bevor sie wieder zueinandergefunden haben?

Anmerkung der Autorin zur zweiten Auflage

Dieses Buch wurde ursprünglich Anfang 2010 zu einer Zeit geschrieben, als ich mich mit einigen Themen schriftstellerisch auseinandersetzen wollte: zweite Chancen, Gegensätze, die sich anziehen, Arztromanzen und schonungslos ehrliche Helden. Ich habe diesen Roman für die Veröffentlichung im Jahr 2018 unter meinem Pseudonym Halsey Harlow überarbeitet. Um meine Bücher zu bündeln, veröffentliche ich jetzt alle Halsey-Harlow-Bücher als Leta Blake neu. Außerdem war meine Tochter, als ich dieses Buch geschrieben habe, vier Jahre alt. Luckys Verhalten ist stark von ihr inspiriert, insbesondere ihre Besessenheit von griechischen Mythen. Einige Betaleser:innen fanden Luckys Charakter für eine Fünfjährige unglaubwürdig. Tja, ich wusste eben schon immer, dass meine Tochter in jeder Hinsicht unglaublich ist! Es ist schön, das bestätigt zu bekommen.

Widmung

Für Luck

Warnung

Falls du im medizinischen Bereich arbeitest, musst du vielleicht ab und an ein Auge zudrücken.

Prolog

Die Zikaden zirpten unaufhörlich in den Bäumen und erfüllten die schwüle Luft des Sommerabends mit Geräuschen. Die Kühle der Limonadenflasche in seiner Handfläche war die einzige Erleichterung von der klebrigen Sommerhitze, als Grant sich in den hölzernen Gartenstuhl zurücklehnte. Er beobachtete, wie die blassen Beine der kleinen Lucky unter ihrem blassgelben Kleid hervorlugten. Ihre braunen Haare wehten hinter ihr her, als sie den Rand des glänzenden Teiches umrundete.

Mit erhobener Faust rief Lucky: »Ich habe die böse Medusa besiegt! Ich, Perseus, werde dich jetzt retten, oh meine liebste Andromeda!«

»Bist du sicher, dass die Geburtsurkunde echt ist?«, fragte Grant, nippte an seinem Bier und wischte sich den Schweiß von der Oberlippe. Er fuhr sich mit einer Hand durch sein verschwitztes dunkles Haar und dann über seine ebenso dunkle Brustbehaarung, während er sich mit nacktem Oberkörper sonnte. Seine kakifarbenen Shorts klebten in der Abendhitze an seinen Beinen.

»Ja, ich bin sicher, du Trottel«, antwortete Leo, drehte ein Minzblatt in seiner Hand und schnupperte ab und zu daran. Er trug ein weißes T-Shirt und abgeschnittene Jeansshorts. Seine weizenfarbenen Haare hatte er sich locker aus der Stirn gestrichen.

»Sie sieht nicht aus, als wäre sie fünf Jahre alt, und diese Vorliebe für griechische Mythen ist…«

»Frühreif, ich weiß.« Seine grauen Augen funkelten, als Leo ihn angrinste.

Grant rümpfte die Nase. »Äh, ja, nein, ich wollte eher sagen seltsam.«

»Ihr Leben ist im Moment ziemlich außer Kontrolle«, sagte Leo. »Die Mythen sind auch chaotisch, aber sie haben ihre eigene Art von Gerechtigkeit. Medusas Kopf verwandelt das Seeungeheuer in Stein, Andromeda und Perseus sind glücklich miteinander.«

»Zeus kann seine Hose nicht anbehalten.«

Leo lachte. »Stimmt. Aber ich glaube, sie braucht die Mythen gerade jetzt.«

»Sie braucht die Sesamstraße.«

Leo rollte liebenswert mit den Augen. »Komm schon, du liebst es.«

Grant zuckte mit den Schultern. Das tat er. Er liebte es, Lucky zu den Schwesternstationen zu bringen und zu beobachten, wie sich ihre Gesichter innerhalb von zehn Sekunden von erfreut zu verwirrt wandelten. Er liebte es, ihre kleine Hand in seiner zu spüren und zu sehen, wie sie lächelte, wenn sie ihn sah. Und am meisten liebte er, dass ihr Vater ein wenig gesünder aussah, wenn Lucky in der Nähe war.

Zehn Monate waren vergangen, seit er Leo erneut zum ersten Mal gesehen hatte, und sechs Monate, seit er dies tun konnte, als wäre es ein normaler Teil seines Lebens, der nicht verschwinden würde. Sechs Monate, in denen Lucky am Tisch Malen-nach-Zahlen-Bilder malte und Biologiefragen rief, während Grant und Leo in der Küche Salat schnippelten. Die besten sechs Monate seines Lebens.

»Was isst ein Gehirn, Dr. Grant?«, hatte Lucky am Freitag zuvor gefragt.

»Kein Junkfood«, hatte Leo gesagt. »So viel kann ich dir sagen.«

Grant erzählte von Glukose und Lucky nickte und sagte schließlich: »Also isst es doch Zucker. In Wackelpudding ist Zucker.«

»Das ist was anderes«, beeilte sich Leo klarzustellen. »Sag es ihr, Grant.«

Grant seufzte. »Mein Gehirn, von dem wir alle wissen, dass es das beste Gehirn im ganzen Bundesstaat ist, geschweige denn im ganzen Raum…«

»Warum nicht gleich im ganzen Land?« Leo grinste.

»Ich habe diese Bescheidenheit ausprobiert, von der du mir immer erzählst.«

»Und du bist gescheitert.«

»Weil es eine Lüge ist! Das beweist meinen Standpunkt! Bescheidenheit ist nur eine Lüge, damit sich andere besser fühlen, weil sie Verlierer sind.«

Leo lachte und schüttelte den Kopf über Grant.

Grant räusperte sich und fuhr fort: »Also, Lucky, wie ich schon sagte, das größte Gehirn im ganzen Land liebt es, den Zucker aus Wackelpudding zu essen.«

»Oh, Grant«, schimpfte Leo.

»Vor allem roter Wackelpudding. Egal, ob Erdbeere oder Kirsche, Hauptsache, er hat diese zusätzlichen bewusstseins- und stimmungsverändernden Substanzen im Farbstoff. Du kennst doch den Farbstoff, der aus zerquetschten giftigen Käfern und Kohleabfällen hergestellt wird? Ja, das ist es, was mein Gehirn mag.«

Leo hatte ihm einen Schlag auf den Arm verpasst, und es machte Grant immer noch glücklich, an das Lächeln zu denken, das Leo unter seiner gespielten Wut zu verbergen versucht hatte.

Das war vor drei Tagen, und jetzt spielte Lucky am Wasser am Rande des Teichs, schlug in die Luft und tötete unsichtbare Monster. Leo hatte wahrscheinlich recht, dass sie sich besser fühlte, wenn sie in ihrer Fantasie etwas zerstörte, während sie in ihrem wirklichen Leben das, was ihr am meisten Angst machte, nicht töten konnte.

»Woran denkst du gerade?«, fragte Leo und warf die Minze nach ihm. »Du siehst unglücklich aus.«

»An morgen«, sagte Grant. »Muresan ist ein arroganter Idiot, der in der Highschool in Chemie gerade mal eine Eins minus bekommen hat. Warum sie ihn mit einem Skalpell in die Nähe von Menschen lassen, weiß ich nicht, und warum du zulässt, dass er dich damit –«

»Du hast dir seine Highschool-Zeugnisse angesehen? Ist das legal? Wie hast du das überhaupt geschafft?«

»Sheriff Memaw teilt meine Bedenken«, sagte Grant.

»Ist es eine gute Idee, den Glauben des Patienten an die Kompetenz seines Chirurgen auf diese Weise zu untergraben?«

Grant öffnete und schloss ein paarmal den Mund, bevor er sagte: »Es ist noch nicht zu spät, einen besseren Arzt einzufliegen.«

»Muresan ist sehr gut darin, Grant. Er hat schon Dutzende von Nierentransplantationen durchgeführt.« Leo beugte sich vor und lehnte seinen Kopf an Grants Schulter. »Wenn wir uns schon Sorgen machen, dann darüber, ob meine Schwester wieder abspringt. Mom sagt, dass sie sich dieses Mal verpflichtet hat, aber ich weiß es nicht. Es ist eine große Sache, eine Niere wegzugeben. Ich bin sicher, sie hat Angst.«

»Oh, bitte. Schließlich kümmerst du dich um ihren…« Grant konnte sich gerade noch davon abhalten, Bastard zu sagen, nur für den Fall, dass Lucky ihn hören konnte. »Du ziehst Lucky auf, und ich würde sagen, das ist sie dir schuldig. Wenn sie sich aufregt, weil man ihr in die Seite schneidet und eine hübsche kleine Narbe hinterlässt…«

»Sie ist immer noch meine kleine Schwester.«

»Ja, aber sie ist kein Kind mehr.« Grant zeigte auf Lucky, die gerade Stöcke ins Wasser warf. »Das? Das ist ein Kind. Und sie braucht dich, weil ihre verzogene Mutter seit ihrem 17. Lebensjahr nicht ein einziges Mal das Richtige für sie getan hat, also nimm bitte keine Rücksicht auf Hannahs Gefühle.«

»Dr. Anderson, wer hätte gedacht, dass Sie so eigensinnig sind?«

Grant sagte: »Jeder.«

»Ich sollte wahrscheinlich beleidigt sein.«

»Warum?«

Leo rollte mit den Augen. »Egal. Ich habe keine Lust, es dir heute Abend zu erklären. Ich würde lieber über andere Dinge nachdenken. Zum Beispiel, wie schön es sein wird, wenn ich mich besser fühle. Ich wollte dir schon lange ein paar Dinge zeigen«, sagte Leo und wackelte anzüglich mit den Augenbrauen.

»Ja, klar«, sagte Grant. »Wohl eher andersherum.«

»Wie ich schon sagte, es wird nett werden.«

»Ich bin nicht immer nett.«

»Ach was.« Leo lachte. »Du bist schlimmer als ein Fünfjähriger, wenn es darum geht, zu teilen, gut zu essen, zu schlafen und generell den sozialen Anstand zu wahren.«

»Ich muss die Konkurrenz schlagen«, sagte Grant und nickte in Luckys Richtung. »Ich kann sie doch nicht gewinnen lassen, oder? Was für ein Vorbild wäre ich dann?«

»Irgendwie glaube ich, du verstehst das alles falsch.« Leo lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »So gern ich auch ewig hier draußen bleiben würde, um Lucky zu beobachten und den Tag ausklingen zu lassen, ich werde müde.«

Grant sagte nichts. Der Schweiß auf seinem Körper fühlte sich plötzlich kalt an. Morgen früh würde Dr. Ken Muresan Leo aufschneiden und die Niere, die sie Hannah im angrenzenden Operationssaal entnommen hatten, direkt in Leos rechte Seite einsetzen, direkt über seiner nicht funktionierenden rechten Niere. Dann würden sie ihn zunähen und eine frische neue Narbe auf Leos rechter Seite hinterlassen, die zu der auf seiner Brust passen würde.

»Ich habe Angst«, sagte Leo.

»Dir wird nichts passieren«, sagte Grant.

»Wenn mir etwas zustößt, sollst du wissen, dass Curtis rechtlich gesehen immer noch ihr anderer Elternteil ist. Er hat aber versprochen, auf seine Rechte zu verzichten und meiner Mutter zu erlauben, Lucky zu adoptieren.«

»Leo«, sagte Grant und hob eine Hand, weil er das nicht hören konnte. Er konnte nicht darüber nachdenken.

»Hör einfach zu, okay? Ich habe meiner Mutter gesagt, dass ich dich in ihrem Leben haben möchte. Okay? Versprich mir, dass du für Lucky da sein wirst, wenn mir etwas zustößt. Egal, was passiert.«

Grant starrte Leo an und er hatte das Gefühl, Leos Gehirn zu sehen, die verdrehte, aufregende graue Masse, in der die Person steckte, die Grant liebte. »Ich gebe dir mein Wort.«

Leo lehnte sich wieder in seinem Stuhl zurück. »Danke.«

Grant starrte auf Leos Gesicht, auf den Übergang zwischen Hals und Kiefer und auf seine langen Wimpern, die langsam blinzelten.

Dann kam Lucky mit schlammverschmierten Händen auf sie zu, hielt sie dramatisch hoch und sagte: »Raus, verdammter Fleck! Raus, sage ich!«

Grant sah Leo an, der lächelte und sagte: »Okay, seltsam ist vielleicht das richtige Wort.«

Kapitel 1

Zehn Monate zuvor

Grant hatte einen schrecklichen Tag. Es hatte damit begonnen, dass ein Patient auf dem OP-Tisch im Sterben lag. Unerwartete Verwachsungen, die den Weg zum Tumor versperrten, hatten zu einem eindrücklichen Moment geführt, in dem Grant einen Schnitt machte und plötzlich Blut quer durch den Raum spritzte.

Von da an ging es bergab, und die Anordnung zum Verzicht auf Wiederbelebung machte die Sache endgültig, auch wenn Grant nicht überzeugt war, dass das Ende unvermeidbar gewesen wäre.

Dann war sein Mittagessen aus unerklärlichen Gründen von irgendeinem Idioten aus dem Kühlschrank geklaut worden. Es war ihm schleierhaft, wie man auf die Idee kam, den ekelhaften Mikrowellenfraß zu stehlen. Als er dann beschloss, sich mit dem zweifelhaften Angebot der Krankenhauscafeteria abzufinden, stellte er fest, dass diese wegen einer Routinereinigung oder Wartung geschlossen war. Grant wusste nicht, was von beiden es war, und es war ihm auch egal.

Er war hungrig und wütend, als er durch die Hauptlobby des dritten Stocks stapfte. Und da sah er Leo Garner, den Leo Garner, der Grant sechs Jahre zuvor zugunsten seines Ex', einem aufsteigenden Stern am Schauspielhimmel, abserviert hatte. Er stand da und unterhielt sich mit einer Krankenschwester, lächelte, lachte und gestikulierte auf eine Art und Weise, die Grants Herz immer einen Schlag aussetzen lassen hatte.

Warum? Warum?

Und warum gerade jetzt? An einem Tag wie heute? Leo sollte nicht hier in Grants Krankenhaus sein. Er sollte am anderen Ende des Landes sein, mit seinem jetzt superberühmten und superheißen Freund, Curtis Banks. Was zum Teufel? Es war noch nicht einmal Weihnachten!

Ohne lange zu überlegen, machte Grant auf dem Absatz kehrt und ging in die Umkleide des ärztlichen Personals. Er zog seinen Arztkittel und die OP-Kleidung aus, warf sich Jeans und Hemd über und schnappte sich seine Tasche. Er war fertig mit dem Tag. Einfach fertig. Es war ihm egal, dass ihm der Papierkram bis zum Hals stand und dass die Krankenschwestern in ihrer Verwirrung die Telefonleitung zum Glühen bringen würden. Denn zum ersten Mal in den vielen Jahren, in denen er am Appalachian Medical arbeitete, hatte Dr. Grant Anderson beschlossen, dass es genug war. Ein toter Patient, kein Essen und ein Ex-Freund, der in seinem Krankenhaus auftauchte, hatten ihn eingeholt, nachdem er drei Wochen lang ein unerbittliches Arbeitstempo eingehalten hatte, um sich einer Beförderung würdig zu erweisen, die ihm verweigert worden war. Nachdem er der Oberschwester gesagt hatte, dass er gehen würde, verließ er das Gebäude und blickte nicht mehr zurück.

Vielleicht war das etwas dramatisch, aber er wusste, dass er jemandem wehtun würde, wenn er das Appalachian Medical nicht sofort verließ.

Möglicherweise sich selbst.

Zurück in seiner Wohnung machte Grant sich ein Bier auf und stürzte sich auf seinen Fast-Food-Burger. Er schmeckte wie Sägemehl. Er starrte auf den leeren Fernsehbildschirm. Passend dazu, wie der Tag bisher verlaufen war, war es nicht verwunderlich, dass es nichts gab, was man sich ansehen konnte. Die Kabelfirma hatte anscheinend beschlossen, ihm den Rest zu geben: Zur Wahl standen Trash-TV oder schreiende Politiker, und die einzige Seifenoper, mit der er sich vielleicht den Verstand hätte betäuben können, drehte sich gerade um einen idiotischen Seifenopern-Schwulen, der sich nicht zwischen zwei ebenso hässlichen Verlierern entscheiden konnte.

Grant warf die Fernbedienung auf die andere Seite des Sofas. »Wie auch immer. Schlafen kann er eh mit keinem von beiden. Die American Family Association würde das Studio niederbrennen.«

Er rieb sich die Augen, schüttelte den Kopf und versuchte, die unterschwellige Gereiztheit in den Griff zu bekommen, die ihn durchströmte.

Sein Handy klingelte. Grant warf einen Blick auf das Display und fluchte. »Anderson«, sagte er und nahm den Anruf entgegen.

»Hey, Partner«, sagte Dennis McGraw, sein Stabschef, Ehemann seines besten Freundes und sein Erzfeind schlechthin, fröhlich. »Machst du blau?«

»War der Krankenhaus-Buschfunk so schnell?«, fragte Grant und schüttelte verärgert den Kopf.

»Ja. Es heißt, Dr. Anderson sei heute durchgedreht. Endlich. Überall wird Geld ausgetauscht. Anscheinend gab es schon länger Zweifel, ob du überhaupt ein Mensch bist«, sagte Dennis.

Grant verdrehte die Augen. »Wenn du mich schneidest, blute ich dann nicht?«

»Wir waren uns nicht sicher. Nicht, dass ich so etwas gutheißen würde. Warte mal kurz.« Gedämpft, als spräche er mit jemandem neben sich, fuhr er fort: »Nein, gib mir zwei Zwanziger und zwei Fünfer und ich gebe dir drei Einser und wir sind quitt. Hm? Klar. Okay, ich bin wieder da.«

»Nicht, dass du so etwas gutheißen würdest«, wiederholte Grant.

»Du hast also heute einen Patienten verloren. Mach eine Pause. Erhol dich davon. Wir sehen uns dann morgen.«

Grant legte auf, bevor er etwas erwidern konnte.

Es ging nicht um den Patienten. Na ja, schon, aber die Cafeteria war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hatte. Es war sicher nicht der Anblick von Leo, der ihn in die Flucht geschlagen hatte. Sicher, es war unangenehm, seinem Ex so über den Weg zu laufen, aber die letzten vier Weihnachtsbegegnungen hatte er gut überstanden.

Er war schließlich nicht in den Kerl verliebt gewesen. Bis jetzt war sein Herz in dieser Hinsicht rein. Es war zum Glück nie von unkontrollierter Zuneigung befleckt worden. Aber wenn er ehrlich zu sich selbst war, was ihm zugegebenermaßen widerstrebte, wäre es mit Leo beinahe so weit gekommen.

Was, wenn Curtis Banks nicht nach Blountville, North Carolina, zurückgekehrt wäre, um Leo anzuflehen, ihre Highschool-Romanze wiederzubeleben und mit ihm nach Los Angeles zu gehen, wo er Leo eine glänzende Zukunft an der Seite eines aufstrebenden Fernsehstars versprach? Gott allein wusste, ob Grant nicht doch die Kontrolle verloren und sich verliebt hätte.

Er schauderte.

Zum Glück war das nicht passiert. Um ehrlich zu sein, wollte Grant gar nicht daran denken, was hätte passieren können. Er war nie ein Fan von Liebeskummer gewesen. Er fand ihn weder romantisch noch charmant oder sexy. Er bevorzugte saubere Beziehungen, zwanglose Freundschaften mit gutem Sex, ohne die schmerzhafte Zuneigung, die er fast gekostet hatte, bevor sie ihm dann zum Glück verwehrt worden war.

Also nein, Leo war nicht der Grund, warum er das Krankenhaus verlassen hatte. Es waren einfach mehrere Dinge zusammengekommen. Grant schaltete den Fernseher wieder ein und klickte sich erneut durch die Kanäle. Es lief immer noch nichts Gutes. Er hielt bei der Soap inne, verdrehte die Augen und stöhnte auf, als der Seifenopern-Schwule einen der Typen küsste, die ihm nachstellten, während der andere mit tief verletztem Blick um die Ecke sah.

»Verlierer«, murmelte Grant, stellte die leere Bierflasche auf den Couchtisch und lehnte sich zurück, um hoffentlich einzuschlafen. »So ein Verlierer werde ich nie.«

Das melodramatische Anschwellen der charakteristischen Soap-Musik verfolgte ihn bis in seine Träume.

Kapitel 2

Ein paar Tage nach seiner Flucht aus dem Krankenhaus hatte Grant all die Dinge, die sich aufgrund seines plötzlichen Abgangs angestaut hatten, abgearbeitet. Langsam legte sich die Hektik. Dennis McGraw, blond, blauäugig und attraktiv wie eh und je, trieb Grant im Flur in die Enge und beglückwünschte ihn, dass er sich nach seinem Verlust am Montag Zeit für sich selbst genommen hatte.

»Es ist immer schwer, einen Patienten zu verlieren, und ich bin froh, dass du das Richtige getan und dir eine Pause gegönnt hast.«

Grant starrte ihn an und sagte sarkastisch: »Danke für deine Erlaubnis, mein Freund.«

Dennis kniff die Augen zusammen. Die Provokation war ihm nicht entgangen. »Alec lässt dich grüßen.« Das war seine Art, Grant an einen wichtigen Grund zu erinnern, warum sie sich nicht streiten sollten.

»Natürlich tut er das.«

Dennis seufzte. »Musst du so sein? Ich weiß, du denkst, ich bin nicht gut genug für ihn, aber Alec ist glücklich.«

»Glücklich heißt nicht unbedingt glücklich.«

»Lass uns nicht wieder damit anfangen.«

»Du hast damit angefangen.«

In diesem Moment kamen ein paar Krankenpfleger vorbei und sie gingen beide ihrer Wege. Dennis und er waren übereingekommen, dass ein Streit vor dem Personal die Arbeitsmoral beeinträchtigen könnte. Obwohl Grant sich nicht um die Arbeitsmoral scherte, solange die Patienten nicht starben und wieder gesund wurden, hatte Dennis ihn mit einigen bedauerlich glaubwürdigen Statistiken davon überzeugt, dass beides zusammenhing.

Und es ging nicht darum, dass Dennis nicht gut genug für Alec war, sondern darum, dass er wirklich nicht gut genug für Alec war. Er hatte eine Beziehung mit ihm begonnen, als er noch mit einer Frau verheiratet gewesen war und die Scheidung über ein Jahr lang hinausgezögert, was Alec tief verletzt hatte. Wie sollte Grant das verzeihen, nur weil Dennis sich am Ende für Alec entschieden und letztendlich ihn geheiratet hatte? Trauzeuge zu sein, war eines der schwierigsten Dinge, die er je getan hatte, aber er hatte es wenigstens geschafft, den Mund zu halten, als der Trauredner fragte, ob jemand einen Grund wüsste, der gegen die Ehe spräche.

Außerdem hatte Dennis ihm den Posten des Stabschefs weggeschnappt. Er hatte ihn in der Tasche gehabt, bis Dennis seinen Namen in den Hut geworfen hatte. Zumindest glaubte er das gern. Alec sagte, er habe Wahnvorstellungen, aber Grant wusste, dass er das Zeug zur Führungskraft hatte.

Grant schob diese Gedanken beiseite und nahm sich vor, beim nächsten Mal netter zu Dennis zu sein, um der Belegschaft willen, und wegen Alec. Vielleicht würde er sogar ein halbwegs aufrichtiges Lächeln zustande bringen. Das würde zumindest Alec glücklich machen. Und seltsamerweise machte Grant Alec gern glücklich. Ihre Freundschaft war eine der wenigen wichtigen Beziehungen in seinem Leben.

Danach verging der Tag wie im Fluge. Grants Patienten waren zur Abwechslung mal nicht zu weinerlich und ihre Familien nicht zu aufdringlich. Das Pflegepersonal machte sich aus dem Staub, sobald es ihn kommen sah, so wie er es mochte. Und in der Cafeteria gab es Lasagne mit drei Käsesorten, seine absolute Lieblingsspeise, auch wenn manchmal an der Soße gespart wurde.

Er schwelgte noch immer in dem Geschmack auf seiner Zunge und genoss glückselig das schwere, sättigende Gefühl in seinem Bauch, als er um die Ecke ging und Leo Garner wieder lachend und grinsend auf der Schwesternstation stehen sah.

Was zum Teufel machte er hier? Hatte er kein Leben? In Kalifornien? Als Grant das letzte Mal nachgesehen hatte, war das noch der Fall gewesen.

»Grant!«, rief Leo, als Grant das Gesicht in einer Akte vergrub und versuchte, an der Station vorbeizugehen und dabei jede Art von Interaktion zu vermeiden.

Grant blieb stehen, drehte sich langsam um und sagte: »Für dich immer noch Dr. Anderson, Leo. Was für eine unangenehme Überraschung, dich an diesem schönen Herbsttag hier zu sehen. Was verschafft uns die Ehre?«

Die Krankenschwester blickte unbehaglich auf ihre Formulare hinunter und Leo lachte. »Du hast dich überhaupt nicht verändert, oder, Dr. Anderson? Charmant wie eh und je.« Leo lächelte, als würde er sich freuen, Grant zu sehen, und legte den Kopf auf eine Weise schief, die Grant nur unter Protest als attraktiv anerkannte.

»Ich habe keine Ahnung, was du meinst.«

»Ich meine nur, dass es schön ist, dich zu sehen.« Leos Lächeln wurde zärtlich und ließ Grants Brust eng werden. »Im Ernst«, fuhr Leo fort und berührte seinen Arm, strich mit den Fingern über Grants weißen Laborkittel. »Du siehst toll aus. Wie ist das Leben zu dir?«

Grants Augen verengten sich. »Es behandelt mich so, wie es mich immer behandelt. Wie einen viel beschäftigten Chirurgen. Wenn du mich jetzt entschuldigst, ich muss Chirurg sein.« Grant tippte auf seine Uhr. »Die Zeit drängt.«

Leos graue Augen funkelten amüsiert, als Grant schnell davonstolzierte.

Sein Herz hämmerte und der Schweiß stand ihm auf der Stirn. Grant hoffte, dass das, was Leo ins Krankenhaus brachte, bald zu Ende sein würde, sodass er selbst wieder in seine kleine Glücksblase aus Arbeit, noch mehr Arbeit, Bier, gelegentlichem Sex und noch mehr Arbeit zurückkehren konnte.

Leo Garner hatte eine sehr unangenehme Vorgeschichte, was die Störung von Grants geordnetem Leben anging. Und Grant wollte nicht, dass sich die Geschichte wiederholte.

Kapitel 3

»Ich habe gehört, dass Leo Garner wieder in der Stadt ist«, sagte Alec über den Rand seines Weinglases hinweg. In seinen großen, mit Kajal umrandeten Augen lag ein wissender Blick.

Grant war sich immer noch nicht sicher, wie es dazu kommen konnte, dass sein bester Freund in Blountville ausgerechnet der extravaganteste Sonderling der Stadt war, aber genau so war es.

Aber Alec war es wert, dass man ihnen nachsah und sie anstarrte, wenn sie zusammen in der Stadt unterwegs waren. Seine Ehrlichkeit, Loyalität und seine Entschlossenheit, mit Grant befreundet zu sein, auch wenn Grant nicht sehr nett zu ihm war, waren unbezahlbar. Außerdem war er hübsch und süß und verdiente nur das Beste, weil er es ertragen hatte, im konservativen Blountville, North Carolina, so unglaublich offensichtlich schwul aufzuwachsen.

Alec lehnte sich näher heran und verringerte so den Abstand zwischen ihnen auf Grants bequemem Ledersofa. Die Spaghetti, die Alec bei seiner Ankunft aus dem Hut gezaubert hatte, balancierten nun in großen, halb vollen Schüsseln auf ihren Knien. »Leo Garner«, wiederholte Alec mit einer hochgezogenen Augenbraue. »Zurück. In. Der. Stadt.«

»Und?«, fragte Grant und legte so viel Verachtung wie möglich in das Wort. Er schob sich eine Gabel Spaghetti in den Mund und schlürfte die Nudeln in der Hoffnung, Alec damit so sehr anzuekeln, dass er seine Frage vergaß.

»Bist du denn gar nicht neugierig, warum?«, fragte Alec. Er klimperte langsam mit seinen Wimpern und offenbarte den Glitzerlidschatten, den er beinahe überall trug.

Grant rollte mit den Augen.

Nachdem er Leo am Samstag wieder im Krankenhaus gesehen hatte, war er tatsächlich neugierig auf den Grund gewesen. Er hatte in den Patientenlisten nach einem von Leos Verwandten gesucht, weil er davon ausging, dass jemand aus der erweiterten Sippschaft ziemlich krank sein musste, damit Leo den weiten Weg von Los Angeles auf sich nahm.

Aber er hatte etwas ganz anderes herausgefunden, und das beschäftigte ihn seit Tagen unablässig. Bier half nicht, der Handjob vom Grindr-Treffen ein paar Städte weiter hatte nicht geholfen und die zwei Operationen, die er seitdem hinter sich gebracht hatte, hatten die Wahrheit auch nicht aus seinem Kopf vertrieben.

Das waren die Fakten: Leo hatte sich drei Jahre zuvor in Los Angeles einer Herztransplantation unterzogen, weil er von einer Herzmuskelentzündung massive Schäden davongetragen hatte, und nun litt er an transplantationsbedingtem Nierenversagen. Dialyse. Dreimal pro Woche. Für immer. Und Leo konnte nicht auf die Transplantationsliste gesetzt werden, da die vorherige Herztransplantation ein zu hohes Risiko bedeutete. Auch das hatte Grant nachgelesen. Das war harter Tobak.

Warum er in Blountville und nicht in Los Angeles war, um sich behandeln zu lassen, verstand Grant allerdings nicht. Das war ein Geheimnis, das er erst noch lüften musste. Alec wusste wahrscheinlich die Antwort darauf, denn er war ein notorisches Plappermaul, das alles über jeden wusste. Außerdem kaufte er jedes Klatschblatt, auf dessen Titelseite der Superstar seiner Heimatstadt, Curtis Banks, abgebildet war. Aber wenn Grant Alec fragte, würde er zugeben, dass er sich doch noch für Leo Garner interessierte. Und das war ihm zutiefst zuwider.

Grant räusperte sich. »Ich weiß nicht, warum du denkst, dass ich mich für ihn interessiere.«

»Er ist krank«, sagte Alec in einem sanften Ton und beobachtete Grants Reaktion genau.

Grant zwang sich, keine Miene zu verziehen, und entschied dann, dass selbst das zu verdächtig sein könnte, also schob er seine Unterlippe vor und versuchte, es zu überspielen. »Schade, wirklich traurig.«

»Sei kein Idiot«, sagte Alec, stellte sein Weinglas ab und stellte seine übrig gebliebenen Spaghetti auf den Couchtisch. »Ich weiß, dass er dir am Herzen liegt.«

»Gelegen hat«, stellte Grant klar. »Vergangenheitsform.«

»Richtig.« Alec hob eine Augenbraue. »Das würde erklären, warum du jedes Mal zusammenzuckst, wenn jemand seinen Namen sagt, und warum seine jährlichen Weihnachtsbesuche ganz oben auf deiner ziemlich langen Liste stehen, warum du die Weihnachtszeit hasst.«

Grant starrte ihn an.

Alec hob einen mahnenden Finger. »Ja, ich habe die Liste gesehen, du Idiot. Du hast sie letztes Jahr über deiner Toilette aufgehängt. Ich nehme an, du wolltest dich jedes Mal daran erinnern, wenn du pinkelst? Aber ich kann mir wirklich nicht vorstellen, warum du je vergessen solltest, ein Grinch zu sein. Du bist ja praktisch ein Profi darin.«

»Das war privat.«

»Dir ist klar, dass ich hier auch aufs Klo gehe. Und ich kann lesen, weißt du.«

»Glückwunsch, du hast die erste Klasse bestanden.« Grant schob noch mehr Essen in sich hinein, in der Hoffnung, dass sie dieses Thema hinter sich lassen konnten. Er wusste nicht, womit er Alec ablenken sollte, und war insgeheim verdammt neugierig, warum Leo nicht in Los Angeles in Behandlung war. Gott wusste, dass es in Kalifornien weitaus bessere Krankenhäuser und Behandlungsmöglichkeiten gab als im winzigen Regionalkrankenhaus in Blountville, vor allem, wenn Leos superreicher, superberühmter Schauspielerfreund ihn mit seinem Geld unterstützte.

Alec seufzte. »Grant, er ist ziemlich krank. Ich finde, du solltest zugeben, dass er dir etwas bedeutet und sehen, ob du ihm helfen kannst.«

»Ich bin Herz-Thorax-Chirurg. Er leidet an Nierenversagen. Ich kann ihm nicht helfen.«

Alec grinste. »Das wusstest du alles schon, oder? Oh, jetzt verstehe ich. Er ist dir egal, und deswegen hast du stundenlang recherchiert und nachgeforscht, was mit ihm los ist.« Alec nippte mit einem schadenfrohen Grinsen an seinem Wein. »Ich verstehe.«

Grant stand auf und zog eine Grimasse. Er nahm Alecs Teller vom Couchtisch und machte sich auf den Weg in die Küche. Seine offen gestaltete Wohnung war spärlich mit Möbeln eingerichtet, die er seit dem Abschluss seines Medizinstudiums gesammelt hatte, und Alec drängte ihn immer, sich wohnlicher einzurichten. Er sah allerdings keinen Grund dafür. Doch für wen? Er brachte keine Männer zum Vögeln mit nach Hause, und er hatte es schließlich nicht nötig, sich selbst zu beeindrucken.

Auf das Abendessen mit Alec hatte er sich schon die ganze Woche gefreut. Er vermisste seinen besten Freund, jetzt da Alec so sehr damit beschäftigt war, sich ein Leben mit Dennis aufzubauen. Grant war froh gewesen, dass sie heute Abend ein paar Stunden allein verbringen würden. Aber jetzt überlegte er, ob er Alec vielleicht einfach nach Hause schicken sollte. Ihr Gespräch verdarb ihm den Appetit und den Spaß.

»Ach, komm schon, Grant!«, rief Alec, der ihm mit seinem Wein in der Hand folgte. »Willst du den Rest gar nicht wissen?«

»Nein«, sagte er, nahm Alec das Weinglas ab und leerte es selbst in einem großen Schluck. Er knallte das leere Glas auf den Küchentisch. »Will ich nicht.«

»Leo ist fertig mit Curtis. Völlig fertig. Das weiß ich aus zuverlässiger Quelle«, sagte Alec, verschränkte die Arme vor der Brust und starrte ihn mit vor Freude glänzenden Augen an. »Verstehst du das nicht? Das ist deine Chance, Grant!«

»Meine Chance? Für was?«

»Dein Glück zu finden!«

»Bist du wahnsinnig? Wie um alles in der Welt soll das eine Chance sein, mein Glück zu finden? Er ist unglaublich krank, ein Emotionskrüppel und –«

»Und du bist der Hauptgewinn!«

»Danke, Alec. Ich wollte sagen, er ist krank und frisch getrennt. Ehrlich gesagt habe ich keine Lust, wieder sein Trostfick zu sein, selbst wenn ich es wollen würde, was ich nicht will, denn ich bin sehr glücklich mit meinem Leben, vielen Dank. Ich genieße meinen Job, meine Einsamkeit und ich genieße es, mich nicht mit unentschlossenen, dramatischen, herzzerreißenden Diven herumschlagen zu müssen.«

Alec stöhnte und warf den Kopf zurück. »Na schön. Wenn du dir all diese hübschen Lügen darüber erzählst, dass deine wahre Liebe die Chirurgie ist, als hättest du einen Skalpellfetisch, dann sage ich: Lügen haben kurze Beine.«

»Sehr erwachsen.«

»Nur die Wahrheit«, antwortete Alec, schnappte sich ein weiteres Glas aus Grants Schrank und füllte es aus der offenen Weinflasche auf dem Tresen.

Grant spülte das Geschirr ab, bevor er sich umdrehte und eine Gabel in Alecs Richtung schüttelte. »Glaub ja nicht, ich wüsste nicht, was du gerade gemacht hast.«

»Was?«

»Du hast so getan, als ob wir nur abhängen würden, obwohl du mich eigentlich nur wegen einer Schwäche aufstacheln wolltest, der ich in der Vergangenheit kurz nachgegeben habe.«

»Hat es funktioniert?« Alec klang hocherfreut.

»Außerdem hast du Mina bei Dennis gelassen, obwohl du wusstest, dass ich lieber ihr süßes Zwergengesicht sehen würde, als dieses lächerliche Gespräch über Leo Garner zu führen.«

»Mina ist Dennis' Tochter! Er hat es verdient, auch mal mit ihr allein zu sein.« Alecs Lippen zitterten vor unterdrückter Freude. »Ich will damit nur sagen, dass du Leo geliebt hast und –«

»Das habe ich nicht!« Grant schoss die Hitze ins Gesicht und er wusste nicht, ob vor Wut oder Demütigung. »Als du allein aufgetaucht bist, hätte ich mir denken können, dass du etwas vorhast, aber ich konnte ja nicht ahnen, dass du mir eine Predigt über die Liebe halten würdest, oder was auch immer das sein soll. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich dich gar nicht erst durch die Tür gelassen.«

»Gut, dass ich bis nach dem Essen gewartet habe.«

»Rauswerfen kann ich dich immer noch.«

Alec hob sein Glas. »Ich habe viel zu viel Wein getrunken, als dass du mich jetzt guten Gewissens rausschmeißen könntest.«

Grant drehte sich um und ließ das Geschirrtuch auf den Tresen fallen. »Leo Garner ist für mich nicht das A und O unter den Männern, verstehst du? Es gibt viele schwule Männer in diesem Staat, Alec. Sogar in dieser Stadt.«

Alec johlte über diese lächerliche Übertreibung.

»Warum versuchst du, mir den kürzlich zurückgekehrten, emotional zerrütteten und wahrscheinlich sterbenden Leo Garner aufzuzwingen?«

»Zwingen ist ein starkes Wort, aber was das Warum angeht… Es ist, weil ich gesehen habe, was er mit dir gemacht hat«, sagte Alec zärtlich. »Ich habe gesehen, wie er dich beeinflusst hat. Er hat dich verändert, Grant. Er hat dich besser gemacht.«

»Nein! Er hat mich schlechter gemacht.« Leo hatte Grant dazu gebracht, etwas zu empfinden, und das hatte ihn auf eine nicht gekannte Art verletzlich gemacht. Es war die schlimmste Erfahrung seines Lebens gewesen. »Und wenn du so viel gesehen hast, dann hast du vielleicht auch gesehen, wie er sich für seinen Ex-Freund entschieden hat und mit ihm ans andere Ende des Landes gezogen ist. Ich werde nicht sechs Jahre später die zweite Wahl für jemanden sein, der nicht mehr als ein netter Fick war.«

»Nenn es, wie du willst.« Alec hob eine Augenbraue und nahm einen Schluck Wein. »Ich nenne es beim Namen.«

»Und der wäre?«

»Liebe. Wahre Liebe.«

Grant schnaubte. »Alec, du bist wahnsinnig. Wir sind hier nicht bei Der englische Patient. Ich schmachte nicht. Habe ich noch nie. Ich bin über ihn hinweg und Leo ist das mit Sicherheit auch.«

Alec lachte leise. »Du hast den Film noch nie gesehen, oder?«

»Ich dachte, es wäre ein Buch.«

»Ist es auch, aber egal, Grant. Du hast recht, das hier ist nicht Der englische Patient.«

»Ich bin froh, dass du ausnahmsweise mal logisch denkst und –«

»Denn diese Geschichte endete schmerzhaft. Diese hier wird mit einem Triumph der Liebe enden! Wart's nur ab!«

Grant nahm sein Handy und wählte den ihm leider nur zu bekannten Namen.

»Rufst du Leo an?«, fragte Alec eifrig, als ob Grant tatsächlich der leicht zu beeinflussende Narr wäre, für den er ihn hielt.

»Komm und hol deinen Mann«, sagte Grant, als Dennis abnahm. »Er ist betrunken.« Er legte auf, packte Alec am Arm, nahm ihm das Weinglas aus der Hand und zerrte ihn zur Tür.

»Das wagst du nicht!«, sagte Alec. »Es sind nur fünf Grad draußen und ich habe keinen Mantel mitgebracht!«

»Hier«, sagte Grant und drückte ihm seinen eigenen in die Hand. »Ich lege sogar noch eine Mütze drauf.« Er zog Alec eine grüne Strickmütze über sein perfekt frisiertes Haar und ließ ihn verdattert und zerzaust zurück.

»Grant«, sagte er und strampelte ein wenig, als Grant die Wohnungstür aufriss und ihn hinausschob. »Grant!«

»Ein paar Minuten an der frischen Nachtluft werden dir guttun. Das macht dich wieder nüchtern«, sagte Grant und knallte Alec die Tür vor der Nase zu.

»Glaub nicht, dass ich das vergesse, Grant!«, schrie Alec durch die Tür. »Glaub nicht, dass ich nicht weiß, was das bedeutet! Es bedeutet, dass ich recht habe! Es bedeutet, dass du erledigt bist! L-I-E-B-E! Liebe! Das kannst du mir glauben!«

Grant lehnte seine Stirn gegen die Tür und atmete scharf aus.

»Triumph!«, brüllte Alec. »Der Liebe!«

Grant schlug aus Protest seinen Kopf gegen die Tür und sank auf den Boden. Draußen sang Alec das Lied Kissing in a tree und andere kindliche Liebeshymnen.

Grant vergrub sein Gesicht zwischen seinen Knien und atmete langsam ein und aus, während die Minuten sich hinzogen. Er bemerkte, dass Dennis kam, weil Alec rief: »Liebling! Rate mal, wer ein totales Arschloch ist, wenn er verliebt ist?«

Eines stand fest: Grant brauchte einen besseren besten Freund.

Kapitel 4

Typisch für sein Glück – doch Grant glaubte nicht an Glück, in Anbetracht dessen, wie sein Leben seit seiner Geburt verlaufen war –, war Leo am nächsten Tag im Krankenhaus und ging mit einem Krankenpfleger durch die Gänge. Er sah müde und kränklich aus.

Grant starrte ihm hinterher, bis der Pfleger Leo durch eine Doppeltür in den Dialyseraum führte. Ein Drang, ihm zu folgen, stieg in ihm auf, aber er schob ihn beiseite. Leo Garner brauchte ihn nicht. Er hatte genug Freunde und Familie in Blountville. Außerdem war er wahrscheinlich gerade damit beschäftigt, neue Freundschaften mit dem Pflegepersonal und den anderen Dialysepatienten zu schließen. Immerhin dauerte es drei bis vier lange Stunden an drei Tagen in der Woche, um sein Blut von Giftstoffen zu reinigen. Ein kranker Körper nahm viel Zeit in Anspruch. Und Leo war wahrscheinlich gerade dabei, »das Beste daraus zu machen«. Das sähe ihm ähnlich.

Grant schüttelte den Kopf.

Als sich die Türen hinter Leo und dem Pfleger schlossen, verschwand das seltsame Gefühl der Atemlosigkeit. Grant beschloss, dass es durchaus vernünftig war, es auf die Blähungen von dem Chili zu schieben, das er zum Mittagessen in der Cafeteria gegessen hatte. Es war wirklich köstlich gewesen, aber die Bohnen machten aus jedem ein wandelndes Gasleck. Stirnrunzelnd gab er Alec die Schuld dafür, dass er das Gefühl auch nur einen Moment lang für etwas anderes gehalten hatte.

Er wandte sich wieder seiner Patientenkartei zu und versuchte herauszufinden, was die Worte darin bedeuteten, aber stattdessen dachte er an diesen einen Typen von der medizinischen Fakultät, einen Dr. Wallace, ein absoluter Nierenspezialist. Er fragte sich, ob der Idiot Dr. Muresan, der die Nierenabteilung im Appalachian Medical leitete, bereit wäre, sich in Leos Fall mit Wallace zu beraten.

Grant hatte gerade eine Kehrtwende gemacht und war im Begriff, selbst mit Muresan zu sprechen oder noch einmal einen Blick auf Leos Krankenakte zu werfen, als Carrie Jones, die nach Grants Meinung beste Krankenschwester der Gegend, ihn fast umrannte. Sie hielt die Hand eines kleinen Mädchens mit zerzausten, langen braunen Haaren und haselnussbraunen Augen.

»Tut mir leid, Dr. Anderson«, sagte Carrie und schob eine verirrte Haarsträhne zurück in ihren Pferdeschwanz.

»Pass bloß auf, wo du hingehst«, sagte Grant gereizt und ließ seinen Frust an der falschen Person aus, wie er es viel zu oft tat.

»Nein, du passt auf«, sagte das Kind und hob trotzig das Kinn.

Grant starrte auf sie herab.

Carrie sagte: »Na, na, na. Das war nicht sehr höflich. Ich wette, das würde deinem Vater gar nicht gefallen.«

Das Mädchen schniefte hochmütig. »Ich meine ja nur, er hat uns angerempelt, also sollte er aufpassen.«

Grant sah sie stirnrunzelnd an.

Sie starrte Grant an.

»Du solltest dich nicht wie eine Göre aufführen«, sagte Grant. »Damit kommst du im Leben nicht weit.«

»Ich denke, du musst es ja wissen«, antwortete sie. Es war surreal, einen so gut getimten und bissigen Kommentar aus ihrem kleinen, süßen Gesicht zu hören. Normalerweise mochte Grant Kinder, aber dieses hier kam ihm seltsam altklug vor, auf eine Art und Weise, die ihm zu nahe ging und seine eigenen schmerzhaften Kindheitserinnerungen zurückbrachte.

»Lucky, sei nicht so unhöflich, Süße!«, schimpfte Carrie.

»Er war zuerst unhöflich.«

Der Name des Mädchens war Lucky? Welches Arschloch tat das einem unschuldigen Kind an? Grant hatte Mitleid mit ihr, aber sie starrte ihn nur an, ohne jegliches Bedauern.

»Du hast recht«, sagte Grant. »Ich war zuerst unhöflich. Und ich entschuldige mich dafür.«

Carrie sah schockiert aus.

Lucky hob ihr Kinn und sagte großmütig: »Entschuldigung angenommen.«

»Jetzt komm schon. Wir bringen dich runter in die Pädiatrie. Tut mir leid, Dr. Anderson«, sagte Carrie, während sie das kleine Mädchen den Flur hinunterzog.

Grant sah ihnen nach und fragte sich, wegen welcher Krankheit das Kind im Krankenhaus war. Für ihn sah sie gesund aus. Er fühlte sich schuldig, weil er sie eine Göre genannt hatte, besonders wenn sie krank war. Die Kinder in der Pädiatrie waren kleine Helden und hatten ein Recht darauf, ihre launischen, schlechten Tage zu haben. Er würde sie später aufsuchen, um sich noch einmal zu entschuldigen und ihr vielleicht einen Teddybären aus dem Geschenkeladen mitzubringen.

Er bog in den Gang mit dem besten Verkaufsautomaten ein. Dort gab es diese Marshmallow-Nuggets, die er so gern mochte. Sie würden ihn beruhigen, so wie Meditation für die Möchtegern-Hippies, von denen er zu viele im Fitnessstudio sah. Und dank Leo Garner, der ständig auftauchte, brauchte sein Verstand in letzter Zeit immer öfter Hilfe, um zur Ruhe zu kommen.

***

Grant war der Meinung, dass jede erfolgreiche Operation, die länger als acht Stunden dauerte, eine Belohnung verdiente – und zwar nicht nur weitere Marshmallow-Dinger aus dem Automaten, sondern ein anständiges Essen in einem schicken Restaurant und ein oder zwei gute Getränke.

Im Little Apron