Strache - Hans-Henning Scharsach - E-Book

Strache E-Book

Hans-Henning Scharsach

4,3

Beschreibung

Rechtzeitig vor Beginn des Wahljahres 2013 erscheint ein Buch, das für Diskussionen sorgen wird. Zwei Jahre harter Recherchearbeit hat Bestseller-Autor Hans-Henning Scharsach in eine Dokumentation investiert, die sich "während des Schreibens selbstständig gemacht hat, weil die Ergebnisse meiner Recherchen so nicht vorherzusehen waren", wie er resümierend feststellt. Was als Sachbuch konzipiert wurde, ist zum politischen Thriller geworden, der tiefe Einblicke in zwei sehr unterschiedliche Milieus bietet: *Auf der einen Seite die Welt des Strategen der Macht Heinz-Christian Strache und seiner Mitstreiter, die im Parlament arbeiten, in der Hofburg tanzen, sich im Scheinwerferlicht der Fernsehkameras sonnen und höchste Ämter anstreben. *Auf der anderen Seite die finstersten Keller der ewig gestrigen Hitler-Nostalgiker und der unversöhnlichen Hetzer gegen Juden, Zuwanderer und Muslime. Die Verknüpfung unterschiedlicher Milieus - bewährte Methode erfolgreicher Krimi-Autoren - ist diesmal nicht Stilmittel, sondern Ergebnis journalistischer Ermittlungsarbeit und peniblen Quellenstudiums. Dabei wird der Boden wissenschaftlich seriöser Dokumentation nie verlassen. Über 1000 Quellenangaben belegen die Herkunft jeder einzelnen Information. Teile der in diesem Buch transportierten Information sind im Laufe der Zeit auch durch die Medien gegangen. Doch die Zusammensetzung der einzelnen Puzzlesteine, ihre Verknüpfung und die Ausleuchtung verborgen gebliebener Hintergründe schafft Klarheit: An diesem Thema kommt niemand vorbei.

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Hans-Henning Scharsach • Strache

Hans-Henning Scharsach

STRACHE

IM BRAUNEN SUMPF

www.kremayr-scheriau.at

ISBN 978-3-218-00856-3 Copyright © 2012 by Verlag Kremayr & Scheriau KG, Wien Alle Rechte vorbehalten Schutzumschlaggestaltung: Kurt Hamtil, Wien unter Verwendung eines Fotos von photonews.at/picturedesk.com Typografische Gestaltung, Satz: Kurt Hamtil, Wien Datenkonvertierung E-Book: Nakadake, Wien

Inhalt

Vorwort

Im braunen Sumpf: Es begann mit Fotos

Wehrsport oder Paintball?

Ein Neonazi-Gruß als Bier-Bestellung

Straches Wehrsportfreunde: Die junge Elite der Neonazi-Szene

Straches Wehrsport-Kamerad Hatzenbichler

Straches Wehrsportfreund Andreas Thierry

Straches Wehrsportfreund Marcus Ullmann

Straches Wehrsportfreund Andreas Reichhardt

Strache und die neonazistische Wiking-Jugend

Norbert Burger: Ein Nazi-Terrorist als Vaterfigur

Im Dunstkreis Burgers: Geschichtsfälscher und Nazi-Terroristen

Deutsche Volksunion: Hitler-Nostalgie und Auschwitz-Lüge

„Nein zur Ausländerflut“ – und wieder die Polizei

David Irving: Strache bei Europas prominentestem Nazi-Fälscher

Resümee: Strache war Teil der Neonazi-Szene

Wende rückwärts: Das Weltbild und Frauenbild in der neuen FPÖ

Burschenpartie statt Buberlpartie

Männliche Weltordnung: Frauen als Opfer der „Burschenpartei“

Volksgemeinschaft: Mystifizierung der Mutterschaft

Agitation: Gegen „Kampf-Emanzen“ und „Quotenfrauen“

Sprüche statt Politik: Wie FPÖ-Politiker Frauen sehen

Familienpolitik statt Frauenpolitik: Für Volk und Vaterland

Kampf gegen die Fristenlösung: Ein Bischof als Verbündeter

Verfassungsschutz: Akzeptanz von NS-Gedankengut

Burschenschaften: Antisemitisch und antidemokratisch

Bücherverbrennung 1817: „Giftbücher“ und „lesende Aasfliegen“

Bücherverbrennung 1933: Burschenschaften und der Anschluss

Die Unbelehrbaren: In Treue fest zu den NS-Verbrechern

Wie einst im Dritten Reich: Der Arier-Paragraph gilt heute noch

Die „Missgeburt“ Österreich: Verfassungsfeindliche Agitation

Hand in Hand mit Neonazis: Gegen Verfassung und Verbotsgesetz

Verräterische Mitgliederlisten: Die Elite der Neonazi-Szene

Grenzen der Geheimhaltung: Kaderschmiede für zwei Lager

Bekenntnisse und braune Traditionen

Provokation: Friedensnobelpreis für Rudolf Heß

Arminia Czernowitz: Werbung mit NSDAP-Plakat

Libertas: Ein Preis für junge Neonazis

Cimbria: Gemeinsam mit Nazis gegen die Wehrmachtsausstellung

Teutonia: Nazi-Schulung „im Einklang mit der Bundlinie“

Silesia im Rotlichtbezirk: Straches Sekretärin holt Gottfried Küssel

Die Spitze des Eisberges: Burschenschafter, Neonazis und die FPÖ

Am Beispiel Olympia: Zwischen Neonazismus und FPÖ

FPÖ-Politiker ohne Berührungsängste mit dem Neonazismus

Verbot wegen Staatsgefährdung und NS-Wiederbetätigung

Die Gründung der NDP: Olympen mit Terroristen und Neonazis

Selbstschutz: Kampf gegen das Verbotsgesetz

„Judenreine“ Olympia: Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit

Ohne Berührungsängste: Kontakte ins Neonazi-Milieu

„Freiheit für Küssel“ und „alle politischen Gefangenen“

Widerstand gegen „Umerziehung“: Weder Trauer noch Betroffenheit

Olympen als Veranstalter: Sommerlager mit NS-Symbolen

Martin Graf: Mit dem Witiko-Bund für Großdeutschland

Referenten der Olympia: Antisemiten und Holocaust-Leugner

David Irving: Geschichtsfälscher über Adolf Eichmann

Bruno Haas: Führer des braunen Terrors zum Thema „Politjustiz“

Schutz vor Verfolgung: Drei Rechtsextreme zum Verbotsgesetz

Schönhuber: Werbung mit SS-Mitgliedschaft

Rolf Kosiek: Rassentheoretiker und NDP-Funktionär

Umstrittener „Rassenforscher“: Wie einst im Nationalsozialismus

Musik mit Frank Rennicke: Glorifizierung von Hitler und Heß

Michael Müller: Verhöhnung der Nazi-Opfer

Jörg Hähnel: Ehrung für den Mörder von Rosa Luxemburg

Braune Tradition gegen antifaschistische Verfassung

Gemeinsam: Neonazis, Burschenschafter und der 8. Mai

Trauer um Nowotny: „Vergaser 88“ und „Kamerad Stefan Herzog“

Sonnwendfeiern: Werbung auf der Nazi-Plattform

Ulrichsberg: Nazis mobilisieren für Volksabstimmungs-Kommers

WKR-Ball: Tanz der Auschwitz-Leugner am Auschwitz-Gedenktag

„Aula“: Bindeglied zwischen Burschenschaften, FPÖ und Neonazismus

Strache als Schirmherr: Freibrief für neonazistische Agitation

Mölzers „Zur Zeit“: Mit Neonazis und Verfassungsfeinden

Unsere Ehre heißt Treue: Burschenschafter machen Politik

Resümee: Burschenschafter als Nazi-Aktivisten und Mitläufer

Braune Verbindungen: Die FPÖ im Netzwerk der Neonazis

Die Österreichische Landsmannschaft und ihr Gedenken an Hitler

Treffpunkt AFP: Antisemiten, Auschwitz-Leugner und NS-Nostalgiker

Gemeinsame Auftritte: Freiheitliche mit Europas Neonazi-Elite

Das Gutachten: „Massive“ Verstöße gegen das NS-Verbotsgesetz

Resümee: FPÖ-Funktionsträger als Teil der Neonazi-Szene

Der Ring freiheitlicher Jugend: Rechte Speerspitze der Partei

Johann Gudenus: Ideologisierung statt Zeitgeist

Am Beispiel Steiermark: Die FPÖ und ihre Nazi-Schläger

Oberösterreich: Wo FPÖ und Neonazismus miteinander verschmelzen

Resümee: FPÖ als Tarnkappe und Schutzschild für Neonazis

Wahlkämpfer Strache: Braune Helfer, braune Fans

Straches Helfer: Eine „Nationalsozialistin“ für die FPÖ

Nazi-Skin als Security: Mit Blood&Honour und FPÖ

Brauner Ordner und rechte Strache-Fans in der Lugner-City

Straches Anhänger: Hitler-Gruß und Nazi-Parolen

Braune Bekenntnisse: „Sieg Heil“ und „Heil Hitler“

Offen und öffentlich: Gemeinsame Sache mit Neonazis

Der Fall Podgorschek: Gemeinsam mit Gottfried Küssel

Der Fall Wieser: Einsatz für neonazistische Listen

Der Fall Christian: FPÖ-Kandidat von rechtsaußen

Der Fall Otten: Mit Neonazis gegen die Wehrmachtsausstellung

Der Fall Ballmüller: Neonazi-Aktivist als FPÖ-Spitzenkandidat

Der Fall Kampl: „Wenn es den Hitler nicht gegeben hätte ...“

Straches Kameradenmörder: Gegen historische Erkenntnis

Der Fall Kashofer: Hitlers Ehrenbürgerschaft und braune Sprüche

Der Fall Egger: Keine Stimme gegen den Antisemitismus

Tourismus in Kitzbühel: Braune Geschichtsfälschung

Lindenbauer, Leitmann, Pühringer: Bekenntnisse auf der Haut

Der Fall Haberler: „Sturmtruppe“ aus dem FPÖ-Lokal

Der Fall Kiebler: „Maximaler Hass“ oder „Heil Hitler“?

Vereinzelter Widerstand: Austritte und ihre Begründung

Internet: Das braune Netzwerk

Facebook und Twitter: FPÖ-Politiker und ihr braunes Umfeld

Hakenkreuze und SS-Symbole: Die Nazi-Freunde der FPÖ-Spitze

„Für Adolf und sein Reich“ und „Türkenklatschen“

Mit FPÖ-Politikern gegen „Zionistenschweine“

StrachesAnti-Türken-Seite:„Bomben“und„Freisetzung von Giftgas“

Straches Fan-Club: „An den Galgen“ und „Mauthausen aufsperren“

Wenn FPÖ-Mandatare sich auf Facebook outen

„alpen-donau“: „Juden erschlagen“ und „die Leiche anzünden“

Beklemmende Verbindungen: Die FPÖ und die Alpen-Nazis

Der Fall Königshofer: „Wie hätte Hitler ...?“

Der Fall Werner Herbert: Anfrage eines Polizisten

FPÖ: „Absurde Schnüffelei linker Provokateure“

Signale an den rechten Rand: Der Vergangenheit verbunden

Der Fall Gerhard Kurzmann: Nationalsozialistische Traditionspflege

Der Fall Rosenkranz: Kontakt zur braunen Gewaltszene

Die Blamage: Ein rechtsextremer „Ostmärker“ im Parlament

Kampf gegen das Verbotsgesetz: Es sind nicht nur einzelne …

Kornblume: Signal der „illegalen Nazis“

Täter-Opfer-Umkehr: Schlag nach bei Goebbels

Rassismus gestern und heute

Der alte Rassismus: Antisemitismus als identitätsstiftende Klammer

Der neue Rassismus: Ausländer statt Juden

Wahlkampf 1999: Mit Rassismus in die Regierung

Falsche Zahlen: Strache verbreitet Neonazi-Fälschung

Islam: Ein neues Feindbild entsteht

Strache im Spagat: Mit Burschenschafter-Kappe in Yad Vashem

Rechte Verbündete: Mit Neonazis gegen Islamisierung

Der Fall Winter: „Kinderschänder“ und „Tierbordell“

Briefe an „Phönix“: Kontakte zur braunen Gewaltszene

Wende vor, Wende zurück: Strache entdeckt die Serben

Traditionen der Gewalt: Burschenschafter und Freiheitliche

Rechter Terror: Gegen Juden, Katholiken und Linke

Mensur: Blutige Duelle als „sportliches Fechten“

Terror der Nachkriegszeit: Die braune Gewalt sucht sich neue Ziele

Burschenschafter verteidigen Nazi-Professor: Das erste Todesopfer

Norbert Burger: Südtirol-Terrorist als Gründer der NDP

Bruno Haas: ANR-Führer und FPÖ-Mitglied

Hans Milocco: FPÖ-Gemeinderat als Denkmalschänder

Gerd Honsik: Zerschlagung der parlamentarischen Demokratie

Friedhofsschändung: Täter aus dem RFJ

Gottfried Küssel: Den Staat zertrümmern

Rosenkranz: Braune Gewaltszene will ins Parlament

Die Anti-Antifa und der Bombenterror

Tarnung: Aufrufe zur Gewalt als „Notwehr“

Franz Fuchs: Gewalt als Ergebnis der „politischen Diskussion“

Die Gewaltspirale: Wie Worte zu Taten werden

FPÖ-Wahlkämpfe: Sprache als Kampfinstrument

Ermunterung zur Gewalt: Straches Hass-Comic

„Moschee baba!“: Schießen auf Muezzine und Minarette

Freiheitliche Gewaltphantasien im Internet

Vom Wort zur Tat: Attacke auf Antifaschisten

Wie Gewalt entsteht: Wenn Feindbilder ernst genommen werden

Resümee: Gewalttäter und ihre Vorbilder

Die „Saubermann-Partei“ und ihre unsauberen Politiker

Freiheitliche Kriminalstatistik: Nicht nur Kavaliersdelikte

Kinderporno-Skandale und sexuelle Übergriffe

Betrug: Nicht nur der Fall Rosenstingl

Die typischen FPÖ-Delikte: NS-Wiederbetätigung und Verhetzung

Korruption: Das politische Trauma der österreichischen Politik

Resümee: Wende rückwärts in die braune Vergangenheit

Namenregister

Quellen

Vorwort

Mitte der Neunzigerjahre hatte Jörg Haider versucht, der FPÖ ein zeitgemäßes Gesicht zu geben, hatte die Burschenschafter in die zweite Reihe gedrängt und sich mit telegenen, aber unideologischen Quereinsteigern umgeben, die in den Medien als „Buberlpartie“ verspottet wurden. Mit Straches Machtübernahme wurde 2005 die Wende rückwärts eingeleitet. Der neue FPÖ-Chef ersetzte die Buberlpartie durch eine Burschenpartie – stramme Hardcore-Ideologen aus jenem korporierten Milieu, das sich von den Traditionen des Nationalsozialismus bis heute nicht gelöst hat.

Das Internet hat diese Entwicklung öffentlich gemacht. FPÖ-Politiker akzeptieren „Freunde“, die ihre Auftritte mit Hitlerbildern und SS-Sprüchen schmücken. Sie treten als Mitglieder von Facebook-Gruppen in Erscheinung, auf deren Seiten für „Giftgas auf Israel“ oder für das „Abschlachten von Moslems“ geworben wird. Auf Straches Fanclub-Seite finden sich Botschaften wie „eini in den Zug und nach Mauthausen. Wir brauchen nur die Weichen stellen und den Strom aufdrehen“. International sucht die FPÖ die Zusammenarbeit mit jenen Parteien des rechten Randes, deren hasserfüllter Rassismus in ganz Europa immer neue Gewalt hervorbringt.

Dieses Buch versucht, nicht nur die Wende der FPÖ, sondern auch die Verschmelzung zweier Milieus zu dokumentieren: Auf der einen Seite die Welt jener Strategen der Macht um FPÖ-Chef Strache, die im Parlament arbeiten, in der Hofburg tanzen, im Scheinwerferlicht der Fernsehkameras als selbst ernannte „Patrioten“ das große Wort führen und sich für höchste Ämter qualifiziert fühlen. Auf der anderen Seite die finstersten Keller einer Unterwelt hasserfüllter rassistischer Hetzer, unversöhnlicher Antisemiten, brauner Geschichtsfälscher, ewig gestriger Hitler-Nostalgiker, vorbestrafter Auschwitz-Leugner und rücksichtsloser Gewalttäter.

Die Methodik dieses Buches macht einige Klarstellungen erforderlich:

1. Die Arbeit erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Der Autor hat vielmehr versucht, die zahllosen Berührungspunkte und Gemeinsamkeiten von FPÖ und Neonazi-Szene anhand besonders typischer und seriös belegbarer Fälle zu dokumentieren, um das System der Verknüpfungen sichtbar zu machen.

2. Die Bezeichnungen „rechtsextrem“ und „rechtsextremistisch“ werden ausschließlich als wissenschaftliche Begriffsbestimmungen verwendet, die sich an der Definition von Willibald Holzer und an den in der wissenschaftlichen Literatur genannten Merkmalen orientieren. Als rechtsextrem werden darüber hinaus Personen bezeichnet, die im „Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus“ so genannt werden.

3. Die Bezeichnungen „nazistisch“ und „neonazistisch“ folgen der österreichischen Rechtsprechung. Tatbestände, die von Höchstgerichten als „nazistisch“ oder „neonazistisch“ gewertet wurden, sind auch in diesem Buch so benannt. Als „Neonazi“ werden darüber hinaus Personen bezeichnet, bei denen ein Gerichtsurteil diese Bezeichnung rechtfertigt, oder die als Funktionäre bzw. Aktivisten einer durch Gerichte oder Wissenschaftler als neonazistisch eingestuften Gruppierung in Erscheinung getreten sind und sich von diesem Gedankengut nicht distanziert haben. Die Verwendung dieser Begriffe soll dem Leser präzise politische Zuordnung ermöglichen. Sie ist in keinem Fall in ehrverletzendem Sinn zu verstehen.

4. Die in diesem Buch dokumentierten Zitate und Sachverhalte stützen sich zumeist auf eine Vielzahl von Quellen, auch wenn jeweils nur eine angeführt ist. Jede Quelle wurde auf ihre Plausibilität überprüft und mit anderen Quellen verglichen. Bei Plausibilität und Übereinstimmung der Quellen­lage erfolgte keine weitere Überprüfung. Ausdrucke der Internet-Quellen liegen beim Autor. Ergebnisse von Gerichtsverfahren, Mitteilungen nach dem Mediengesetz und Gegendarstellungen wurden berücksichtigt.

5. Die Systematik dieses Buches macht die Einteilung in Kapitel und Themenschwerpunkte notwendig. Naturgemäß hat nicht jede der in einem Kapitel erwähnten Personen dieselbe Nahebeziehung zu dem genannten Themenschwerpunkt. Es lässt sich nicht vermeiden, dass etwa in den Kapiteln „Gewalt“, „braune Traditionen“ oder „braune Helfer“ auch Personen vorkommen, denen nichts vorzuwerfen ist bzw. für die die Unschuldsvermutung gilt. Dass ihr Name genannt wird, bedeutet keinesfalls, dass sie mit der Kapitelüberschrift im Zusammenhang stehen bzw. dass ihnen eine Beteiligung an Straftaten oder ein Naheverhältnis zu Tätergruppen unterstellt wird. Die Beziehung der Genannten zu Titel und Themenschwerpunkt ergibt sich ausschließlich aus dem Textinhalt.

6. Obwohl es sich um ein politisches Sachbuch und nicht um eine wissenschaftliche Arbeit handelt, hat sich der Autor bemüht, den Kriterien wissenschaftlicher Dokumentation gerecht zu werden. Die angeführten Beispiele sind durch Quellen belegt, die daraus gezogenen Schlüsse objektiv nachvollziehbar. Allen Wertungen liegt jenes „Tatsachensubstrat“ zugrunde, das der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einer Reihe grundsätzlicher Entscheidungen gefordert hat. Auf Polemik wurde bewusst verzichtet, das Manuskript juristisch überprüft.

Im braunen Sumpf: Es begann mit Fotos

Wehrsport oder Paintball?

Dass Heinz Christian Strache der Neonazi-Szene angehörte, bevor er in der FPÖ Karriere machte, hatten Parteifreunde und JournalistInnen immer schon geahnt. Anfang 2007 bekamen sie erste Belege dafür in die Hand. Einstige „Kameraden“ aus dem rechtsextremen Umfeld hatten Straches innerparteilichen Gegnern Fotos zugespielt, die seine Beteiligung an Wehrsportübungen belegen. Über Ewald Stadler gelangten die verfänglichen Aufnahmen in die Medien: Strache und Kameraden, abgebildet in martialischer Aufmachung, wie sie für Wehrsportveranstaltungen der damaligen Neonazi-Szene typisch ist.

Strache trat die Flucht nach vorne an. In der „ZiB2“ präsentierte er selbst die Fotos der „harmlosen sportlichen Veranstaltung“. Keine Rede von Wehrsport, versuchte er sich zu rechtfertigen. Gotcha habe man gespielt, oder Paintball.1

Straches Verteidigung ist geschickt gewählt, weil sie zum Teil der Wahrheit entspricht. Gotcha und Paintball gibt es tatsächlich auch als harmlose Freizeitvergnügen. In den Achtzigerjahren aber waren diese Spiele fester Bestandteil jener Wehrsportübungen, mit denen sich junge Aktivisten der Neonazi-Szene auf die „Rückeroberung der Macht“ vorzubereiten glaubten.2

In der Anklageschrift eines der großen Neonazi-Prozesse war 1995 das Gotcha-Spiel Teil der Indizienkette. Im Verlauf solcher Wehrsportübungen seien mit CO2-Pistolen und Farbgeschoßen Kampfhandlungen simuliert worden, hatte der Staatsanwalt referiert. Dieses Schießen auf lebende Ziele habe nicht dem Aggressionsabbau gedient, „sondern der Überwindung der Scheu, auf Menschen zu schießen“.3

Erst im September 2008 erfuhr die Öffentlichkeit, dass die von Strache vorgelegten Fotos manipuliert waren. Bei einem handelte es sich um einen Ausschnitt, der nur zeigte, was der FPÖ-Chef einigermaßen plausibel als „harmlos“ hatte darstellen können. Jene Bildteile, auf denen Waffen zu sehen sind, waren vor der Weitergabe entfernt worden. Ein anderes Bild der Serie, das ihn als Vermummten in Kampfanzug mit Sturmgewehr und Pistole zeigt, hatte der FP-Chef gar nicht erst vorgelegt.4

Was auf den unverfälscht vorliegenden Fotos zu sehen ist, hat mit Gotcha oder Paintball wenig zu tun: Bei regulären Veranstaltungen sind Uniformen verpönt. Geschossen wird mit typischen Paintball-Pistolen. Auf den Fotos ist anderes zu sehen. Ein Sturmgewehr, das zumindest echt aussieht, eine doppelläufige Flinte, Kampfhandlungen mit Schlagstock und eine laut „ZiB“ „mehrdeutige Szene“, die auch als „nachgestellte Hinrichtung“ interpretiert werden könnte.5

Auch die Neonazi-Szene glaubte nicht an Straches Version. „Die Bilder sehen mir persönlich auch nicht nach Gotcha aus“, postete ein User im neonazistischen „forum-thiazi.net“*, das sich im Untertitel „Germanische Weltnetzgemeinschaft“ nennt.6 Andere User versuchten, Strache gegen Stadler in Schutz zu nehmen. „Wir wissen, dass Stadler und sein Christenumfeld uns Nationalsozialisten missbrauchen möchten, um Strache und die FPÖ anzupatzen.“7 Standesgemäß, wenn auch ohne erkennbaren Zusammenhang, endet der Eintrag mit „Judentum ist biologische Erbkriminalität“.

*Das „Thiazi“-Forum wurde Im Juni 2012 nach bundesweiten Razzien stillgelegt. Das deutsche Bundeskriminalamt (BKA) stufte Deutschlands größte Neonazi-Plattform, auf der gegen Juden, Ausländer und Moslems gehetzt, zur Gewalt aufgerufen, der Holocaust geleugnet und die nationalsozialistische Gewaltherrschaft verteidigt wurde, als kriminelle Vereinigung ein.

Strache glaubt, die kriegerische Aufmachung erklären zu können: Man habe sich im Armyshop billige Kleidung gekauft.8 Für die Art der Bewaffnung bietet er zwei Versionen an. Zuerst behauptet er, die Ausrüstung sei geborgt gewesen. Danach habe man sie wieder zurückgegeben.9 Zwei Monate danach erzählt er, die Waffen in einem Geschäft im neunten Wiener Gemeindebezirk gekauft zu haben. Es handle sich um Originalnachbauten, Pistolen und Gewehre in Originalgröße, die echten Waffen „täuschend ähnlich sehen“.10

Die korrigierte Version hat er im Gespräch mit den Autorinnen des Buches „HC Strache, Sein Aufstieg – Seine Hintermänner – Seine Feinde“ geliefert. Nina Horaczek und Claudia Reiterer hatten Interviews und Hintergrundgespräche mit Strache sowie 40 seiner Wegbegleiter und Gegner geführt und im März 2009 eines der bestrecherchierten tagespolitischen Sachbücher der letzten Jahre vorgelegt.

In einem von den Autorinnen mit 27. 11. 2008 datierten Gespräch ersetzt Strache seine erste, wenig glaubwürdige Erklärung der „Leihausrüstung“ durch die neue Version, die glaubwürdiger klingt, aber verräterisch ist.

Mitglieder der damaligen Neonazi-Szene erzählen, wie wichtig es den jungen Wehrsportlern war, Ausrüstung und Bewaffnung der Wehrmacht zu kopieren. Adressen, bei denen man Nachbauten erwerben konnte, die äußerlich kaum von den echten Waffen zu unterscheiden waren, seien unter der Hand weitergegeben worden.11 Das gleiche gelte für andere Utensilien wie jenen von Strache getragenen Gürtel, den im Wehrmachts-Original ein eichenlaubumranktes Hakenkreuz ziert. Heribert Schiedel, Rechtsextremismus-Experte beim Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW): „In der Neonazi-Szene sind solche Gürtel extrem beliebt.“12

Als Strache mehrfach gefragt wird, ob es von ihm auch Fotos geben könne, auf denen er mit Hitlergruß zu sehen sei, lässt er das offen. Auf einer Pressekonferenz im Rahmen der FPÖ-Klausur in Waidhofen an der Ybbs verweigert er dezidiert die Antwort auf die „gemeine und miese Suggestivfrage“.13 Im Fernsehen erklärt Strache, er könne nicht ausschließen, dass es von ihm „dumme Fotos“ gebe. Sollte er derart posiert haben, könne es nur eine „dumme Provokation“ gewesen sein.14

Und auch in seinen eifrig nachgeschobenen Bekenntnissen zur Demokratie formuliert er vorsichtig: In all seinen „Handlungen als politischer Mandatar“ sei er ein „begeisterter Demokrat“, erklärt er in einem News-Interview.15 Wie er zur Demokratie stand, bevor er ein Mandat übernahm, lässt er damit offen. Dass er auch nach dieser Zeit Veranstaltungen der Alt- und Neonazi-Szene besuchte, wird in der Folge noch ausführlich belegt.

Ein Neonazi-Gruß als Bier-Bestellung

Nur wenige Tage nachdem die ersten Wehrsport-Fotos aufgetaucht waren, veröffentlicht „Österreich“ ein Foto, auf dem Strache mit jenem „Kühnen-Gruß“ zu sehen ist, den Neonazis anstelle des verbotenen Hitlergrußes verwenden:16 Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger werden zum W gespreizt, was „Widerstand“ gegen das verhasste (demokratische) „System“ bedeutet.17 In Deutschland ist dieser Gruß als Nazi-Geste verboten, in Österreich steht er nur dann unter Strafe, wenn das Gericht ihn als „propagandistische Pose“ wertet, wie Andreas Scheil, Strafrechtsexperte an der Universität Innsbruck, im ORF-Interview erklärt.18

Entstanden ist das Foto 1994 am Rande des Innsbrucker Freiheitskommers. „Österreich“-Herausgeber Wolfgang Fellner erzählt, „zwei ehemalige Freunde von Strache und Aussteiger aus der Burschenschafter-Szene“ hätten ihm das Foto „persönlich angeboten“. Sie seien dabei gewesen, als Strache den damals bereits wegen Wiederbetätigung verurteilten Franz Radl „mit dem Neonazi-Gruß gegrüßt hat“.19

Strache ist seit 1984 Mitglied der am äußersten rechten Rand agierenden Burschenschaft Vandalia. „Deutsch, einig, treu und ohne Scheu“ ist das Motto der deutschnationalen Verbindung20, gegrüßt wird mit „Heil Vandalia!“,21 die Farbe des „Deckels“, der burschenschaftlichen Kopfbedeckung, ist der Kornblume nachempfunden, die vor 1938 Erkennungszeichen der illegalen Nazis war. Das „Bundeslied“ der Vandalia dokumentiert die für Burschenschaften typische Kombination aus Deutschtümelei und Gewaltverherrlichung:

„Wo Mut und Kraft in deutscher Seele flammen,

fehlt nie das blanke Schwert beim Becherklang…

…Vandalen greift zum Schwert mit Sturmeswehen

Für unsern Bund in Kampf und Tod zu gehen.

Die neonazistischen Sprüche, mit denen einzelne Vandalen damals um sich warfen, weckten sogar in der durchwegs deutschnationalen und rechtslastigen Burschenschafter-Szene Widerstand. Mitglieder anderer Burschenschaften weigerten sich, mit Vandalen Mensuren zu fechten. „Das Paukverhältnis wurde für längere Zeit aufgehoben“, erinnert sich Lutz Weinzinger, ehemaliger FPÖ-Obmann in Oberösterreich und Mitglied der Verbindung Franko-Cherusker. Die Vandalia habe „ein paar Jungs dabei gehabt, die sehr markige Sprüche von sich gegeben haben. Das war vielen zu steil. Das ist nicht die Art, wie wir auftreten wollen“.22

Straches einstiger Freund und Überbringer des verfänglichen Bildes erinnert sich in „Österreich“: „Wir waren damals eindeutig Neonazis. Wir haben für die rechtsextreme VAPO gearbeitet – Pickerl geklebt, Flugblätter verteilt. Wir haben uns auf der Bude mit Hitlergruß gegrüßt, rechtsradikale Parolen und Gedanken gehabt.“ Strache habe sich „Gauleiter“ nennen lassen, sei einer der Aktivsten gewesen und habe „alle rechtsextremen Größen“ gekannt: „Küssel, Radl, Thierry, Honsik – er traf sie alle.“23

In derselben Ausgabe zitiert „Österreich“ den Fotografen Erich Reismann, der 1988 die VAPO-Szene für den „Wiener“ fotografiert hatte. Die Neonazis hätten damals „darauf bestanden“, mit dem „Widerstandsgruß“ fotografiert zu werden. Gottfried Küssel, Österreichs bekanntester Neonazi, damals wörtlich im Interview: „Wir nennen diesen Gruß den Kühnen-Gruß, benannt nach unserem Führer Michael Kühnen. Wer immer diesen Gruß – die drei gespreizten Finger – verwendet, symbolisiert damit, dass er zu unserer Gesinnungsgemeinschaft gehört. Dieser Gruß ist uns heilig. Er ist unser Erkennungszeichen – nur wer ihn verwendet, ist einer von uns.“24

Kühnens Organisation war schon 1983 verboten worden, er selbst starb 1991. Kurz vor seinem Tod hatte er Gottfried Küssel zu seinem Nachfolger bestellt.

Wieder beginnt eine Serie peinlicher Unwahrheiten und Ausreden. Die beiden FPÖ-Generalsekretäre Herbert Kickl und Harald Vilimsky lösen Entsetzen unter Burschenschaftern und Parteifreunden aus, indem sie den Neonazi-Gruß als „burschenschaftliche Tradition“ ausgeben.25 Eine Frage drängt sich auf: Haben die beiden den Neonazi-Gruß in ihrem Burschenschafter-Umfeld so oft erlebt, dass sie ihn für eine „burschenschaftliche Tradition“ halten?

Danach behaupten sie, es handle sich um jenen Gruß, der seit 1961 „von den Südtiroler Freiheitskämpfern verwendet“ werde.26 Strache schließt sich diesem Unsinn. an: „Das ist der Gruß der Südtiroler Freiheitskämpfer, ein Zeichen des Widerstandes gegen den Faschismus“, erklärt er im Interview mit der „Presse“.27 „Alle anderen Interpretationen sind an Lächerlichkeit nicht zu überbieten.“28

Das ist falsch. Historiker wie Rolf Steininger, Leiter des Zeigeschichte-Instituts der Universität Innsbruck, Südtirol-Experten wie der Innsbrucker Rechtsanwalt und Buchautor Franz Watschinger und Exponenten der Südtiroler Freiheitskämpfer-Szene stellen in nahezu wörtlicher Übereinstimmung fest: „Mit Südtirol hat dieser Gruß gar nichts zu tun.“29

Also präsentiert Strache eine dritte Version. Auf dem Weg zum Korporierten-Ball spricht er im „ZiB2“-Interview davon, nur „drei Bier oder drei G’spritzte“ bestellt zu haben – eine in Nazi-Kreisen gängige Rechtfertigung, wie der Historiker Gerhard Jagschitz bestätigt. Auch dass Straches Arm nicht durchgestreckt sei, spreche „nicht per se dagegen, dass es sich um ein Ersatzzeichen für den Hitlergruß“ handle. Derart schlampige Formen würden „bewusst genutzt“, um die Bedeutung des Grußes zu „kaschieren“.30

In einem der Prozesse, die Strache gegen „Österreich“ anstrengt, kommt der Zeitgeschichte-Professor Gerhard Botz zu dem gleichen Schluss. Es sei „das Naheliegendste“, dass das Foto Strache bei der Abwandlung eines Hitlergrußes und nicht beim Bestellen von drei Bier zeige. 31 „Drei Bier bestellt man mit der Handfläche nach innen“, meint Botz. Straches Handfläche aber zeige auf dem Foto nach außen, und das sei „eindeutig der Kühnen-Gruß“. 32

Danach bietet Strache noch andere Deutungen an: „Das ist in Wirklichkeit die Heilige Dreifaltigkeit bei den Serben. In Mitteleuropa ist das die Schwurhand. Das hat nichts mit Nazismus zu tun.33 Der entscheidende Beleg kommt vor Gericht gar nicht zur Sprache. Der FPÖ-Chef hatte anfangs ja ausdrücklich eingeräumt, mit den weggestreckten drei Fingern gegrüßt zu haben. Zuerst war dieser Gruß als „burschenschaftliche Tradition“, danach als „Gruß Südtiroler Freiheitskämpfer“ ausgegeben worden.

Im Prozess Strache gegen die Tageszeitung „Österreich“ präsentierte Stadler als Zeuge ein weiteres Detail: Die vom FPÖ-Chef auf dem Bild getragene Krawatte zeigte die Reichskriegsflagge, ein in der Neonazi-Szene beliebtes „ideologisch konnotiertes“ Emblem.34 Neuerlich rückt FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky zur Strache-Verteidigung aus. Die deutsche Fahne aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg habe „nichts mit irgendwelcher verbotener Symbolik“ zu tun.35

Eigentlich müsste er es besser wissen. „Diese Flagge wird von einer breiten Öffentlichkeit mit dem Nationalsozialismus und den Neonazis in Verbindung gebracht“, entschied das Höchstgericht 1994 zugunsten von Jörg Haider, der mit der Reichskriegsflagge auf dem Cover des „Handbuchs des österreichischen Rechtsextremismus“ abgebildet war. Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes verlor den Rechtsstreit: Das Cover musste überklebt werden.

Straches Wehrsportfreunde:Die junge Elite der Neonazi-Szene

Die Veröffentlichung der verfänglichen Wehrsport-Aufnahmen löst eine ganze Serie von Unwahrheiten, Ausreden, Beschönigungen, Verdrehungen und Beschwichtigungen aus. Als Anfang 2007 die ersten Fotos aufgetaucht waren, hatte Strache seine Teilnahme an „wehrsportähnlichen Übungen“ empört zurückgewiesen, von „Gerüchten und Unterstellungen“ sowie von Darstellungen „in falschem Kontext“ gesprochen. Als er in selbstbewusster Vorwärts-Verteidigung die Wehrsport-Fotos zur „ZiB2“ brachte, bestritt er jede Verbindung zum Rechtsextremismus. Es seien „alles unbescholtene Personen“ gewesen, beteuerte er.36 Unkenntlich gemacht habe er diese nur, um sie davor zu schützen, als Neonazis oder Rechtsextreme verunglimpft zu werden.37

Im Prozess, den der FPÖ-Chef nach Veröffentlichung der Wehrsport-Bilder gegen „News“ angestrengt hatte, wurde diese Darstellung als unwahr entlarvt. Dem Gericht mussten die Fotos unverfälscht vorgelegt werden. Zeugen erhielten damit Gelegenheit, Straches Wehrsportfreunde zu identifizieren.38

Nachdem der FPÖ-Chef zwei Tage zuvor, am 22. August 2007, beim „Sommergespräch“ des ORF, die Anwesenheit von Neonazis wie Jürgen Hatzenbichler oder Andreas Thierry als „absoluten Unsinn“ abgetan hatte, war vor Gericht der Augenblick der Wahrheit gekommen. Die von Strache als „unbescholtene Personen“ Ausgegebenen entpuppten sich nicht etwa als unbedeutende Mitläufer im rechtsextremen Milieu. Die Bilder zeigen Strache mit der damaligen Elite der neonazistischen Nachwuchs-Szene.

Straches Wehrsport-Kamerad Hatzenbichler

Auch die von Strache beteuerte Unbescholtenheit hielt der Überprüfung nicht stand. Zumindest Jürgen Hatzenbichler war wegen Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts verwaltungsrechtlich zu einer Geldstrafe und einer bedingten Freiheitsstrafe verurteilt worden. In Kärnten hatte Hatzenbichler am Aufbau von Gerd Honsiks „Nationaler Front“ maßgeblichen Anteil. In den Jahren 1985 und 1986 fungierte er als „stellvertretender Führer“ der berüchtigten Neonazi-Truppe, die sich offen zur Gewalt bekannte. Aus dem Jahr 1986 stammt die folgende „Kundmachung“ der „Nationalen Front“:

„Alle Lehrer Österreichs, die den Auftrag der Siegermächte erfüllend, die Verbrechen am deutschen Volk leugnen und gleichzeitig mit den ihnen anvertrauten Schülern nach Mauthausen pilgern um dem Gasbetrug zu huldigen, werden, wenn wir die Macht gewinnen, durch ein Gesetz mit rückwirkender Kraft zu Verbrechern erklärt und so lange am Halse aufgehängt, bis dass der Tod eintritt.“39

Im März 1987 wird das Verbot der „Nationalen Front“ wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung durch den Verfassungsgerichtshof bestätigt.40 Der Polizei war ihr „Provisorisches Programm“ in die Hände gefallen, das den entlarvenden Titel trug: „Vorschläge zur Beseitigung des bestehenden Systems“. Ziel der militanten Neonazi-Gruppe war unter anderem die Zerschlagung der parlamentarischen Demokratie, die Außerkraftsetzung des Staatsvertrages (Anschlussverbot) und die Wiederherstellung der „Schicksalsgemeinschaft“ der Deutschen in den Grenzen des „Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation“, also mit Österreich, Südtirol und Luxemburg.41

Nebenbei sorgte Hatzenbichler für die Verbreitung der Neonazi-Zeitschrift „Sieg“ des Immer-Wieder-Betätigers und Auschwitz-Leugners Walter Ochensberger,42 der auch ein Handbuch für den militanten Rechtsextremismus mit Anleitungen für Putsch, Partisanenkampf und Foltermethoden unter seiner Klientel vertrieben hat. „Sieg“ zählte zu den ekelhaftesten Nazi-Druckwerken, die je im deutschsprachigen Raum Verbreitung finden konnten. Textprobe:

„Unter dem Deckmantel der Auschwitz-Verleumdung begeht das jüdische Volk ... einen gnadenlosen Völkermord an den Ariern ... insbesondere aber am Deutschtum.“43

1992 sagte sich Hatzenbichler von seiner neonazistischen Vergangenheit los, die dem beruflichen Aufstieg als Publizist des freiheitlichen Lagers im Weg zu stehen schien. Er tat es entschieden und eindeutig,44 aber nur bedingt glaubwürdig. „Ich war bis 18 das, was man einen Neonazi nennt“, bekennt er freimütig in der „Jungen Freiheit“. „Aber aus dem, was ich war, Aktivist, Revolutionär, Anhänger des Totalitarismus, habe ich viel gelernt.“45

Seine Kontakte hielt er aufrecht. Zwei Jahre nach der angeblichen Abkehr von der neonazistischen Gewaltszene trat er bei einem Silvestertreffen der „Wiking Jugend“ in Fulda/Röhn als Redner auf. Auch Strache hatte Kontakt zu dieser in der Tradition der Hitler-Jugend stehenden, nach dem Führerprinzip ausgerichteten Gruppierung, die 1994 verboten wurde.

Der Kontakt zwischen Strache und Hatzenbichler blieb bestehen. Mitte der Neunzigerjahre tauchen die beiden gemeinsam in der „Techno-Scene“ auf, der „ersten Jugendkultur im deutschsprachigen Raum seit dem Zweiten Weltkrieg, die weder amerikanisch noch schwarz oder britisch dominiert ist“,46 wie einer von Straches Weggefährten, der mittlerweile verstorbene Christian Böhm-Ermoli, damals schrieb.47

Im August 2005 thematisiert Armin Wolf die geistige Verwandtschaft zwischen Hatzenbichler und dem FPÖ-Chef im ORF-„Sommergespräch“.48 Auf seiner Homepage hatte Strache einen Text über sein „Lieblingsbuch“ veröffentlicht: „Der Waldgang“ des umstrittenen Autors Ernst Jünger. Aufgrund seiner Erlebnisse als Offizier im Ersten Weltkrieg hatte Jünger eine Philosophie entwickelt, die nationalistische, inhumane und demokratiefeindliche Tendenzen aufweist.

Dass Strache Jüngers Ansichten teilt, ist wenig überraschend. Viele Exponenten der rechtsextremen Szene berufen sich auf diesen deutschen Philosophen – die meisten ohne ihn selbst gelesen zu haben. Jüngers Texte sind sperrig, abgehoben, schwer verständlich. Dass ein Politiker wie Strache sich in solche Texte vertieft, ist schwer vorstellbar. Tatsache aber ist: Straches Rezension ist brillant formuliert. Armin Wolf lobt den FPÖ-Chef für die „sehr elegante“ Schreibweise. „Ich hab’ Sie bewundert, dass Sie so gut schreiben können. Ist das ein Hobby von Ihnen?“

Sichtlich geschmeichelt antwortet Strache: „Ich schreibe gern und ich hab ja auch in einer Tageszeitung einmal die Ehre gehabt, Gastkommentare schreiben zu dürfen und das ist ein Hobby von mir, ja.“

Jetzt erst klärt Wolf die Zuseher auf, von wem der Text, mit dem Strache sich schmückt, wirklich stammt und wo er veröffentlicht wurde. Der Autor heißt Jürgen Hatzenbichler. Entnommen wurde er einer rechtsradikalen deutschen Internet-Homepage.49

Straches Wehrsportfreund Andreas Thierry

Ein weiterer Wehrsportfreund von Strache wurde vor Gericht als Andreas Thierry identifiziert, der als politischer Ziehsohn von Herbert Schweiger, dem im Juli 2011 verstorbenen Doyen des europäischen Neonazismus, gilt. Ende der Achtzigerjahre zählte Thierry zum Führungskader der neonazistischen „Volkstreuen Jugend Offensive“, die in Kärnten paramilitärische „Wochenendlager“ durchführte. Thierry galt als Verbindungsmann zur 1992 in Deutschland verbotenen „Nationalistischen Front“ (NF) Meinolf Schönborns. Der deutsche Verfassungsschutz schreibt Mitgliedern der NF eine Reihe von Anschlägen zu.50 Als „Saalschützer“ engagierte sich Thierry beim „Deutschen Kulturwerk europäischen Geistes“ (DKEG), bei dessen Tagungen neben Europas führenden Rassisten, Antisemiten, Holocaust-Leugnern und Kriegsverbrechern auch FPÖ-Politiker wie Otto Scrinzi als Referenten auftraten.51

1991 fand die Staatspolizei bei der DKEG-Gästewoche in Schönborns Zimmer einen Aufruf zum Aufbau eines paramilitärischen „Nationalen Einsatzkommandos“, das den Sinn von „Wehrsportübungen“ deutlich macht: „Um den „Kampf für ein völkisches Deutschland besser, zielgerichteter, sicherer und noch erfolgreicher durchführen zu können“, sei die „Aufstellung kadermäßig gegliederter hochmobiler Verbindungen“ und die „Ausbildung von sportlichen und gesunden Kameraden für den politischen Kampf auf der Straße“ erforderlich.52 Die deutschen Behörden leiteten daraufhin ein Verfahren wegen des Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung ein.

1995 wurde Thierry als Vordenker der heimischen Neonazi-Szene wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung verurteilt. Um einer neuerlichen Verurteilung und einer damit verbundenen langjährigen Haftstrafe zu entgehen, übersiedelte er nach Deutschland.53 Dort schloss er sich der NPD an, leitete das „Amt für weltanschauliche Schulungen“ und stieg zum Chefideologen des innerparteilichen „NS-Flügels“ auf, der sich populistischen Modernisierungen in den Weg stellte.54

Im August 2006 schrieb Thierry in einer neonazistischen Jugendzeitung über seinen Wehrsportfreund Strache. Seit dieser die FPÖ übernommen habe, hätten „viele Kameraden wieder Hoffnung geschöpft“. Er sei mit Strache „seit 1989 persönlich bekannt“. Dieser habe „seine Wurzeln im nationalen Lager“.55

Im April 2009 wurde Thierry in den Vorstand der NPD gewählt. Als „Hauptschriftleiter“ des neonazistischen Kampfblattes „Volk in Bewegung“ formulierte er unter anderem, der Kurs der NPD könne nur „Richtung Systemopposition“ gehen. Der „blutbestimmte Volksbegriff“* sei genausowenig verhandelbar wie die „Wiederherstellung des deutschen Reiches“. Aus „nationaler Sicht“ sei alles andere „Verrat!“.56 Als die NPD sich zunehmend um Modernisierung bemühte, die Fusionierung mit der Deutschen Volksunion vorbereitete und solche Positionen nicht mehr öffentlich machen wollte, reagierte Thierry mit einem demonstrativen Parteiaustritt.57

*Ein „blutsbestimmter Volksbegriff“ war Grundlage für den „Ariernachweis“: Die Zugehörigkeit zum „Volk“ wird nicht durch die Staatsbürgerschaft bestimmt, sondern ist genetisch vorgegeben.

Straches Wehrsportfreund Marcus Ullmann

Ein weiterer Teilnehmer an Straches Wehrsportveranstaltungen war Marcus Ullmann, stellvertretender „Kameradschaftsführer“ der von Gottfried Küssel 1986 gegründeten „Volkstreuen außerparlamentarischen Opposition“ (VAPO). Offen deklarierte sich die VAPO als „nationalsozialistisch“. Die „Neugründung der NSDAP“ und die „erneute Machtergreifung“ wurden in einem Schulungsbrief als politische Ziele genannt.58

Was das bedeuten sollte, hat ein Zeuge im Prozess gegen Hans-Jörg Schimanek jun. laut Vernehmungsprotokoll mit folgenden Worten geschildert: „Erstens: Aufhebung des Verbotsgesetzes; Zweitens: Wiedervereinigung Österreichs mit Deutschland; Drittens: Die Juden werden ausgesiedelt.“59 In einem Interview des deutschen Fernsehsenders „Tele 5“ trat Küssel für die „Zulassung der NSDAP als Wahlpartei“ ein.60

Gewalt gehörte von Anfang an zum Selbstverständnis der „Frontorganisation Ostmark“, wie sich die VAPO in ihren Aufrufen zur politischen Gewalt nannte. „Wir sind die militanteste und radikalste Gruppe der nationalen Szene“,61 hieß es in einem Schulungsbrief. „Die VAPO vereint alle kampfbereiten und kampfwilligen Personen, denen klar ist, dass eine neue Ordnung nur durch Ausschaltung der jetzigen Systeme möglich ist.“62

Mitte der Neunzigerjahre führte die Polizei im Zuge der Briefbomben-Ermittlungen zahlreiche Hausdurchsuchungen bei VAPO-Mitgliedern durch. Dabei fand sie zwar nicht den Attentäter, dafür aber Beweismaterial für zahlreiche andere Vergehen: Waffen, Umsturzpläne, Videos von Wehrsportübungen, Mitgliederlisten und NS-Propagandamaterial. Zahlreiche VAPO-Aktivisten wurden danach vor Gericht gestellt und verurteilt.63

Gottfried Küssel bezeichnet sich selbst als Nationalsozialist.64 Unter seiner Führung veranstaltete die VAPO Ausbildungslager, in denen 13- bis 20-Jährigen das Töten von „Feinden“ beigebracht wurde.65

Im März 1995 blieb die Verharmlosung völkischer Wehrsportübungen als angebliche Lagerfeuer-Romantik auf der Strecke, als den Geschworenen im Prozess gegen Hans Jörg Schimanek jun. das Videoband einer solchen „Ausbildung“ vorgeführt wurde.66 Im Mittelpunkt stand der Angeklagte als Referent zum Thema „schnelles und lautloses Töten von Feinden“:67 Während er mit einem Messer in der Hand den „Angriff“ am lebenden Objekt simulierte, erklärte er Schritt für Schritt:

„Kameraden, eines dürft ihr nie vergessen. Das Messer muss vor dem Halswirbel in den Hals gerammt werden, weil sonst bleibt das Messer an der Wirbelsäule hängen, wenn ihr es nach vorne reißen wollt. Zweitens muss dem Feind der Mund so lange zugehalten werden, bis er am Boden liegt. Weil es gibt Leut’, die sind unglaublich zäh. Die schreien auch noch mit durchgeschnittener Kehle.“

Fassungslos erleben LaienrichterInnen und BeobachterInnen die szenische Bildfolge:

► Mund zuhalten und Messer in den Hals stecken;

► Opfer festhalten und Messer nach vorne durch die Kehle ziehen;

► das am Boden liegende Opfer mit dem „finalen Leberstich“ töten.

Das war der Augenblick, an dem den Geschworenen klar wurde, dass „Wehrsport“, wie die Führer der VAPO ihn verstanden, mit „Körperertüchtigung“ nichts zu tun hat. Sie waren Zeuge geworden, wie der Mord an Demokraten trainiert wurde.68

Strache hat mindestens an einer Wehrsportübung bei Gottfried Küssel teilgenommen. Wie bei all seinen Aktivitäten in der Neonazi-Szene gibt es auch hier unterschiedliche Versionen der gleichen Geschichte. Küssel weiß, wie sehr es Strache und der FPÖ schadet, mit ihm in Verbindung gebracht zu werden. Er könne sich „nicht vorstellen“, dass Strache an den von ihm veranstalteten Wehrsportübungen teilgenommen habe, erklärt er als Zeuge vor Gericht. „Ich schließe es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus.“69

In juristischen Fragen ist Küssel, der mehrfach gegen das Wiederbetätigungsverbot verstoßen hat, Fachmann. Und so verhält er sich. Die Formulierung „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ lässt offen, dass er sich auch getäuscht haben könnte. Er entlastet Strache und ist mit seiner Aussage auf der sicheren Seite.

In einem Prozess, den Strache 2002 gegen das Nachrichtenmagazin „Profil“ angestrengt hatte, wollte er zuerst nicht darüber reden, ob er „Führer“ Küssel gekannt habe. Schließlich gab er zu, diesem im Haus seines „väterlichen Freundes“ Norbert Burger begegnet zu sein. Auch bei Sonnwendfeiern und bei den alljährlichen „Trauerfeiern“ des 8. Mai, bei denen Neonazis, Burschenschafter und FPÖ-Politiker die „Niederlage“ Nazi-Deutschlands betrauern (statt Hitlers Kapitulation und die Befreiung vom Nationalsozialismus zu feiern), sei man sich „gelegentlich über den Weg gelaufen“.70

Im November 2008 räumte Strache im Gespräch mit Nina Horaczek und Claudia Reiterer ein, auch eine von Küssels Wehrsportveranstaltungen besucht zu haben. Auf die Nachfrage „Sie sind wirklich heimgefahren?“ Straches Antwort: „Ich habe am Anfang, am Anfang sozusagen bin ich dort mitgefahren, also nicht mitgefahren, das war ja sozusagen eine Extrageschichte, wo man hingefahren ist. Und dann dort sozusagen im Zuge dieses ganzen Treibens war mir klar, das sind Leute, das ist ein Wahnsinn. Das ist für mich sozusagen der Bereich, wo ich überhaupt nicht mitkann.“71

Dass Strache sich derart windet, ist nachvollziehbar. Der wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung verurteilte Gottfried Küssel gilt in Österreich als „der“ Neonazi schlechthin. Straches andere Wehrsportfreunde, Andreas Thierry, Marcus Ullmann oder Jürgen Hatzenbichler, sind wesentlich weniger prominent. Weniger radikal waren sie schon damals nicht.

Zum Führungskader der VAPO hatte einst auch Franz Radl gezählt, jener Burschenschafter der Teutonia, dem Straches „Kühnen-Gruß“ gegolten haben soll. Dass die beiden einander gekannt haben, ist belegbar. In Radls Telefonbuch, das sich wie ein „Who is Who“ des europäischen Rechtsextremismus las, entdeckte die Staatspolizei Straches Telefonnummer.72 Auf Platz 226 dieser brisanten Liste von Kontakten war „Heinrich Strache“ eingetragen. Bei einem Kontrollanruf erreichten die Polizisten die Mutter des heutigen FPÖ-Chefs. Um einen Zufall konnte es sich nicht handeln: Es war eine Geheimnummer.73

Straches Wehrsportfreund Andreas Reichhardt

Anfang der Neunzigerjahre hatte der VAPO-Aktivist Franz Radl in einem Kassiber an den wegen Wiederbetätigung inhaftierten Gottfried Küssel angeregt, auf eigenständige Aktionen in Zukunft zu verzichten und sich stattdessen der FPÖ und ihren Vorfeldorganisationen anzuschließen. Vor allem der intellektuelle Teil der Neonazis war dem Aufruf „rein in die Legalität“ weitgehend gefolgt. Viele tauchten in den Burschenschaften unter, meist ohne ihre politische Überzeugung zu ändern. Küssels VAPO-Gefährte Marcus Ullmann trat der deutschnationalen Grenzlandsmannschaft Cimbria bei, die wie andere schlagende Verbindungen „Kameraden“ aus der gewaltbereiten rechtsextremen Szene bereitwillig Unterschlupf bietet.74

Einigen Wehrsportfreunden gelang der Wechsel in die Legalität, bevor ihre Weltanschauung braune Spuren auf den weißen Westen hatte hinterlassen können. Zu ihnen zählt Andreas Reichhardt.75 Wie sein einstiger Wehrsportfreund Ullmann fand auch er den Weg zur Cimbria. Bis 2004 fungierte er als FPÖ-Bezirksrat in Wien-Landstraße unter seinem Bezirksparteiobmann und einstigen Wehrsportfreund Strache. 2005 avancierte er unter Hubert Gorbach zum Leiter der Innovations- und Telekommunikations-Sektion im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie. Als Zuständiger für das Forschungszentrum Seibersdorf scheint er maßgeblich dazu beigetragen zu haben, dass Österreichs größte Forschungseinrichtung, das Austrian Research Center, zu einem Tummelplatz schlagender Burschenschafter wurde.76

Mitglied der Cimbria ist nicht zuletzt auch Straches Mentor aus dem dritten Wiener Gemeindebezirk, der ihn laut eigener Aussage für die FPÖ angeworben hat: der freiheitliche Bezirksrat Helmut Güntner.77 Und noch ein Mann aus der rechten Szene ist dort Mitglied: Strache-Freund Clemens Otten, Organisator der Demonstration gegen die Ausstellung „Verbrechen der Wehrmacht“ im April 2002, nach der Neonazis mit Sieg-Heil-Rufen durch die Wiener Innenstadt gezogen waren.78

Strache und die neonazistische Wiking-Jugend

Für Strache wird der Prozess, den er im August 2007 wegen der Wehrsport-Fotos gegen die Tageszeitung „Österreich“ führt, zum Waterloo. Bei der Befragung muss er Kontakte zu jener neonazistischen Wiking-Jugend zugeben, die er wenige Tage zuvor, beim „Sommergespräch“ des ORF, noch entschieden bestritten hatte. Die Wiking-Jugend sei damals noch nicht verboten und er sei kein Mitglied gewesen, erklärt er nach der ersten Verhandlungsrunde.79

Auch diesmal glaubt Strache, eine geschickte Verteidigungslinie gewählt zu haben. Neonazistische Organisationen führen zum Schutz der an ihren illegalen Aktionen Beteiligten in der Regel keine kompletten Mitgliederlisten. Meist werden nur die Namen derer bekannt, die in der ersten Reihe stehen und sich an den Aktionen führend beteiligen. Die 1952 gegründete Wiking-Jugend ist zudem seit 1994 als „verfassungsfeindliche Gruppierung“ in Deutschland verboten.80

Aus den Fotos des Wiking-Aufmarsches, an dem Strache sich beteiligt hatte, aber geht zweifelsfrei hervor, dass es sich nicht um einen harmlosen Besuch oder ein zufälliges Zusammentreffen mit „unbescholtenen Bürgern“ gehandelt haben kann. Strache hat sich in die Front der in Reih und Glied angetretenen Nazi-Aktivisten eingegliedert. Wenige Schritte vor ihm steht ein Funktionär, der das Abzeichen der Wikinger – die als Nazi-Symbol verbotene Odal-Rune – deutlich sichtbar am Ärmel trägt.81

Ein später auftauchendes Foto derselben Veranstaltung zeigt Strache als Teilnehmer eines jener Fackel-Umzüge, die für Rechtsextreme Symbol „im Sinne einer Verherrlichung des Neonazismus“ sind, wie es in einem Bericht der renommierten Friedrich-Ebert-Stiftung heißt. Strache steht dabei neben teilweise vermummten Wikingern der Polizei gegenüber.82

Ungeklärt bleibt, wann Strache erste Bekanntschaft mit der Wiking-Jugend gemacht hat. Karl Kirchmayer, Waldbesitzer in Zweikirchen, wo Strache angeblich Gotcha und Paintball spielte, sagt 2008 in einem Verfahren, das der FPÖ-Chef gegen „Österreich“ angestrengt hat, als Zeuge aus, dass er der Wiking-Jugend erlaubt habe, auf seinem Grundstück Zeltlager abzuhalten. Wann das war, wisse er nicht mehr: „Ich glaube in den Achtzigerjahren“.83

Zu Silvester 1989/90 hat Strache an einer Aktion der neonazistischen Nachwuchsorganisation an der deutsch-deutschen Grenze teilgenommen.84 Im Gespräch mit den Buchautorinnen Nina Horaczek und Claudia Reiterer behauptet Strache, es habe ein Faschingsfest gegeben, mit Volkstanz und Kindern. „Das Ganze war so wie bei den Pfadfindern.85

Straches verharmlosende Ausreden sind durch die Polizeiakten und glaubwürdige Zeugen eindeutig widerlegt. Die Darstellung des FPÖ-Chefs sei „haarsträubend“, erklärt Bernd Wagner, Leiter der Abteilung Staatsschutz der neuen deutschen Bundesländer, einer der renommiertesten Rechtsextremismus-Experten.

Ein Journalist, der damals für ein lokales Blatt über die Zusammenstöße zwischen der örtlichen Polizei und den gewaltbereiten Demonstranten berichtet hatte, erinnert sich: „Das war ganz eindeutig eine Nazi-Veranstaltung.“ Die als neonazistische Organisation unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stehende Wiking-Jugend habe zu einem „volkstreuen Fest“ unter dem Titel „Zum Teufel mit der 1945er-Demarkationslinie“ aufgerufen.86 Bei der verbotenen Veranstaltung seien rechtsradikale Parolen gebrüllt und Nazi-Lieder gesungen worden.87

Das Landratsamt in Fulda hatte den Neonazi-Aufmarsch aus zwei Gründen untersagt: Erstens bestehe die Gefahr einer verfassungsfeindlichen Betätigung, zweitens sei die Wiking-Jugend eine Gruppierung mit hohem Gewaltpotential.88

Die Neonazis hielten sich jedoch nicht an das Verbot. Die darauffolgenden Ereignisse gaben der Einschätzung des Landratsamts Recht. Schon bei den Vorkontrollen auf den Anreisewegen wurden den Teilnehmern Messer und Schusswaffen abgenommen. Zu ersten Festnahmen kam es, als sie während der Nazi-Demo eine Synagoge stürmen wollten.89

Danach zogen die Wikinger nach Hilders weiter. Als sich Neonazis von der anderen Seite der Grenze näherten und die Situation zu eskalieren drohte, erfolgte der Befehl zur Auflösung der verbotenen Kundgebung. Die Polizei nahm 21 Nazi-Demonstranten fest, darunter – wie im Polizeiakt vermerkt ist – eine Gruppe von acht Österreichern. Angeführt wurde diese von Heinz-Christian Strache, seiner Verlobten Gudrun Burger (Tochter von Norbert Burger, der zu den Vätern des österreichischen Neonazismus zählt – und jenen beiden Neonazis, die Strache schon einmal als „unbescholtene Bürger“ verharmlost hatte: Jürgen Hatzenbichler und Andreas Thierry.90

In den polizeilichen Aufzeichnungen wird die Anhaltung Straches und der sieben weiteren Österreicher als neunstündige „Verwahrungshaft“ klassifiziert. Ziel der Festnahme sei es gewesen, die Mitglieder der Wiking-Jugend bis zum nächsten Morgen an der Fortführung der verbotenen Kundgebung zu hindern.91

Ein deutscher Neonazi erinnert sich: „Wir sind gegen 21 Uhr abgeführt und in einen großräumigen Gefängnisbus gebracht worden, der Dutzende kleine Gitterzellen hatte. Ich saß auf engstem Raum mit dem Österreicher ,Heinrich‘, von dem ich heute weiß, dass es Strache war. Ich werde mich immer daran erinnern, wie ich mit dem Österreicher die Jahreswende in dieser stinkenden kleinen Gitterzelle verbrachte. Man hat unsere Personalien aufgenommen und uns dann um sechs Uhr früh freigelassen.“92 Straches Wehrsportfreund Thierry sagte vor Gericht aus, „sämtliche Teilnehmer“ hätten den Jahreswechsel in Polizeigewahrsam verbracht, „auch Strache“.93

Die Wiking-Jugend, mit der Strache marschiert ist, wird von Hajo Funke, Rechtsextremismus-Experte an der Universität Berlin, zu den gewaltbereitesten Gruppierungen der deutschen Neonazi-Szene gezählt. Mehrfach sind ihre Mitglieder verurteilt worden, unter anderem wegen versuchten Totschlags und schwerer Körperverletzung. Im Fall von Verhaftungen stand man sich gegenseitig mit falschen Alibis bei.94

Im Oktober 2011 dokumentierte der „Spiegel“ nach Auswertung von 46.000 Seiten Ermittlungsakten, dass der blutigste Terroranschlag der deutschen Nachkriegsgeschichte von einem Mitglied der Wiking-Jugend verübt worden war. Am 26. September 1980 hatte eine Bombe auf dem Münchner Oktoberfest 13 Menschen getötet und mehr als 200 zum Teil schwer verletzt. Als Täter wurde der 21-jährige Geologiestudent Gundolf Köhler ermittelt, der bei dem Anschlag ums Leben gekommen war. Die bayerische Polizei hatte ihn als „unpolitischen Einzeltäter“ ausgegeben, um dessen Kontakte zur CSU und zum damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß zu vertuschen.95 Köhler, der ein Hitlerbild über seinem Bett hängen hatte, war Mitglied der Wiking-Jugend und der Wehrsportgruppe Hoffmann, die kurze Zeit später verboten wurde.

Der Anschlag war wenige Tage vor der Bundestagswahl passiert, bei der Franz Josef Strauß gegen Helmut Schmidt antrat. Mit Hilfe des bayerischen Verfassungsschutzes versuchte Strauß, den Anschlag der RAF in die Schuhe zu schieben, um damit in der Endphase des Wahlkampfes zu punkten. Die Ermittlungsbehörden wussten die Wahrheit. Sie hatten Spitzel in der Wehrsportgruppe Hoffmann, deren Mitglieder sich mehrfach damit brüsteten, an dem Anschlag beteiligt gewesen zu sein. Noch nach dem Verbot der Wehrsportgruppe beharrte Strauß darauf, bei den Nazi-Terroristen habe es sich um „harmlose deutsche Jungen“ gehandelt.96

Durch die Einzeltäter-Lüge konnten Köhlers Gesinnungsfreunde weitermachen, schreibt der „Spiegel“: Drei Wochen nach dem Oktoberfest-Drama wurden in Erlangen der jüdische Verleger Shlomo Levin und seine Lebensgefährtin ermordet. Als Täter verdächtigte die Polizei einen von Köhlers Wiking-Freunden aus Tübingen: Uwe Behrendt, der auf seiner Flucht unter ungeklärten Umständen erschossen wurde.97

Gegründet wurde die Wiking-Jugend nach dem Vorbild der Hitler-Jugend und des „Bundes Deutscher Mädel“ (BDM), um Kinder und Jugendliche im nationalsozialistischen Sinn zu erziehen und sie einem militärischen Drill zu unterziehen.* Bis zum Verbot im Jahr 1994 sollen laut Wiking-Angaben 15.000 Jugendliche die rechtsextreme Kaderschmiede durchlaufen haben.98

*Der Name Wiking-Jugend verweist auf die „Nordland-Ideologie“, die Vision eines geschlossenen Lebensraumes für die sogenannten „Herrenvölker“ germanischer Herkunft und auf die „Division Wiking“ der Waffen-SS, zu deren Kameradschaftsverbänden anfangs enge Verbindung bestanden. Durch die Vernetzung mit anderen einschlägigen Organisationen kam der Wiking-Jugend eine Schlüsselstellung innerhalb des europäischen Neonazismus zu. Im „Wiking-Ruf“, der Zeitschrift der rechtsextremen Gruppierung, ist Hitler mehrfach als „erfolgreichster Staatsmann der Geschichte“, „Engel“ und „Erlöser“ gefeiert worden.

Die paramilitärischen Übungen der „nationalen Zeltlager“ der Wikinger ähnelten den Wehrsportübungen österreichischer Neonazis. Man wollte vorbereitet sein auf die Chance zur erneuten politischen Machtergreifung bzw. auf den „Krieg“ gegen Ausländer, Juden und Linke. Zu den „Kameraden aus der Ostmark“ wie Küssel oder Schimanek jun. wurde enger Kontakt gehalten. „In deren Umkreis war wohl auch Strache zeitweise zu finden, bevor er in seine heutige Rolle geschlüpft ist“, meint Hajo Funke.99 Wir wollten ein „Viertes Reich“, erinnert sich Tanja Privenau, eine der wenigen Frauen und einstiges Mitglied der Wiking-Jugend, an die eindeutig nationalsozialistische Zielsetzung, „… und natürlich, dass die Grenze verschwindet“.100

1999 bestätigte das Bundesverwaltungsgericht in Berlin das Verbot der Wiking-Jugend. Sie sei „extrem rassistisch und antisemitisch ausgerichtet“, verwende „Symbole und Begriffe des Nationalsozialismus“ und vermittle „positive Erinnerungen“ an maßgebliche Repräsentanten des Hitler-Regimes, heißt es im Urteil.101

Strache hat sich also nicht, wie er der Öffentlichkeit und seinen Parteifreunden weismachen will, an einer „harmlosen Veranstaltung“ eines „legalen Vereins“ beteiligt. Die Aktenlage ist eindeutig: Strache war Teilnehmer eines behördlich verbotenen Neonazi-Aufmarsches, bei dem unter anderem versucht wurde, eine Synagoge zu stürmen. Er wurde fotografiert, als er gemeinsam mit anderen Neonazis in Reih und Glied der Wiking-Formation stand. Eine der Aufnahmen zeigt ihn an vorderster Front des Aufmarsches, flankiert von teilweise vermummten Gesinnungsgenossen, der Polizei Auge in Auge gegenüberstehend. Der „Falter“ kommentierte später, Strache sei damals „auf der schiefen Bahn“ gewesen, von der andere „direkt ins Gefängnis rutschen.“102

Die FPÖ schäumte und versuchte, die journalistischen Aufdecker zu verleumden. Schon Ende Januar 2007 hatte Strache in einer eigens anberaumten Pressekonferenz von „Gesinnungsterror“ und „Faschismuskeule“ gesprochen sowie Medienberichte über seine rechtsextremen Kontakte mit dem Stil des nationalsozialistischen Hetzblattes „Der Stürmer“ verglichen.103 Er bediente sich dabei einer in der wissenschaftlichen Literatur ausführlich beschriebenen Taktik des Nationalsozialismus: der Täter-Opfer-Schuldumkehr (ähnlich der Nazi-Behauptung, die Juden hätten Deutschland den Krieg erklärt). Nicht die Teilnehmer des Aufmarsches seien Neonazis, nein, die Aufdecker, also jene, die die Wahrheit recherchiert und verbreitet hatten, würden im Stil des Naziterrors agieren.

Die beiden Generalsekretäre der FPÖ standen ihrem Parteichef in der Radikalität der Wortwahl um nichts nach. „Das ist an Absurdität nicht zu übertreffen“, wetterte Harald Vilimsky, als die Fotos auftauchten. „Die zeigen ein Auge und ein Ohr und behaupten, das ist der Strache. Wir werden natürlich klagen.“ Gegenüber dem „Standard“ legte Vilimsky sich fest: „Natürlich ist das nicht Strache.“104

Es war doch Strache, wie sich zweifelsfrei herausstellte, obwohl auch dieser das Foto des Nazi-Aufmarsches als „Fälschung und Manipulation“105 bezeichnet hatte. Sein Pech: Es handelte sich um ein offizielles Foto aus dem Polizeiakt.106

All das hinderte Straches Verteidigungs-Duo nicht daran, weiter die Medien zu attackieren. „Unterstellung“, „Manipulation“, „Menschenhatz“, „medienpolitischer Skandal“, „Falschbehauptung“, „Unwahrheit“ hieß es in einer durch Presseaussendungen verbreiteten Schimpf- und Verleumdungs-Kanonade.107 Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes wurde als „Denunzianten-Verein“ und „kommunistische Tarnorganisation“ beschimpft, weil es Hintergrundmaterial zur wissenschaftlichen Einordnung des Fotos geliefert hatte.108

Unermüdlich wurde von Strache-Getreuen weiter die Unwahrheit verbreitet. Die Aktion an der innerdeutschen Grenze sei „nicht verboten“ gewesen, behauptete Vilimsky auf seiner Homepage. „Österreich“-Herausgeber Wolfgang Fellner, der beim ORF-„Sommergespräch“ 2007 die Wiking-Fotos vorgelegt und dessen Redaktion sich danach den Polizeiakt beschafft hatte, habe „mit Journalismus so viel zu tun wie die Taliban mit Demokratie“.109 Auch der Ring Freiheitlicher Jugend (RFJ) unter Strache-Freund Johann Gudenus trat mit Beschimpfungen zur Verteidigung des Parteichefs an. Die Anschuldigungen gegen Strache seien „niederträchtig“, eine „mediale Hetzkampagne“ und „Lynchjustiz“.110

Norbert Burger: Ein Nazi-Terrorist als Vaterfigur

Im Wahlkampf 1996 entdecken die Sozialdemokraten Videobänder, auf denen der damals noch wenig bekannte Strache am Grab von NDP-Chef Norbert Burger zu sehen war. „Aus familiären Gründen“ habe er am Begräbnis teilgenommen, rechtfertigt sich Strache. Als Burger 1992 starb, sei er mit dessen Tochter verlobt gewesen.111

Die „familiären Gründe“ müssen danach immer wieder als Erklärung für Straches Verbindungen in die Neonazi-Szene herhalten. Zu Unrecht, wie sich aus der zeitlichen Abfolge belegen lässt: Strache war in das rechtsextreme Milieu längst eingebunden, als die Burschenschaft Olympia im Frühjahr 1989 Burgers 60. Geburtstag mit einem Festkommers auf Burg Kranichenberg feierte. Damals habe er Burgers Tochter Gudrun kennen gelernt, sich in sie verliebt und danach sieben Jahre mit ihr verbracht, erzählt Strache im November 2008.112

Wahrscheinlich konnte er sich nicht mehr daran erinnern, was er ein Jahr zuvor im „Falter“ erklärte hatte: „Ich habe nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass ich im Alter von 18 bis 21, also von Ende 1987 bis 1991, aufgrund meiner damaligen Jugendliebe diverse Veranstaltungen von Vereinen und Gruppierungen besucht habe und mit Personen aus dem deutschnationalen und rechten Umfeld in Kontakt gekommen bin.“113

Offenbar unabsichtlich hat er selbst den zeitlichen Ablauf bestätigt: Seit 1987 hatte er im rechtsextremen Milieu verkehrt. Erst 1989 war er als erprobter und vertrauenswürdiger „Kamerad“ der rechtsextremen Szene zur Geburtstagsfeier von Österreichs prominentestem Alt-Nazi eingeladen worden und hatte Burgers Tochter kennengelernt. Es waren also nicht „familiäre Gründe“, die Straches Kontakte zur Neonazi-Szene begründeten.

Fest steht darüber hinaus, dass der als Nazi-Terrorist mehrfach vorbestrafte Norbert Burger zur prägenden Person in Straches Leben wurde, zu einer Art Vaterersatz, wie Strache selbst die Beziehung beschreibt.114 Burger war zu dieser Zeit nicht nur eine der bekanntesten Nazi-Größen des Landes, sondern vor allem einer der radikalsten und skrupellosesten Führer der braunen Gewaltszene.

Der 1929 Geborene kämpfte gegen Ende des zweiten Weltkrieges als Jugendlicher freiwillig an der Front, wo er nach eigenen Angaben an Hinrichtungen beteiligt war.115 Ein Aussteiger aus der Wehrsportszene der späten Achtzigerjahre, der in der NDP mit Burger gemeinsame Sache gemacht hatte, erinnert sich im Oktober 2011, wie selbstgefällig dieser von den Exekutionen erzählt hatte: „Für Burger war das ganz einfach Pflichterfüllung, Menschen zu erschießen, wenn der Führer oder irgendein Vorgesetzter das befohlen hatten.“116

Nach dem Krieg war Burger Mitbegründer der Burschenschaft Olympia, Gründungsmitglied des Ringes Freiheitlicher Studenten (RFS) und machte den „Befreiungsausschuss Südtirol“ (BAS) zur Terror-Organisation. Für das Selbstverständnis österreichischer Neonazis spielt Südtirol eine besondere Rolle, obwohl sie den Freiheitskampf weniger geführt als benützt haben.*

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