Das Herz findet immer einen Weg - Leta Blake - E-Book

Das Herz findet immer einen Weg E-Book

Leta Blake

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Beschreibung

Vor zwei Jahren verlor Cole seine große Liebe bei einem Unfall. Damons Tod riss eine Wunde, die seitdem einfach nicht heilen will. Ohne ihn fühlt sich Coles Leben kalt und leer an. Doch dann glaubt Cole, seinen Partner wiederzusehen, obwohl das eigentlich unmöglich ist. Wie stark muss Liebe sein, um die Grenzen der Realität zu überwinden? Und welchen Preis sind die beiden Männer bereit, für eine zweite Chance auf eine gemeinsame Zukunft zu bezahlen?

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Seitenzahl: 228

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Deutsche Erstausgabe (ePub) Juni 2023

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2020 by Leta Blake

Titel der Originalausgabe:

»Raise Up, Heart«

Published by Arrangement with Leta Blake

Für die deutschsprachige Ausgabe:

© 2023 by Cursed Verlag

Inh. Julia Schwenk

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,

des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung

durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit

Genehmigung des Verlages.

Bildrechte Umschlagillustration

vermittelt durch Shutterstock LLC; iStock; AdobeStock

Satz & Layout: Cursed Verlag

Covergestaltung: Hannelore Nistor

Druckerei: Amazon KDP

Lektorat: Martina Stopp

ISBN-13: 978-3-95823-994-4

Besuchen Sie uns im Internet:

www.cursed-verlag.de

Aus dem Englischen von Anne Sommerfeld

Liebe Lesende,

vielen Dank, dass ihr dieses eBook gekauft habt! Damit unterstützt ihr vor allem die*den Autor*in des Buches und zeigt eure Wertschätzung gegenüber ihrer*seiner Arbeit. Außerdem schafft ihr dadurch die Grundlage für viele weitere Romane der*des Autor*in und aus unserem Verlag, mit denen wir euch auch in Zukunft erfreuen möchten.

Vielen Dank!

Euer Cursed-Team

Klappentext:

Vor zwei Jahren verlor Cole seine große Liebe bei einem Unfall. Damons Tod riss eine Wunde, die seitdem einfach nicht heilen will. Ohne ihn fühlt sich Coles Leben kalt und leer an. Doch dann glaubt Cole, seinen Partner wiederzusehen, obwohl das eigentlich unmöglich ist. Wie stark muss Liebe sein, um die Grenzen der Realität zu überwinden? Und welchen Preis sind die beiden Männer bereit, für eine zweite Chance auf eine gemeinsame Zukunft zu bezahlen?

Für den Poe-Fan in mir und das Gothic-Herz in euch.

Prolog

Poe kann euch von Herzen erzählen: ihrem Schlag, den Geheimnissen, die sie verwahren; er kennt ihre erbitterte Stärke. Poe versteht. Herzen können nicht unter den Dielen eines Hauses versteckt werden. Sie werden dort nicht gehorsam und still ruhen. Er weiß, dass sie stärker sind, lauter, gieriger – rachsüchtig. Er weiß, dass ein Herz zu dir zurückkommen, dich vereinnahmen, dich auseinandernehmen kann. Es muss nur schlagen. Dam-dam. Dam-dam. Und dieser Klang ist die Unendlichkeit, und in dieser Unendlichkeit verbirgt sich alles, was unerzählt und unaussprechlich ist. Diese Geschichten wirst du niemals glauben und doch lassen sie dich erschaudern. Trotzdem sind sie echt.

So echt wie die Treue eines geliebten Herzens.

***

Es beginnt mit einem Sandwich. Das Brot ist weich, das Fleisch saftig, kalt dank desKühlschranks, und das schmatzende Geräusch des Senfs befriedigend verdorben. Also gibst du noch etwas Mayonnaise dazu, um die Stimmung zu heben und du beißt ab, schließt die Augen, kaust langsam und würdigst den Geschmack, von dem du schon beinahe vergessen hast, ihn zu genießen.

Es geht weiter, wenn deine Freundin Emily ein leises Geräusch von sich gibt und du öffnest die Augen, um sie anzusehen. Das Licht der Küche verleiht ihr eine cremige, warme, fast strahlende Aura. »Geht's dir gut?«

»Und dir?« Du spürst tief in dir, wie gut es dir gerade geht, weil du wieder atmen kannst. Das Herz deines Cousins Damon Black schlägt in deiner Brust, pumpt dein Blut und regt das Leben in dir an. Ja, wenn man die unablässige Trauer außer Acht lässt, fühlst du dich körperlich besser wie nie zuvor seit dem Unfall. »Warum?«

»Das Sandwich«, sagt Emily. »Damon… er… Als wir zusammen auf der Highschool waren, hat er seine Sandwiches genau so gegessen. Senf, Mayo und jede Menge Wurst. Du hast immer Witze darüber gemacht, dass er dadurch noch einen Herzinfarkt bekommen würde, weißt du noch?«

Die Worte hängen zwischen euch in der Luft, die Anspannung ist schrecklich und du tust nichts dagegen.

Und du fühlst dich schuldig. Natürlich tust du das. Du fühlst dich jeden Tag schuldig, seit du den Grund für das neue Herz in deiner Brust herausgefunden hast. Sie hören nie auf. Du denkst, dass du das Sandwich wegwerfen, es in den Müll schmeißen und Emily vergessen lassen solltest, dass du so viel Traurigkeit in dir trägst. Aber sie liebt dich. Du siehst es in ihren Augen, wie sie dich ansieht, als wärst du zu schön, um wahr zu sein, und du spürst es in der Art, wie sie dich nachts bebend und zärtlich in die Arme nimmt.

»Mach nur, iss es«, flüstert Emily. »Ich glaube, du solltest es tun. Damon würde es wollen.«

Genau wie du. Du beißt von dem Sandwich ab und genießt wahrlich jede einzelne Geschmacksrichtung. Es stimmt, dass du mehr Senf als üblich draufgegeben hast. Es stimmt, dass du nie ein Fan von Schinken warst. Aber hier, in diesem Moment, in deiner Küche, eingehüllt vom wohligen Gefühl der Erleichterung und einer zweiten Chance aufs Leben, weißt du, dass du Damon mehr schuldest, als du jemals zurückgeben kannst.

Und du würdest alles für eine Chance geben, dich zu revanchieren. Also isst du das Sandwich.

Für Damon.

***

Das nächste Mal zeigt es sich, wenn du durch die Stadt gehst. Du siehst drei alte Männer, die über einen Tisch gebeugt Schach spielen. Obwohl du das Spiel nie gemocht und lieber jeden Tag mit deinen Freunden im Garten Football gespielt hast, fühlst du dich von den weißen und schwarzen Figuren angezogen, die in der Spätherbstsonne glänzen. Du schlenderst hinüber, denn nach deiner Nahtoderfahrungmöchtest du dir nie wieder die einfachen Freuden versagen.

Du beobachtest, wie einer der Männer seinen Bauern berührt und kannst nicht sagen, woher du weißt, dass er einen Fehler macht, sagst aber zu ihm: »Das sollten Sie nicht tun.«

Er lässt die Figur los. »Du hast recht, Junge. Gutes Auge.« Er zeigt auf eine andere Figur, die verzierter und schlanker ist. »Das würde die Königin gefährden.«

Du nickst und spürst, wie dich ein Gefühl von Richtigkeit erfasst, als sich der Mann wieder grübelnd über das Brett beugt. Im Augenwinkel erkennst du ein Blitzen. Die Sonnenstrahlen fallen auf die Glasfenster der Läden auf der anderen Straßenseite und du entdeckst einen Schal, der dich an Emily erinnert, also lässt du die Männer allein und gehst in den Laden.

»Alex«, begrüßt dich die Inhaberin.

Du bist überzeugt, dass du ihren Namen kennst, aber er fällt dir nicht ein, also neigst du den Kopf und lächelst jungenhaft, in der Hoffnung, dass er dir wieder in den Sinn kommt. Sie haben dir erklärt, dass es aufgrund des Traumas auf deinen Körper und dein Gehirn nach dem Unfall zu leichtem Gedächtnisverlust kommen kann.

Der Schal ist weich, seidig und gleitet wie Emilys Haare durch deine Finger. Du weißt, dass er ihr gefallen wird und streichst erneut mit den Fingern darüber.

Weich, kurz, eine Handvoll.

Verwirrt schüttelst du den Kopf und reibst dir die Augen. Der Schal segelt zu Boden und du bückst dich, um ihn aufzuheben, legst ihn zurück auf den Tisch und gehst, ohne ihn zu kaufen.

Du gehst nach Hause und setzt dich auf die Couch, drückst dir ein Kissen an die Brust. Du denkst an das Schachspiel, den Schal, den Schock einer seltsamen Erinnerung, den du noch an deiner Handfläche spürst, die du aber mit keinem Moment deines Lebens in Verbindung bringen kannst. Du sitzt so reglos und leise da, dass du deine Pulsschlägezählen kannst und das sanfte Wiegen deines Oberkörpers spürst, während Damons Herz in deiner Brust schlägt.

Emily kommt lächelnd und mit offenen Armen nach Hause. Du stiehlst dir einen Kuss von ihren hinreißenden Lippen und flüsterst ihr zu: »Ich bin so dankbar, hier bei dir zu sein.«

Trotz des Schmerzes ist es eine wunderschöne Welt. Nun, da dir eine zweite Chance gegeben wurde, weißt du, wie kostbar jeder Moment ist.

Deshalb nimmst du dir heute Abend vor dem Schlafengehen die Zeit, an Emilys Parfüm zu schnuppern, als dir der Flakon im Badezimmer ins Auge fällt. Anschließend rollst du sorgsam das Ende der Zahnpastatube auf, obwohl du das noch nie getan hast, weil es sich richtig anfühlt. Und während der Mond vor dem Fenster aufgeht, gehst du mit der Frau deiner Träume ins Bett.

***

Emily reitet dich und bewegt sich auf und ab, während du dich in ihrer feuchten Hitze verlierst. Ihre Brüste sind süß und voll in deinen Händen und du beugst dich vor, um ihren Hals zu küssen.

Stoppeln, scharf, kratzend, heiß an deinen Lippen.

Du zuckst zurück, blinzelst Emily an und musterst ihr Gesicht, das sich vor Ekstase verzieht. Dein Magen verknotet sich.

Emily bemerkt es nicht und du schließt die Augen, denn das ist jetzt immer so schön, eine solche Freude, deinem Körper dieses Vergnügen zu gönnen …

Eng, heiß, klammernd, und ein tiefes, männliches Stöhnen.

»Oh Gott«, rufst du, vergräbst das Gesicht in den Händen und versuchst, diese Erinnerung zu blockieren, die dir gerade durch den Kopf schießt.

»Oh Gott, Alex!«, erwidert Emily und zieht das Tempo an. »Oh, es ist so gut, Baby. So gut«, summt sie und du musst gegen den Drang ankämpfen, sie von dir zu stoßen.

Du konzentrierst dich auf deinen Schwanz, der feucht in sie eintaucht, und schickst ein verzweifeltes Gebet nach oben, weil du plötzlich panische Angst davor hast, es einfach nicht durchziehen zu können.

Dass sie es spüren wird… Dass sie es weiß…

Ihr Körper zieht sich um dich herum zusammen und du zuckst unter ihr, betest, dass ihr das leere Kondom nicht auffällt, hoffst, dass sie glaubt, du wärst auch gekommen, als sie von dir klettert.

Du rutschst schnell weg, küsst ihren Mund und ihre Haare. »Ich muss mich waschen. Ich bin müde.« Dann möchtest du dir am liebsten auf die Zunge beißen, weil sie sich jetzt Sorgen machen wird, dass du Damons Herz überanstrengt hast. »Es ist okay. Ich muss… Ich brauche etwas Ruhe. Es war gut, Emily«, versicherst du ihr. »Du bist so gut, so wunderschön.«

Du wirfst das Kondom weg und dein Schwanz wird schlaff, stellst das Wasser an, spritzt es dir ins Gesicht und betrachtest dich selbst im Spiegel. Die rote Narbe, die sich mittig über deine Brust zieht, ist überdeutlich zu sehen und noch frisch. Du ziehst sie mit einem Finger nach und denkst daran, aufgebrochen zu sein, blutig, rot und weiß. Du erschauderst bei der Vorstellung, dass sie Damons Körper aufgeschnitten haben, um sein Herz für dich zu retten.

»Alex?«, fragt Emily von der Tür aus. Ihr Nachthemd ist weiß und hauchdünn, ihre weichen Kurven darunter sichtbar und du willst zu ihr gehen und sie in die Arme nehmen. Du willst ihr von all den seltsamen Dingen erzählen, die du in letzter Zeit gespürt hast, all den seltsamen Erinnerungen, die du nicht erklären kannst. Aber du tust es nicht. Denn ihre Trauer um ihren Freund – deinen Cousin – und ihre Angst um dich sind noch zu frisch. Und das alles ist zu verwirrend.

Wenn du Glück hast, verschwindet vielleicht all das wieder.

Wenn du Glück hast.

***

Es spitzt sich zu, als du Cole Hart im Krankenhaus siehst, als du zur Nachuntersuchung hier bist. Du bist immer noch freigestellt, bis alles weiter verheilt ist und obwohl du seit mehr als einer Woche das Gefühl hast, deinem Job als Krankenpfleger in einer Familienpraxis gewachsen zu sein, will Emily nichts davon hören.

Cole scheint geschäftlich hier zu sein, er trägt schicke Kleidung und hat einen Stapel Akten in der Hand, irgendwelchen Papierkram, und er sieht verloren aus. Du siehst zu, wie er mitten im Flur stehen bleibt und sein Blick seltsam in die Ferne wandert.

Du weißt es, du verstehst es, und du spürst es auch – Dr. Damon Black sollte hier sein und du willst, dass er es ist. Du rechnest jede Minute damit, dass hinter jeder Ecke die Pfleger beim Klang seiner strengen Stimme weghuschen. Damon war ein Arzt, der allein durch reine Willenskraft seinen Job bekommen hat.

Du willst gerade nach Cole rufen, ihn begrüßen, als er vor Trauer den Mund verzieht, sich eine Hand davorlegt und die Tränen zurückhält. Es ist nicht fair, dass er Damon verloren hat. Sie hatten nicht genug Zeit miteinander. Es ist nicht fair, dass du lebst, wenn Damon nicht mehr da ist. Cole schluchzt leise und du erstarrst.

Schmerz, atemlos, gewaltsam, nagender Schmerz.

Alles um dich herum wird schwarz und du schmeckst Blut im Mund.

»Oh Gott, Alex! Bist du…? Hey! Wir brauchen hier Hilfe!«

Es ist Cole. Du spürst seine Hände auf dir und greifst danach, drückst sie an deine Brust, während du ihn ansiehst und dich so aufgewühlt fühlst, wie er aussieht. Er ist panisch, die Tränen laufen ihm feucht über die Wangen und er atmet unnatürlich schnell.

Seine Lippen sind rot und geöffnet und er sagt etwas zu dir und du willst, dass er weiterredet.

»Alex, was ist los? Ist es sein Herz?«

Schritte ertönen und du hörst, wie Knie und Beine dumpf auf dem Boden aufkommen, während Cole zurück- und weggezogen wird. Und du sitzt fest, wirst von drei Schwestern und einem Mann untersucht, der sich als Dr. Jones vorstellt. Alle fassen dich gleichzeitig an. Cole steht neben dem Krankenhausbett, in dem du irgendwie gelandet bist, hat die Arme vor der Brust verschränkt und sieht dich mitgenommen und verletzlich an.

»Wie geht's meinem Herz?«, flüsterst du, während die Maschinen piepen.

Cole zuckt zusammen.

Dein Herz? Oder ist es Damons Herz?

Ganz ehrlich, du weißt es nicht mehr.

***

Emily hält dir einen Eisbeutel an die Lippe und fährt beruhigend mit den Fingern durch deine Haare. Das Krankenhaus hat sie hergerufen, obwohl du ihnen versichert hast, dass es unnötig ist, es dir gut geht und es nur ein seltsamer, plötzlicher Ohnmachtsanfall war.

Noch während du die Worte aussprichst, weißt du, dass sie nicht überzeugend sind: Ein Patient, der erst kürzlich eine Herztransplantation hatte, fällt um und schlägt sich die Lippe auf, kann es jedoch nur mit einem seltsamen, intensiven Schmerz beschreiben. So jemanden schickt man nicht nach Hause, ohne vorher eine Reihe von Tests durchzuführen. Du weißt das und akzeptierst es. Jeglicher Kampfgeist hat dich verlassen, jeder Funke im Takt von Damons Herzen wurde vertrieben und von einem tiefen, schmerzhaften Schamgefühl ersetzt.

Du weißt auch, dass es mehr ist als das. Du hast das Krankenhaushemd an, die Hände im Schoß gefaltet und Emily wacht an deiner Seite. Du versuchst, nicht daran zu denken, dass Cole noch wenige Minuten zuvor an deinem Bett war, mit glänzenden, zerzausten blonden Haaren und vom Weinen geröteten Augen. Du versuchst, dich nicht daran zu erinnern, dass er dir befohlen hat, wieder gesund zu werden. »Es ist sein Herz. Das ist alles, was von ihm übrig ist. Tu es für mich. Bitte.«

»Fühlst du dich besser? Du bist so still«, sagt Emily.

Du seufzt und zuckst mit den Schultern. »Alles in Ordnung.« Du versuchst, gelassen zu klingen. »Nur etwas verletzter Stolz, das ist alles.«

Emily ist nicht überzeugt und sie schiebt die Finger in deine Haare und klammert sich an die kurzen Strähnen.

Eine Handvoll, kurz und weich. Coles leises Seufzen, wenn du ihm etwas befiehlst.

Du erzitterst heftig.

Emily legt den Eisbeutel weg, dreht sich vollständig zu dir und streicht mit beiden Händen durch deine Haare.

»Seltsam«, sagt sie leise.

»Was?«, fragst du. Hast du es laut gesagt? Die Erinnerungen, die wie ein Gefühl über dich hereinbrechen – hast du sie zu Worten geformt?

»Deine Haare«, murmelt sie. »Sie sind… anders.«

Du versuchst zu lachen, während dich Panik erfasst. »Anders? Sie müssen geschnitten werden, wenn du das meinst.«

»Nein… Sie sind…« Emily schüttelt den Kopf. »Vergiss es. Es ist albern. Es ist nichts. Mehr noch«, fügt sie fröhlich hinzu. »Es ist unmöglich.«

Dein falsches Lächeln verblasst noch mehr. »Sag es mir einfach«, bittest du sie.

Sie zuckt mit den Schultern, schüttelt leicht den Kopf, verzieht hinreißend das Gesicht und zerzaust dir erneut die Haare. »Sie werden einfach etwas lockig und sind irgendwie rötlich golden? Irgendwie… sehen sie wie Damons aus.«

Du schluckst und nickst. Irgendwie hast du damit gerechnet.

***

Du fühlst dich in deiner eigenen Haut eingeengt, als würde sie dir nicht gehören. Du kämpfst gegen den Drang, an dir zu kratzen und einen Ausweg zu finden. Noch nie in deinem Leben hast du dich so unwohl gefühlt, nicht einmal nach dem Unfall, nicht einmal, als du dachtest, du würdest sterben und könntest nicht atmen. Nein, das hier ist so viel intensiver, etwas Falsches, das bis in deine Seele reicht, und du musst diesem Käfig entkommen, in dem du gefangen bist, sonst…

Sonst wirst du darin sterben.

An anderen Tagen ist es das genaue Gegenteil. Du hast das Gefühl, du wärst der Käfig, aus dem sich ein wildes Tier befreien will. Es beginnt mit Schmerzen in deiner Brust. Die Ärzte bestätigen jedoch, dass es deinem – nein, Damons – Herzen gut geht. Es gibt keine Hinweise auf eine Abstoßung, Entzündung oder Flüssigkeit. Nichts kann deine Schmerzen erklären. Du siehst es in ihren Augen. Das bildest du dir alles nur ein.

Der Schmerz vereinnahmt dich. Er wandert durch deinen Bauch und strahlt bis in deinen Rücken. Er ist erstickend und du hast so etwas noch nie zuvor gespürt. Schmerzmittel helfen nicht einmal annähernd und trotzdem wirfst du sie ein, um mit den Emotionen umzugehen, die dir zu viel sind. Das sollte dein neues Leben sein. Deine Zukunft mit Emily sollte so strahlend sein, dass du die Augen zusammenkneifen musst.

Aber nein – stattdessen entgleitet dir langsam alles.

Es gibt Tage, an denen sich die Zeit auszudehnen und zusammenzuziehen scheint, und manchmal stellst du fest, dass dir einige Stunden fehlen. Die Männer, die im Park Schach spielen, kennen dich mittlerweile und nennen dich »Sir Schachmeister«, wenn du vorbeigehst, aber du kannst dich nicht erinnern, jemals auch nur eine Partie mit ihnen gespielt zu haben. Himmel, du kannst dich kaum an die Regeln erinnern.

Die erschreckendsten Momente sind die mit Cole. Du versteckst dich inzwischen im Schlafzimmer, wenn er Emily besuchen kommt. Die beiden sind gute Freunde geworden und stehen sich fast so nah wie sie und Damon damals und du kannst ihm ihren Trost nicht verweigern. Aber selbst seine Stimme verursacht dir so viel Schmerz, dass du allein bei ihrem Klang ins Schwitzen gerätst. Das Monster in dir bekommt Zähne und Klauen und wenn Cole weint – wenn sie sich über Damon unterhalten und du hörst, wie seine Stimme bricht –, musst du ins Kissen beißen, um die Schreie zu unterdrücken.

Emily ist verletzt. Du siehst, wie sie sich bemüht, dir nah zu sein, aber du kannst es nicht ertragen, mit ihr im selben Zimmer zu sein, wenn du leidest. Sie darf das nicht sehen. Sie darf nicht wissen, dass du den Kampf verlierst, dass du nicht einmal weißt, wie du überhaupt kämpfen sollst. Wenn du dir das Herz nicht aus der Brust reißt, weißt du, dass das Monster gewinnen wird.

Es ist nicht so, als hättest du nicht genau das bereits in Erwägung gezogen.

Im Laufe der Zeit kommen die Wände immer näher. Du kannst dem, was in dir ist, nicht entkommen. Du wirst das Ding nicht los, das dich umbringt. Deine Haarfarbe verändert sich vollständig. Du findest halb gegessene Sandwiches, an deren Zubereitung du dich nicht erinnerst. Deine Füße schrumpfen und rutschen in den Schuhen herum. Du verlierst so viel Gewicht, dass du dir neue Klamotten kaufen musst. Du siehst nicht mehr aus wie du. Dein Kiefer wird schmaler. Deine Haut verändert ihre Tönung.

Es gibt Tage, an denen du aufwachst und von Damons Augen angesehen wirst.

Das ist der Moment, in dem du nicht länger du bist und du weißt, dass du all das nicht aufhalten kannst. Also rennst du, versuchst, schneller als der Wind zu sein und dem Herzen zu entkommen, das in dir steckt.

Kapitel 1

Herzen sind chaotisch. Sogar blutrünstig, würde Cole behaupten. Sie schlagen und brechen und werden aus Brustkörben geholt und anderen Leuten gegeben – die mit diesem kostbaren Geschenk abhauen und nur eine Nachricht hinterlassen. Eine verrückte, wilde Nachricht, die jeden nicht nur an ihrem Herzen, sondern an ihrem Verstand zweifeln lässt.

Ja, Cole kennt Herzen. Und meistens will er mit keinem anderen als seinem eigenen zu tun haben. Allerdings möchte er sich nicht gern als verbittert sehen. Hauptsächlich, weil er vermutet, dass Damon etwas dagegen hätte, und aus irgendeinem Grund will Cole noch immer seine Zustimmung. Nicht, dass Damon Verbitterung nicht gebilligt hätte, immerhin hatte er das selbst sehr gut drauf. Aber Cole würde lieber tief in seinem Inneren wissen, dass Damon ihn zumindest teilweise geliebt hat, denn er war nicht verbittert. Selbst in seiner Erinnerungwürde sich Cole fürDamon nur ungern nicht liebenswert machen.

Trotzdem, es ist zwei Jahre her, seit Alex verschwunden ist, Emily bis aufs Mark verletzt und Cole wütend und hilflos zurückgelassen hat, sodass er erneut getrauert hat, als wäre Damon gerade erst gestorben.

Schon davor hatte Cole manchmal im Stillen gezetert und verflucht, dass Alex den Autounfall überlebt hat, obwohl er derjenige war, der gefahren ist. In lieblosen, wenn auch wahren Augenblicken hat er den Gedanken zugelassen, dass Damon noch hier wäre, wenn Alex an diesem Abend irgendetwas anders gemacht hätte.

Damon würde noch durch Maryville marschieren und es als Kleinkleckersdorf bezeichnen, Cole noch ansehen, als würde er ihn bei lebendigem Leib fressen wollen, als könnte er ihn schmecken, indem er nur die Luft einatmete. Nichtsdestotrotz und obwohl er wütend war, hatte Cole in Alex' Leben und dem Wissen auch Trost gefunden, dass Damons Herz in ihm schlug, das lebendige Gewebe des Mannes, den er mit einer Stärke liebte, die weder Tod noch Zeit trüben konnten.

Aber vor zwei Jahren, nur wenige Monate nach dem Unfall, haben alle die Anzeichen erkannt, dass Alex langsam abgleitet. Er hatte sich verändert. Es fing langsam an. Was auch immer es war, hat ihn verzehrt und auf falsche Weise Gewicht verlieren lassen, wie ein Elefant, der sein Fett loswird, um eine Giraffe zu werden. Und er wurde seltsam, distanziert. Hat Menschen wann immer möglich gemieden. Das Überlebendensyndrom, hat der Arzt Emily erklärt. Die Schuld des Überlebenden, hat sie Cole berichtet.

Geduld hat nichts geändert, Freundlichkeit schien die Symptome nur zu verstärken und nach einer Weile hat sich Alex vollkommen zurückgezogen, in das Haus eingeschlossen, in dem er mit Emily gelebt hat, und wurde paranoid und bizarr.

Nur wenige Tage vor seiner Flucht hätte er einen Termin für ein psychologisches Gutachten wahrnehmen sollen – Emily hatte darauf bestanden. Doch er hatte es sausen lassen, die Stadt verlassen und nur eine verrückte Nachricht zurückgelassen: »Es zwingt mich, zu gehen. Ich kann es nicht aufhalten. Es tut mir so leid. Auf Wiedersehen.«

Sechs Monate voller Nachforschungen und Suchen, die Nachverfolgung aller Verkäufe von Immunsuppressiva in der Gegend und endlose Gebete waren erfolglos. Nichts führte zu Alex. Kein einziges Wort. Kein Brief. Und Emily wurde vor Trauer das Herz herausgerissen, während Cole sie hielt und selbst schluchzte, denn er war gebrochen, weil er das letzte Stück von Damon verloren hatte.

Das war vor zwei Jahren und nun sitzt Emily ihm im Southern Grace Coffee mit einem wackligen Lächeln und einer Frage gegenüber: »Sollte ich hoffen? Sollte ich es wagen?«

Herzen sind verrückte Dinger. Sie greifen um sich und sind wild. Cole hat es schon sein ganzes Leben beobachten können, wie das Herz seines Vaters ausgebrochen ist und sich in der Stadt vergnügt hat und dabei die Herzen seiner Familie durch die Scheidung gebrochen hat. Er möchte Emily sagen, dass sie vorsichtig sein und auf ihr Herz aufpassen muss, aber sie ist nicht er und wird es auch nie sein – und vielleicht sollte er sein Herz auch nicht schützen. Wie oft haben sie diese Diskussion schon geführt? »Damon würde es wollen. Er würde wollen, dass du glücklich bist«, waren Emilys Worte.

Aber glücklich und Herzen sind Worte, die für Cole nicht zusammenpassen. Zumindest nicht jetzt. Es scheint noch schwieriger zu sein, ihn zufriedenzustellen, und er findet praktisch bei jedem ein Haar in der Suppe – zu jung, zu unschuldig, zu hoffnungsvoll. Zu sehr wie jemand, der noch nie zusehen musste, wie der Mann, den er liebte, den Verletzungen eines sinnlosen, brutalen Autounfalls erlegen ist und dann die Papiere unterschreiben musste, damit jenem Mann das Herz aus der Brust gerissen und dem Mann eingesetzt wurde, der das Auto gefahren hat. Ein Mann, der es Cole für immer weggenommen hat und mittlerweile selbst tot sein könnte.

Oh nein, diese jungen Männer, die Cole um Dates bitten, und selbst einige der älteren, sind in keiner Weise darauf vorbereitet, mit ihm umzugehen. Cole ist nicht einmal selbst dafür gemacht.

»Natürlich, Emily«, antwortet Cole. »Alex ist schon lange weg. Du verdienst es. Du solltest glücklich sein.«

»Es fühlt sich einfach beängstigend an, weißt du?« Emily betrachtet ihn und drückt seine Hand. »Woher weiß ich, dass ich ihm vertrauen kann? Vertraue ich mir überhaupt selbst? Kann ich das?«»Du kannst«, erwidert Cole nickend und lächelt sie mit so viel Liebe und Aufmunterung an, wie er aufbringen kann. »Du bist stark und erstaunlich und ich habe überhaupt keinen Zweifel daran, dass Michael dich liebt. Hast du gesehen, wie er dich ansieht? Er schwebte praktisch davon.«

Emily presst die Lippen zusammen, um ihr Lächeln zu unterdrücken, doch ihre Augen strahlen. »Das tut er, nicht wahr?«

»Und wie«, stimmt Cole zu und lächelt mit all der Freude, die sich Emily selbst nicht gestattet. »Und was noch wichtiger ist, er ist ein guter Mann, Emily.«

Cole sollte es wissen. Er hat Michael Saint John als Leiter für Appalachian Rainbows eingestellt, der Wohltätigkeitsorganisation, die er mit dem Geld aus Damons Versicherung gegründet hat. Sie sind darauf spezialisiert, die Schule für LGBT-Kids sicherer zu gestalten. Dadurch hat Cole mehr Zeit, für Hardiest Hearts zu arbeiten, einer Gruppe, die Kinder unterstützt, die auf eine Organspende warten. In seinen dunkelsten Stunden, von denen es immer noch zu viele gibt, treiben ihn diese Kids an. Der Gedanke an ihre erbitterte Entschlossenheit im Angesicht so vieler Schwierigkeiten und Tragödien gibt ihm die Möglichkeit, eine ähnliche Entschlossenheit in sich selbst zu finden.

Michael und Cole haben im letzten Jahr eng zusammengearbeitet. Er ist freundlich, großzügig und unglaublich gut in seinem Job. Ganz zu schweigen davon, dass sich Cole nun langsam wirklich der Frage widmen kann, was er mit dem Familienunternehmen tun soll, das ihm sein Großvater vererbt hat: Hart Trucking.

Wie ihn seine Mutter während ihrer transkontinentalen Telefonate immer erinnert, ist es an der Zeit, sich zu entscheiden, was mit der Firma passieren soll, und Cole weiß das auch. Entweder baut er das Ansehen wieder zu dem auf, wie es vor dem Skandal um seinen Großvater gewesen war, oder er zerteilt die Firma und verkauft sie. Es ist an der Zeit, Nägel mit Köpfen zu machen und das Ganze nicht nur von den handverlesenen Leuten seines Großvaters leiten zu lassen, während Cole einen groben Überblick hat, um sicherzugehen, dass alles mit rechten Dingen zugeht.

Emily atmet tief ein. »Okay, ich mache es. Ich gebe Michael meine Zustimmung.«

»Moment«, sagt Cole. »Wozu denn?«

»Ich werde ihm sagen, dass ich bereit bin, es zu versuchen.«

»Du… wirst mit ihm schlafen?«

Emily sieht ihn verrückt und etwas verrucht an. »Also, Cole Hart, ich hätte nie gedacht, dass es dich interessiert, was in meinem Schlafzimmer passiert.«

»Es ist nur… Ich rate dir, also«, erwidert Cole und stolpert über das, was er immer noch so schwer aussprechen kann. »Ich meine, ich will damit wohl sagen, lass ihn nicht warten.«

Emilys Blick wird weicher. »Damon hat es nicht gestört, auf dich zu warten.«

Cole verdreht die Augen. »Es hat ihn gestört. Glaub mir, und wie. Himmel, es hat sogar mich gestört, aber ich war dumm und hatte Angst. Ich wünsche mir jeden Tag, ich hätte vor seinem Tod mit ihm geschlafen.«