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Fachkräfte der Sozialen Arbeit werden in ihrem Alltag häufig mit Tätern und Opfern von Straftaten konfrontiert. Dies macht Grundkenntnisse über strafbares Verhalten, mögliche Interventionen, den Ablauf des Strafverfahrens, die Rollen der verschiedenen Verfahrensbeteiligten sowie die Aufgaben der Sozialen Dienste im Strafverfahren erforderlich. Das Lehrbuch vermittelt diese Grundkenntnisse und bereitet Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter gezielt auf wissenschaftlich fundiertes Handeln im Kontext von Strafverfahren vor. Strafrechtliches und kriminologisches Wissen wird anhand praktischer Beispiele systematisch mit Handlungsoptionen der Sozialen Arbeit verknüpft und an fachlichen Stellungnahmen und Berichten der Sozialen Dienste erprobt.
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Seitenzahl: 483
Veröffentlichungsjahr: 2013
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Fachkräfte der Sozialen Arbeit werden in ihrem Alltag häufig mit Tätern und Opfern von Straftaten konfrontiert. Dies macht Grundkenntnisse über strafbares Verhalten, mögliche Interventionen, den Ablauf des Strafverfahrens, die Rollen der verschiedenen Verfahrensbeteiligten sowie die Aufgaben der Sozialen Dienste im Strafverfahren erforderlich. Das Lehrbuch vermittelt diese Grundkenntnisse und bereitet Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter gezielt auf wissenschaftlich fundiertes Handeln im Kontext von Strafverfahren vor. Strafrechtliches und kriminologisches Wissen wird anhand praktischer Beispiele systematisch mit Handlungsoptionen der Sozialen Arbeit verknüpft und an fachlichen Stellungnahmen und Berichten der Sozialen Dienste erprobt.
Dr. Dagmar Oberlies ist Professorin für Recht an der Fachhochschule Frankfurt am Main. Ihre Schwerpunkte in Forschung und Lehre sind Strafrecht und Kriminologie sowie andere Rechtsfragen im Kontext von gesellschaftlicher Ausgrenzung und Inklusion.
Herausgegeben von Rudolf Bieker
Band 12
Dagmar Oberlies
Strafrecht und Kriminologie für die Soziale Arbeit
Eine Einführung
Verlag W. Kohlhammer
Alle Rechte vorbehalten © 2013 W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Umschlag: Gestaltungskonzept Peter Horlacher Gesamtherstellung: W. Kohlhammer Druckerei GmbH + Co. KG Stuttgart
Print: 978-3-17-021637-2
E-Book-Formate
pdf:
978-3-17-024048-3
epub:
978-3-17-027566-9
mobi:
978-3-17-027567-6
Vorwort zur Reihe
Zu diesem Buch
1 Einführung
1.1 ‚Kriminalität‘
1.1.1 Begriff der Kriminalität
1.1.2 Primäre, sekundäre und tertiäre Kriminalisierung
1.2 Strafe und Bestrafung
1.2.1 Zweck des Strafens
1.2.1.1 Der Vergeltungsgedanke
1.2.1.2 Schuldstrafrecht
1.2.1.3 Prävention von schädlichem Verhalten
1.2.1.4 Strafe als Herrschafts- und Disziplinierungsmittel
1.2.2 Logik des Strafens
1.2.2.1 Moral und Unrecht
1.2.2.2 Rechtsgüterschutz und Sozialschädlichkeit
1.2.2.3 Gesellschaftliche Interessen
1.2.3 Strafbare Sachverhalte
1.2.3.1 Geschützte Rechtsgüter
1.2.3.2 Verbotene Handlungen
1.2.3.3 Tatbestand, Rechtswidrigkeit und Schuld
1.3 System des Strafrechts
1.3.1 Grundrechte im Strafverfahren
1.3.1.1 Keine Strafe ohne Gesetz (Art. 103 Abs. 2 GG)
1.3.1.2 Rechtliches Gehör
1.3.1.3 Unschuldsvermutung und ‚in dubio pro reo’
1.3.1.4 Verbot der Doppelbestrafung
1.3.2 Grundlagen der Strafbarkeit
1.3.2.1 Handlung und Unterlassung
1.3.2.2 Täterschaft und Teilnahme
1.3.2.3 Vorsatz und Fahrlässigkeit
1.3.2.4 Versuch und Vollendung
1.3.2.5 Rechtfertigungsgründe
1.3.2.6 Irrtum und Schuld
1.3.2.7 Weitere Bedingungen der Strafbarkeit
1.3.3 Rechtsfolgen der Tat
1.3.3.1 Grundzüge des Sanktionsrechts
1.3.3.2 Folgenlose Einstellung des Verfahrens
1.3.3.3 Reaktionen im Zuge der Diversion
1.3.3.4 Formelle Sanktionen
2 Überblick über das Strafverfahren und die Beteiligten
2.1 Strafverfahren
2.1.1 Ermittlungen
2.1.1.1 Anzeigeerstattung
2.1.1.2 Polizeiliche Ermittlungen
2.1.1.3 Staatsanwaltschaftliche Tätigkeiten
2.1.2 Hauptverfahren und Hauptverhandlung
2.1.2.1 Verfahrensprinzipien
2.1.2.2 Mündliche Verhandlung
2.1.3 Umsetzung der Entscheidungen
2.1.3.1 Überwachung von Auflagen und Weisungen
2.1.3.2 Vollstreckung von Strafen und Maßregeln
2.1.4 Gnadenentscheidungen
2.2 Verfahrensbeteiligte
2.2.1 Polizei
2.2.1.1 Aufgaben
2.2.1.2 Organisationsstruktur
2.2.2 Staatsanwaltschaft
2.2.2.1 Aufgaben
2.2.2.2 Organisationsstruktur
2.2.3 Strafgerichte und ihre Helfer
2.2.3.1 Strafgerichte
2.2.3.2 Sachverständige
2.2.3.3 Soziale Fachkräfte als Gerichtshelfer
2.2.4 Beschuldigte und ihre Verteidigung
2.2.4.1 Beschuldigte
2.2.4.2 Anwaltlicher Beistand
2.2.5 Zeugen und ihre Beistände
2.2.5.1 Zeugen
2.2.5.2 Beistand und Begleitung
3 Soziale Arbeit im Kontext von Strafverfahren
3.1 Strafbare Handlungen im professionellen Alltag
3.1.1 Kriminalitätsfurcht
3.1.2 Eigentumsverletzungen
3.1.3 Gewaltdelikte
3.1.3.1 Jugendgewalt
3.1.3.2 Kindesschutz
3.1.3.3 Gewalt gegen Frauen und sexueller Missbrauch
3.1.3.4 ‚Täterarbeit‘
3.1.3.5 Traumata
3.1.4 Drogen
3.1.5 Schwangerschaft
3.1.6 Leben in der Illegalität
3.1.7 Umgang mit Informationen
3.2 Soziale Arbeit mit Beschuldigten
3.2.1 Jugendhilfe im Strafverfahren
3.2.2 Ambulante Maßnahmen
3.2.2.1 Soziale Trainingskurse
3.2.2.2 Täter-Opfer-Ausgleich (TOA)
3.2.2.3 Gemeinnützige Arbeit
3.2.3 Ambulante Soziale Dienste der Justiz
3.2.3.1 Gerichtshilfe
3.2.3.2 Bewährungshilfe und Führungsaufsicht
3.2.4 Soziale Arbeit mit Inhaftierten
3.2.4.1 Sozialdienst im Strafvollzug
3.2.4.2 Sozialdienst im Maßregelvollzug
3.2.4.3 Freie Straffälligenhilfe
3.3 Soziale Arbeit mit Geschädigten
4 Wissenschaftlich fundierte sozialarbeiterische Interventionen im Kontext des Strafverfahrens
4.1 Wissenschaftlich fundierte Interventionen
4.1.1 Methodisches Vorgehen
4.1.2 Funktion von Theorien
4.1.3 Angewandte Kriminologie
4.1.4 (Selbst-)Kritische Soziale Arbeit
4.2 Die strafrechtliche Prüfung im Kontext Sozialer Arbeit
4.2.1 Eigentums- und Vermögensdelikte
4.2.1.1 Überblick über den Deliktsbereich
4.2.1.2 Strukturierte Fallarbeit
4.2.1.3 Möglichkeit zur Vertiefung
4.2.2 Partnergewalt
4.2.2.1 Überblick über den Deliktsbereich
4.2.2.2 Die strukturierte Fallarbeit
4.2.2.3 Möglichkeit zur Vertiefung
4.2.3 Sexualdelikte
4.2.3.1 Überblick über den Deliktsbereich
4.2.3.2 Die strukturierte Fallarbeit
4.2.3.3 Möglichkeit zur Vertiefung
4.2.4 Drogendelikte
4.2.4.1 Überblick über die Deliktsbereiche
4.2.4.2 Strukturierte Fallarbeit
4.2.4.3 Möglichkeit zur Vertiefung
4.2.5 Aufenthaltsrechtliche Verstöße
4.2.5.1 Überblick über den Deliktsbereich
4.2.5.2 Strukturierte Fallarbeit
4.2.5.3 Möglichkeit zur Vertiefung
4.2.6 Strafbarkeit von Fachkräften der Sozialen Arbeit
4.2.6.1 Überblick über den Deliktsbereich
4.2.6.2 Strukturierte Fallarbeit
4.2.6.3 Möglichkeit zur Vertiefung
5 Ausblick: Soziale Arbeit im Strafverfahren
Anhang
Glossar der wichtigsten Begriffe
Beteiligte am Strafverfahren und ihre Aufgaben
Reaktionsmöglichkeiten im Strafverfahren
Formular: Antrag auf Gewährung von Hilfe zur Erziehung
Formular: Sozialbericht
Abkürzungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Weitere Quellen
Stichwortverzeichnis
Mit dem so genannten „Bologna-Prozess“ galt es neu auszutarieren, welches Wissen Studierende der Sozialen Arbeit benötigen, um trotz erheblich verkürzter Ausbildungszeiten auch weiterhin „berufliche Handlungsfähigkeit“ zu erlangen. Die Ergebnisse dieses nicht ganz schmerzfreien Abstimmungs- und Anpassungsprozesses lassen sich heute allerorten in volumigen Handbüchern nachlesen, in denen die neu entwickelten Module detailliert nach Lernzielen, Lehrinhalten, Lehrmethoden und Prüfungsformen beschrieben sind. Eine diskursive Selbstvergewisserung dieses Ausmaßes und dieser Präzision hat es vor Bologna allenfalls im Ausnahmefall gegeben.
Für Studierende bedeutet die Beschränkung der akademischen Grundausbildung auf sechs Semester, eine annähernd gleich große Stofffülle in deutlich verringerter Lernzeit bewältigen zu müssen. Die Erwartungen an das selbstständige Lernen und Vertiefen des Stoffs in den eigenen vier Wänden sind deshalb deutlich gestiegen. Bologna hat das eigene Arbeitszimmer als Lernort gewissermaßen rekultiviert.
Die Idee zu der Reihe, in der das vorliegende Buch erscheint, ist vor dem Hintergrund dieser bildungspolitisch veränderten Rahmenbedingungen entstanden. Die nach und nach erscheinenden Bände sollen in kompakter Form nicht nur unabdingbares Grundwissen für das Studium der Sozialen Arbeit bereitstellen, sondern sich durch ihre Leserfreundlichkeit auch für das Selbststudium Studierender besonders eignen. Die Autor/innen der Reihe verpflichten sich diesem Ziel auf unterschiedliche Weise: durch die lernzielorientierte Begründung der ausgewählten Inhalte, durch die Begrenzung der Stoffmenge auf ein überschaubares Volumen, durch die Verständlichkeit ihrer Sprache, durch Anschaulichkeit und gezielte Theorie-Praxis-Verknüpfungen, nicht zuletzt aber auch durch lese(r)freundliche Gestaltungselemente wie Schaubilder, Unterlegungen und andere Elemente.
Prof. Dr. Rudolf Bieker, Köln
Fachkräfte der Sozialen Arbeit können an vielen Stellen ihres professionellen Alltags mit Fragen von Kriminalität und Strafbarkeit in Berührung kommen – nicht nur, wenn sie sich für Arbeitsfelder wie die Jugendgerichtshilfe, die Bewährungshilfe, die Straffälligenhilfe oder die ‚Opferhilfe‘ entscheiden. Dort, wo mit Strafe gedroht wird, geht es um Erwartungen der Gemeinschaft an die Einzelnen, um Demarkationslinien im sozialen Kontakt; aber immer auch um gesellschaftliche Ausgrenzung. Mit anderen Worten, wo Strafe droht, sollte Soziale Arbeit intervenieren (dazwischen gehen). Will man sich dabei nicht selbst aufreiben, können psychosoziale Interventionen nicht gegen das justizielle System durchgesetzt werden, sondern nur in ihm; bestenfalls mit ihm. Das setzt Wissen darüber voraus, in welchem ‚System‘ man agiert.
Das erste Kapitel gibt deshalb eine Einführung in das, was man gemeinhin ‚Kriminalität‘ nennt, und in das System des Strafrechts, das auf strafbare Handlungen (crimen) reagiert. In diesem Kapitel werden die Grundlagen der Strafbarkeit von Verhalten dargestellt sowie ein Überblick über die Folgen von strafbaren Handlungen gegeben. Dieses Kapitel bildet die Grundlage für das Verständnis des strafrechtlichen Systems und sollte deshalb systematisch erarbeitet werden. Im zweiten Kapitel wird das Strafverfahren von der Anzeigeerstattung bis zu einer möglichen Verurteilung und deren Vollstreckung dargestellt. Es beschreibt darüber hinaus Aufgaben und Rollen verschiedener Verfahrensbeteiligter. Dieses Kapitel kann ‚eklektisch‘ benutzt werden, also Textteile ausgewählt werden, die gerade interessieren. Im Anhang sind Übersichten beigefügt, die eine schnelle Orientierung hinsichtlich der wichtigsten Begriffe, der verschiedenen Verfahrensbeteiligten und der strafrechtlichen Reaktionsmöglichkeiten in verschiedenen Stadien des Strafverfahrens ermöglichen sollen.
Das vierte Kapitel bildet das Herzstück des Buches. In diesem Kapitel werden Rechtskenntnisse, psychosoziale Theorien und Forschungswissen sowie Interventionsoptionen im Rahmen eines strafrechtlich-kriminologischen Fallverstehens angewendet. Die ausgesuchten Fälle decken die wichtigsten Kriminalitätsbereiche ab: Eigentums- und Vermögensdelikte, Partnergewalt, Sexualdelikte, Drogenkriminalität, illegale Aufenthalte sowie strafrechtlich relevantes Verhalten von Fachkräften der Sozialen Arbeit. Jeder Bereich ist nach einem einheitlichen Muster aufgebaut, das es erleichtern soll, die Systematik nachzuvollziehen und später eigenständig anzuwenden. Zunächst wird Übersichtswissen über den Deliktsbereich vermittelt, danach folgt die strukturierte Fallarbeit. Dabei steht jeweils die ‚Erhebung‘ psychosozialer Befunde am Anfang. Was sonst durch Gespräche, Beobachtungen und Aktenstudium erfolgt, wird hier aus den Sachverhaltsdarstellung des Gerichts entnommen werden. Die ‚Befunde‘ werden sodann mithilfe kriminologischer Theorien und Forschungsergebnisse eingeordnet. Manche sprechen in diesem Zusammenhang von psychosozialer ‚Diagnostik‘, ich bevorzuge den Begriff der Hypothesenbildung, weil er auf die Vorläufigkeit der Annahmen und die Notwendigkeit weiterer Überprüfung verweist. Die Hypothesenbildung setzt sich auch bei der rechtlichen Einordnung des Falles fort: Soziale Fachkräfte sind keine Juristen; sie können deshalb – durch Anwendung juristischer Subsumptionsmethoden – nur Annahmen über die rechtliche Beurteilung des Falles und der möglichen Sanktion entwickeln. Das wiederum müssen sie auch, da die Menschen, die sich an Sozialarbeiterinnen wenden, Informationen und Orientierung suchen. Um die angeschnittenen Themen eigenständig (oder in der Lehre) zu vertiefen, sind Aufgabenstellungen angefügt, die einen Transfer des Gelernten in einem sozialarbeiterischen Anwendungsbezug erfordern.
Noch ein Hinweis zum Gebrauch der Begriffe: ‚Täter‘ werden Sie überwiegend in Anführungszeichen lesen, weil die Täterschaft – zweifelsfrei – erst am Ende eines Strafverfahrens festgestellt ist. Ohne Anführungszeichen schreibe ich es nur dann, wenn ich Vorschriften und ihre Wortwahl zitiere. Da ich das Wort ‚Opfer‘ unangemessen finde, habe ich auf den Begriff ‚Verletzte‘ zurückgegriffen, auch um die Verletzung von deren Rechten (körperliche Integrität, sexuelle Selbstbestimmung) hinzuweisen. Da dies aber eher mit körperlichen Verletzungen gleichgesetzt wird, nutze ich auch den Begriff ‚Geschädigte‘, wenn sprachlich auch Eigentumsverletzungen einbezogen sein sollen.
Bei männlichen und weiblichen Sprachformen habe ich ein statistisches Verfahren angewandt. Dort wo, statistisch, mehr Männer gemeint sind, habe ich die männliche Sprachform verwendet, sind es mehr Frauen, dann die weibliche. Da Frauen – Stand im Jahr 2012 – etwa 25 % der Tatverdächtigen, 17 % der Verurteilten und 6 % der Inhaftierten ausmachen, habe ich hier überall auf die männliche Sprachform zurückgegriffen. Aber auch bei der ‚Opferwerdung‘ sind Männer viel häufiger beteiligt als Frauen (PKS 2010: 71). Eine Ausnahme sind die sexuellen Gewaltdelikte; dort habe ich die weibliche Form verwendet.
In den ordentlichen Gerichten haben Berufsrichterinnen inzwischen einen Anteil von 39 % erreicht, bei den Staatsanwältinnen von 41 % (Bundesamt für Justiz, Referat III 3 3110/6-B7 268/2011, Stand: 11. 8.2011); der Anteil der Frauen unter den Schöffen (Laienrichter) liegt sogar bei 48 %. Deshalb habe ich, wenn ich nicht von der Institution – Gericht oder Staatsanwaltschaft – spreche, männliche und weibliche Formen einfach abgewechselt. Wenn Sie davon irritiert sind, stellen Sie sich vor, wie es Frauen geht, die oft – durch ausschließlich männliche Formen – gar nicht angesprochen werden.
Da Männer in der Sozialen Arbeit – leider – immer noch total unterrepräsentiert sind, habe ich hier überwiegend die weibliche Form benutzt. Männer sind, wie es immer so schön heißt, mitgemeint.
Ich danke meinen Studierenden, die mir helfen zu verstehen, was sie nicht verstehen. Das ist hoffentlich eine gute Grundlage für ein Lehrbuch.
Kuala Lumpur, Februar 2013
Dagmar Oberlies
Im ersten Kapitel soll es um den Begriff der Kriminalität und die ‚Logik des Strafens‘ gehen. Darüber hinaus dient es der Einführung in das strafrechtliche System: Es beschreibt die durch die Verfassung geschützten Rechtsgarantien, die Voraussetzungen der Strafbarkeit und die an den Rechtsverstoß geknüpften Rechtsfolgen.
Dieses erste Kapitel sollte systematisch erarbeitet werden, um die Logik des Strafrechts zu verstehen, aber auch, um sich eine (wissenschaftlich fundierte) Meinung über den Zweck des Strafens bilden zu können.
Schon die Frage, was eigentlich ‚Kriminalität‘ ist oder, noch zugespitzter, wer eigentlich kriminell ist, ist nicht leicht zu beantworten: Zählt jeder Verstoß gegen eine Strafvorschrift oder nur ein Verstoß, der auffällt? Ist demnach kriminell nur, wer beim Schwarzfahren erwischt wird – oder alle, die schwarzfahren? Und was ist mit den Dingen, die nicht unter Strafe gestellt sind – aber dem Gemeinwohl sehr viel Schaden zufügen können?
Tatsächlich beschäftigt sich die Kriminologie genau mit solchen Fragen. Manchmal auf sehr provokante Art wie z. B. der Norweger Nils Christie (2005), der fragt: Wieviel Kriminalität braucht die Gesellschaft? und feststellt, dass es das Verbrechen nicht gibt, vielmehr unbegrenzt „Handlungen, die die Möglichkeit in sich tragen, als Verbrechen betrachtet zu werden“. Er nennt das Verbrechen deshalb auch „eine unbegrenzte natürliche Ressource“. Anders ausgedrückt: Gesellschaften können immer neue Formen von Verbrechen erfinden.
So spannend diese Auseinandersetzung für die kriminologische Befassung mit dem Thema ist (welche Handlungen werden eigentlich von welchen Gesellschaften und zu welcher Zeit unter Strafe gestellt?), für die praktische Soziale Arbeit ist sie eher irreführend, denn wenn Soziale Fachkräfte mit Kriminalität zu tun bekommen, dann haben andere oft schon eine Einordnung vorgenommen (z.B. die Polizei) oder werden das noch tun (z.B. die Gerichte).
Deshalb soll die Arbeitsdefinition dieses Lehrbuches eine ganz pragmatische sein: Kriminalität ist die Summe der Handlungen, die das Strafgesetzbuch (StGB) – und die Nebengesetze (dazu später) – unter Strafe stellen.
Registrierte Kriminalität, manchmal auch als Hellfeld umschrieben, ist die Kriminalität, die zur Kenntnis von Strafverfolgungsbehörden (Polizei, Staatsanwaltschaft) gelangt. Das Dunkelfeld, also die nicht registrierte ‚Kriminalität‘, ist aber für die Soziale Arbeit auch relevant: dann nämlich, wenn sie in Alltags- oder Beratungssituationen mit Menschen zu tun hat, die als ‚Täter‘ oder ‚Opfer‘ mit einer strafbaren Handlung konfrontiert sind, ohne dass diese (bislang) ans Licht der Öffentlichkeit gelangt ist.
Entscheidend ist demnach, was eine Gesellschaft als strafbares Verhalten definiert und gegen wen sie ihre Normen zum Einsatz bringt. In einer Seminarankündigung hat die Kriminologin Gerlinda Smaus dies einmal so umschrieben:
„[In dem Seminar] soll dargelegt werden, daß Kriminalität keine ontische Qualität besitzt. Vielmehr werden im Strafrecht bestimmte ausgewählte Handlungen mit einem Unwerturteil belegt und mit Strafe bedroht. Die Konstruktion von strafrechtlichen Tatbeständen (in historischer Perspektive) wird als primäre Kriminalisierung, die Anwendung des Strafrechts als sekundäre Kriminalisierung bezeichnet. ‚Kriminalität‘ stellt das Ergebnis beider Konstruktionsprozesse dar.“
Die Kriminalisierung von Personen findet auf verschiedenen Ebenen statt: Auf einer primären Ebene wird festgelegt, welche Tatbestände strafbar sein sollen. Das ist die Ebene der strafrechtlichen Kodifizierung. Diese Ebene ist kultur- und zeitrelativ sowie selektiv: Nicht alles, was bestraft werden könnte, wird unter Strafe gestellt; nicht alles, was unter Strafe gestellt wurde, muss zwingend bestraft werden – oder wird auch morgen noch bestraft werden.
Auf einer zweiten Ebene werden die abstrakten Normen konkret angewandt; hier findet nicht einfach Rechtsanwendung statt, sondern selektive Rechtsanwendung: nicht alle, die eine Strafnorm verletzen, werden erwischt, nicht alle, die erwischt werden, werden gleichermaßen bestraft, nicht alle, die bestraft wurden, müssen die Sanktion verbüßen usw.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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