Supervision in der Seelsorge - Désirée Binder - E-Book

Supervision in der Seelsorge E-Book

Désirée Binder

0,0

Beschreibung

Seit den Anfängen der Supervision im Kontext der pastoralpsychologischen Seelsorge haben Gestalt und Durchführung der Fortbildung vielfältige Veränderungen erfahren. Das Buch präsentiert ein integratives Modell der Supervision und Kursleitung mit tiefenpsychologischen, humanistischen und systemischen Zugängen. Die drei Autorinnen und Autoren stehen jeweils für einen dieser Ansätze. Sie führen Fortbildungskurse in ihrer Kirche durch und zeigen anhand vieler praktischer Beispiele, wie Supervisionsarbeit im Dialog dieser drei Ansätze interkulturell gelingen kann.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 245

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Die Autor*innen

Désirée Binder ist Diplom-Psychologin, Psychologische Psychotherapeutin (LPK) und Studienleiterin des Zentrums für Seelsorge der Evangelischen Landeskirche in Baden; systemische Einzel-, Paar- und Familientherapeutin (SG) und (Lehr-) Supervisorin in eigener Praxis (DGfP). Sie lebt am Tuniberg bei Freiburg.

Andreas Hasenkamp ist Pfarrer, Klinikseelsorger, (Lehr-)Supervisor (DGfP), Gruppenanalytiker (IGA) und Kursleiter am Zentrum für Seelsorge in der Pastoralpsychologischen Fortbildung in Seelsorge (PPFS) der Evangelischen Landeskirche in Baden. Er lebt in Neckargemünd bei Heidelberg.

Dr. Dagmar Kreitzscheck ist Pfarrerin, (Lehr-)Supervisorin (DGfP), hat eine Qualifikation in hypnosystemischer Kommunikation (MEG) und leitet das Haus Respiratio. Sie lebt auf dem Schwanberg bei Rödelsee in Unterfranken.

Désirée BinderAndreas HasenkampDagmar Kreitzscheck

Supervision in der Seelsorge

Ein Modell integrativer Pastoralpsychologie

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

Dieses Werk enthält Hinweise/Links zu externen Websites Dritter, auf deren Inhalt der Verlag keinen Einfluss hat und die der Haftung der jeweiligen Seitenanbieter oder -betreiber unterliegen. Zum Zeitpunkt der Verlinkung wurden die externen Websites auf mögliche Rechtsverstöße überprüft und dabei keine Rechtsverletzung festgestellt. Ohne konkrete Hinweise auf eine solche Rechtsverletzung ist eine permanente inhaltliche Kontrolle der verlinkten Seiten nicht zumutbar. Sollten jedoch Rechtsverletzungen bekannt werden, werden die betroffenen externen Links soweit möglich unverzüglich entfernt.

1. Auflage 2021

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-038753-9

E-Book-Formate:

pdf:        ISBN 978-3-17-038754-6

epub:     ISBN 978-3-17-038755-3

Vorwort der Reihenherausgeber

Supervision wird seit vielen Jahren in therapeutischen, sozialen, pädagogischen, ärztlichen und organisatorischen Handlungsfeldern eingesetzt. Im Verlauf des 20. Jahrhunderts hat sich eine Vielzahl an unterschiedlichen Richtungen ergeben. In der Kohlhammer-Reihe Supervision im Dialog sollen die wichtigsten methodischen Auffassungen berücksichtigt werden: Psychodynamische, systemische, kognitiv-verhaltenstherapeutische und humanistische Ansätze werden einbezogen, wobei es viele Überschneidungen in den supervisorischen Vorgehensweisen gibt.

Auch die Anwendungsfelder von Supervision haben sich seit den ersten Anfängen in der Psychoanalyse und in der Sozialen Arbeit ausdifferenziert. Die Buchreihe Supervision im Dialog widmet solchen Einsatzbereichen und Handlungsfeldern je einen eigenen Band, um ein lebendiges und praxisnahes Bild der spezifischen Aufgaben und Bedingungen zu vermitteln. Therapien und Beratungen für Einzelpersonen, Paare, Familien, Gruppen und Organisation sind die wichtigsten Einsatzbereiche von Supervision. Neben der berufsbegleitenden Anwendung ist Supervision auch einer der wichtigsten Bausteine in vielen Ausbildungen, sei es zum Psychotherapeuten, Facharzt oder in der Sozialen Arbeit. Es gibt auch Gebiete, in denen die Einführung bzw. verstärkte Durchführung regelmäßiger Supervisionen ein Desiderat darstellt, wie etwa in Lehr- und Betreuungseinrichtungen und Krankenhäusern.

Die Besonderheit der Reihe ist der Dialog. Jeder Band wird von mindestens zwei Autoren gestaltet, die unterschiedliche Positionen vertreten und diese nach jedem Hauptkapitel miteinander vergleichen. So lernen Leser nicht nur die wichtigsten Themen, Hintergründe und Kontroversen kennen, sondern erleben dabei auch einen lebendigen Austausch zweier engagierter Fachvertreter. Die Diskussion in Dialogform dient dem Zweck, den zuvor abgehandelten Text aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten, die Essenz noch einmal zu benennen, offene Fragen, Probleme und Verbesserungsvorschläge zu diskutieren.

Wir hoffen, durch diese dialogische Präsentation des in Bewegung befindlichen Kompetenzfeldes der Supervision auch die Leser unserer Reihe zum Austausch anzuregen.

Andreas Hamburger

Wolfgang Mertens

Inhaltsverzeichnis

Vorwort der Reihenherausgeber

1   Einleitung

2   Geschichte der Supervision in den pastoralen Arbeitsfeldern

2.1   So kam die Supervision in die Kirchen: die Seelsorgebewegung

2.2   Was zeichnet pastoralpsychologische Supervision aus?

3   Spezifische Themen der Supervision in der Seelsorge

3.1   Vielfalt der pastoralen Arbeitsfelder

3.2   Dynamiken zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen

3.3   »Ich hab’ meinen Glauben zum Beruf gemacht« – Religion als Profession

3.4   Kirchliche Mitarbeit zwischen Privilegien und Restriktionen

4   Theorie – Praxis – Menschenbild

4.1   Profile der drei supervisorischen Zugänge

4.1.1   KSA-orientierte Supervision

4.1.2   Systemisch orientierte Supervision

4.1.3   Tiefenpsychologisch orientierte Supervision

4.2   Anthropologische Leitlinien

4.2.1   Zu den Menschenbildern in der Humanistischen Psychologie und der christlichen Theologie

4.2.2   Zum Menschenbild in der systemischen Arbeit

4.2.3   Zum Menschenbild der Tiefenpsychologie

5   State of the Art: Experimentierfeld Integration

5.1   Metatheoretische Annäherungen an den Begriff der Integration

5.2   Das integrative Seelsorge-Fortbildungskonzept in der Evangelischen Landeskirche in Baden

5.2.1   Ein kurzer geschichtlicher Rückblick

5.2.2   Das Konzept der integrativen Pastoralpsychologischen Fortbildung

5.3   Illustrierendes Fallbeispiel

5.3.1   Darstellung des Falls und seiner Bearbeitung

5.3.2   Kommentare aus den verschiedenen Zugängen

5.3.3   Und was war jetzt noch mal integrativ?

5.4   Hinweis auf die intersektionelle Diskussion in der Fachgesellschaft

5.5   Berufsständische Ethik

6   Das Buch zu und viele Fragen offen

Literatur

Empfohlene weiterführende Literatur

Literatur zu Theorie und Praxis, Anthropologie und Dialogbeiträgen zum Fall aus den drei Zugängen:

Stichwortverzeichnis

1          Einleitung

Seelsorge ist ein aus der Antike stammender Begriff. Er findet sich zuerst bei Platon in den Dialogen des Sokrates. Im Laufe der Jahrhunderte lagen und liegen ihm bis heute verschiedene Bedeutungen von Seele und von Sorge zugrunde. Als Begriff ist er nicht geschützt. In Europa gibt es allerdings eine lange Tradition, ihn für die in und von den Kirchen ausgeübte Begegnung und Begleitung von Christenmenschen zu benutzen. Er wird aber zunehmend auch außerhalb der Kirchen gebraucht.

Seelsorge stellt ein komplexes und heterogenes Arbeitsgebiet dar, für das die dort hauptberuflich und ehrenamtlich Tätigen nicht nur eine qualifizierte Ausbildung brauchen, sondern auch die Möglichkeit, sich im Laufe ihrer Berufsjahre weiterzubilden und entsprechend ihrer Arbeitsgebiete Schwerpunkte zu setzen. Supervision für Seelsorgende gibt diesen die Gelegenheit, ihre Erfahrungen zu reflektieren und die Qualität ihrer Arbeit zu sichern. Seelsorge findet in vielen Bereichen face-to-face und im Zweierkontakt, sozusagen im Verborgenen statt. Supervision ist daher nicht nur zu Aus- und Fortbildungszwecken notwendig, sondern vor allem wollen Seelsorgende einen anderen, dritten Blick auf die eigene Arbeit erhalten, etwas zu deren kontrollierter Qualität tun, kurzum sich weiter professionalisieren. Supervision in der Seelsorge ist daher seit den 1970er Jahren in den deutschen Kirchen ein gängiges Format, sei es im Rahmen von pastoralpsychologischen Fortbildungen, wie in diesem Band geschildert, oder im Rahmen von Fallbesprechungen in der Gruppen- oder Einzelsupervision.

Christliche Seelsorge wird im Alltagsgeschehen der Gemeinde ausgeübt oder in nicht gemeindlichen Aufgabenfeldern im Auftrag der Kirche. Seelsorge findet überwiegend in der Gehstruktur statt als aufsuchende Seelsorge, d. h. die Seelsorgenden sind diejenigen, die den Seelsorgekontakt anbahnen. Das gilt für das Arbeitsfeld Gemeinde, in den Arbeitsfeldern Krankenhaus und Altenheim und in der Notfallseelsorge. Daneben gibt es auch Kontakte, die in der Kommstruktur stattfinden, sie sind in der Telefonseelsorge und in den totalen Institutionen (Militär, Gefängnis, Psychiatrie) die Regel, seltener auch in den anderen Arbeitsfeldern, in der Gemeinde z. B. wenn Menschen eine Taufe, Trauung oder Beerdigung wünschen. Schon die Gehstruktur verlangt eine präzise Reflexion dieser Kontaktaufnahme und der Absichten aller Beteiligten. Seelsorge in der Gehstruktur ist ein Angebot, das immer auch abgelehnt werden kann. Sie ist gekennzeichnet durch »prinzipielle Kontraktlosigkeit« (Drechsel, 2015), die sich in einem offenen Angebot zeigt. Es geht darum, sich situationsgebunden auf das einzustellen, was das Gegenüber in der Seelsorge jetzt gerade einbringt, oft in zunächst ungeordneten Settings, d. h. beim Verabschieden an der Kirchentür, am Rande von Veranstaltungen, in der Pause auf dem Schulhof, am Krankenbett im Krankenhaus oder zu Hause, am Gartenzaun oder an der Supermarktkasse.

Christliche Seelsorge ist eine spezifische Form der religiösen Kommunikation. Das bedeutet nicht, dass Seelsorgegespräche immer oder regelmäßig religiöse Inhalte hätten. Das Religiöse wird stattdessen einerseits durch den Kontext bestimmt: In Deutschland wird Seelsorge immer noch weitgehend als typisch kirchliche Form der Kommunikation wahrgenommen und diejenigen, die sie ausüben, sind zumeist von den Kirchen angestellt oder ehrenamtlich tätig. Dadurch repräsentieren die Seelsorgenden ein religiöses Umfeld und/oder einen Transzendenzbezug, sie werden sozusagen als »Gottes Bodenpersonal« wahr- und als solches auch in Anspruch genommen. Andererseits äußert sich das Christlich-Religiöse der Seelsorge in einer Haltung bedingungsloser Zuwendung der Seelsorgenden zu Menschen, die um ihrer selbst willen – als geliebte Kinder Gottes – wahrgenommen und begleitet werden. Im Gegensatz zu missionarischen Aktivitäten bringen Seelsorgende eine funktionale Zweck- und Absichtslosigkeit mit, die es dem Seelsorge-Gegenüber erlaubt, dass er oder sie die eigenen Ziele, Absichten, Bedürfnisse und Inhalte ins Gespräch bringen kann, seien diese nun religiöser Natur oder nicht.

Seelsorgegespräche sind ein niedrigschwelliges Angebot, die meisten sind Einmalgespräche, manche werden zu längerfristigen Begleitungen, oft sind sie Gespräche mit Menschen, zu denen die Seelsorgenden auch sonst am Wohnort Kontakt haben. Sie können problemlos im Alltag angebahnt oder wahrgenommen werden. Seelsorgekontakte sind manchmal Alltagsgespräche, manchmal Trostgespräche in schweren Lebenslagen, manchmal Beratungsgespräche vor Entscheidungen, manchmal unterhaltende Gespräche. Ihre Qualitäten reichen vom Smalltalk bis zum therapeutischen Gespräch. Zu Beginn eines Gesprächs liegt nicht fest, welche Art von Begegnung sich entwickeln wird. Die Lebenssituationen, in denen sie stattfinden, sind vielfältig. So ist es für Seelsorgende wichtig, mit dieser Überkomplexität professionell umgehen zu lernen. Daher spielen in der Supervision Fallbesprechungen und Übungen eine große Rolle, die dazu beitragen, dieser Disparatheit und den Erwartungen der Menschen in ihren unterschiedlichen Lebenslagen gerecht zu werden. Die emotional beanspruchende Arbeit liegt oft darin, mit dem Unabänderlichen und Unverfügbaren des Lebens umzugehen und Paradoxien und Ambivalenzen aus- und offenzuhalten. Seelsorge hat z. B. nicht die Aufgabe, auf jeden Fall einen Sinn zu suchen, gar ihn zu behaupten, sondern wird auch dem Gefühl und der Wahrnehmung, etwas sei sinnlos, Raum geben, so dass sich Sinn dann vielleicht wiedereinstellen kann. Ähnliches gilt für die Trostperspektive: Trost kann daraus erwachsen, wenn jemand die Verzweiflung wahrnimmt, die Klage hört und damit das subjektive Ausmaß des Elends würdigt. »In Klage und Verzweiflung liegt mehr ehrliche Hoffnung als in der Beteuerung von Sinn und Lebensgewissheit. Die Trauer hält die Treue zum Anderen, zum Besseren, zum Ende des Leidens, den die Affirmation des Daseins längst verraten hat« (Henning Luther, 1998, S. 170).

Seelsorgende haben außerdem nach biblischem Auftrag nicht nur die Aufgabe, mit den »Weinenden zu weinen«, sondern auch, sich mit den »Fröhlichen zu freuen« (Brief des Paulus an die Gemeinde in Rom 12,15). Daher findet Seelsorge schließlich auch bei Festen und Feiern und zur Begleitung bei großen Lebensübergängen statt.

Insgesamt lässt sich sagen, dass Seelsorge ein niedrigschwelliges Begegnungs- und Beratungsformat religiöser Kommunikation ist, das Menschen die Gelegenheit bietet, sich ihres Lebens in seinen Höhen und Tiefen zu vergewissern.

Die Supervision, die für die Aus- und Fortbildung und die Qualitätssicherung der professionell Tätigen in der Seelsorge sorgt, entspricht im besten Fall diesem breitem Anforderungsprofil und wird damit den verschiedenen oft überraschenden Settings eher gerecht, wenn sie sich dabei supervisorischer Verfahren verschiedener Provenienz bedient, also integrativ arbeitet.

Der vorliegende Band zeigt die historische Entwicklung und derzeitige Praxis einer solchen supervisorischen Arbeit und macht deutlich, was unter pastoralpsychologischer Supervision verstanden werden kann ( Kap. 2). Weiter finden sich spezifische Dynamiken und Themen, die derzeit die supervisorische Arbeit in den pastoralen Arbeitsfeldern bestimmen ( Kap. 3.). Im mittleren Teil des Bandes ( Kap. 4.1) werden die drei verschiedenen Supervisionsansätze dargestellt, in denen die Autor*innen dieses Bandes qualifiziert sind und die sie bei ihrer gemeinsamen Arbeit in der Seelsorgefortbildung integrativ verwenden. Die Unterschiede der Verfahren zeigen sich am deutlichsten in den ihnen zugrunde liegenden anthropologischen Setzungen ( Kap. 4.2).

An die Darstellung der historischen Entwicklung des integrativen Konzepts der Pastoralpsychologischen Fortbildung in Seelsorge (PPFS) in der Evangelischen Landeskirche in Baden ( Kap. 5.2) schließt sich eine exemplarische integrative Fallbearbeitung an, die wiederum aus den drei vorgestellten Perspektiven kommentiert wird ( Kap. 5.3). Das Verständnis von Integration, wie es die Autor*innen verwenden, wird im Abschnitt über die Metatheorie ( Kap. 5.1) und in der Reflexion des integrativen Prozesses der Fallarbeit ( Kap. 5.3.3) deutlich.

Hinweise zur Intersektionellen Diskussion innerhalb der Deutschen Gesellschaft für Pastoralpsychologie ( Kap. 5.4) und zur Berufsständischen Ethik ( Kap. 5.5) bilden den Abschluss des inhaltlichen Teils. Die Autor*innen beschließen ihren Band mit einem offenen Dialog.

Namentlich sind nur diejenigen ihrer Beiträge gekennzeichnet, in denen die Autor*innen ihre konzeptionell unterschiedlichen Zugänge erläutern. Sie legen Wert auf inklusive Sprache und verwenden in ihren Texten deshalb überwiegend den Genderstern.

Traditionell leben Seelsorge und Supervision besonders vom direkten, analogen Kontakt. Die letzten Wochen der Arbeit an diesem Band fielen zusammen mit den ersten Wochen der Corona Pandemie. Diese fordert zu einer Auseinandersetzung mit und einer Neujustierung von Nähe und Distanz heraus. Wohin sich dieser Prozess entwickeln wird, ist noch offen. Es entstehen jetzt bereits kreative Ideen und neue Formate, die Supervision und Seelsorge verändern.

Der Dank der Autor*innen gilt all denen, von und mit denen sie gelernt haben, den Teilnehmenden der PPPS, besonders denjenigen, die ihre Praxiserfahrungen für die Demonstrationen in diesem Band zur Verfügung gestellt haben und dem Zentrum für Seelsorge der Evangelischen Landeskirche in Baden. Außerdem danken sie namentlich für ihre Unterstützung: Markus Binder, Prof. Dr. Martin Ferel, Dr. Günther Emlein, Sr. Ingeborg-Marie Halbach, Sibylle Ratsch, PD Dr. Heike Springhart, Michael Kreitzscheck, Annette Roser-Koepff, Petra, Lisa und Julia Hasenkamp, Christoph Wenzel und Sabine Kast-Streib.

Den beiden Herausgebern der Reihe Supervision im Dialog, Andreas Hamburger und Wolfgang Mertens, und der Lektorin des Kohlhammer Verlags, Kathrin Kastl, dankt das Autorenteam für die freundliche und kompetente Begleitung und Unterstützung.

2          Geschichte der Supervision in den pastoralen Arbeitsfeldern

2.1       So kam die Supervision in die Kirchen: die Seelsorgebewegung

Das Erlernen von Seelsorge mit begleitender Supervision hat in den Kirchen eine inzwischen hundert Jahre alte Tradition. Supervision in der Kirche war und ist zunächst Aus- und Fortbildungssupervision. In den amerikanischen Kirchen ist seit 1925 und in den deutschen seit ca. 1969 die Tätigkeit des Supervisors, der Seelsorgelernende begleitet, fest etabliert.

Zwei Amerikaner, der Theologe Anton Boisen und der Psychiater Richard Cabot konzipierten 1925 ein Ausbildungsmodell für Theologen, die nicht länger nur die biblischen Geschichten studieren sollten, sondern die Lebensläufe lebendiger Menschen, zunächst vor allem psychisch kranker Menschen und dann bald allgemeiner Geschichten von Menschen, deren Leben auf irgendeine Weise eingeschränkt war. Als ein Ort solcher Einschränkung galt besonders die Psychiatrie, dann bald auch Allgemeinkrankenhäuser, Erziehungsheime, Gefängnisse, Besserungsanstalten etc. Theologen wurden für längere Zeiträume in diese Einrichtungen geschickt, um sich um die dort lebenden Menschen zu kümmern, diese »living human documents« (Boisen, 1936, S. 248 f.) zu studieren und ihnen möglichst in irgendeiner Weise durch das Evangelium Erleichterung zu verschaffen. Boisen verstand Lebenskrisen immer auch als religiöse Krisen und ihm war deshalb daran gelegen, dass Theologen sich mit diesen befassten.

Zunächst erarbeitete er mit Cabot einen an die medizinische Ausbildung angelehnten Plan, d. h. die in die Klinik geschickten Theologen sollten wie Mediziner bei der Anamnese so viele Informationen wie möglich von den Patienten sammeln und auch aufzeichnen und dieses Material für eine Diagnose verwenden. Am Ende des Tages wurden diese Aufzeichnungen in der Gruppe besprochen, z. T. interdisziplinär mit den Medizinern gemeinsam, um die (weitere) Behandlung für die Patient*innen zu besprechen. Ein Interview in der Boston Post vom 27.12.1908 mit Richard Cabot trug folgende Überschrift: »Physician and Minister Must Work Together To Cure The Sick« und enthielt folgende Passage: »Die Arbeit, einem Patienten zu helfen, ist nicht nur Sache des Doktors. (…) Ein Arzt spezialisiert sich auf den Körper und der Pfarrer spezialisiert sich auf die menschliche Seele. Die beiden sollten zusammenarbeiten. Es sollte eine Ausbildungsstätte geben, die sich sorgfältig um diese Sache bemüht und Pfarrer sollten dort ausgebildet werden« (Übersetzung D.K.). Ab 1925 wurde diese Idee am Massachusetts General Hospital umgesetzt.

Jeder Theologe im Clinical Pastoral Training (CPT) hatte aber auch persönliche Supervisionsgespräche mit seinem Supervisor. Der Supervisor war in der Regel ein langjähriger Pfarrerskollege mit viel Berufserfahrung und bald auch psychologischer oder therapeutischer Qualifikation. Zweierlei wurde hier bereits festlegt: die gemeinsame Besprechung »einzelner Fälle« (case studies) und das Arbeiten in der Lerngemeinschaft einer beruflichen Peergroup.

In den frühen 1930er-Jahren entwickelte der Theologe Russell Dicks, der ebenfalls mit Cabot zusammenarbeitete, die Form des Verbatims. Verbatim (lat. für wort-wörtlich) bezeichnet die Aufzeichnung eines Gedächtnisprotokolls zeitnah nach dem Gespräch, das die Gesprächsbeiträge aller, die am Gespräch teilhatten, möglichst wörtlich im Wechsel wiedergibt. Dabei wird außer den Redebeiträgen wie in einem dramatischen Text oder Drehbuch in Klammern oder gesperrt gedruckt vermerkt, was sonst die Szene ausmacht und beeinflusst: z. B. Krankenschwester kommt dazu, im Zimmer ist es kalt und zugig, peri- und-nonverbale Äußerungen des Patienten: der Patient macht lange Pausen oder hustet, auch innere Regungen des Verfassers (Gefühle des Seelsorgers, eigene Körperempfindungen u. a.).

Schon Dicks beschrieb die supervisorischen Absichten des Erstellens von Gesprächsprotokollen: Es ging ihm nicht um eine objektive Darstellung des Gesprächs, sondern um eine neue Form der Selbstreflexion. »Wenn wir ein Gespräch schriftlich wiedergeben, eine Arbeitsbeziehung, dann zeichnen wir sie nicht einfach nur auf, wir denken sie neu und entwickeln so ihre Bedeutung, nicht während wir den Patienten sehen, sondern so bald wie möglich hinterher… Es ist eine Überprüfung der eigenen Arbeit; es ist ein klärender und sich entwickelnder Prozess; es entlastet den Schreiber von emotionalem Stress… und ist ein Nachweis der eigenen Arbeit… Es ist eine neue Schöpfung von Ideen, die die Mängel offenbart, bei dem, was wir getan haben. Es fragt nach den Implikationen von dem, was wir gesehen und gehört haben… es ist Selbstkritik, es ist Selbstauswertung. Es ist die Vorbereitung dafür, uns selbst zu verbessern.« (Cabot & Dicks, 1944, S. 244–248). Die supervisorische Arbeit in der Klinischen Seelsorgeausbildung geschah seitdem in Form der Besprechung solcher Verbatims, die auch heute noch zu Aus- und Fortbildungszwecken verwendet werden.

Aus demselben Zeitraum in Amerika ist noch eine andere Entstehungslinie zu nennen. Am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts hat dort kirchliche Supervision dieselben Wurzeln, wie sie für die Sozialarbeit allgemein beschrieben werden, häufiger allerdings mit »Volunteer«-Hintergrund als mit einem Ausbildungshintergrund. Hauptberufliche »Social Workers« supervidierten ehrenamtliche Volunteers in diakonischen Projekten ( Kap. 3.1.1).

In Deutschland fasste das Modell der »klinischen«, d. h. in der Praxis und durch die Reflexion der Praxis erworbenen Seelsorgeausbildung erst am Ende der 1960er Jahre Fuß. Ab 1969 wurden in Deutschland Institute für die Klinische Seelsorgeausbildung gegründet, in Bethel, Hannover, Stuttgart, Halle und an weiteren Orten. Die Bezeichnung »klinisch« für praxisbezogen wurde dabei beibehalten, obwohl sich die Praxisfelder bald erweiterten und die anderen pastoralen Arbeitsfelder miteinbezogen. Damit nahm die sogenannte »Seelsorgebewegung« ihren Lauf und bestimmte für die nächsten 20 Jahre nicht nur die Seelsorgeausbildung, sondern die praktische Theologie und die Theologie überhaupt. Das entsprach auch ihrem Anspruch, der einen Paradigmenwechsel vorsah, dass eben Theologie überhaupt erfahrungsbezogen betrieben werden sollte. Es lässt sich sagen, dass die »Seelsorgebewegung einen wichtigen Anteil an den Veränderungen innerhalb der Kirche im Prozess der Anpassung an die Erfordernisse einer hochindustrialisierten, säkularen Gesellschaft« hat, nicht zuletzt durch »Aufbau und Ausbau institutioneller Einrichtungen für Beratungsarbeit im kirchlichen Raum« (Jochheim, 1993, S. 493).

Die Gründung der Fachgesellschaft Deutsche Gesellschaft für Pastoralpsychologie 1972 war eine Gründung von Theologen mit psychotherapeutischer Zusatzqualifizierung, die in den verschiedenen Sektionen dieser Gesellschaft anfingen, Standards für die seelsorgliche und dann auch für ihre eigene supervisorische Ausbildung und Arbeit festzulegen. Dabei spielten inzwischen die verschiedenen psychologischen Traditionen eine Rolle, so sammelten sich in der Sektion T (=Tiefenpsychologie) die durch eine Lehranalyse gegangenen Pfarrer und Gemeindepädagogen, in der Sektion KSA diejenigen, die das »Learning by doing«-Konzept für die Seelsorge bevorzugten und sich dabei meist die klientenzentrierte Gesprächsführung Rogers zunutze machten, eine Sektion vereinigte die Sozialpsychologen und die Gruppendynamiker und die vierte schließlich die Kommunikations- und Verhaltenspsychologen. Inzwischen gibt es fünf Sektionen. Die Gründungsmitglieder waren ihrem Selbstverständnis nach noch keine »Supervisoren«, auch wenn sie supervisorische Aufgaben in der Ausbildung wahrnahmen, sie nannten sich Pastoralpsychologen, um ihre Verbindung der Pastoralen Praxis mit den Erkenntnissen der Human- und Sozialwissenschaften, speziell der Psychologie, anzuzeigen (zur Deutschen Gesellschaft für Pastoralpsychologie s. Aktuelles auf deren Homepage und  Kap. 5.4).

2.2       Was zeichnet pastoralpsychologische Supervision aus?

Pastoralpsychologische Supervision ist zunächst gekennzeichnet durch eine Mehrfachqualifikation derer, die sie ausüben. Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für Pastoralpsychologie kann nur werden, wer ein theologisches Studium absolviert hat und damit hauptberuflich tätig ist oder war. Alle Mitglieder der DGfP sind im Grundberuf Pfarrer*innen, Pastoralreferent*innen oder Religionspädagog*innen und dann auch noch Supervisor*innen. Dazu haben diese Supervisorinnen eine therapeutische Zusatzqualifikation erworben, sei diese analytisch-tiefenpsychologisch, humanistisch-psychologisch oder systemisch geprägt. Eine integrative, die Schulentrennung überwindende supervisorische Arbeit und eine Mitgliedschaft in der DGfP ohne Zugehörigkeit zu einer bestimmten Sektion wird aktuell diskutiert, letztere ist seit kurzem möglich ( Kap. 5.4).

Die Doppelqualifikation führt dazu, dass die Supervisor*innen in ihren Grundberufen nicht nur mit einem theologischen, sondern auch mit einem aus den Human- und Sozialwissenschaften geübten Blick unterwegs sind. Sie nutzen die Erkenntnisse aus Psychologie, Kommunikationswissenschaft, Soziologie etc. für ihre kirchliche Arbeit und behalten bei der Ausübung von Supervision auch ihren theologischen Blick bei. Dieser interdisziplinäre Blick und das interdisziplinäre Arbeiten werden nicht immer konfliktfrei erlebt, neben gegenseitiger Bereicherung gibt es hier auch gegenseitiges Befremden zwischen den verschiedenen Wissenschaften. Das zeigt sich besonders in der Menschenbildfrage ( Kap. 4.2).

Was alle Supervisor*innen mitbringen ist die Feldkompetenz in kirchlichen, besonders seelsorglichen Arbeitsfeldern, in denen sie in der Regel jahrelang gearbeitet haben, auch wenn einige ihre Berufstätigkeit gerade über die Supervisionstätigkeit in die Freiberuflichkeit hinein erweitern. Die Diskussion über sogenannte interne oder externe Supervision kann hier nicht geführt werden, beide bringen für die Supervisand*innen Vor- und Nachteile.

Pastoralpsycholog*innen arbeiten in der Anthropologie und im Wertesystem mit christlichen Vorannahmen, Deutungen und Haltungen. Diese bestimmen ihr supervisorisches Handeln immer mit. Dabei geht es ihnen nicht um ein normatives »christliches Menschenbild«, das die Pastoralpsychologie kennzeichnet, stattdessen könnte man vielleicht sagen, dass auf der erkenntnistheoretischen Ebene, also auf der Ebene der Metatheorie (Schreyögg, 2010, S. 66) das spezifisch Christliche immer ein Element im hermeneutischen Zirkel ist oder eine Determinante beim (De)Konstruieren, gleichzeitig muss das, was »spezifisch christlich« genannt wird, selbst stets neu verstanden, neu konstruiert und dekonstruiert werden.

Auf der Ebene der Theorie verfügen Pastoralpsycholog*innen idealerweise über spezifische hermeneutische Kompetenzen, die sie im Theologiestudium trainiert haben. Sie lernen bei der Auslegung von Texten, nicht nur auf den Inhalt, sondern auch auf die Form zu achten, den »Sitz im Leben«, d. h. den Kontext zu berücksichtigen sowie die Überlieferungsgeschichte; sie sind Expert*innen für Übersetzungsprozesse und geübt im Umgang mit symbolisierender Kommunikation. Sie wissen, dass Sprecher und Hörer, Schreiber und Leser, Kommunikator und Rezipient immer jeweils gemeinsam beteiligt sind, wenn es darum geht, Bedeutung oder Bedeutungen zu konstruieren. Sie »verstehen und vergewissern auf dem Hintergrund jüdisch-christlicher Narrative« (Klessmann & Lammer, 2007, S. 55). Dieses Wissen und die Übung, mit Menschen und Texten dergestalt umzugehen, sind nützlich auch für die Supervision.

Darüber hinaus haben sie die Fülle der Geschichten und Figuren aus der Bibel und der christlichen Tradition als hermeneutisches Material zur Verfügung. Dieses Material steht allerdings im Prinzip jedem Supervisor, dem die christliche Tradition etwas bedeutet, zur Verfügung und kann daher kein Unterscheidungskriterium zu anderen Formen der Supervision sein. Klessmann und Lammer bezeichneten Pastoralpsycholog*innen durch diese hermeneutische Kompetenz als »ExpertInnen für Sinn(re)konstruktionen« (Klessmann & Lammer, 2007, S. 59). Das ist sicher richtig, inzwischen reklamieren Berater*innen anderer Provenienz supervisorische Arbeit als Arbeit an der Selbstvergewisserung und an der Vergewisserung von Lebenssinn aber ebenso für sich, nur unter Umständen mit einer anders konnotierten Bedeutung des Wortes »Sinn«. Dass Supervision »Sinn macht« (Klessmann & Lammer, 2007), ist somit längst keine Domäne religiös gebundener Supervisor*innen mehr. Wird im christlichen Umfeld unter »Sinn« etwas verstanden, das in der Regel einen größeren Zusammenhang mit Transzendenzbezug herstellt, so wird im jüngsten verbreiteten Sprachgebrauch »Sinn« häufig synonym für jegliche mögliche Form von »Ordnung mit Plausibilität« benutzt.

Schließlich verfügen Pastoralpsycholog*innen in der Regel über Ritualkompetenz. Das befähigt sie nicht nur dazu, den Einsatz und das Feiern von christlichen Ritualen im pastoralen Arbeitsfeld zu supervidieren, sondern auch zum Umgang mit Alltagsritualen, wie sie eben auch in der supervisorischen Kommunikation bewusst und unbewusst geschehen.

Theologie und Psychologie sind wechselseitig anschlussfähig, dafür seien drei Beispiele genannt. Tiefenpsychologisch orientierte Pastoralpsycholog*innen verweisen darauf, dass da, wo von der Anwesenheit Gottes im Supervisionsprozess ausgegangen wird, die supervisorische Beziehung implizit trianguliert und somit entlastet wird. Humanistisch-psychologisch ausgebildete Pastoralspsycholog*innen finden in dem Rogers’schen Konzept einer Haltung unbedingter Wertschätzung gegenüber dem Klienten die klassisch-theologische Trennung von Person und Werk wieder. Systemisch orientierte Pastoralpsycholog*innen sind offen dafür, Glaubensüberzeugungen in ihrer Wechselwirkung von kognitiven und emotionalen Verarbeitungs- und Deutungsprozessen für die Supervision nutzbar zu machen, wenn das für die Supervisand*innen einen Gewinn darstellt.

3          Spezifische Themen der Supervision in der Seelsorge

3.1       Vielfalt der pastoralen Arbeitsfelder

Die Kirchen sind nach dem öffentlichen Dienst die zweitgrößten deutschen Arbeitgeber. Bei dieser Rechnung werden die Arbeitsplätze in Caritas und Diakonie mitgezählt, die den bei weitem größten Teil der Arbeitsplätze ausmachen. In diesem Bereich findet sehr viel Supervision statt, sei das für Pflegekräfte, kirchliche Sozialarbeiter*innen oder Erzieher*innen, Heilerziehungspfleger*innen, Krankenhauspersonal oder Führungskräfte der verschiedenen karitativen Einrichtungen.

Hier dagegen ist von den kirchlichen Arbeitsfeldern die Rede, die sich mit den Aufgaben der gottesdienstlichen Feier, der Seelsorge, der Religionspädagogik und der Gemeindeleitung befassen, zusammengefasst: mit der Pflege, der Gestaltung und der Weitergabe religiöser Rituale, Inhalte und Traditionen oder theologisch gesprochen: mit der Kommunikation des Evangeliums. Das sind die Aufgaben von Pfarrer*innen, Priestern, Pastoralreferent*innen, Religionspädagog*innen und Gemeindediakon*innen. Sie alle haben ein theologisches Studium entweder an einer Universität oder an einer (kirchlichen) Hochschule absolviert. Sie finden später Arbeitsplätze in den örtlichen Kirchengemeinden, den Feldern der »Spezialseelsorge« (Telefon-, Notfall-, Hochschul-, Krankenhaus-, Militär-, Gefängnis-, Altenheimseelsorge), als kirchliche Lehrkräfte in Schulen oder z. B. in der Erwachsenenbildung, Jugendarbeit oder kirchlicher Projektarbeit (bspw. Arbeit mit Obdachlosen oder Menschen, die auf Hartz IV angewiesen sind).

Diese so genannten »pastoralen« Arbeitsfelder bringen einige spezielle Themen und Herausforderungen in die Supervision. Das Wort »pastoral« ist allerdings missverstanden, wenn es verstanden wird als »ausschließlich die Gruppe der Pastorinnen und Pastoren betreffend«. Es geht stattdessen um die beruflichen Themen aller »in der Pastoral« (katholische Nomenklatur) oder in Pfarrämtern und Gemeinden (evangelische Nomenklatur) Arbeitenden.

3.2       Dynamiken zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen

Neben den hauptamtlichen Mitarbeitenden sind es vor allem Ehrenamtliche, die in den Kirchengemeinden arbeiten und die in der Regel in der Mehrzahl sind. Pastorale Arbeit ist ohne Ehrenamtliche nur möglich, wo es um Aufgaben geht, die von einer oder sehr wenigen Personen erledigt werden können, was für das Gros der derzeitigen Gemeindearbeit nicht zutrifft. Besonders die Gemeindeleitung liegt in den Händen von Ehrenamtlichen, in deren Leitungsgruppe (genannt Kirchengemeinderat, Presbyterium, Ältestenkreis, Pfarrgemeinderat o.ä.) der*die Pfarrer*in wie alle anderen nur eine Stimme hat, in katholischen Gemeinden hat der leitende Geistliche zusätzlich noch ein Vetorecht.

Die Veranstaltung von gottesdienstlichen Feiern, deren Vorbereitung und Durchführung, die Seelsorge, die Jugend- und Erwachsenenarbeit (offene Jugendarbeit, Gruppenarbeit, Freizeiten, Bildungsangebote etc.) und alle Angebote und Veranstaltungen der Vereinskirche (Gruppen und Kreise in Frauenarbeit, Männerarbeit, Senior*innenarbeit etc.) sind durchgängig auf das Engagement der Ehrenamtlichen angewiesen.

Von daher sind die Zusammenarbeit der Haupt- und Ehrenamtlichen, die Kommunikation untereinander, die wechselseitigen Abhängigkeiten, die gegenseitige Wert- oder Nichtwertschätzung und das Konfliktmanagement zwischen den Haupt- und Ehrenamtlichen Dauerthemen der Supervision in den pastoralen Arbeitsfeldern. Gemeindearbeit ist in allererster Linie Beziehungsarbeit und hierbei steht die Beziehung der Hauptamtlichen zu den sich ehrenamtlich Engagierenden im Vordergrund.

Die Frage, ob sich die Supervision für Ehrenamtliche von der Supervision für Hauptamtliche tatsächlich unterscheidet, ist nicht abschließend geklärt, allerdings haben in den letzten Jahren Veröffentlichungen zur Supervision für das Ehrenamt zugenommen. Auf der einen Seite beschreiben sie, dass professionell dort nicht anders gearbeitet wird als mit Hauptberuflichen, auf der anderen Seite nennen sie bestimmte Dynamiken oder Spannungsfelder, die so nur für das Ehrenamt gelten (DGSv, 2011). Es finden sich auch Veröffentlichungen, die eine besondere Form der Supervision als besonders geeignet für bestimmte Ehrenamtlichen-Gruppen beschreiben (z. B. Seibert, 2017). Schreyögg weist darauf hin, dass die Supervision Ehrenamtlicher am Anfang des 20. Jahrhunderts der Ort der Entstehung supervisorischer Arbeit war. Die Supervision Ehrenamtlicher ist also nicht nachträglich hinzugekommen, nachdem sie bei den Professionals etabliert war, sondern genau umgekehrt. Im sozialen Dienstleistungsbereich sollten ursprünglich »ehrenamtliche Mitarbeiterinnen (…) durch Supervision auf ihren Einsatz bei Menschen, die Unterstützung brauchten, vorbereitet werden« (Schreyögg, 2010, S. 391). Leitende Ehrenamtliche können inzwischen in vielen Kirchen supervisorische Beratung mit finanzieller Unterstützung der Kirche in Anspruch nehmen.

In der pastoralen Arbeit entstehen spezielle Dynamiken zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen, die häufige Themen der Supervision der Hauptamtlichen sind:

•  Die Spannung zwischen den Bedürfnissen der Organisation und den Ideen und Begabungen der Ehrenamtlichen: Ein Kirchenältester hatte sich z. B. vielleicht wählen lassen, um neue Projekte im Gemeindeleben zu initiieren und den Gemeindeaufbau zu fördern, er muss sich aber stattdessen dauernd mit Bausachen beschäftigen und wird regelmäßig zum Kirchendienst eingeteilt, weil die Gemeinde keine*n Kirchendiener*in mehr finanzieren kann.

•  Die Spannung zwischen traditionell der Kirche als Institution verpflichteten und gebundenen Haupt- und Ehrenamtlichen mit ihrer Vorstellung von Langfristigkeit, Treue und persönlicher Bindung und den »neuen Ehrenamtlichen«, denjenigen, die projektorientiert, vom Thema kurzfristig angesprochen eine Zeitlang mitarbeiten wollen: Hier gibt es verschiedene Vorstellungen und oft Konflikte sowohl zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen als auch innerhalb der beiden Gruppen.

•  Die Spannung zwischen extrinsischer und intrinsischer Motivation: Da die Bezahlung als extrinsische Motivation wegfällt, erwarten Ehrenamtliche nicht nur zu Recht Wertschätzung und Gestaltungsmacht als extrinsische Motivation, sondern mitunter auch eine hohe persönliche Bindung an die wenigen hauptamtlichen Personen, die diese nicht immer leisten wollen oder können und die oft gleichzeitig davon ausgehen, dass die intrinsische Motivation des Glaubens für die ehrenamtliche Mitarbeit in der Kirche doch ausreichen müsste.

•  Spannungen zwischen professionellen und eher familiären, gemeinschaftsorientierten Arbeitsweisen: Hauptamtliche sind verpflichtet, sich an formale Strukturen zu halten und wollen, dass die Ehrenamtlichen das auch tun. Ehrenamtliche fühlen sich dazu jedoch nicht immer verpflichtet, vor allem dann nicht, wenn diese Auswirkung auf ihr lokales Ansehen am Wohnort haben könnten. So hat z. B. immer das gesamte Leitungsgremium der Gemeinde die Vorgesetztenfunktion für Angestellte der Kirchengemeinde, unbequeme Dinge wie Arbeitgeberpflichten scheinen aber im Konfliktfall doch häufig Sache der Hauptamtlichen zu sein, bspw. Arbeitsaufsicht, Abmahnungen oder gar Kündigungen. Schreyögg weist darauf hin, dass die Bereitschaft, sich in die formalen Strukturen zu integrieren, stark davon abhängt, wieviel Befriedigung die ehrenamtliche Betätigung garantiert (Schreyögg, 2010, S. 144).