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Vieles von dem, was wir von unserer Welt wissen, wissen wir aus den Bildern Hollywoods. Doch welches Bild machen wir uns von der Stadt Los Angeles? Es scheint, als habe sie schon immer als amoralisches Nichts gegolten, als Ersatzparadies für wenige. Nahezu vergessen ist, daß L. A. einmal die vielleicht modernste aller Städte war, die beinahe ein Paradies geworden wäre für alle. Entlang des Sunset Boulevard hat sich Kevin Vennemann auf die Suche begeben nach dem, was von dieser egalitären Moderne übriggeblieben ist. So entstand ein Essay über die großen Films Noirs, über das Ende der modernen Architektur und über die Bemühungen so unterschiedlicher Figuren wie Sophokles, Roman Vishniac, Billy Wilder und Raphael Soriano, nicht nur ein »Wir« ins Bild zu setzen, sondern auch die anderen, die Opfer der Geschichte, ein »Sie«.
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Seitenzahl: 209
Veröffentlichungsjahr: 2012
Vieles von dem, was wir von unserer Welt wissen, wissen wir aus den Bildern Hollywoods. Doch welches Bild machen wir uns von der Stadt Los Angeles? Es scheint, als habe sie schon immer als amoralisches Nichts gegolten, als Ersatzparadies für wenige. Nahezu vergessen ist, dass L.A. einmal die vielleicht modernste aller Städte war, die beinahe ein Paradies geworden wäre für alle.
Entlang des Sunset Boulevard hat sich Kevin Vennemann auf die Suche begeben nach dem, was von dieser egalitären Moderne übriggeblieben ist. So entstand ein Essay über die großen Films Noirs, über das Ende der modernen Architektur und über die Bemühungen so unterschiedlicher Figuren wie Sophokles, Roman Vishniac, Billy Wilder und Raphael Soriano, nicht nur ein »Wir« ins Bild zu setzen, sondern auch die anderen, die Opfer der Geschichte, ein »Sie«.
Kevin Vennemann, geboren 1977, lebt in Brooklyn, N.Y. Zuletzt erschienen die Romane Nahe Jedenew (es 2450) und
Kevin Vennemann
SUNSET BOULEVARD
Vom Filmen, Bauen und
Sterben in Los Angeles
eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2012
© Suhrkamp Verlag Berlin 2012
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Satz: Hümmer GmbH, Waldbüttelbrunn
Umschlag gestaltet nach einem Konzept
von Willy Fleckhaus: Rolf Staudt
eISBN 978-3-518-76480-0
I. Tinseltown
II. Leichenberge
III. Der südlichste Stern
IV. Sunset Boulevard
V. 1950
VI. Wir. Sie
VII. Captions. Fassungen
BBC-Fernsehen 1972. Ein zerknittertes Archivband, der Ton kratzt:
That's Los Angeles [Airport]. You can always recognize it by the [palm trees]. And that's me, Reyner Banham, crossing the road. I'm professor of the history of architecture at University College London. And you might wonder what I am doing in Los Angeles, which makes nonsense of history and breaks all the rules. Well, I love the place with a passion that goes beyond sense or reason.
David Kipen 2011:
And if you love Los Angeles – love it to distraction, abjectly, like the sultriest of femmes fatales – then you're begging for heartbreak.
Im Jahr 1950 eröffnet Billy Wilders Sunset Boulevard mit einer Leiche, dem toten Joe Gillis. Wir sehen ihn von unten, er treibt mit weit aufgerissenen Augen im Swimmingpool einer Prachtvilla, die dem ehemaligen Stummfilmstar Norma Desmond gehört. Cops am Beckenrand, Reporter. Ein Erzähler versichert uns an diesem frühen Morgen, dass wir bei ihm richtig seien, wenn wir die ganze Wahrheit hören wollten hinter diesem Mordfall und nicht die Übertreibungen der Klatschpresse Hollywoods: Es ist Gillis selbst, der uns aus dem guten alten Off des Film Noir die Geschichte vom eigenen Sterben und Gestorbensein erzählt, und er erzählt sie ziemlich abgeklärt, immerhin treibt er schon eine ganze Weile im Pool. Nie im Leben hat er mit den Schüssen aus dem Revolver der rasend eifersüchtigen Norma Desmond gerechnet. Denn geschrieben steht ihm ins über Nacht aufgedunsene Gesicht außer dem Tod vor allem Überraschung. Hinter ihm geht die Morgensonne auf, es wird Tag.
Gestorben ist der junge Drehbuchautor Joe Gillis einen Tod, der vielleicht so sehr in das Los Angeles dieser Zeit gehört wie die bis weit hinein ins Klischee gescholtene Doppelmoral der ewig lockenden und zerstörenden, aber niemals abschreckenden Filmindustrie und der Stadt, in der sie ihr Quartier aufgeschlagen hat. Um 1950, kurz vor Hollywoods Nachkriegsboom, während die Studios ihren vielleicht ersten ökonomischen und künstlerischen Tiefpunkt seit dem Ende des Stummfilms erreichen, genügt Gillis wie so vielen anderen Hoffenden nicht einmal mehr sein Talent, sein Glück, seine Kontakte oder seine Hartnäckigkeit zu einer großen oder nur irgendeiner Karriere.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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