Training Season - Leta Blake - E-Book

Training Season E-Book

Leta Blake

0,0
6,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Der unbestreitbar talentierte Eiskunstläufer Matty Marcus ist willens, alles für seinen olympischen Traum zu opfern, aber sein Mangel an Disziplin hat ihn schon einmal Gold gekostet. Jetzt steht er unter Druck. Er braucht einen Trainer, der ihn bei der Stange halten kann, aber gute Trainer sind nicht billig und Matty kann es sich nicht leisten, im Spiel zu bleiben, ganz egal, wie unbedingt er gewinnen will. Als ein lukrativer Job als Housesitter ihn ins ländliche Montana führt, tut Matty sein Bestes, um seinen Trainingsplan aufrechtzuerhalten. Die Ortsansässigen sind überraschend tolerant, was seinen exzentrischen Stil betrifft. Vor allem der gutaussehende junge Rancher Rob Lovely, der sehr viel mehr als ein typischer Cowboy ist. So wie Matty eine starke Hand braucht, damit er auf dem Eis sein Bestes gibt, zeigt Rob ihm, wie stark er sein kann, wenn er im Bett die Kontrolle aufgibt. Mit neugefundenem Selbstbewusstsein trainiert er noch härter, um an die Spitze zu kommen. Aber der Wettkampf läuft nach einem Zeitplan und um seinen olympischen Traum zu verwirklichen, muss Matty zu seinem neuen Trainer nach New York City gehen und Rob zurücklassen. Jetzt sieht er sich dem ultimativen Test gegenüber. Hat er während seiner Trainingssaison wirklich gelernt, wie man gewinnt – auf dem Eis und im Leben?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 577

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Leta Blake

Training Season

Impressum

© dead soft verlag, Mettingen 2017

http://www.deadsoft.de

© 2013 Leta Blake

Originaltitel: Training Season

Übersetzung: Xenia Melzer

Cover: Irene Repp

http://www.daylinart.webnode.com

Bildrechte:

© Gary – fotolia.com

© Andrey Kiselev – fotolia.com

© anoli – fotolia.com

1. Auflage

ISBN 978-3-96089-149-9

ISBN 978-3-96089-150-5 (epub)

Inhalt:

Der unbestreitbar talentierte Eiskunstläufer Matty Marcus ist willens, alles für seinen olympischen Traum zu opfern, aber sein Mangel an Disziplin hat ihn schon einmal Gold gekostet. Jetzt steht er unter Druck. Er braucht einen Trainer, der ihn bei der Stange halten kann, aber gute Trainer sind nicht billig und Matty kann es sich nicht leisten, im Spiel zu bleiben, ganz egal, wie unbedingt er gewinnen will.

Als ein lukrativer Job als Housesitter ihn ins ländliche Montana führt, tut Matty sein Bestes, um seinen Trainingsplan aufrechtzuerhalten. Die Ortsansässigen sind überraschend tolerant, was seinen exzentrischen Stil betrifft. Vor allem der gutaussehende junge Rancher Rob Lovely, der sehr viel mehr als ein typischer Cowboy ist. So wie Matty eine starke Hand braucht, damit er auf dem Eis sein Bestes gibt, zeigt Rob ihm, wie stark er sein kann, wenn er im Bett die Kontrolle aufgibt. Mit neugefundenem Selbstbewusstsein trainiert er noch härter, um an die Spitze zu kommen.

Aber der Wettkampf läuft nach einem Zeitplan und um seinen olympischen Traum zu verwirklichen, muss Matty zu seinem neuen Trainer nach New York City gehen und Rob zurücklassen. Jetzt sieht er sich dem ultimativen Test gegenüber. Hat er während seiner Trainingssaison wirklich gelernt, wie man gewinnt – auf dem Eis und im Leben?

Widmung

Teil 1

Kapitel 1

Früher Herbst

„Montana? Du machst wohl Witze?“

„Da ist es schön.“

„Und?“

„Und du bekommst achttausend Dollar im Monat“, entgegnete Mattys Mutter. „Wo sonst kannst du so viel Geld verdienen? Um wieder auf olympisches Niveau zu kommen, musst du Betreuer und Trainer anheuern und für die Kostüme bezahlen. Du wirst auch an die Kosten für einen Choreographen denken müssen, von der Zeit im Eisstadion ganz zu schweigen. Du weißt das.“

„Ja, aber sehe ich aus wie ein rauer, Karohemden tragender, Brokeback Mountain-Schwuler? Nein, tue ich nicht.“ Matty rieb sich über seinen unteren Rücken. Die Verletzung schmerzte noch immer, raubte ihm aber nicht mehr den Atem. Wenigstens konnte er wieder Eislaufen und war nicht länger ans Bett gefesselt, wo er jedes Mal vor Schmerzen zu schwitzen begann, wenn er sich bewegte.

„Für achttausend im Monat, Matty, kannst du es dir nicht leisten es nicht zu sein.“

Matty setzte sich auf sein Bett und sah sich im Zimmer um. Bilder und Poster bedeckten die Wände noch immer in einer kindlichen Fülle an Farben. Geschenke von seinen Fans lagen auf seinem Toilettentisch und dem Schreibtisch und füllten die großen Truhen, die an einer Wand standen. Alles, von handgemachten Puppen, die ihn selbst darstellten, bis hin zu bestickten Weihnachtssocken, die ihn als schlittschuhlaufenden Santa zeigten, befand sich in diesen Kisten.

Mattys Mutter ließ ihn kein einziges wegwerfen, weshalb er die Geschenke in den schönsten antiken Truhen sammelte, die er finden konnte. Natürlich liebte er sie alle, aber wenn seine Träume, wieder in Form zu kommen, sich verwirklichten, würde seine Mutter wohl ein Lager für all die Andenken anmieten müssen.

Zu diesem Zeitpunkt gab es nicht viel, das Matty nicht für Geld tun würde. Schön, seinen Hintern feilbieten – das würde er nicht tun. Diebstahl, Drogen oder Glücksspiel – nein. Er wusste nicht einmal, wie er ein einträgliches Leben als Krimineller beginnen sollte und das Innere einer Zelle zu sehen, war ein sicherer Weg nie wieder auf dem Eis zu stehen. Viele hatten gedacht, dass seine Rückenverletzung seine Karriere beenden würde und das Letzte, was er brauchte, war seine Karriere zu ruinieren, weil er sich wie ein Idiot benahm.

Er hatte sich nach Jobs erkundigt – echten Jobs – aber keiner brachte genug ein, um ihn wieder zurück aufs Eis zu bringen und für alle, die das konnten, hatte er mehrere schulische Abschlüsse zu wenig. Aber … Montana?

„Margaret tut dir da einen riesigen Gefallen. Du musst dich aber für den Job bewerben“, sagte seine Mutter, während sie in seinem Zimmer herumging. Ihre Bluse und Hose schlackerten an ihrer gertenschlanken Figur und sie fuhr sich mit den Händen durch ihren braunen Bob mit den grauen Strähnen. „Sie ist dabei – sie will dich wieder Schlittschuhlaufen sehen. Das ist der Grund, warum sie mich kontaktiert hat. Na ja, einer der Gründe. Der andere ist, dass sie wirklich jemanden brauchen, der sich um die Ranch kümmert, während sie unterwegs sind. Das haben sonst ihre Enkel übernommen, aber die sind jetzt im College.“

„Woher kennst du diese Frau überhaupt, Donna?“

„Nenn mich nicht bei meinem Vornamen und sei nicht schwierig, Matty. Du weißt, dass sie seit Jahren schon ein Fan von dir ist. Sie hat deine Karriere verfolgt und deine Wettkämpfe und Shows besucht. Du hast sie mehrmals getroffen.“

Matty zuckte mit den Achseln.

Donna seufzte und rollte mit den Augen. „Wir mailen und halten den Kontakt aufrecht. Sie ist ein wenig exzentrisch, wie es alte, reiche Menschen sind, aber sie ist eine gute Frau und sie ist willens, dein Leben für den Preis von ein paar Monaten leichter Arbeit in Montana zu ändern. Denk dir, es wäre Sponsoring.“

„Es ist kein Sponsoring, wenn sie mehr von mir will als nur meine Kunst.“

„Schön, sieh es als unanständig überbezahlten Job und reiß dich zusammen.“

„Dir ist klar, dass sie mich einfach nur als Spielzeug haben will, oder? Das könnte alles eine kranke Taktik sein, mich alleine in die Wildnis zu locken. Es könnte so enden wie dieser Stephen King Roman. Sie wird mich kidnappen und zu ihrem eigenen, privaten, Eisläufer machen! Sie wird mich zwingen, zu ihrem Vergnügen zu fahren! Wenn ich das nicht tue, wird sie mir den Fuß abschneiden.“

„Matty, das wird nicht passieren.“

„Das weißt du nicht. Es könnte jedenfalls so sein.“

Donna blies die Backen auf und rollte wieder mit den Augen. „Willst du wieder Eislaufen oder nicht?“

Gegenüber dem Bett, an seinem Ehrenplatz an der Wand, hing das ramponierte Poster von Ice Castles, das schon alt gewesen war, als er es im Alter von zehn bei eBay ersteigert hatte. Es war der Film, der ihn dazu inspiriert hatte, mit dem Eislaufen anzufangen. Er hatte unbedingt Lexie sein wollen und die ersten, tiefen Gefühle von Lust gespürt, als er sich vorgestellt hatte, in Nicks Armen zu liegen. Jetzt starrte er es an und fühlte die alte Sehnsucht.

Seine Augen wanderten über die Fotos von Eiskunstläufern, die um das Poster herum an der Wand hingen. Es war eine Mischung aus jenen, die er bewunderte, und einigen, die er verabscheute, aber sie alle waren Gegner gewesen, die er hatte besiegen wollen. Und das hatte er. Bis er es nicht mehr getan hatte.

Nach seiner Verletzung war er zu lange depressiv gewesen. Ohne Bewegung ans Bett gefesselt, hatte er mehr Nahrung zu sich genommen, als irgendjemand rechtfertigen konnte. Er hatte noch nie so viel gewogen oder war so außer Form gewesen, seit er im Alter von elf angefangen hatte, wettkampfmäßig zu fahren. Gemessen an allgemeinen Standards war er immer noch schlank, aber Eislaufen hatte seine eigenen Regeln.

Er hatte so viel Arbeit vor sich, um wieder in Wettkampfform zu kommen, und manchmal ermüdete der Gedanke ihn. Aber wenn er kein Comeback nach seiner Verletzung machte, würde er sich nie beweisen. Nie seine Verfehlungen gutmachen. Er sah sich seine Andenken an und seufzte.

Auch wenn sein Zimmer im Haus seiner Eltern in Norfolk angenehm war, bereute er es doch, aus seinem viel geschmackvoller eingerichteten Apartment in New Jersey ausgezogen zu sein. Nachdem er aus dem Krankenhaus entlassen wurde, hatte er keine Wahl gehabt, als zurück nach Virginia zu ziehen.

Seit Mattys Verletzung war es für die Familie eng gewesen. Er hatte eine ganze Saison verpasst, keine Preisgelder erhalten und auch sein übliches Einkommen aus Ice Shows in Japan, Russland und Südkorea fehlte. Da er auch in dieser Saison an keinen Wettkämpfen teilnehmen konnte, wurde er vom Verband nicht mehr unterstützt und musste sich erst wieder beweisen.

Sein Vater hatte nicht mehr arbeiten können, seit er bei einem Autounfall beinahe sein rechtes Bein verloren hatte, als Matty neun war. Das Geld, das er aus dem daraus resultierenden Prozess erhalten hatte, war vor Jahren in Mattys Eislaufkarriere gesteckt worden.

Ohne Mattys Einkommen hatte seine Mutter einen zweiten Job annehmen müssen. Er wusste, wie unglücklich sie darüber war, fünf Nächte in der Woche Kundenwerbung per Telefon machen zu müssen, nur damit sie über die Runden kamen. Schlimmer noch, sein Bruder, Joseph, hatte ein paar Mal seine Ersparnisse für das College angezapft, um mit den Rechnungen zu helfen.

Wenn Matty ihrer aller Leben wieder auf Kurs bringen wollte, brauchte er das Geld, das dieser Job bot. Gedankenverloren schaute er wieder auf das Ice Castles-Poster. Wenn Lexie wieder eislaufen konnte, nachdem sie ihr Augenlicht verloren hatte, dann konnte er das hier hinter sich lassen. Und das würde er. Oder er wäre nicht Matty Marcus.

„Also, was muss ich tun?“, fragte er seine Mutter, die geduldig wartete.

Sie setzte sich neben ihn auf das Bett. „Nicht viel. Margaret möchte dir diese Chance geben. Sieh es als extravagantes, wunderbares Geschenk. Aber ihr Ehemann muss noch überzeugt werden.“

„Was bedeutet das?“

„Im Grunde will er nur sichergehen, dass du verantwortungsbewusst bist und es keine Partys oder unwillkommenen Besucher geben wird. Solche Sachen.“

„Unwillkommene Besucher? Du meinst Elliot.“

„Ich spreche von Elliot, Joanna -“

„Sie ist meine Agentin!“

„Sie ist nicht nach Montana eingeladen.“

„Streng.“

„Nicht nur Elliot oder Joanna. Ich rede auch von Heidi oder Zarah oder Franklin oder allen anderen. Matty, diese Leute sind willens, dir eine Menge Geld zu bezahlen, und es ist nur für sechs Monate. Ich denke, du kannst das ohne deine Freunde aushalten.“

„Was ist mit meinem Training? Nach allem, was ich durchgemacht habe, könnten sechs weitere Monate weg vom Eis das Ende meiner Karriere bedeuten. Es ist schon mehr als ein Jahr, Mom. Ich bin einundzwanzig. Das ist wahrscheinlich meine letzte Chance, bei den olympischen Spielen dabei zu sein. Die sind schon in zweieinhalb Jahren.“

„Zwanzig Minuten von der Ranch entfernt ist ein Stadion. Du kannst sofort mit dem Training anfangen. Margaret sagte, sie würde sicherstellen, dass du für das Eis gebucht bist und sie würde sogar im Voraus bezahlen, wenn du ihr sagst, wie viele Stunden pro Woche du haben willst. Das hier ist riesig, Matty. Es ist so viel mehr als nur achttausend im Monat.“

„Angenommen ich bekomme den Job“, erwiderte Matty. „Ich muss noch ihren Ehemann überzeugen.“

„Geh hin, sieh gut aus, zeig, dass du dich um die Pferde kümmern kannst, sei höflich und sage ‚Sir‘. Ich denke, du wirst den Job bekommen.“

„Ich muss mich persönlich bewerben?“, fragte Matty.

„Ich habe dir heute Morgen ein Flugticket gekauft. Du fliegst morgen.“ Donna tätschelte sein Bein und stand auf. „Schmoll nicht. Es ist nur Montana, nicht Moldawien.“

„Wenn es Moldawien wäre, könnte ich Russisch üben und, wenn ich wirklich Glück hätte, würde ich ein Opfer des Menschenhandels und in sexuelle Sklaverei verkauft werden. Das könnte echt heiß sein.“

Donna stöhnte. „Hallo, Liebling? Mund-Gehirn Filter? Anschalten.“

Matty setzte sich aufrecht hin. „Warte, Mama, wie hast du das Ticket bezahlt?“

Donna tätschelte den Türrahmen. Matty sah ihren nackten Ringfinger und ihm traten Tränen in die Augen.

„Du solltest für Montana packen, Matty. Wenn unser Glück sich wendet, bereitest du dich nächstes Jahr um diese Zeit auf den Cup of Russia vor.“

Matty starrte sie mit einem Kloß im Hals an.

Sie hatte ihren Ehering verkauft – und wer weiß wie viel von ihrem anderen Schmuck. Ihr niemals endender Glaube beschämte ihn manchmal zutiefst. Seine Eltern hatten bereits ihre Pensionskonten und ihre Ersparnisse aufgebraucht und alles, was sie hatten in sein Eislaufen gesteckt. Seiner Meinung nach hatte er ihnen noch nichts zurückgegeben. Er war abgelenkt gewesen, hatte sich unverantwortlich benommen und seine Chancen verpatzt.

Nach seiner enttäuschenden Vorstellung bei den letzten Olympischen Spielen und seiner Verletzung war er erstaunt, dass seine Mutter noch so absolut an ihn glaubte.

Also auf nach Montana.

Matty rief seinen besten Freund so früh wie menschenmöglich an, was, wegen der Kurzfristigkeit seiner Reisepläne, in dem Moment geschah, als das Flugzeug in Missoula landete. Elliot war nicht erfreut.

„Du bist in Montana? Was zur Hölle, Bitch?“

Matty erzählte ihm von dem Job. „Es ist an einem Ort namens Whitefish.“

„Wo ist das?“, fragte Elliot.

„Weiß Gott wo. Wahrscheinlich kurz vor der Hölle.“ Er erinnerte sich an den Anblick der schneebedeckten Berge während des Landeanflugs. „Eine schöne Hölle, aber dennoch eine Hölle.“ Matty machte an einem Flughafenstand halt, um einen Spiegel aus seiner Tasche zu holen. Er überprüfte sein kunstvoll zerzaustes Haar und glättete seine Augenbrauen. Seine braunen Augen funkelten klar im Licht des Vormittags, das durch die Fenster hereinschien, und seine vollen Lippen glänzten rosig, als er seinen Lipgloss auftrug. „Denk nur an alles, was du über die Art Menschen weißt, die zum Fliegenfischen gehen und Rinder treiben und platziere mich in der Mitte. Ich werde hier wahrscheinlich ein Hassverbrechen erleben.“

„Ganz bestimmt“, sagte Elliot gedehnt und klang dabei erstaunt. „Wenn du den Job bekommst, wirst du wohl nicht auf meine Un-Geburtstagsparty dieses Wochenende kommen.“

„Nicht, wenn sie nicht in Montana ist.“

„Mist. Ich habe einen wunderbaren Hut vom Verrückten Hutmacher für dich gekauft.“

„Der Verrückte Hutmacher? Das glaube ich eher nicht, Elliot. Ich hätte Alice sein sollen.“

„Du bist jedes Jahr Alice. Diesmal bin ich dran, du Königin.“

„Schön. Du kannst Alice sein, denn ich bin in Montana. Erschieß mich einfach jetzt.“

„Kann ich nicht. Deinen Mutter würde wütend werden.“

Matty schnaubte.

„Also, wird es da Pferde und so‘n Scheiß geben?“

„Und die Scheiße von Pferden.“

„Oh, Girl.“

„Genau.“

In der Nähe der Kofferausgabe sah Matty eine mittelgroße, dunkelhaarige Frau, die schon einige graue Strähnen hatte und einen Pelzmantel und eine große Sonnenbrille trug. Sie hielt ein Schild, auf dem Matthew Christopher Marcus stand. Sie sah ungefähr zehn Jahre älter als seine Mutter aus und fing an, wie wild mit den Armen zu wedeln, um seine Aufmerksamkeit zu erregen.

„Ich muss auflegen. Ich muss jetzt verantwortungsvoll und charmant sein. Wünsch mir Glück.“

„Glück“, sagte Elliot mit so wenig Ernsthaftigkeit, dass Matty erkannte, dass Elliot bereits das Interesse an seiner Situation verloren hatte. Elliot hatte in dieser Hinsicht eine kurze Aufmerksamkeitsspanne. Matty konnte ihm deswegen nicht wirklich einen Vorwurf machen. Er war schon immer leicht abzulenken gewesen, seit sie in der dritten Klasse Freundschaft über einer Schachtel Glitzerkreide geschlossen hatten, die die Kunstlehrerin nur ihren liebsten und bestaussehendsten Schülern gab.

„Matty, Darling“, sagte Margaret Page, als sie ihn in eine feste, nach Dior J'Adore riechende Umarmung zog. Sie war mindestens acht Zentimeter größer als er und Matty stellte sich auf die Zehenspitzen, damit sein Kinn auf ihre Schulter fiel. „Sieh dich an! Jetzt bist du wieder fit, oder? Wie geht es dir? Bist du bereit, wieder zu trainieren?“

Während sie sprach, tätschelte sie ihn von oben bis unten ab, nahm seine Arme und zog sie seitwärts von seinem Körper, betrachtete ihn, als wäre sie eine lange verschollene Tante, die sehen wollte, wie viel er gewachsen war.

Aber Margaret war nett und Matty hatte keine Probleme, das Gespräch während der beinahe dreistündigen Fahrt von Missoula zur Ranch aufrechtzuerhalten. Während sie durch das endlose Farmland fuhren, wo die beeindruckenden Berge Mattys Aufmerksamkeit immer wieder auf sich zogen, unterbrach sie das Gespräch, um mit der Hand durch das Fenster zu winken und zu sagen: „Das hier ist Kalispell, ein guter Ort, um nach Dingen zu suchen, die du in Whitefish nicht findest.“ Oder: „Das ist Flathead Lake, der größte Süßwassersee westlich des Mississippi.“

Das Letzte sagte sie mit großem Stolz in der Stimme. Matty, der von der Schönheit des Sees, der Berge und dem weiten, endlosen Himmel überwältigt war, nickte nur stumm. Es sah ihm nicht ähnlich, sprachlos zu sein, doch die natürliche Schönheit um ihn herum raubte ihm den Atem.

Während der Fahrt stellte Margaret ihm ein paar vergnügte Fragen darüber, wer mit wem in der Eiskunstlaufszene „ausging“. Sie machte die Gänsefüßchen deutlich und wollte eindeutig wissen, wer mit wem Sex hatte. Er wusch ein wenig schmutzige Wäsche, um sie glücklich zu machen – was ihm hoffentlich den Job einbrachte – aber die größten Insider-Geheimnisse behielt er für sich. Er würde eines Tages ein Enthüllungsbuch schreiben, angenommen, er schaffte es überhaupt zurück ins Spiel.

Whitefish, die Stadt, die der Ranch am nächsten lag, war so idyllisch, wie man es sich nur vorstellen konnte. Sie stand am Fuße des mächtigen, unglaublich schönen Big Mountain und war von allen Seiten von den Rockies umgeben. Matty wollte sich ein wenig in seinem eigenen Mund übergeben. Nicht weil er die Idylle nicht schätzen konnte, sondern weil er mit einem Stiefel in seinen Zähnen enden würde, bevor sein Job zu Ende war. Er wusste es einfach. Schwule Jungs wie er gehörten nicht in raue Städte wie Whitefish.

Margaret machte einen Umweg, um Matty das Eisstadion zu zeigen. „Es ist nicht sehr beeindruckend, Darling, aber das Stumptown Ice Den ist alles, was wir haben, und es sollte ausreichend sein. Ich habe bis März bezahlt. Zwanzig Stunden pro Woche – du musst nur vorher Bescheid sagen wann. Wenn du mehr Zeit brauchst, kannst du das mit dem Geschäftsführer besprechen.“

„Das ist zu viel“, protestierte Matty.

„Unsinn. Sieh es als Bonus an für das, was du für uns tust. Deine Mutter sagte, du könntest das Geld und die Zeit gebrauchen, um dich zu fokussieren. Ich will sehen, wie du nächstes Jahr bei den Weltmeisterschaften Gold holst, Matty. Mach ein großes Comeback. Und wenn du im Kiss and Cry sitzt, und die Kamera auf dich gerichtet ist, wäre es nicht falsch, wenn du ‚Danke, Margaret‘ flüsterst, in Ordnung? Wenn du das machst, pinkele ich mir vielleicht in die Hose.“

„Mrs. Page, ich hoffe wirklich, dass ich Ihnen diese spezielle Reinigungsrechnung nicht versage.“

„Ich denke, wo du doch in meinem Haus leben, meinen Nippes abstauben, von meinen Tellern essen und dich um meine Pferde kümmern wirst, kannst du mich Margaret nennen. Tatsächlich bestehe ich darauf.“

„In Ordnung“, stimmte Matty zu. Es klang eindeutig so, als ob er den Job hätte.

Die Ranch selbst lag weitere zwanzig Minuten außerhalb von Whitefish und Mattys Rücken begann von der langen Fahrt zu schmerzen, ehe sie dort ankamen. Sobald er ausgepackt hatte, würde er sich lange dehnen müssen, um einen Rückschlag zu vermeiden. Er suchte in seinem Rucksack nach Ibuprofen und einer Flasche Wasser und nahm ein paar Tabletten.

„Ich bin schon viel herumgereist“, sagte Margaret. „Und ich bin bereit wieder auf Reisen zu gehen, aber lass mich dir sagen, Matty, dieses Land hier ist eines der schönsten auf der ganzen Welt, auch wenn ich voreingenommen bin.“

Auch Matty war schon weit herumgereist und musste ihr zustimmen.

„George und ich sind nach seinem Herzinfarkt hierhergezogen. Er war damals gerade einmal zweiundvierzig und ich wusste irgendwie, dass er hier, in der frischen Bergluft, wieder gesund werden würde. Das war vor zwanzig Jahren. Er ist so stark wie ein Ochse, Matty. Das bewirkt Montana.“ Sie tätschelte sein Knie und lächelte auf die Straße, die sich vor ihnen erstreckte. „Ich hoffe, dass es seine heilende Wirkung auch bei dir entfaltet.“

Als sie neben zwei langen Auffahrten, die sich bis in die Unendlichkeit zu ziehen schienen, anhielten, stieg Margaret aus und öffnete den blauen Briefkasten. Ehe sie sich wieder hinter das Steuer setzte, fegte sie den Schnee von dem roten Kasten daneben.

„Robs Briefkasten“, sagte sie, als ob das alles erklärte.

Matty nickte nur.

Als sie die mit Kiefern gesäumte Straße zum Haus entlangfuhr, murmelte sie: „Rechnungen, Rechnungen, ich schwöre, das ist alles, was wir bekommen. Ich habe riesige, bereits adressierte und freigemachte Briefumschläge in einem Ordner im Schreibtisch in der Bibliothek. Ich zeige ihn dir, wenn wir im Haus sind. Du musst die Rechnungen nur jede Woche da hineinstecken und sie unserem Buchhalter schicken. Es gibt noch einen zweiten Ordner mit Briefumschlägen für die restlichen Briefe – außer für Werbung, von der ich hoffe, dass du sie aussortierst – und die kannst du einfach jede Woche meiner Schwester schicken. Sie wird sich dann darum kümmern.“

„Ich bin von deinem Organisationstalent beeindruckt“, sagte er voller Wärme. „Wenn es um so etwas geht, bin ich selbst ein Freak.“

Margaret sah zufrieden aus. „Hör zu, du hast den Job, in Ordnung, Darling? Solange du George nicht beleidigst, was du sicher nicht tun wirst. Aber, nur für den Fall… sei einfach du selbst.“

Matty lächelte. „Ich kann gar nicht anders.“

George Page erwartete sie am Ende der Auffahrt vor der zweistöckigen, aus Holz und Stein erbauten Ranch. Er trug einen Cowboyhut, ein weißes Hemd und ein Gewehr. Er lächelte nicht und er sah Matty an, als wäre er John Wayne, der ihn gleich zu einer Schießerei herausfordern würde.

„Du bist also der Eiskunstläufer.“

„Der bin ich, Mr. Page. Sir“, sagte Matty und schauderte in der kalten Luft. Er zog seinen Mantel ein wenig enger um sich, lächelte und versuchte, den Mann dazu zu bringen ihn zu lieben, wie es jeder gute und rechtschaffene Mensch in der Welt tun sollte. „Ich mag auch Pferde.“

Die Augen des Mannes schauten etwas weniger grimmig drein. Er stellte das Ende seines Gewehrs auf seinen Fuß, als er sagte: „Pferde?“

„Ja, Sir. Ich hatte sogar ein Pferd, als ich ein Kind war. Ich habe ihn geliebt. Sein Name war Butterscotch Brier.“ Matty lächelte liebevoll. Er hatte eine weiche, fast gelbe Mähne und ein glattes, karamellfarbenes Fell gehabt. Er hatte es auch geliebt, wie der Wind beim Reiten über seine Haut strich, während er seine Fersen in Butterscotchs Flanken presste, damit er schneller lief. Das Gefühl durch die Luft zu fliegen, liebte er auch am Eislaufen.

„Was ist mit ihm passiert?“

„Na ja, ich musste ihn verkaufen, als ich mit meiner Eislaufkarriere begann. Er bekam nicht mehr genug Aufmerksamkeit.“

„Hmmph.“ George sah nicht beeindruckt aus.

„Aber ich bin auf dem Land aufgewachsen. Bevor mein Vater sich das Bein verletzt hat, hatten wir eine kleine Farm in Virginia.“, fuhr Matty fort und versuchte, so charmant wie möglich zu sein. „Ich freue mich darauf, ein wenig Zeit weg von der Stadt zu verbringen. Ich habe das Land vermisst. Obwohl das hier“, er deutete auf die Berge und die Kieferwälder, die die Landschaft säumten, „sich sehr von dort unterscheidet, wo ich herkomme. Es ist überwältigend.“

In Georges Gesicht erschien etwas, das Interesse zu sein schien, darum redete Matty weiter. „Oh, und ich miste gerne aus. Es ist befriedigend, die Ställe wieder sauber zu sehen. Gibt mir das Gefühl, etwas erreicht zu haben.“

George antwortete: „Du hattest den Job, als du erwähnt hast, dass du dich mit Pferden auskennst. Lüg mich nicht an, indem du sagst, dass du gerne Ställe ausmistest. Mir schönzutun wird dir keine Extrapunkte bringen.“

Matty konnte sehen, warum der Typ reich war. Er tolerierte keinen Unsinn. Dennoch hatte Matty nicht gelogen. Sein Fetisch für Reinlichkeit war nie wirklich normal gewesen, aber sein Pferd hatte ihn immer zu schätzen gewusst.

„Ich bin ein Sauberkeitsfanatiker“, sagte Matty. „Ich miste wirklich gerne aus.“

George sah nicht ganz überzeugt aus, sagte aber schließlich: „Schön. Margaret will, dass du es machst und ich habe keine Zeit mich darum zu kümmern, darum kann sie dich als ihr Projekt haben. Hier sind die Regeln, Sohn. Keine Partys. Keine Freunde, egal woher, um dir Gesellschaft zu leisten. Ich riskiere es mit dir, nicht mit deinem festen Freund oder deiner besten Freundin, verstanden? Wenn du Hilfe mit den Pferden brauchst, die Ranch von Rob Lovely ist gleich nebenan und du kannst ihm vertrauen. Ich habe ihm dieses Land abgekauft, nachdem sein Vater gestorben ist. Wenn du Probleme hast, kannst du dich auf ihn verlassen. Wenn du damit einverstanden bist, bekommst du achttausend Dollar im Monat auf dein Konto, ein Auto, um die nächsten sechs Monate zu fahren und einen Platz zum Leben. Haben wir eine Abmachung?“

„Ja, Sir“, sagte Matty und streckte seine Hand aus, damit sie einschlagen konnten. „Die haben wir.“

Kapitel 2

Er würde sechs Monate hier wohnen müssen. Er wusste nicht, ob er es ertragen konnte.

Die Ranch der Pages war gut ausgestattet, wenn man Country Chic gekreuzt mit Ranch Stil mochte, der auch noch großzügig mit Andenken aus aller Welt durchsetzt war. Aber Matty wollte weinen und anfangen, die Quilts von den Wänden zu reißen oder das Sofa mit dem Patchworkmuster aufzuschlitzen und mit einem Vorschlaghammer die falschen Ziegelfliesen in der Küche abzuschlagen.

Die einzigen Gegenstände aus der Inneneinrichtungshölle der Pages, die Matty nicht loswerden oder zerstören wollte, waren die Bärenfellteppiche vor jedem Kamin, die Rehfelle, die an den Wänden des Hobbyraumes hingen und die Nerzkissen auf Mattys Bett im Gästezimmer. Alles andere musste weg.

Selbst die Aussicht vom Haus aus war gar nicht so spektakulär. Wenn man bedachte, wie atemberaubend er alles auf dem Weg hierher gefunden hatte, fand er das unfair und enttäuschend. Das Haus stand am Fuße eines Berges. Die hintere Veranda schaute auf Kiefern hinaus, die den Blick auf den Berg verstellten, der ohnehin viel zu nahe war.

Der Blick von der vorderen Veranda war grauenvoll. Nur hübsche Hügel, die zu flachen Streifen Land wurden, auf denen das Vieh des Nachbarn weidete und noch kleinere Tiere, die wie Ziegen aussahen.

Alles in allem fühlte Matty sich wie ein Alien, das mitten in eine schöne, aber vollkommen fremde Landschaft gesetzt worden war. Er hatte sich noch nie so von allem und jedem, der Matty Marcus in die außergewöhnliche Kreatur verwandelte, die er nun einmal war, isoliert gefühlt – nicht einmal Japan war ihm so unglaublich fremd vorgekommen.

Die Pages gewöhnten Matty an das Haus, zeigten ihm die Ranch, erklärten ihm mehrmals, was er zu tun hatte und stellten ihm die Pferde vor, Daisy und Maple Syrup.

„Maple Syrup ist ein Süßer. Er ist mein Liebling“, sagte Margaret während sie dem Pferd einen Zuckerwürfel gab. „Daisy? Sie ist eher eine Diva, würde man wohl sagen. Sie macht die Dinge gern so, wie sie es will. Stur ist wohl ein besseres Wort dafür. Ich würde nicht versuchen, sie zu reiten, wenn du verstehst was ich meine.“

Matty war sich nicht sicher, ob er die Pferde reiten sollte. George hatte klargemacht, dass Matty konnte, es ihm aber lieber wäre, wenn er es nicht täte. Die Pferde würden sich auf der Weide und den Pfaden am Fuße der Berge genug bewegen.

„Zum Mittagessen kommen sie wieder nach Hause und wenn das Wetter zu schlecht ist, kannst du sie dann in ihre Boxen stellen“, fügte George hinzu. „Daran sind sie gewöhnt.“

„Ja“, stimmte Margaret zu. „Jetzt wo wir alt sind, werden sie nicht mehr viel geritten. Wir sollten uns wohl besser nach einem neuen Zuhause für sie umsehen. Aber unsere Enkel reiten noch, wenn sie uns im Sommer besuchen und die Pferde sind ja nicht unglücklich hier. Sie haben einander.“

Da Mattys Verletzung erst frisch verheilt war, konnte ein Sturz vom Pferd eine Katastrophe sein. Er dachte nicht, dass er es riskieren würde.

Ihm wurde erklärt, dass, wenn es schlimm schneite, die Pferde auf den kleineren Weiden in der Nähe der Scheune bleiben mussten oder in der Scheune selbst, bis das Schlimmste vorüber war.

„Wenn sie im Winter von einem Schneesturm überrascht werden, gib Rob Lovely Bescheid und entweder er oder einer seiner Helfer wird sie holen.“ Dann steckte George demonstrativ Rob Lovelys Telefonnummer mit einem Magneten in Form eines Hahns an die Kühlschranktür.

„Aber mach dir keine Sorgen“, sagte Margaret. „Die ersten schweren Schneefälle sollten nicht vor November kommen.“

Glückspilz der Matty war, war das Wetter ungewöhnlich kalt für den Oktober gewesen. In der Nacht fielen die Temperaturen auf unter null Grad und tagsüber wurde es nicht viel wärmer als vier Grad. Tatsächlich wurde für dieses Wochenende eine Kaltfront erwartet und die Temperaturen würden auf um die minus zehn Grad oder sogar noch weiter fallen.

Um es noch schlimmer zu machen, sagten sie Eisregen voraus. George warnte, dass die Kiefern, die die lange Auffahrt beschatteten, es eisig und gefährlich machten, vor allem in der Nähe des Hauses, wo die Straße sich um ein paar Bäume schlängelte und es bergauf ging. Matty musste die Auffahrt salzen und in der zweiten Oktoberwoche Winterreifen aufziehen lassen oder sobald ein Schneesturm vorhergesagt wurde, was auch immer zuerst eintraf.

Wenn das Eis wie angekündigt kam, würde Matty es vor nächster Woche nicht ins Eisstadion schaffen. Er würde die Auffahrt salzen müssen und so lang wie sie war, würde das seine Rückenverletzung schlimmer machen. Der Gedanke machte ihn wütend. Er musste wieder einigermaßen in Form kommen, wenn er wieder wettkampfmäßig eislaufen und mit einem neuen Trainer im April, nachdem die derzeitige Eislaufsaison beendet war, anfangen wollte. Er konnte keine Zeit verlieren.

Matty konnte immer noch nicht glauben, dass Denise, seine ehemalige Trainerin, sich nach seiner Verletzung wirklich zur Ruhe gesetzt hatte. Sie war gerade einmal sechsundfünfzig, aber sie hatte genug von der Politik und dem Sport. Matty gab sich selbst die Schuld für ihre Entscheidung. Wenn es einfacher gewesen wäre mit ihm zu arbeiten, wenn er auf Denise gehört, anstatt sich ständig gegen ihre Anweisungen gesperrt hätte, hätte sie ihren Job vielleicht als erfüllender empfunden. Aber nachdem klar war, dass er die letzte Saison nicht laufen konnte, hatte sie ihre anderen Schüler abgegeben und war mit ihrer Freundin nach Kalifornien gezogen. Donna bekam hin und wieder eine Postkarte oder E-Mail von ihr und sie schienen sehr glücklich zu sein.

Sobald er die Pages am Flughafen abgesetzt hatte, saugte Matty Staub und putzte das ganze Haus. Er war entsetzt, als er feststellte, dass all der Nippes, der überall herumstand, einen Staubfilm aufwies, als ob Margaret die Sachen schon monatelang nicht mehr geputzt hätte – wenn überhaupt.

Matty wusch jedes Stück gründlich und methodisch mit warmem Wasser. Er schrubbte mit einer Zahnbürste, bis alle sauber waren, während er sich die ganze Zeit fragte, was eine Frau dazu brachte, ein Schnapsglas in jeder Stadt zu kaufen, in der sie gewesen war, und Keramikfiguren von Kindern in Lammkostümen zu sammeln.

Als er fertig war, war das Wohnzimmer frisch und glänzend. Er dachte, dass es Margaret gefallen würde – wenn sie nicht in diesem Moment auf dem Weg nach Australien wäre, wo sie sich wahrscheinlich darauf vorbereitete, ein Schnapsglas in Sydney zu kaufen.

Das Haus war groß, doch Matty standen nur wenige Räume zur Verfügung. Das Obergeschoss war abgesperrt, da alles, was er brauchte, sich im Erdgeschoß befand. Sie hatten ihm, laut Margaret, ihr bestes Gästezimmer gegeben, und sie hoffte, dass er sich darin wohlfühlte. Er hatte gelogen und gesagt, dass er das tun würde.

Am Telefon mit Elliot, als er die Küche putzte und die Küchenutensilien betrachtete, sagte er: „Es ist grauenvoll. Die Landschaft ist unglaublich, aber nicht mein Ding. Ich gehe nicht wandern oder fischen oder Skifahren und die Stadt hat die Größe eines Schuhs. Elliot, alles in diesem Haus ist so hässlich, dass ich spüren kann, wie es meine Seele tötet. Und ich fühle mich jetzt schon einsam.“

„Ich könnte nächste Woche hinfliegen und dir ein wenig Gesellschaft leisten“, bot Elliot ein wenig zögerlich an.

„Mr. Page hat mir erklärt, dass meine beste Freundin auf keinen Fall eingeladen ist.“

„Würdest du mich mehr lieben, wenn ich so tue, als ob mir das leidtut?“

Matty konnte es Elliot nicht übelnehmen. Sie mochten es beide, wenn das Leben ein wenig schneller ablief. Sein Traum war es, nach Manhattan zu ziehen und sich in diese Welt einzugliedern. Er liebte es, wie die Leute zur Arbeit eilten, nach Taxis riefen, ihre Hunde Gassi führten und ihm keinen zweiten Blick schenkten. Es inspirierte ihn und erfüllte ihn mit einer Leidenschaft für das Leben.

Soweit er das sehen konnte, würde Whitefish ihm keine Inspiration bieten. Wenn er von seinem Ausflug in den Safeway in Whitefish ausging, war klar, dass niemand in der Stadt wusste, was sie mit einem Mann anfangen sollten, der Lipgloss und eine Handtasche trug. Er hatte ein paar wenig schmeichelhafte Bemerkungen von anderen Einkäufern gehört, als er durch die schäbigen Gänge gegangen war.

Es war wirklich keine große Sache – nichts, was er nicht schon gehört hätte – aber es nervte ihn, dass sie wenig frische oder Biolebensmittel hatten, was dem Ganzen die Krone aufsetzte. Er wollte weinen, als er an der Kasse für minderwertiges Essen achtzig Dollar bezahlte, doch stattdessen lächelte er nett und bedankte sich. Dann trug er die Tüten selbst zum Auto und lehnte die Hilfe des offensichtlich verwirrten und pickeligen Teenagers ab, der ihn „Ma’am“ nannte.

Oh, Whitefish. Was für Schrecken hatte die Stadt noch zu bieten?

Eine Woche später öffnete Matty sechs Kisten mit seinen Sachen, die seine Mutter ihm geschickt hatte und versuchte herauszufinden, wo sie die Fellmäntel, sein Make-up und seine Unterwäsche hingepackt hatte. Es schien, als wäre sie von einer Ecke des Raums in die nächste gelaufen und hätte willkürlich Dinge in die Kisten geworfen, ohne Sinn und Verstand. Sie alle waren mit Mattys Zimmer beschriftet, als ob das den Inhalt irgendwie auf hilfreiche Weise klassifizieren würde.

Er fand sein Make-up in einer kleinen Pappschachtel unter seinen Turnsocken und einer goldenen, mit Pailletten besetzten Weste, die er mit fünfzehn bei einem Wettkampf getragen hatte. Er hatte keine Ahnung, warum seine Mutter sie mitgeschickt hatte, aber er zog sie an, weil er seit seiner Ankunft in Montana, abgesehen von Flathead Lake und den Strahlen der Sonne auf den Bergen, nichts gefunden hatte, das mehr glitzerte. Das hob seine Stimmung auf unerwartete und angenehme Art.

Matty seufzte, als er sein Make-up ins Bad trug und in den Badschrank einräumte. Als er die Produkte durchsah, öffnete er eines der kleinen Töpfchen mit blauem, glitzerndem Lidschatten und trug geistesabwesend ein wenig davon auf seine Lider auf. Er dachte darüber nach, wie er die nächsten sechs Monate überleben würde und fragte sich, ob er in der Lage war, sich selbst gut genug zu trainieren, um einen angesehenen Trainer zu bekommen.

Er wollte Valentina Chapayeva aus der Ukraine, und er schluckte und schickte ein kleines Gebet zum Himmel, dass er bis April gut genug wäre, um ihr Interesse zu erregen und in ihr Stadion nach New York kommen konnte. Auch wenn er ein nationaler Meister war, fürchtete er, dass er so lange aus den Augen der Eislaufwelt verschwunden gewesen war, dass er auch aus dem Sinn war.

Er ordnete den Bodyglitter, die Lippenstifte und das Rouge, wobei er ein paar Dinge fand, die er beinahe schon vergessen hatte. Er schaute in den Spiegel, formte einen Kussmund und fuhr sich mit den Händen durch die Haare.

Musik. Ja, er brauchte etwas Musik – etwas Schnelles, damit sein Körper sich bewegen konnte. Er spielte an der Stereoanlage im Wohnzimmer herum und fand heraus, wo er seinen iPod andocken konnte.

Acht Lieder später hatte er sich glitzernde Körperfarbe auf die Brust geschmiert, seine Augen in leuchtenden Blau- und Grüntönen geschminkt und einen strahlenden, Zuckerwatte pinken Lippenstift aufgelegt. Da er nur seine Laufhosen und die goldenen Paillettenweste trug, war er nicht wirklich beeindruckend, aber dennoch leuchtete er, und darum fühlte er sich beinahe ebenso gut. Er tanzte durch das Zimmer, hielt den Rhythmus ohne Probleme, weil niemandes richtendes Auge ihn aus dem Konzept brachte. Er überließ sich der Musik, drehte sich wie verrückt, hüpfte, kickte und sprang.

Erhitzt, aber nicht erschöpft, hielt er in der Mitte des Raums inne. Er war froh, dass sein Training zu Hause seine Ausdauer verbessert hatte. Sein momentaner Plan sah so aus, dass er jeden Tag nach dem Aufstehen ein kleines Frühstück zu sich nahm, sich um die Pferde kümmerte und dann trainierte, entweder in einem Studio oder auf dem Eis oder beides.

Matty erkannte, wie unreif es war, sich über die Ranch zu beschweren. Immerhin hatte sie unglaubliche Annehmlichkeiten zu bieten. Margarets Trainingsraum neben seinem Zimmer hatte ein Laufband und einen Bowflex. An Tagen, an denen er nicht nach Kalispell in den Athletic Club für ein ordentliches Training fahren konnte (noch etwas, das Margaret für ihn arrangiert hatte), konnte ihm das helfen, seine Kraft aufzubauen. Er hatte auch einen Plan für das Eislaufen, wenn er nicht in das Stadion in Whitefish konnte.

Er hatte seinen Plan B gefunden, als George ihn auf der Ranch herumgeführt und ihm die verschiedenen Stellen gezeigt hatte, wo die Pferde sich manchmal aufhielten. Als sie herumgingen, waren Matty zwei Männer auf Pferden aufgefallen, die zwischen den Rindern auf dem Hügel unter ihnen ritten.

„Robs Ranchhelfer“, erklärte George. „Er hat jetzt vier Angestellte. Rob vergrößert sein Geschäft. Ich nehme an, er macht endlich ein wenig Profit. Zum ersten Mal, seit sein alter Herr gestorben ist, denke ich.“

Matty nickte abwesend, seine Augen waren auf etwas ganz anderes fixiert. Links von der Stelle, auf die George deutete, befand sich ein sehr großer, scheinbar flacher, beinahe kreisrunder Teich. Er lag auf einer Seite im Schatten des Berges und wurde auf der anderen Seite von einer großen, fetten, Kiefer beschattet. Obwohl die Temperatur an diesem Morgen beinahe vier Grad erreicht hatte, konnte Matty das Eis auf der schattigen Seite des Teiches glitzern sehen.

Er betrachtete den Teich intensiv, während George immer weiter über Pferde und die Rinder des Nachbarn redete, sowie Ranchhelfer und Profite, bis Matty ihn schließlich unterbrach: „Friert der jemals zu?“

„Sicher. Er ist jetzt schon halb zugefroren. Noch zwei Tage mit Temperaturen wie diesen, und er wird bis fast zum Grund gefroren sein.“

„Wie tief ist er?“

„Nicht so tief.“ George grinste, als ob ihn ein privater Witz amüsierte. „Das hier ist Margarets kleiner, persönlicher Flathead Pond. Ich habe ihn für sie gebaut, als ich das Land von Rob kaufte. Sie war nicht unbedingt begeistert, weil sie Land in der Nähe des Sees gewollt hatte. Ich konnte den guten Deal, den Rob mir anbot, nicht sausen lassen, darum habe ich ihr gesagt, dass ich ihr einen verdammten See bauen würde.“ George kicherte, ein Geräusch, das Matty noch nicht von ihm gehört hatte. „Oh ja, sie war nicht glücklich. Erst war sie wütend und dann hat sie gelacht bis ihr die Tränen kamen.“ Er grinste. „Robs Ranch Manager, Bing Lozar, hat ihn für sie ausgehoben und befestigt.“

„Ist schon mal jemand darauf schlittschuhgelaufen?“, hatte Matty gefragt.

„Die Jungs machen das die ganze Zeit. Sie haben immer so getan, als ob sie Wayne Gretzky oder Mark Messier wären.“

Matty hatte gelächelt und bei sich gedacht, dass George es wohl nicht gemocht hätte, wenn seine Enkel so getan hätten, als wären sie Matty Marcus. „Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich darauf fahre, Sir?“

„Das ist in Ordnung für mich. Schlag dir nur nicht den Kopf an.“ George hatte mit dem Finger auf ihn gedeutet. „Wenn etwas passiert, denk nicht einmal daran mich zu verklagen.“

Mit diesen Worten im Hinterkopf war Matty an diesem Morgen bereits zu dem Teich gegangen und hatte gesehen, dass er bereits mehrere Zentimeter tief gefroren war. Er hatte nicht die beste Oberfläche, aber im Notfall würde es ausreichen.

Ein weiterer Song spielte und Matty fuhr mit einer Hand durch sein Haar. Er drehte sich ein wenig mehr, der Raum zuckte an ihm vorbei und er gestattete es sich, in den Spin zu sinken, in das schwindelige, vertraute Gefühl, wenn die Welt ein prekäres Gleichgewicht bekam.

Ein lautes Krachen schreckte ihn auf.

Er stand keuchend da und lauschte. Ein Knirschen erfüllte das Zimmer. Mit einer Hand an seiner Brust sprang er auf. Das Geräusch schien von der vorderen Veranda zu kommen.

Matty packte einen Mantel aus der Kiste neben sich – der Nerz von seiner letzten Reise nach Russland – und schlüpfte hinein. Sein Herz hämmerte, als er auf das Fenster im Wohnzimmer zuschlich.

War es ein Bär? Gab es Bären in Montana? Und warum hatte er bis jetzt nicht daran gedacht, sich darüber zu informieren? Was, wenn es ein Elch war? Waren die gefährlich? Vielleicht handelte es sich um einen Coyoten oder einen Wolf oder einfach nur eine wirklich große, beängstigende Person.

Er sah zum vorderen Fenster hinaus. Er blinzelte gegen die Sonne und sah nichts außer Kiefern und Kühen, wie immer. Das Klopfen an der Tür, ein schweres, nachdrückliches Pochen, ließ sein Herz rasen, als ob er im Kiss and Cry darauf wartete, dass die Wertungen verkündet wurden.

Matty warf einen Blick in den Spiegel neben der Haustür, glättete seine Haare, wischte ein wenig falsch platzierten Eyeliner von seiner Haut und streckte seine Brust vor und sein Kinn nach oben. Matty Marcus rockte die Glitzer-Story auf einer Ranch in Montana. Er würde nicht zulassen, dass Landeier dieser Bitch den Glanz nahmen. Er öffnete die Tür.

Der Mann auf der vorderen Veranda, der die Hand erhoben hatte um noch einmal zu klopfen, war blond und hätte genauso gut die Personifikation von Montana sein können – groß, stark und unglaublich gutaussehend. Er war wahrscheinlich auch nicht einen Tag älter als dreißig.

„Ähm …“ Der Mann räusperte sich und deutete mit seinem Daumen über die Schulter in Richtung des Hügels. „Hi, ich bin der Nachbar. Ich dachte, ich bringe … ah …“

Er schien nicht zu wissen, wo er hinschauen sollte. Seine Augen glitten hinunter zu Mattys nacktem Brustkorb, der zwischen dem Fellmantel und der Paillettenweste hervorlugte und dann über Mattys Laufhose zu seinen nackten Füßen. Der Mann schluckte und schaute weg, redete aber weiter.

„Ich habe ein wenig Feuerholz von der Scheune heraufgebracht. Ich dachte, du könntest es brauchen … oder wollen. Es soll heute Nacht ziemlich kalt werden. Ich habe angenommen, dass du noch keines in der Nähe des Hauses hast. George holt es nur, wenn er es braucht. Darum habe ich ein wenig gebracht. Hierher. Für dich.“

Matty fühlte, wie sich sein viel geübtes „jetzt sprechen wir mit den Medien“ – Lächeln auf seinem Gesicht breitmachte. Er streckte seine Hand aus. „Danke. Das ist sehr freundlich von dir. Ich bin froh, dass du an mich gedacht hast.“

Der Mann schüttelte ihm die Hand. „Rob Lovely“, sagte er. „Ich lebe hinter dem Hügel und ein paar Morgen weiter da drüben.“

Der Name passt eindeutig, dachte Matty.

Er nahm an, weil er mit Glitzer und blauem Lidschatten herausgeputzt war, konnte er froh sein, dass der Typ nicht losrannte, um die ansässigen homophoben Idioten mit Baseballschlägern zu alarmieren, dass ein warmer Bruder den Winter über im Haus der Pages wohnte.

Matty zog seinen Mantel ein wenig enger um sich, als Rob seine Hand losließ. „Matty Marcus. Schön, dich kennenzulernen.“

„Du bist also aus Missoula?“, fragte Rob, wobei sein Gesicht zeigte, wie sehr er das bezweifelte.

„Wie kommst du darauf, dass ich nicht aus Polebridge bin?“, fragte Matty ein wenig kokett zurück und erwähnte eine Stadt, von der Margaret ihm gesagt hatte, dass sie nördlich von Whitefish lag und weniger als dreißig Einwohner hatte.

Er wartete darauf, dass der Typ sich durch eine Antwort stammelte, die summierte, dass Matty den guten alten, „ich stehe auf Frauen und bin auf einer Farm aufgewachsen“-Test nicht bestanden hatte.

„Margaret sagte, sie würde den Sohn einer Freundin aus der Stadt herbringen“, sagte Rob, rieb seine Hände aneinander und hielt den Blick auf die Weiden gerichtet.

„Oh“, brachte Matty heraus, erstaunt wie elegant der Typ einen peinlichen Moment umgangen hatte. Er fühlte sich sogar ein wenig schuldig, weil er versucht hatte, ihn in die Falle zu locken. „Ich denke, mit ‚Stadt‘ meinte sie ‚die Stadt‘, nämlich New York. Sie scheint zu denken, dass ich dort gewohnt habe, auch wenn das nicht stimmt. Das würde ich aber gerne. Werde ich, eines Tages.“ Seine Nippel taten in der Kälte weh, darum wickelte er das Fell ganz um seinen Körper.

„Ich war noch nie dort, aber ich bin mir sicher, es ist aufregend.“, sagte Rob. Seine Augen wanderten zu der Stelle, wo Matty seine nackte Haut bedeckt hatte. „Ist das ein Nerz?“

„Das ist er“, antwortete Matty und fuhr mit der Hand das weiche Fell entlang.

„Die Mutter meiner Ex-Frau hatte einen Ähnlichen, aber der sah nicht annähernd so …“ Rob errötete. „Ich meine … uh, an dir sieht er besser aus. Na ja, ähm, ich wollte sagen …“

„Danke“, sagte Matty, um ihm weitere Peinlichkeiten zu ersparen.

„Gern geschehen“, erwiderte Rob, während er seine Hände wieder in die Taschen seines Mantels steckte. „Es ist ein ungewöhnlich kalter Oktober gewesen. Nicht das beste Wetter. Hattest du schon Gelegenheit rauszukommen und dich umzusehen?“

„Ich gewöhne mich gerade noch ein“, informierte Matty ihn.

„Gut.“ Ein Moment der Stille entstand, als Rob schwer schluckte und sich mit der Hand über seine Stirn rieb, als ob er auf einmal Kopfschmerzen hätte. „Ich habe die Scheite hier drüben aufgestapelt.“ Er nickte auf die Seite der Veranda. „Ich, äh, ich sollte dich wieder …“ Er lächelte und benutzte seinen Kopf, um Mattys momentanen Zustand anzudeuten. „Das tun lassen. Oder was auch immer.“

„Danke. Ich würde dich hereinbitten, aber ich bin mitten in dem, darum …“ Matty hielt inne und Rob errötete wieder, schaute weg und räusperte sich.

Matty zog sich ins Haus zurück und schloss die Tür zur Hälfte während er sprach. „Noch einmal danke für das Feuerholz. Das war sehr aufmerksam von dir.“

„Jederzeit“, erwiderte Rob und trat ein paar Schritte zurück. „Ruf einfach an, wenn du etwas brauchst. Hilfe mit den Pferden. Oder bei was auch immer du Hilfe brauchst.“ Er sah für einen Moment peinlich berührt aus, doch dann bot er Matty ein fantastisches Lächeln an. Seine Zähne waren weiß und gerade und seine Augen leuchteten. Matty fiel auf, dass sie grün und sehr freundlich waren.

„Darauf werde ich wahrscheinlich zurückkommen“, sagte Matty. Er stellte einen nackten Fuß auf den anderen.

Die Bewegung schien Robs Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Er sah noch einmal auf Mattys Füße, ehe er sich wieder räusperte. „Tu das bitte. Ich bin nachbarschaftlich eingestellt und helfe gerne.“

Rob hob den Blick wieder und eine kleine Welle der Erregung durchlief ihn. Gott, er musste unbedingt flachgelegt werden, wenn er sich von stammelnden Ranchern angezogen fühlte.

Rob nickte, hob seine Hand und ließ sie wieder fallen. Dann drehte er sich um und ging durch den Vorgarten. Matty sah ihm zu, bemerkte, wie sicher und leicht seine Schritte waren, als er über den Rasen ging und anfing, den Hügel hinaufzusteigen.

Als Rob nur noch ein dunkler Fleck vor dem Himmel war, schloss Matty die Tür und lehnte sich dagegen. Er sah sich wieder im Spiegel an und stellte sich vor, Rob Lovely aus Montana zu sein. Wie war es wohl gewesen, diese fabelhafte Kreatur auf der anderen Seite der Tür seiner Nachbarn zu finden? Es musste sich angefühlt haben, als ob er über „den Mann, der nach Montana fiel“, gestolpert wäre. Bei diesem Gedanken lachte er leise, legte seinen Mantel ab und schlenderte in die Küche, für seine vormittägliche Tasse heißen Wassers mit Bitterstoffen, um seinen immer noch hungrigen Magen auszutricksen.

Maple Syrup gab zufriedene, schnaubende Geräusche von sich, als Matty seine Nase streichelte, nachdem er ihn in seine Box gestellt hatte. Daisy war in der Tat eine Diva, schien aber zu verstehen, dass sie in ihm eine verwandte Seele gefunden hatte. Sie war unglaublich gehorsam und hörte aufmerksam zu, wenn Matty zusätzliche Zeit damit verbrachte sie zu striegeln und dabei leise auf Russisch mit ihr redete.

Er hoffte bis April gut genug zu sein, um mit Valentina Chapayeva in ihrer eigenen Sprache sprechen zu können, sollte sie ihn annehmen. Außerdem war Russisch wunderbar, voller Geschichte und Leidenschaft, und es zu lernen fühlte sich hervorragend an. Matty gab sich immer Mühe, hervorragend zu sein.

Nachdem er später am Abend geduscht hatte, rief Matty seine Mutter an. Er erzählte ihr von Rob Lovely, der vorbeigekommen war, um ihm Holz auf die Veranda zu bringen, und wie er ihn gekleidet wie, nun ja, gekleidet wie er selbst, begrüßt hatte.

„Liebling, vergiss nicht, Montana ist nicht New York City und nicht einmal New Jersey. Die Leute dort könnten unter Umständen nicht so … offen sein.“

„Du hast mir mein ganzes Leben lang erzählt, meine Meinung zu sagen und ich selbst zu sein“, sagte Matty abwesend, während er seine Fingernägel betrachtete. Er musste in der Stadt ein Geschäft finden, wo er eine Maniküre bekommen konnte, denn seine Nägel sahen zum Fürchten aus.

„Ich sage nur, du sollst vorsichtig sein.“

„Vorsichtig ist, wer vorsichtig handelt, Mama“, erwiderte Matty. Er weigerte sich, von der Furcht angesteckt zu werden. Er hatte sein Leben mit ihr verbracht und bis jetzt war er nicht vorsichtig gewesen. Er würde nicht jetzt damit anfangen. „Und vorsichtig zu sein ist langweilig. Kann ich mit Dad reden?“

„Matty“, ermahnte seine Mutter ihn, aber Matty wusste, sie würde das Thema fallen lassen. Das musste sie – er war so, wie sie ihn erzogen hatte. „Schön, bleib dran. Randy! Matty ist am Telefon und er will mit dir reden.“

Das mürrische Hallo seines Vaters erfüllte Matty mit einem warmen, sicheren Gefühl und er presste das Telefon ein wenig fester an sein Ohr.

„Dad, wie zünde ich ein Feuer an?“

Matty lächelte als er das verwirrte, unartikulierte Schnauben seines Vaters hörte und klärte ihn auf. „Ich sitze hier neben einem Kamin, und dank einem gutaussehenden Nachbarn habe ich Feuerholz. Wie schaffe ich es, dass die beiden zusammen funktionieren, ohne das Haus der Pages niederzubrennen, das Bärenfell zu versengen oder mich selbst anzuzünden?“

Er wünschte sich beinahe, sein Vater hätte die Steilvorlage angenommen und einen Witz darüber gemacht, dass Matty ohnehin schon heiß war, wie sein Bruder Joey es gemacht hätte, aber es ging Matty auch zu Herzen, dass es seinem Vater nie im Leben einfallen würde, so etwas zu sagen.

Bald danach hatte er ein Abendessen mit heißem Wasser und Bitterstoffen, einem Teller geschnittenem Obst und Gemüse und einem kleinen Stück mageren Fleisch, das er vor dem Feuer aß. Er blätterte durch mehrere Bücher über das cyrillische Alphabet, die seine Mutter zusammen mit seinen Schuhen eingepackt hatte, bevor er die Bücher zuschlug. Gelangweilt ging er in die Küche, um das Geschirr zu waschen.

Wie sich herausstellte, konnte der Fernseher nur die vier größten Sender empfangen und der Computer lief über das Telefon. Es würde reichen, um seine E-Mails zu lesen, aber nicht viel mehr. Er tippte wie ein Huhn, das nach Körnern pickte, aber er hatte gedacht, dass wenn ihm wirklich langweilig wurde, er sich vielleicht die Zeit nehmen würde, um mehr über Flathead County zu lernen, ein wenig im Internet zu surfen und sich Pornos anzuschauen.

Zum Glück hatten die Pages Festnetz, da Matty mit seinem Handy nur spärlichen Empfang hatte. Zumindest hatten sie 4G in Kalispell und Whitefish, aber der reichte nicht bis ins Hinterland. Matty nahm an, das war zum Besten. Ein kalter Entzug war die einzige Möglichkeit, seine Abhängigkeit von Instagram und Tumblr und vor allem Facebook zu brechen. Und Twitter und Snapchat und – ja. Es war eine gute Sache.

Matty fand den Mangel an Technologie nicht überraschend, war er doch in das Heim von Menschen gezogen, die alt genug waren, seine Großeltern zu sein. Dennoch würde er einen Ausflug in die Stadt machen müssen, um Bücher zu kaufen, weil er Elliot nicht 24/7 am Telefon halten konnte.

Seufzend schaute Matty auf den Reif, der sich die Fenster im Hobbyraum hinaufarbeitete, und auf die seltsame, wilde Dunkelheit dahinter. Es war schon über eine Woche her, seit er überhaupt auf dem Eis gewesen war. Zu lange. Er fragte sich, ob er morgen nach Whitefish würde fahren können oder ob er den Tag damit verbringen musste, die Auffahrt zu salzen und Winterreifen aufziehen zu lassen.

Er vermisste das Eis. Das Gefühl, die Geräusche, die Art, wie es sich anfühlte, wenn er sich darauf bewegte. Es war eine Leidenschaft, aber auch sein Fluchtort, wo seine Emotionen sich in Bewegung verwandelten. Wo er in der Lage war, der Welt seinen Weg zu zeigen und sich selbst auszudrücken und nicht auf klischeehafte New Age-Art.

Vor zwei Jahren um diese Zeit hatte er trainiert und war auf Wettkämpfe gefahren, hatte sich auf die Meisterschaften vorbereitet und dann die Olympischen Spiele und die Weltmeisterschaft. Er war verwirrt und undiszipliniert gewesen, hatte sich geweigert, sich so von Denise trainieren zu lassen, wie er es brauchte. Er war abgelenkt und vielleicht ein wenig liebeskrank gewesen. Er hatte die Sache mit Cody und Vance nicht sonderlich gut verarbeitet.

Es war schrecklich und demütigend gewesen, so fallengelassen und dann so schnell ersetzt zu werden. Alle um sie herum wussten es, auch wenn niemand offiziell etwas sagte, und das war einfach nur schrecklich gewesen. Gegen Vance anzutreten und zu sehen, wie Cody auf der Tribüne seinen Gegner anfeuerte hatte ihn aus dem Konzept gebracht. Er hatte sich diesen Emotionen hingegeben, ja, aber wichtiger noch, wenn es um seine Leistung beim Eislaufen ging, war er einfach nur ein anspruchsvolles Balg gewesen.

Er würde es niemals zugeben, aber in Wahrheit war er faul. Er hatte ein wunderbares Talent geschenkt bekommen, aber er hatte nie die angemessene Disziplin entwickelt. Eislaufen war für ihn auf viele Arten einfach gewesen, oder zumindest einfacher, als es für andere Leute war und er hatte nie wirklich die Zeit dafür aufgebracht, die es gebraucht hätte.

Um es noch schlimmer zu machen, hatte Denise ihn nicht unter Kontrolle gebracht. Sie war zu nett und erweckte in ihm keinen Respekt oder Furcht. Matty wusste, dass wenn er sich aufraffte und arbeitete und wirklich sein Potenzial als Eisläufer ausschöpfen wollte, er einen Trainer brauchte, der ihm sagen konnte, wo es langging.

Verdammt, wenn er ehrlich war, würde ihn das bei einem Liebhaber auch nicht stören.

Er hatte sein Talent und seinen Erfolg für selbstverständlich gehalten und den Preis dafür bezahlt. Die Verletzung war der Guss auf dieser Torte aus Scheiße gewesen. Er hatte immer noch den furchtbaren Geschmack davon im Mund. Nichts ließ einen die Dinge, die man im Leben hatte, mehr schätzen, als wenn man monatelang ans Bett gefesselt war.

Matty saß auf dem Sofa und betrachtete das Glühen der ersterbenden Kohlen. Er fragte sich, ob es möglich war so zu laufen, wie er es zu Beginn seiner Karriere getan hatte. Frisch. Rein. Wie ein fliegender Vogel. Oder war er jetzt zu schmutzig, um fliegen zu können? Wurde er von zu viel Scheiße heruntergezogen, um sich in die Luft zu erheben? Es gab nur einen Weg, das herauszufinden.

Unter einem Ozean aus Sternen am Himmel von Montana testete er seine Flügel.

George hatte mit dem Teich recht gehabt. Nach einer Woche ungewöhnlicher Kälte im Oktober war er jetzt zugefroren. Das Eis war rau und Matty fühlte das Zittern als er es betrat. Zunächst bewegte er sich nur langsam, fühlte den Winterwind auf seinem Gesicht und in seinen Haaren und seinen Atem, der in kalten, weißen Wölkchen kondensierte.

Und dann öffnete sich in seinen Gedanken der Himmel.

Die Schritte und Drehungen kamen wie ein Luftstrom über ihn, und mit einem Lächeln sprang er, landete sicher, die Arme ausgestreckt, die Hände perfekt, und so machte er den nächsten, die Augen geschlossen, vertraute seinen Füßen das Eis ohne ihn zu finden.

Der Schlag des Eises an seinem Hintern war perfekt und er lachte, schlug seine Hände in den Handschuhen gegeneinander, hörte das Echo in den Hügeln. Er stand auf, seine Arme an seinen Seiten und er fing von vorne an, als zum ersten Mal seit zu langer Zeit die Freude aus ihm herausbrach.

Er war ein Vogel und er flog.

Kapitel 3

Als Matty am nächsten Morgen aufwachte, lagen ungefähr sechzig Zentimeter Schnee und die Auffahrt war vereist. Er dachte an das Salz, das George ihm gezeigt hatte, an die Zeit, die es dauern würde, es zu streuen und auch wenn er wusste, dass es vernünftig wäre, zögerte er. Er wollte seinen Tag nicht vergeuden oder seine Verletzung schlimmer machen. Die Stürze vom letzten Abend hatten bereits Ibuprofen und Eis erfordert.

Matty entschied sich, direkt zum Teich zu gehen, nachdem er sich um die Pferde gekümmert hatte. Er würde das Eisstadion in Whitefish, das Problem mit der Auffahrt und die Versprechen, die er George gemacht hatte, auf einen anderen Tag verschieben. Es war so ein wunderschöner Morgen und die Sonne glitzerte auf dem frischgefallenen Schnee, dass er sich nicht sonderlich schuldig fühlte.

Als er sich dem Teich näherte, kratzte er sich sein unrasiertes Gesicht und sah sich die Umgebung an. Sie war atemberaubend. Er zog seine Kopfhörer an und startete seinen iPod, wobei er sicherstellte, dass er sicher festgeklippt war, bevor er aufs Eis ging. Dieses Mal war er nicht zögerlich. Nein, er war bereit seinen Körper auf eine Art zu fordern, wie er es schon seit einer Weile nicht mehr getan hatte.

Ein Lächeln erschien auf seinen Gesichtszügen, als er den ersten Sprung landete. Es war ein einfacher, fühlte sich aber dennoch gut an. Er flog durch ein paar Schrittkombinationen und lachte, als die Musik für eine Show, die er vor ein paar Jahren gelaufen war, aus seinen Kopfhörern drang. Er lief das Programm, überrascht, an wieviel er sich erinnerte. Am Ende des Liedes schloss er seine Augen und improvisierte, öffnete sich der Musik und bewegte sich mit ihr, als sie zu ihm sprach. Ein langes Rutschen auf den Knien über das Eis brachte ihn zum Lachen und machte ihn glücklich.

Als er aufstand und seine Hose abklopfte, griff er nach seiner Brust und schrie.

Rob stand am Ufer des Teichs, eine Hand auf der Schulter eines blonden Jungen und die andere in einer entschuldigenden Geste erhoben.

Matty riss sich die Kopfhörer aus den Ohren und beugte sich mit den Händen auf den Knien vor. „Heilige Scheiße, du hast mich zu Tode erschreckt.“

„Entschuldige!“, sagte Rob, das Gesicht schuldbewusst verzogen. „Wir haben gerufen, aber du hast uns wohl nicht gehört.“

„Ja“, erwiderte Matty und deutete auf seinen iPod. „Musik.“

„Entschuldige“, wiederholte Rob. „Wir werden, äh, einfach gehen.“

„Aber Dad“, protestierte der Junge, wobei er mit blauen, bittenden Augen zu seinem Vater aufsah. Rob schüttelte einfach nur den Kopf und deutete an, dass sie gehen sollten. Der Junge sah enttäuscht aus und Matty sah die Schlittschuhe, die über seiner Schulter hingen.

„Wartet“, rief Matty. „Willst du eislaufen?“

Der Junge zog an der Hand seines Vaters und Rob drehte sich wieder um. Er zuckte mit den Achseln. „Ja. George erlaubt Ben zu laufen. Solange ich ihn nicht vor Gericht zerre, wenn er sich den Kopf anschlägt.“

Matty lachte. „Ich habe dieselbe Warnung bekommen.“ Er winkte Ben zu sich her. „Du kannst ruhig fahren. Ich bin hier fertig.“

„Wir wollen dich nicht stören.“, meinte Rob.

„Ich würde jetzt ohnehin mit dem Krafttraining anfangen. Oder Bowflex. Ich liebe den Bowflex“, sagte Matty.

Rob lächelte und ein leises Lachen entkam seinen Lippen. „Margaret behauptet, das Ding sorgt dafür, dass ihr Hintern wie der einer Vierzigjährigen aussieht.“

Sie lachten beide, während Ben ungeduldig auf- und absprang.

Matty sagte: „Geh schon. Fahr Schlittschuh!“

Ben löste sich vom Griff seines Vaters mit einem Grinsen auf dem Gesicht. „Super! Danke!“

Matty wischte sich die Stirn mit seinem Arm ab und sah zu, als der Junge seine sehr ramponierten, sehr alten Schlittschuhe anzog. Rob nahm einen seiner Handschuhe ab, schüttelte ihn aus und zog ihn wieder an. Matty beobachtete ihn, seine Augen verweilten ein wenig auf Robs großen, gut geformten Fingern. Dann lächelte er und sah Rob in seine sanften, grünen Augen. „Ich wollte nicht so schreien. Das war nicht sehr damenhaft von mir.“

Robs Lächeln zitterte, als ob er gleich zu lachen anfangen würde, aber er nickte nur und schob seine behandschuhten Hände wieder in die Taschen seines Mantels. „Es tut mir leid, dass wir dich überrascht haben. Wir hatten nicht erwartet, dich hier zu treffen.“

Matty schob sich seine verschwitzten, kalten Haare aus dem Gesicht und zuckte mit den Schultern. „Warum hättet ihr das auch tun sollen?“ Er schaute zu, wie Ben auf das raue Eis glitt und gleich einen einfachen Axel sprang. „Nicht, wo es doch ein perfektes Eisstadion in der Stadt gibt …“ Matty redete nicht weiter.

Ben fiel hin, stand aber wieder auf. Er fuhr schnell um den Teich, Entschlossenheit in seinem Gesicht und seinen Bewegungen.

„Er kann das ziemlich gut“, bemerkte Matty, verschränkte seine Arme über der Brust und sah Ben zu, wie er einen anderen Sprung versuchte.

„Ähm, danke“, sagte Rob.

Matty sah zu Rob hinüber und bemerkte, dass sein Lächeln ein wenig schief war, aber auf charmante Art.