Stretching und Beweglichkeit - Karin Albrecht - E-Book

Stretching und Beweglichkeit E-Book

Karin Albrecht

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Beschreibung

Dieses Buch betrachtet das Stretching ganzheitlich und gesundheitsorientiert. Die Autoren verknüpfen dabei den aktuellen Forschungsstand zu Beweglichkeit und Beweglichkeitstraining mit ihren eigenen Erfahrungen. Sie erhalten Antworten auf häufig gestellte Fragen und gewinnen Sicherheit in Bezug auf Stretching.  

Im Fokus stehen über 120 Dehnungen mit Empfehlungen zu Dauer und Intensität einschließlich Übungsvarianten. Ausgangsstellung, Ausführung und Endposition sind anschaulich und nachvollziehbar mit Fotos dargestellt.

Außerdem bekommen Sie    

·         Hinweise zur Übungsausführung,
·         methodische Anleitungen (Effizienzsteigerung, Schonung vor Überlastung, usw.),
·         Übungen zu jedem Pflichtdehnbereich (mit und ohne Hilfsmittel, im Stehen, Sitzen, Liegen).
·         Vorschläge, wie Sie die Übungen an verschiedene Trainingssituationen anpassen (drinnen, draußen, Einzel- bzw. Gruppentraining).

Neu in der 4. Auflage:

·         aktualisiert unter Berücksichtigung neuer Erkenntnisse
·         überarbeitete Übungsauswahl

Ideal für alle (Fitness-)Trainer*innen, Übungsleiter*innen, Therapeutinnen und Therapeuten im Sport- und Gesundheitsbereich sowie interessierte Sporttreibende.

Über die Autorin und über den Autor:
Karin Albrecht ist Ausbilderin, internationale Referentin, Autorin verschiedener Publikationen, Mitbegründerin der "star - school for training and recreation". Stephan Meyer, PT, arbeitet als Leiter der Abteilung Physiotherapie und Rehabilitation am Swiss Olympic Medical Center des sportwissenschaftlichen Instituts am Bundesamt für Sport in Magglingen/Schweiz.

 

 

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Seitenzahl: 168

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Stretching und Beweglichkeit

Das neue Expertenhandbuch

Karin Albrecht, Stephan Meyer PT, MSc (Sport)

4., aktualisierte Auflage

334 Abbildungen

Vorwort

Seit der 1. Auflage gilt dieses Expertenhandbuch zu Stretching und Beweglichkeit als wichtige Orientierung für die Ausbildung und die Anwendung. Darauf bin ich stolz. Und das ist auch einer der Gründe, warum das Buch immer wieder grundlegend überarbeitet wird, um so neue Erkenntnisse und den aktuellen Stand der Forschung einfließen zu lassen, die das Verständnis für das Dehnen und die Beweglichkeit vertiefen und erweitern. Dabei bin ich meinem Grundanliegen, ein Buch für die Praxis, für Bewegungsfachleute, Trainer*innen und Therapeut*innen anzubieten, treu geblieben.

Bei der Überarbeitung des theoretischen Teils dieser 4. Auflage hat mich die Dissertation von Berthold Kremer (Institut für Sport und Sportwissenschaft, Karlsruher Institut für Technologie) besonders beeinflusst. Mit Respekt, Bewunderung und Freude habe ich mich durch sein umfassendes Werk zur Dehnung gearbeitet und überprüft, welche Anpassungen in unserem Buch sinnvoll sind.

Im praktische Teil werden die Grundübungen detaillierter beschrieben, Varianten wurden hingegen gekürzt. Dadurch war es möglich, neue, ergänzende Schwerpunkte zu setzen.

Auch wenn Autorinnen und Autoren in diversen Studien in Bezug auf das Dehnen und die Beweglichkeit zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen und Interpretationen kommen mögen, so ist doch eines gewiss: Wer seine Beweglichkeit nicht trainiert, verliert sie.

Ob wir die Beweglichkeit unserer Kundinnen und Kunden erhalten oder sogar verbessern, hängt dabei nicht von einem wissenschaftlichen Detail ab, sondern von einer sinnvollen Übungsauswahl, einer präzisen Ausführung und einem relevanten neuralen Reiz.

Mein Dank gilt meinem Mitautor Stephan Meyer für sein waches Auge und seine konstruktive Kritik sowie Berthold Kremer für seine einzigartige und umfassende Arbeit zum Thema Dehnen.

Karin Albrecht

Zürich, im November 2021

Inhaltsverzeichnis

Titelei

Vorwort

Teil I Theoretischer Teil

1 Beweglichkeit: Was ist das?

1.1 Begrifflichkeiten, Bezeichnungen

1.2 Beweglichkeit: Was ist normal?

1.3 Beweglichkeit im Sport

1.4 Beweglichkeit im Alltag

2 Anatomische/physiologische Grundlagen

2.1 Die Skelettmuskulatur

2.1.1 Aufbau und Organisation des Muskels

2.1.2 Muskelfaserarten

2.1.3 Mechanische Eigenschaften der Muskulatur

2.1.4 Muskelspannung („muskulärer Tonus“)

2.1.5 Faszien – Bindegewebe des Muskels

2.1.6 Verkürzungen

2.1.7 Schutzfunktion der Muskulatur

2.2 Steuerung der Bewegung

3 Dehnen

3.1 Unterschiedliche Aspekte/Wissenswertes und Details

3.1.1 Wissenschaft und Studien

3.1.2 Kritik am Nutzen des Dehnens

3.1.3 Beweglichkeitstests

3.1.4 Verbesserung der Beweglichkeit

3.1.5 Nervensystem

3.1.6 Länge der Muskelfasern

3.1.7 Titin

3.1.8 Nervengewebe

3.1.9 Krafttraining

3.1.10 Kraftzuwachs

3.1.11 Umsetzungsempfehlungen

3.1.12 Leistungssteigerung

3.1.13 Verletzungsprävention

3.1.14 Muskelkater

3.1.15 Muskeldurchblutung

3.1.16 Regeneration

3.1.17 Muskelaktivität (Tonus)

3.1.18 Reflextheorien

3.1.19 Hypermobilität

3.1.20 Neuromuskuläre Dysbalance

3.1.21 Mentale Entspannung

3.1.22 Wohlbefinden

3.1.23 Temperatur

3.1.24 Dehnen: Sinn oder Unsinn?

3.2 Anwendungen: Dehnen im Training

3.2.1 Vordehnen

3.2.2 Zwischendehnen

3.2.3 Nachdehnen

3.2.4 Stretchtraining/Beweglichkeitstraining

3.3 Mobilisationen – Dehnreize

3.3.1 Mobilisationen

3.3.2 Dehnreize

3.4 Dehntechniken

3.4.1 Aktives versus passives Dehnen

3.4.2 Statisches Dehnen

3.4.3 Dynamisches Dehnen

3.4.4 Anspannungs-Entspannungs-Dehntechniken

3.4.5 Intermittierendes Dehnen

3.4.6 Dehnen im Personal Training

3.5 Welche Muskeln müssen gedehnt werden?

3.5.1 Passive Beugehaltung

3.5.2 Aktive Beugehaltung

3.5.3 Pflichtdehnbereiche

Teil II Praktischer Teil

4 Technik, Sicherheit und Grundsätzliches beim Dehnen

4.1 Beckenpositionen

4.2 Handpositionen

4.3 Sicherheitsregeln

4.4 Belastung der Wirbelsäule beim Dehnen

4.5 Entlastung der Wirbelsäule

4.6 Verstärkung der Beckenkippung und Latissimus-Zug

4.7 Zugspannung auf den Nerv

4.8 Verletzungsprävention

4.9 Intensität und Schmerz

4.10 Atmung bei Nachdehnen und Stretchtraining

4.11 Voraussetzungen

4.11.1 Dauer

4.11.2 Ruhe

4.11.3 Entspannung

4.11.4 Wirksamkeit

4.11.5 Hilfsmittel

4.12 Methodik

4.12.1 Empfohlene Dehntechniken in der Anwendung

4.12.2 Übungsabfolgen

4.12.3 Arbeitsweise beim Nachdehnen und beim Beweglichkeitstraining

4.12.4 Übergänge

5 Dehnanwendungen im Training

5.1 Vordehnen

5.1.1 Ausführungsempfehlung des Vordehnens

5.2 Nachdehnen

5.2.1 Ausführungsempfehlung des Nachdehnens

5.2.2 Fünf Pflichtdehnbereiche des Nachdehnens

5.3 Stretchtraining

5.3.1 Ausführungsempfehlung des Stretchtrainings

5.3.2 Acht Pflichtdehnbereiche des Stretchtrainings

5.3.3 Vorgehensweise und Aufbau eines klassischen Beweglichkeitstrainings

Teil III Die Übungen

6 Vorbereitende und ergänzende Übungen

6.1 Mobilisation der Wirbelsäule

6.1.1 Mini-Mobilisation Becken-LWS

6.1.2 Große Mobilisation der ganzen Wirbelsäule ohne Belastung der Bandscheiben

6.2 Aufrichten oder Aufrollen?

6.2.1 Aufrichten

6.3 Gegenbewegung zur Beugehaltung

6.3.1 Aufbau der Gegenbewegung

6.3.2 Gegenbewegung im Ausfallschritt

6.3.3 Gegenbewegung Variante

6.3.4 Sitzende Ausführung

6.3.5 Erweiterung in die Rotation

7 Dehnungsübungen zu den verschiedenen Körperbereichen

7.1 Pflichtdehnbereich 1: rückwärtige Oberschenkelmuskulatur

7.1.1 Zu vermeiden

7.1.2 Zu tun

7.1.3 Sitzende Übungen

7.1.4 Liegende Ischio-Dehnungen

7.2 Pflichtdehnbereich 2: vordere Oberschenkelmuskulatur

7.2.1 Zu vermeiden

7.2.2 Zu tun

7.2.3 Leistendehnung

7.3 Pflichtdehnbereich 3: Innenmuskeln des Oberschenkels

7.3.1 Zu vermeiden

7.3.2 Zu tun

7.4 Pflichtdehnbereich 4: Brustkorb vorne

7.4.1 Zu vermeiden

7.4.2 Zu tun

7.5 Pflichtdehnbereich 5: Halsbereich

7.5.1 Zu vermeiden

7.5.2 Zu tun

7.5.3 Ausgangsposition

7.6 Pflichtdehnbereich 6: Bauch

7.6.1 Zu vermeiden

7.6.2 Zu tun

7.7 Pflichtdehnbereich 7: tief liegende Gesäßmuskulatur

7.7.1 Zu vermeiden

7.7.2 Zu tun

7.8 Pflichtdehnbereich 8: Wadenbereich

7.8.1 Zu vermeiden

7.8.2 Zu tun

8 Weitere Bereiche, die gedehnt werden dürfen

8.1 Rücken: Beugung und Streckung, Rotation, Seitneigung

8.1.1 Zu vermeiden

8.1.2 Zu tun

8.1.3 Beugung und Streckung

8.1.4 Rotation

8.1.5 Seitneigung

8.2 Schultern

8.2.1 Zu vermeiden

8.2.2 Zu tun

8.3 Schienbeinbereich

8.3.1 Zu vermeiden

8.3.2 Zu tun

8.4 Beckenaußenseite

8.4.1 Zu vermeiden

8.4.2 Zu tun

8.5 Oberarm vorne

8.5.1 Zu vermeiden

8.5.2 Zu tun

8.6 Oberarm hinten

8.6.1 Zu vermeiden

8.6.2 Zu tun

8.7 Hand- und Fingerstrecker sowie Hand- und Fingerbeuger

8.7.1 Zu vermeiden

8.7.2 Zu tun

Teil IV Anhang

9 Literatur

10 Abbildungsliste

Autorenvorstellung

Anschriften

Sachverzeichnis

Impressum

Quelle: Raphael Brand, Küsnacht, Schweiz |

Teil I Theoretischer Teil

1 Beweglichkeit: Was ist das?

2 Anatomische/physiologische Grundlagen

3 Dehnen

1 Beweglichkeit: Was ist das?

1.1 Begrifflichkeiten, Bezeichnungen

Im Fachbereich „Dehnen“ herrscht in den Bezeichnungen keine Einheitlichkeit, weder in der Forschung noch bei den Anwendern. Das führt zu vielen Missverständnissen. Allein in der Forschung werden Synonyme wie „Gelenkbeweglichkeit“, „Gelenkigkeit“, „Dehnfähigkeit“, „Flexibilität“, „Beweglichkeit“ verwendet. Das hat uns dazu bewogen, unsere Bezeichnungen zu definieren und die unterschiedlichen Begriffsverständnisse aufzuzeigen.

Beweglichkeit ist eine der motorischen Hauptbeanspruchungsformen, die die Grundeigenschaften der körperlichen Leistungsfähigkeit des Menschen bilden. Auch für die Grundeigenschaften der körperlichen Leistungsfähigkeit gibt es unterschiedliche Modelle. Wir geben der Steuerung bzw. der Koordination bewusst einen übergeordneten Platz, da unserer Meinung nach in erster Linie die Steuerung beweglichkeitsbestimmend ist ( ▶ Abb. 1.1).

Abb. 1.1 Kreismodell von Karin Albrecht: Grundeigenschaften der körperlichen Leistungsfähigkeit.

Die Beweglichkeit wird meistens anhand des maximal möglichen Bewegungsausmaßes eines Gelenksystems beurteilt. Aus anatomisch-physiologischer Sicht sind 2 Komponenten dafür verantwortlich ( ▶ Abb. 1.2):

die Gelenkigkeit und

die Dehnfähigkeit.

Abb. 1.2 Beweglichkeitsmodell.

Die Gelenkigkeit ergibt sich aus der Form der am Gelenkaufbau beteiligten Knochen. Sie kann im Gegensatz zur Dehnfähigkeit nur minimal beeinflusst werden. Trainingsbedingte Formänderungen der Gelenke sind v.a. im Kindes- und Jugendalter möglich, sollten aber nicht als normale biologische Anpassung gewertet werden, sondern als negative Begleiterscheinung der unphysiologischen Beanspruchung in der entsprechenden Sportart.

Die Dehnfähigkeit bezieht sich in der Hauptsache auf die gelenkumgebenden bindegewebigen Strukturen wie Sehnen, Bänder, Gelenkkapseln und auf die Muskulatur mit ihren bindegewebigen Anteilen. Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Steuerung (das Nervensystem) immer als erste Instanz die Beweglichkeit bestimmt, ganz gleich wie „elastisch“ die bindegewebigen Strukturen sind. Jeder Mensch hat, über die individuelle Steuerung, sein eigenes erworbenes Beweglichkeitsmuster (neurales Muster).

Die Hauptfaktoren, die die Beweglichkeit bestimmen, die 3 G, sind:

Genetik,

Geschlecht,

Gewohnheit.

Die Beweglichkeit wird zusätzlich von vielen äußeren Faktoren, z.B. Tageszeit und Temperatur, und von ebenso vielen inneren Faktoren, z.B. Trainingszustand, Psyche, Schmerz, beeinflusst. Wollen wir Beweglichkeitsmessungen vergleichen, müssten alle Einflüsse mit in die Beurteilung einbezogen werden.

Im Sport wird die Beweglichkeit zumeist durch das Bestimmen des maximalen Bewegungsumfangs in einem Gelenk beurteilt. Differenzierter wird im medizinisch-physiotherapeutischen Bereich vorgegangen, wobei mittels spezieller Techniken zuerst das sogenannte „Gelenkspiel“ geprüft und auch das „Endgefühl“ am Bewegungsende einbezogen wird.

Merke

Die Beweglichkeit ist die Summe des individuellen Beweglichkeitsmusters, der Dehnfähigkeit, der Form der Gelenke und der momentanen zusätzlichen Einflüsse wie Temperatur, Tageszeit, Emotion und Psyche.

1.2 Beweglichkeit: Was ist normal?

Das Heranziehen von „Normwerten“ in Bezug auf die Beweglichkeit ist problematisch und beantwortet die Frage nach einem eingeschränkten oder übermäßigen Bewegungsausmaß nicht. Den Faktoren, die die Beweglichkeit, wie oben beschrieben, beeinflussen, wird in den meisten Fällen zu wenig Rechnung getragen. Es ist bekannt, dass Frauen beweglicher sind als Männer, auch dass sich beim älteren Menschen zunehmend Bindegewebe in die Muskulatur einlagert und es dadurch zu einer Verminderung der Beweglichkeit kommen kann. Den größten Einfluss auf die Beweglichkeit haben jedoch die individuellen Bewegungs- und Haltungsgewohnheiten des Menschen im täglichen Leben oder im Sport. Im Weiteren können auch Erkrankungen, Verletzungen, aber auch verschiedene psychische und emotionale Zustände die Beweglichkeit beeinflussen.

Sollen nun Vergleiche in Form von Beweglichkeitstests angestellt werden, müssen die Testpersonen in verschiedene Kategorien unterteilt werden. Dies sind die in ▶ Tab. 1.1  dargestellten Punkte.

Tab. 1.1 

Beweglichkeitstest: Einteilung der Testpersonen.

Kategorien

Mann

Frau

Maximalnorm (Spitzensport)

außergewöhnliche Norm (Leistung)

optimale Norm (Subjektive)

Gesundheitsnorm (?)

Durchschnittsnorm (Statistik)

Minimalnorm (Alltagsanforderung)

Im Bereich des Sports kommen zusätzlich sportartspezifische Anforderungen der Beweglichkeit hinzu. Somit wird klar, dass die Beurteilung der Beweglichkeit von vielen Faktoren abhängig ist, die bei jedem Beweglichkeitstest mit einbezogen werden sollten.

1.3 Beweglichkeit im Sport

Bei Sportlerinnen und Sportlern ergibt sich ein zusätzliches Beurteilungskriterium durch die jeweilige Sportart, die ausgeübt wird. Die unterschiedliche Beanspruchung der Muskulatur mit ihren sportartspezifischen Bewegungsmustern lässt nur einen Vergleich von Athleten aus derselben Disziplin zu. In der praktischen Arbeit mit Sportlern zeigt sich oft die Tatsache, dass nach den üblichen Kriterien der Beweglichkeitsmessung (z.B. Test nach Janda) viele der Athleten Muskelverkürzungen aufweisen. Zum Beispiel zeigt sich beim Eishockeyspieler häufig eine Beugehaltung im Bereich der Hüftmuskulatur. Bedingt durch die dauernde sportspezifische Körperhaltung in Beugung passt sich der Muskel, mangels Gegenbewegung in die Streckung, mit einer „Verkürzung“ an. Diese scheinbaren Abweichungen von der Norm können auch als funktionelle Anpassung der Muskulatur, im positiven Sinne, zur Verbesserung der Stabilität und der Leistungsfähigkeit gewertet werden. Im negativen Sinne kann es eine Schutzansteuerung für die Hüftgelenke sein, sei es wegen eines Labrumrisses, wegen Abnutzung, wegen Überlastung oder Ähnlichem.

Bei Sportarten wie dem Kunstturnen, die ein hohes Maß an Beweglichkeit erfordern, treten solche „Einschränkungen“ nicht auf. Im Gegensatz zum Eishockeyspieler, der in seiner Sportart praktisch nie das volle Beweglichkeitsausmaß seiner Gelenke ausschöpfen muss, ist im Kunstturnen eine eingeschränkte Beweglichkeit in höchstem Maße leistungslimitierend. Anhand dieses Beispiels wird ersichtlich, dass im Sport mit der Beweglichkeit sehr differenziert umgegangen werden muss und die Anwendung von allgemeingültigen Kriterien nicht zulässig ist.

Je nach Sportart und individueller Beweglichkeit kann es sein, dass die Beweglichkeit gepflegt und erhalten werden muss oder verbessert werden sollte.

1.4 Beweglichkeit im Alltag

Im Alltag wird der maximale Bewegungsradius selten ausgeschöpft. Das häufige Sitzen und die kleinen monotonen Bewegungen des „Büromenschen“ führen auf Dauer zu Beweglichkeitseinschränkungen, da sich alle Systeme des Körpers diesen Beuge- und Bewegungsanforderungen anpassen.

Hinzu kommt der Alterungsprozess. Der Mensch wird im Alter trockener und steifer, da das Bindegewebe zunehmend seine Elastizität verliert und mehr kollagenes Gewebe eingebaut wird. Wie wir diesen Prozess erleben, ist eine Frage der individuellen Haltungs- und Bewegungsgewohnheiten. Je mehr Beugung der alte Mensch ertragen muss, desto schwerer fällt das Atmen und es entstehen Probleme im Rücken- und im Beckenbodenbereich. Als Trainierender muss man sich bewusst sein, dass nicht die Beugefähigkeit verloren geht, sondern in erster Linie die Streckfähigkeit.

Wir sind der Ansicht, dass sich die Körperhaltung allein durch Dehnreize nicht verändert, genauso wenig wie durch Krafttraining. Als Ausgleich zu den „verarmten“ Bewegungsanforderungen des Büroalltags sind Training und Dehnreize jedoch unverzichtbar; sie wirken den negativen Bewegungs- bzw. Beugemustern entgegen, aktivieren den Stoffwechsel in allen Strukturen und dienen als Grundlage für die körperliche Leistungsfähigkeit.

Merke

Das Erhalten der funktionellen Beweglichkeit betrachten wir als die wichtigste Begründung und das wichtigste Ziel des Dehnens. Zusätzlich können Dehnreize mit ihren Stoffwechseloptimierungen als „Gelenkpflege“ angesehen werden und das subjektive Wohlbefinden verbessern.

Aussagen von Personen, die an Untersuchungen zu Wirkung und Anpassung von Trainingsreizen teilgenommen haben, zeigen deutlich, dass die Verbesserung der Beweglichkeit einen außerordentlich positiven Einfluss auf das subjektive Befinden hat. „Steif und starr“ sein wird mit „alt und gebrechlich“ assoziiert, Geschmeidigkeit wird als „jung und agil“ wahrgenommen.

2 Anatomische/physiologische Grundlagen

Der menschliche Bewegungsapparat teilt sich in einen aktiven und einen passiven Bereich:

Den aktiven Teil bildet die Skelettmuskulatur, die durch ihre Fähigkeit, sich zu verkürzen, in der Lage ist, durch Gelenke verbundene Knochen zu bewegen.

Der passive Anteil setzt sich aus Knochen, Knorpeln, Bändern und Sehnen zusammen.

2.1 Die Skelettmuskulatur

Im menschlichen Organismus unterscheidet man 3 Arten von Muskulatur:

Die sogenannte „glatte Muskulatur“ ist an der Funktion vieler innerer Organe (Magen, Darm, Blase usw.) beteiligt und trägt an den Blutgefäßen wesentlich zur Kreislaufregulation bei. Sie kann nicht willentlich in Aktion gesetzt werden und ihre Kontraktion erfolgt langsam.

Die Herzmuskulatur ist ebenfalls nicht bewusst steuerbar. Sie zeichnet sich im Gegensatz zur glatten Muskulatur aber durch eine deutlich schnellere Zuckungsgeschwindigkeit aus.

Die Skelettmuskulatur, die für die Haltung und Bewegung verantwortlich ist, kann willentlich gesteuert werden und führt die schnellsten Zuckungen aus.

Im Folgenden soll nur noch auf die Struktur und die Funktion der Skelettmuskulatur eingegangen werden.

2.1.1 Aufbau und Organisation des Muskels

Makroskopisch ist jeder Muskel aus einzelnen Muskelfasern (Muskelzellen) aufgebaut. Etwa 15–20 solcher Fasern sind zu Muskelfaserbündeln zusammengefasst. Diese sogenannten „Faszikel“ sind von einer bindegewebigen Membran umgeben und bilden den Gesamtmuskel, der schließlich von einer sehr straffen bindegewebigen Hülle, der Faszie, umhüllt ist. An den beiden Enden sind Sehnenfaserbündel fest mit den Membranen der Muskelfasern verwachsen und bilden so den Übergang vom Muskel zur Sehne.

Die bindegewebigen Anteile der Muskulatur haben nicht nur eine Schutzfunktion, sondern spielen durch ihre elastischen Eigenschaften eine wichtige Rolle für die Funktion des Muskels.

Mikroskopisch bilden die Sarkomere die kleinsten kontraktilen Einheiten des Muskels. Sie bestehen aus dicken und dünnen Eiweißfäden, dem Myosin und dem Aktin. Diese Myosinfilamente sind parallel zueinander angeordnet. Ein Sarkomer ist etwa 2 µm lang und wird an beiden Enden von zugfesten Z-Scheiben begrenzt, an denen die Aktinfilamente fest verankert sind, von wo sie gegen die Sarkomermitte einstrahlen. Durch ihre räumliche Anordnung berühren sie sich gegenseitig nicht. In der Mitte liegen abwechselnd die Myosinfilamente, deren Enden sich an beiden Seiten mit den Aktinfilamenten überlappen.

Diese sich überschneidenden Areale werden als A-Bande bezeichnet, da sie doppelbrechende (anisotrope) Eigenschaften im polarisierten Licht aufweisen. Um die Z-Scheiben befinden sich nur Aktinmoleküle (I-Bande), die das Licht schwächer brechen (isotrop). Aus dieser regelmäßigen Anordnung der A- und I-Bande ist im Lichtmikroskop die charakteristische Querstreifung der Skelettmuskulatur sichtbar.

In den letzten Jahren wurde deutlich, dass noch andere Proteine für den Strukturaufbau des Sarkomers verantwortlich sind. Sie werden unter dem Begriff „endosarkomeres Zytoskelett“ zusammengefasst. Dabei wird dem Titin als bisher größtem der beschriebenen Polypeptide eine besondere Bedeutung zugeschrieben ( ▶ Abb. 2.1). Es ist verantwortlich für die Länge der dicken Filamente, organisiert sie zu geordneten A-Banden und stellt eine elastische Verbindung mit den Z-Scheiben her. Im Weiteren bestimmt das Titin höchstwahrscheinlich den physiologischen Arbeitsbereich der Muskelfaser und ist für die elastischen Ruhekräfte verantwortlich ▶ [30], ▶ [31].

Abb. 2.1 Proteine des sarkomeren Zytoskeletts.

Diese neueren Ergebnisse der Muskelzellforschung haben auch das Verständnis der Wirkungsweise von Dehnungen auf die Muskulatur stark beeinflusst.

2.1.2 Muskelfaserarten

Die Muskelfasern lassen sich grob in 2 Arten einteilen, in Typ-1- und Typ-2-Fasern.

Die langsam kontrahierenden Typ-1-Fasern zeichnen sich durch einen hohen Anteil an rotem, sauerstoffspeicherndem Muskelfarbstoff (Myoglobin) aus. Sie enthalten zudem viele Mitochondrien, die u.a. verantwortlich für die Kohlenhydrat- und die Fettverbrennung sind. Ihre Energiebereitstellung läuft auf aerobem Weg, dadurch sind sie ausdauernder als die Typ-2-Fasern. Die Innervation der Typ-1-Fasern erfolgt über kleine Alpha-Motoneurone aus dem Rückenmark. Von dort wird dann über langsam leitende Nervenfasern eine kontinuierliche Impulsfrequenz aufrechterhalten. Dadurch ist eine dauernde Aktivität der Stützmotorik gewährleistet.

Die weißen, schnell kontrahierenden Typ-2-Fasern sind weniger gut mit Sauerstoff versorgt. Sie verfügen über größere Glykogendepots und sind eher für die anaerobe Energiegewinnung geeignet. Ihrer hohen Kraftentwicklung steht die rasche Ermüdung gegenüber. Die Innervation erfolgt über große Alpha-Motoneurone mit schnell leitenden Fasern und einem unregelmäßigen Impulsmuster, das für zielmotorische Aktivitäten charakteristisch ist.

Beim Muskelfasertyp 2 unterscheidet man nochmals den Typ 2a vom Typ 2b. Der Typ 2a weist sowohl ein hohes oxidatives wie auch glykolytisches Potenzial auf, während der Typ 2b der „typischen“ schnellen Faser mit hohen glykolytischen und wenigen aeroben Eigenschaften entspricht. Beide Faserarten kommen nebeneinander in unterschiedlicher Häufigkeit im einzelnen Muskel vor. Ihre Verteilung ist teilweise genetisch vorgegeben, zu einem anderen Teil abhängig von der Art der Muskulaturbelastung.

2.1.3 Mechanische Eigenschaften der Muskulatur

Die mechanischen Eigenschaften des Muskels sind abhängig von den Materialeigenschaften seiner Hauptbestandteile, den Muskelzellen und dem Bindegewebe. Die Muskelzellen besitzen plastische Eigenschaften, das heißt, sie setzen einer Dehnung keinen großen Widerstand entgegen, sie lassen sich verformen und passen sich neuen Anforderungen schnell an (Sarkomerlänge).

Eine passive Dehnung oder eine aktive Kontraktion des Muskels wirkt (abgesehen vom Nervensystem) auf folgende Strukturen:

auf die parallel geschalteten bindegewebigen Anteile (PEC; Faserhülle, Faserbündelhülle),

auf die in Serie geschalteten bindegewebigen Anteile (SEC; Sehnenfibrillen),

auf die kontraktilen Elemente der Muskelzelle und auf das Titin ( ▶ Abb. 2.2).

Abb. 2.2 Muskelmodell.

Die in den vorausgegangenen Kapiteln besprochenen anatomischen und physiologischen Verhältnisse dienen nun als Grundlage zum weiteren Verstehen der Wirkungsweise von Dehnübungen zur Verbesserung der Beweglichkeit.

2.1.3.1 Bindegewebe/Faszien

Faszien sind ein gitterartig aufgebautes, überwiegend kollagenes Gewebe, das im Körper alles umhüllt, verbindet und trennt. Faszien gibt es als feinstes, sehr flüssiges Gewebe, das z.B. eine Muskelfaser umhüllt, bis hin zu stabilen reißfesten Sehnen und Sehnenplatten wie die Rückenaponeurose.

Im Training stellt man sich das gerne als zähe, silbrige Häute vor, die wie ein Strumpf Muskeln und Muskelgruppen umhüllen. Der gitterartige Aufbau der Faszien macht diese verformbar und elastisch und weist eine gewisse Gleitfähigkeit auf.

Faszien können weder isoliert gedehnt noch trainiert werden, sie sind untrennbar mit der Muskulatur und deren neuraler Ansteuerung verbunden.

Alle elastischen Elemente des Muskels sind zu den plastischen sowohl parallel wie auch in Serie geschaltet, was ein wichtiger Faktor sein mechanisches Verhalten ist.

2.1.3.2 Muskelkontraktion – Muskelaktion

Die Verkürzung des ganzen Muskels ist die Folge des Ineinandergleitens der Aktin- und Myosinfilamente in die unzähligen, hintereinandergeschalteten Sarkomere ( ▶ Abb. 2.2). Dabei binden sich die Myosinköpfe an die Aktinfilamente und ziehen diese durch eine Kippbewegung gegen die Sarkomermitte. In der neuen Lage lösen sich die Köpfe wieder und heften sich weiter vorne erneut an. Durch diese „Ruderbewegung“, die mehr als 50-mal pro Sekunde erfolgen kann, verkürzen sich die Sarkomere um bis zu 40% ihrer Ausgangslänge. Um diesen Mechanismus in Gang zu setzen, ist ein Impuls aus dem Zentralnervensystem notwendig.

Titin ist ein Protein und ein wesentlicher Bestandteil des Sarkomers. Das Titinfilament ist aufgebaut wie eine Feder. Diese Feder wird bei Dehnungen gespannt, um anschließend die Aktin- und Myosinfilamente wieder zurück in ihre Ruhestellung zu bringen. Zusätzlich sind die Titinfilamente sensorisch bei mechanischen Prozessen beteiligt und können Spannungsverhalten weiterleiten (Kap. ▶ 3.1.7).

„Gesichert ist jedoch, dass Titin nicht lediglich als Rückstellfeder des Muskels nach Dehnung wirkt und zum Verlauf der Ruhe-Spannungsdehnungskurve beiträgt, sondern dass Titin eine wesentliche Rolle spielt bei mechanosensitiven Prozessen und eingebunden ist in strukturelle Adaptationen nach ‚mechanical loading‘ “ ( ▶ [61], S. 166).

Unter der Annahme, dass die Titinfilamente in den letzten 20% des maximalen Bewegungsradius, wenn die muskuläre Insuffizienz erreicht ist (Kap. ▶ 3.1.9), die mechanische Belastung („mechanical loading“) übernehmen, erscheint es plausibel, dass sich das Titin strukturell anpassen (adaptieren) und verbessern kann. Für die Praxis bedeutet das, etwas einfacher ausgedrückt, dass das Titin durch regelmäßige Dehnreize einerseits elastischer, andererseits reißfester und belastbarer wird.

2.1.3.3 Steuerung der Muskelkontraktion

Das Zentralnervensystem ist die übergeordnete Instanz, die eine muskuläre Kontraktion mittels eines neuronalen Impulses auslösen kann. Von den Nervenzellen des Gehirns laufen die elektrischen Impulse über Nervenfasern zu den motorischen Vorderhornzellen (Alpha-Motoneurone