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In unzähligen Gesprächen mit Eltern, Schülern und Lehrern der unterschiedlichsten Schultypen hat der Autor über zwei Jahrzehnte lang die Probleme des österreichischen Schulsystems mit allen halbherzigen Reformversuchen der letzten Zeit analysiert. Parteipolitiker, Gutmenschen und selbsternannte Bildungsexperten haben viel zu lange die Richtung unserer Schulentwicklung vorgegeben. Die wahren Experten - die Eltern, die Schüler und die Lehrer - wurden dagegen kaum gehört. Ein sehr persönliches aber kompetentes Buch, das aufzeigt, was sich in unserer Gesellschaft alles ändern müsste, damit endlich wirksame Reformen im "System Schule" eingeleitet werden könnten.
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Seitenzahl: 207
Veröffentlichungsjahr: 2015
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Ich danke allen, die durch die Weitergabe ihrer persönlichen Erfahrungen mit dem österreichischen Schulsystem an mich dieses Buch erst möglich gemacht haben.
Der Autor
Eisenstadt, im Oktober 2015
Mehr als ein Vorwort
Die Lehrer – lauter faules Gesindel - oder doch nicht?
Eltern und Kinder – was hat denn das mit dem Schulsystem zu tun?
Die Medien und die Politik – die unheilige Allianz?
Zu viel an Kommunikation – zu wenig an Information?
Das Ministerium und seine Reformen – Unglück oder Unfähigkeit?
Die Lehrergewerkschaft – die graue Eminenz im Hintergrund?
AHS gegen BHS und AHS gegen NMS – Krieg der Welten?
Die Lehre - Ausbildung statt Bildung?
Ausblick
Ich habe dieses Buch aus drei Gründen geschrieben. Zum Ersten ist es meine ganz persönliche Therapie, den Ärger abzubauen, der sich in meiner jahrelangen Tätigkeit im österreichischen Schulsystem angesammelt hat. Frei nach Cervantes: wer den Kampf gegen die Windmühlen nicht gewinnen konnte, der soll zumindest etwas davon erzählen. So gesehen ist dieses Buch sicher ein sehr persönliches.
Zum Zweiten möchte ich diejenigen informieren, die das System Schule nur als Außenstehende erleben und darauf angewiesen sind, das zu glauben, was da täglich in den Medien als „Wahrheit“ transportiert wird. Da werden viel zu oft Aussagen von Politikern und „Experten“ ungeprüft übernommen und weitergegeben.
Es ist ja erstaunlich, mit welcher Selbstsicherheit manche „Bildungsexperten“ ihre Theorien verbreiten, ohne dass sie selbst jemals in einer Klasse gestanden sind. Psychologen, Journalisten, Politiker, Juristen – sie alle wissen offensichtlich ganz genau, was unsere Lehrer in den Klassen alles falsch machen.
Um aber eines gleich vorweg klarzustellen: das ist kein Buch zur Verteidigung der armen Lehrer – es gibt auch in diesem Stand genug schwarze Schafe. Manche meiner Ex-Kolleginnen und Kollegen werden mich nach der Lektüre dieses Buches vielleicht nicht mehr grüßen …
Es ist mir in den letzten Jahren auch bewusst geworden, wie wenig die verschiedenen Lehrergruppen, wie etwa Volksschullehrer und beamtete AHS-Bundeslehrer vom Alltag und von den Problemen „der Anderen“ wissen. Wenn man etwa vom „Lehrerdienstrecht“ spricht, muss man in Österreich ja zumindest drei verschiedene umfangreiche Gesetzessammlungen betrachten. Kein Wunder, dass es da schon innerhalb der Lehrerschaft Kommunikationsprobleme gibt.
Vielleicht bringt dieses Buch auch mehr Verständnis für die „anderen“ Lehrer.
Der dritte Grund für das Schreiben dieses Buches war, dass bei den Diskussionen um notwendige Reformen im Schulbereich ein wesentlicher Faktor meiner Meinung nach viel zu wenig berücksichtigt wurde: die radikale Veränderung und Digitalisierung unserer Gesellschaft in den letzten drei Jahrzehnten.
Reformen ohne Berücksichtigung der komplexen Wechselwirkungen zwischen Schule und Gesellschaft sind aber von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Die Schule ist kein abgeschlossenes Ökosystem, das man unabhängig vom Rest der Welt betrachten und mit dem man beliebig herumexperimentieren kann. Gerade das wird aber in den letzten Jahren immer wieder versucht.
Ich habe mich trotz der vielen verarbeiteten persönlichen Erfahrungen bemüht, ein möglichst sachliches Buch zu schreiben. Es soll vor allem deutlich machen, welche Wurzeln der Reformstau in unserem Bildungssystem eigentlich hat.
Alle konkreten Fälle, die ich hier beispielhaft schildere, habe ich entweder persönlich erlebt oder aus zuverlässigen, mir persönlich bekannten Quellen. Es handelt sich also nicht um Verschwörungstheorien. Es ist manchmal wirklich so schlimm…
Als langjähriger kritischer Beobachter unseres Schulsystems befürchte ich, dass die in letzter Zeit gestarteten Reformen – von der Gesamtschule über die Zentralmatura bis hin zum „neuen“ Lehrerdienstrecht – nicht das bringen werden, was eigentlich notwendig wäre.
In typisch österreichischer Manier werden derzeit wieder halbherzige und parteipolitisch gesteuerte Miniaturreformen in Angriff genommen. Eine wirksame Verbesserung unseres Bildungssystems könnte aber nur Hand in Hand mit tiefgreifenden politischen und gesellschaftlichen Änderungen erreicht werden. Vielleicht kann dieses Buch einige Denkanstöße dazu liefern.
Anstatt eines Quellenverzeichnisses …
In einem Zeitalter, in dem sowieso über 80 Prozent der Sachbuchveröffentlichungen durch „Copy & Paste“ entstehen, verzichte ich bewusst auf ein Quellenverzeichnis im Anhang.
Erstens erhebt dieses Buch nicht den Anspruch, ein wissenschaftliches Werk zu sein, und zweitens sind hier vor allem persönliche Erfahrungen und Eindrücke niedergeschrieben.
Deswegen erlaube ich mir auch, in der erzählenden „Ich-Form“ zu schreiben.
Vielleicht noch einige Details zu den Quellen: ich selbst bin erst mit 36 Jahren aus der Industrie über die Erwachsenenbildung in das berufsbildende Schulwesen gekommen. Meine Schwester unterrichtet an einer steirischen Volksschule, mein Schwager an einer Neuen Mittelschule, einer meiner Söhne ist AHS-Lehrer an einem Wiener Gymnasium und eine Schwägerin von mir unterrichtet an einer landwirtschaftlichen Fachschule. Einer meiner engsten Freunde war bis zu seinem Tod Landesschulinspektor im AHS-Bereich und ein befreundeter Ex-Kollege ist seit Jahren als Spitzenfunktionär in der Personalvertretung der Lehrer tätig.
So gesehen habe ich sehr viele Informationen aus den unterschiedlichsten schulischen Bereichen aus erster Hand bekommen und hier verarbeiten können.
Einige von ihnen haben wahrscheinlich schon öfter Publikationen zu Bildungsthemen gelesen, in denen immer wieder dieselben Worthülsen, dieselben zitierten Studien und viel zu viele abgehobene theoretische Begriffe aufgetaucht sind. Noch ein weiteres Buch dieser Art sollte das hier nie werden.
Thema Political Correctness
Etwas vorweg, das mir auch sehr wichtig ist: ich habe bewusst darauf verzichtet, meinen Text konsequent zu gendern. Wenn von „Schülern“ oder „Lehrern“ geschrieben wird, dann sind zumeist - aus dem Kontext ersichtlich – auch die „Schülerinnen“ und „Lehrerinnen“ damit gemeint. Ich hoffe, meine Leserinnen können mir das verzeihen.
Ich kann ihnen nur versichern, dass der Grund dafür im rein sprachlichen Bereich liegt. „Vorschriftsmäßig“ gegenderte Publikationen habe ich schon einige Male genervt aus der Hand gelegt, weil sie für mich einfach nicht mehr flüssig lesbar waren und die Ästhetik der deutschen Sprache für mein Sprachgefühl empfindlich beeinträchtigt wurde.
Ich habe mit Frauen in unserem Bildungssystem – auch in leitenden Funktionen – sehr gute Erfahrungen gemacht und ich möchte nicht, dass hier ein anderer Eindruck entsteht.
Auch wenn in diesem Buch nur kurz von den „Eltern“ geschrieben wird, sind normalerweise (und falls nicht explizit unterschieden), genauso alle Erziehungsberechtigten, alle alleinerziehenden Mütter und Väter, alle gleichgeschlechtlichen Ehe- und Lebensabschnittspartner und was es heute sonst noch alles gibt, gemeint.
Political Correctness kann für einen Autor ansonsten recht mühselig werden …
Dieses Kapitel steht nicht zufällig an erster Stelle. Wenn über die Schule diskutiert wird, stehen die Lehrer immer als erste im Rampenlicht und müssen auch von allen Seiten sofort Kritik einstecken.
Durch viele unsachliche und den Neid schürende Berichte in den Boulevardmedien wird einer außenstehenden Person leicht der Eindruck vermittelt, die Lehrer seien eigentlich alle überbezahlte Faulenzer.
Wer kennt nicht die Schlagzeile „Die Lehrer sollen mehr arbeiten!“.
Wer hat noch nicht in seiner Kaffeehausrunde diese Sprüche gehört:
„Ein Lehrer mit Burn-Out? Ha ha ha …“ oder
„Es gibt ja zwei Gründe, wieso jemand Lehrer wird - Juli und August!“
Vor allem die langen Ferien und die scheinbar kürzere Arbeitszeit werden ja immer wieder gerade von jenen Menschen für Neiddebatten herausgepickt, die sich kaum jemals mit dem detaillierten Berufsbild und den Randbedingungen des Lehrerdaseins beschäftigt haben.
Und negative Erfahrungen mit einem einzigen Lehrer werden da in Internetforen und Blogs von solchen Menschen oft gleich auf eine ganze Berufsgruppe projiziert. Wenn dann schließlich noch ein Wiener Bürgermeister mit einem saudummen Kommentar zu diesem Thema in Vorwahlkampfzeiten noch einige Stimmen fangen möchte, macht mich das echt zornig. Das haben die meisten unserer Lehrerinnen und Lehrer einfach nicht verdient.
Bei so einer Trendmache ist es eigentlich verwunderlich, dass die Lehrer bei direkten Umfragen unter Eltern und Schülern meist deutlich besser wegkommen, als es dem medialen Bild entspricht. Bei einer Bewertung nach dem Schulnotensystem liegt der Großteil doch zwischen „Gut“ und „Befriedigend“.
Analysiert man die Wochenarbeitszeit eines Lehrers wirklich einmal objektiv, stößt man aber auf das Phänomen, dass sich individuell derartig gravierende Unterschiede ergeben, wie sie sonst wohl bei keiner anderen Berufsgruppe zu finden sind.
Hier von einer halbwegs gleichen „Normalarbeitszeit“ aller Lehrer zu sprechen, geht eindeutig an der Realität vorbei.
Es gibt tatsächlich Lehrer, die beim „Normalgehalt“ nicht mehr als 25 Stunden in der Woche für die Schule arbeiten. Die sind aber eindeutig in der Minderzahl. Gerade diese werden aber in manchen Medien gerne als der Normalfall präsentiert.
Es gibt aber genauso diejenigen Lehrerinnen und Lehrer, die bei gleichem Gehalt 40 und mehr Stunden in der Woche für die Schule tätig sind.
Wir haben also derzeit im Schulbereich ein Entlohnungssystem, das absolut nicht leistungsgerecht ist und damit keinerlei finanziellen Anreiz für bessere Leistungen oder Mehrarbeit bietet. Selbst die Aufteilung der sogenannten „Mehrdienstleistungen“, d.h. etwaiger zur Verfügung stehender Überstunden für Pädagogen, kann vom Direktor nicht nach leistungsorientierten Gesichtspunkten vorgenommen werden.
Hier wird einerseits vom Landesschulrat und andererseits von der Personalvertretung immer wieder „steuernd“ d.h. möglichst nivellierend eingegriffen.
Das heißt, ein Lehrer, der mehr Unterrichtsstunden halten möchte, darf das in Österreich oft gar nicht!
Dazu kommt noch das derzeitige Dienstrecht für Vertragslehrer und Beamte, das es einem Direktor sehr schwierig macht, sich von einem faulen oder ungeeigneten Lehrer zu trennen. Die Entscheidung dazu fällt ja nicht der Direktor selbst, sondern wird noch immer im Landesschulrat bzw. Stadtschulrat getroffen. Doch dazu an anderer Stelle mehr.
Was sind überhaupt „gute“ und was „schlechte“ Lehrer? Das ist sicher eine Frage, die nicht so einfach zu beantworten ist. Sie ist aber von zentraler Bedeutung für die Ausbildung künftiger Lehrergenerationen und ich möchte zumindest einen Versuch machen, sie hier zu beantworten.
Damit Hand in Hand geht wohl die Frage, wie viele von jeder Sorte Lehrer es derzeit eigentlich gibt.
Auch zu diesem Prozentsatz soll in einer – natürlich sehr persönlichen Einschätzung – zumindest eine Diskussionsgrundlage geliefert werden.
Die „guten“ Lehrer (25%)
Ihre Kennzeichen:
Sie sind überdurchschnittlich engagiert, haben Freude am Beruf, geben dies auch im Unterricht weiter, loben häufig und kritisieren selten, bereiten sich gewissenhaft vor und machen freiwillig bei vielen Schulaktivitäten mit. Sie können den Großteil ihrer Schüler motivieren und einige sogar begeistern. Sie gestalten selbst immer wieder neue Unterrichtsmittel (die dann gerne von anderen Kolleginnen und Kollegen verwendet werden).
Sie korrigieren Hausübungen, Tests und Schularbeiten gewissenhaft. Sie arbeiten bei einer Unterrichtstätigkeit von etwa 20 „gehaltenen“ Stunden in der Regel bis zu vierzig und mehr Stunden in der Woche für die Schule. Sie fordern von den Schülern Leistung ein und anerkennen deren Bemühungen, auch wenn sie nicht zu Spitzenleistungen führen. Damit geben sie auch schwächeren Schülern Selbstvertrauen.
Sie sind die eigentlichen Träger unseres Schulsystems und sorgen dafür, dass der Karren überhaupt noch läuft. Wenn es nicht so böse wäre, könnte man sie glatt als die „Lastesel“ unseres Systems bezeichnen.
Das sind mit Sicherheit auch diejenigen Lehrer, die Jahre später noch die besten Kritiken von ihren Ex-Schülern bekommen.
Die „durchschnittlichen“ Lehrer (50%)
Ihre Kennzeichen:
Sie machen „Dienst nach Vorschrift“, und bemühen sich dabei, den persönlichen Zeitaufwand auf das Notwendige zu beschränken. An Unterrichtsmitteln wird – wenn möglich - das verwendet, was man schon seit Jahren kennt oder was Kolleginnen und Kollegen schon gut vorbereitet haben. Hausübungen, Tests und Mitarbeitskontrollen und Prüfungen werden zwar gesetzeskonform durchgeführt und nach der Leistungsbeurteilungsverordnung benotet.
Sie sind aber nicht immer fähig oder willens, wirkliche Begeisterung für ihr Fachgebiet zu wecken.
Bei Schulveranstaltungen machen sie zwar als Begleitlehrer oder Betreuer mit, es kommen aber eher selten eigene Impulse oder freiwillige Meldungen.
In der Gruppe der Lehrer in der Sekundarstufe (für die Zehn- bis Neunzehnjährigen) ist die tatsächliche Wochenarbeitszeit bei den „durchschnittlichen“ Lehrern am stärksten gegenstandsabhängig. Lehrer in betreuungsintensiven Gegenständen wie Deutsch, Mathematik, Englisch, usw. kommen auch in dieser Gruppe durchaus auch auf eine Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche. Bei vielen anderen Gegenständen liegt die wöchentliche Arbeitszeit nach meinen Beobachtungen aber doch deutlich unter diesem Wert, obwohl das von Personalvertretern und der Gewerkschaft in der Öffentlichkeit immer heftig bestritten wird.
Ich möchte nochmals klarstellen, dass es sich deswegen nicht unbedingt um wirklich schlechte Lehrer handelt – viele der Unterschiede in der Arbeitszeit sind einfach gegenstandsbedingt.
Dass für diesen Ausgleich in den höheren Schulen auch im neuen Lehrerdienstrecht lediglich maximal 4 Wochenstunden vorgesehen sind, geht eindeutig an der Realität vorbei!
In dieser Gruppe der „Durchschnittlichen“ sind oft auch Lehrerinnen und Lehrer zu finden, die am Anfang ihrer Dienstzeit mit großem persönlichem Einsatz engagiert waren, aber im Laufe der Jahre vom System so mürbe gemacht und desillusioniert wurden, dass sie deswegen jetzt auch nur mehr „Dienst nach Vorschrift“ machen.
Die „schlechten“ Lehrer (25%)
Ihre Kennzeichen:
Ihre Schüler interessieren sie eigentlich nicht. Sie motivieren und fördern nicht. Sie machen im Unterricht oft nicht einmal das geforderte Minimum. Sie geben z.B. Hausübungen, ohne sie jemals zu korrigieren. Sie verwenden meist nur bereits vorhandene, oft auch fremde Unterlagen und Hilfsmittel im Unterricht. Sie versuchen sich bewusst vor Supplierstunden und ergänzenden Aktivitäten wie Wandertagen oder Projektwochen zu drücken.
Erstaunlicherweise sind das oft gleichzeitig diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die nach Abschluss eines Projekts immer ganz genau wissen, wie es besser gegangen wäre …
Es ist auch typisch für die Angehörigen dieser Gruppe, dass sie sich oft selbst für ganz brauchbare Lehrer halten.
Um Probleme oder Mehrarbeit zu vermeiden, spielen sie in der Klasse manchmal die „Kumpelrolle“, fordern zu wenig an Leistung oder schenken sogar bewusst Noten her. Schüler fühlen sich bei ihnen trotzdem oft ungerecht beurteilt. Einige dieser Lehrer verhalten sich respektlos oder gar beleidigend und demotivieren auch dadurch ihre Schüler.
Manchmal sind solche Lehrer auch mit ihren eigenen Problemen stark belastet und sind schon deswegen für den Lehrberuf ungeeignet.
Bei einer Unterrichtstätigkeit von bis zu 24 „gehaltenen“ Unterrichtseinheiten (je nach Gegenstand) kommen sie selten auf eine Wochenarbeitszeit, die wesentlich darüber liegt.
Fazit: wenn in der Öffentlichkeit immer wieder gefordert wird, dass „alle Lehrer mehr arbeiten sollen“, dann geht das eindeutig an der wirklichen Problematik vorbei. Das soll hier auch einmal gesagt werden.
Übrigens: ob ein Lehrer gut oder schlecht arbeitet, können in erster Linie Schüler (ab der Sekundarstufe), Eltern, Lehrerkollegen und nach den entsprechenden Evaluierungen auch die unmittelbaren Vorgesetzten beurteilen – aber sicher nicht eine Person der sogenannten „Schulaufsicht“ (z.B. ein Schulinspektor), die den Lehrer vielleicht einmal im Unterricht besucht hat.
Die oben aufgezählten Probleme löst man nicht dadurch, dass man in einer „österreichischen“ Lösung generell allen Lehrern mehr Unterrichts- oder Betreuungsstunden verordnet.
Dass der Aufschrei der Lehrergewerkschaft beim Thema „Erhöhung der Wochenarbeitszeit“ besonders laut ausfällt, verwundert aber nicht. Fordern Sie einmal von irgendeiner anderen Berufsgruppe z.B. den Eisenbahnern, den Ärzten oder den Bankangestellten, sie sollen um dasselbe Gehalt um zwanzig Prozent länger arbeiten. Da wäre ja wohl auch Feuer am Dach…
Interessant in diesem Zusammenhang ist ein Vergleich der öffentlichen Reaktionen, wenn verschiedene Berufsgruppen arbeitsrechtliche Korrekturen fordern. Beobachten sie einmal, wie die Medien reagieren, wenn z.B. die Ärzte höhere Grundgehälter fordern und zu diesem Zweck streiken. Keine Wortmeldungen wie „das geht gegen die Patienten“ obwohl deswegen sogar Operationen verschoben wurden.
Bei einem Lehrerstreik käme da wohl wie das Amen im Gebet die passende Schlagzeile in der „Krone“: Lehrer streiken auf Kosten unserer Kinder!
Dagegen keine bösen Kommentare, wenn auf die Forderung, auch Ärzte müssten kontrolliert werden, die Ärztekammer sich mit fadenscheinigen Argumenten vehement dagegen wehrt. Und vollstes mediales Verständnis, wenn da 20 Prozent mehr Grundgehalt gefordert wird – übrigens mit dem recht einfachen Argument „nach der Arbeitszeitreform verdienen wir zu wenig“.
Und wenn jetzt jemand behauptet, Ärzte und Lehrer könnte man überhaupt nicht miteinander vergleichen, dann muss ich ihm in einigen Details sogar zustimmen. Die Burnout-Rate ist zum Beispiel bei den Lehrern schon höher als bei den Ärzten …
Aber das soll jetzt nicht in einen Feldzug gegen andere Berufsgruppen ausarten. Ich hätte nur gerne, dass auch der Berufsgruppe der Lehrerinnen und Lehrer in den Boulevardmedien eine gleichwertige Berichterstattung zuteil wird…
Zurück zur Arbeitszeit der Lehrer. Eine Unterrichtseinheit dauert derzeit üblicherweise noch 50 Minuten und keine volle Stunde. Die Pausen zwischen den Stunden sind normalerweise gerade ausreichend für Zusammenräumen, Klassenwechsel und Auspacken und haben mit geschenkter Zeit aber rein gar nichts zu tun. Ein schneller Kaffee oder eine Zigarette gehen sich höchstens einmal pro Halbtag aus. Viele Angehörige anderer Berufsgruppen würden da wohl schon ordentlich meckern…
Die Auffassung, dass eine Blockung von Stunden für bestimmte Gegenstände sinnvoll ist, wird von mir durchaus geteilt. Bei Tätigkeiten, die hohe Konzentration bei Lehrern und Schülern verlangen, wie z.B. beim Mathematikunterricht, sollte diese Blockung aber maximal zwei bis drei Stunden betragen, weil sie sonst kontraproduktiv wirkt. Die 50-Minuten-Stunde hat ja durchaus auch ihre Vorteile, obwohl sie von manchen „Experten“ derzeit geradezu verteufelt wird. Ein rechtzeitiger Themen- und Lehrerwechsel kann den Schülern in einer höheren Schule schon dabei helfen, einen langen Unterrichtstag durchzustehen. Auch bei unseren Jüngsten verhindern rechtzeitige Themenwechsel das „Abschalten“.
Die Unterrichtseinheit bzw. einen „Stundenraster“ generell zu verurteilen, ist unsinnig. Würde die Unterrichtszeit ohne Strukturierung völlig frei gestaltet werden können, so wie es manchmal gefordert wird, wäre die Organisation einer größeren Schule praktisch unmöglich. So etwas wird ja meist von Menschen gefordert, die denken, man könne eine große Schule mit den bei uns üblichen personellen und räumlichen Problemen genauso führen wie eine Waldorf - Kindergartengruppe …
Die Norm-Lehrverpflichtung für Lehrer an AHS und BHS betrug früher 20 „Werteinheiten“ (und nicht Stunden oder Unterrichtseinheiten), nach dem neuen Dienstrecht sind es 20 bis 24 gehaltene Unterrichts- oder Betreuungseinheiten.
Früher musste ein Sport- oder Werkerziehungslehrer in der Oberstufe zur Erfüllung seiner Lehrverpflichtung etwa 23 oder mehr Unterrichtseinheiten halten, ein Deutsch- oder Englischlehrer etwa 18.
Diese Einteilung der verschiedenen Gegenstände in die so genannten „Lehrverpflichtungsgruppen“ hat nach wie vor den Sinn, die Mehrbelastung durch Vor- und Nachbereitung z.B. in Schularbeitsgegenständen auszugleichen – sie spiegelt aber leider überhaupt nicht die tatsächlichen Verhältnisse wieder, wie schon oben im Detail ausgeführt wurde.
Daher sind auch mit dem neuen Lehrerdienstrecht viele Kenner unseres Schulsystems absolut unzufrieden, weil damit diese zwei Kernprobleme weiterhin ungelöst bleiben:
völlig unterschiedliche Leistungen werden gleich bezahlt, und
schlechte Lehrer werden durch das System geschützt.
Der letzte Punkt hat vor allem damit zu tun, dass trotz der vielzitierten Schulautonomie die Direktoren noch immer nicht eigenverantwortlich entscheiden können, mit welchen Lehrern sie arbeiten möchten, und mit welchen nicht.
Die Dienstverträge werden ja noch immer von den Landesschulräten (bzw. vom Stadtschulrat in Wien) ausgestellt bzw. gekündigt.
Wobei eine Kündigung eigentlich eine absolute Seltenheit darstellt. Die Juristen des Landesschulrates vermeiden in der Regel Konflikte vor einem Arbeitsgericht, daher wählen sie oft den für sie bequemeren Weg: ein ungeeigneter Lehrer wird dann lediglich von einer Schule in eine andere versetzt …
Die Entscheidung darüber, wer eingestellt, bzw. wer gekündigt wird, liegt also noch immer nicht beim Direktor einer Schule, sondern sie wird im Landesschulrat von Personen getroffen, die den betreffenden Lehrer oft nicht einmal persönlich kennen.
Auch die wiederholt vom Ministerium vollmundig angekündigte „neue Variante“ bringt den Direktoren keine echte Autonomie. Es ist wieder einmal nur ein Etikettenschwindel geworden, bei dem auch in Zukunft die endgültige Entscheidung bei einer Anstellung noch bei den Landesschulräten bzw. dem Stadtschulrat liegen wird. Anders würden ohne zusätzliche flankierende Maßnahmen die „schwierigen Schulen“ wohl auch nicht genug Lehrer bekommen. Den Schulen echte personelle Autonomie zu geben ohne die Randbedingungen gravierend zu verändern, wird so nicht funktionieren.
Begleitend dazu müssten selbstverständlich auch die Direktoren basisdemokratisch gewählt werden, es müsste zusätzliche finanzielle Anreize geben, in „schwierigen Schulen“ zu unterrichten und besonders engagierte Lehrer müssten auch mehr verdienen als der Durchschnitt.
Außerdem wissen Kenner des österreichischen Systems, dass sich die Landesschulräte das politische Machtinstrument der Postenvergabe wohl nicht so ohne weiteres aus der Hand nehmen lassen werden. Dazu später mehr.
Problemlehrer, denen eine Kündigung droht, suchen oft Hilfe bei der Personalvertretung bzw. bei der Gewerkschaft.
Vorweg: ich halte beide Einrichtungen für wichtig. Sie sind als Interessensvertretung aller Lehrerinnen und Lehrer gegenüber dem Dienstgeber unverzichtbar – so wie in anderen Berufsgruppen auch.
Ich verstehe nur manche Personalvertreter nicht, die mit allen Mitteln versuchen, offensichtlich ungeeignete Kolleginnen und Kollegen zu „retten“, meist natürlich über irgendeine parteipolitische Schiene, um ja nicht einen Wähler zu verlieren. Man tut aber weder den Schülerinnen und Schülern, noch der Mehrheit der ordentlich arbeitenden Kolleginnen und Kollegen einen guten Dienst damit.
Die Anstellungspraxis in den höheren Schulen sieht derzeit noch so aus, dass Neulehrer zumindest für ein Schuljahr einen befristeten Vertrag bekommen, wo das Dienstverhältnis dann von beiden Seiten relativ leicht – durch Nichtverlängerung – gelöst werden kann. Nach spätestens 5 Jahren durchgehender Beschäftigung müsste dann der befristete (d.h. jährlich neu anzusuchende) Vertrag durch den Landesschulrat in einen unbefristeten umgewandelt werden. Aber selbst wenn ein Direktor innerhalb der ersten fünf Jahre erkennt, dass er einen ungeeigneten Lehrer an der Schule hat, hat er kaum Chancen diesen los zu werden, weil ja letztendlich noch immer der Landesschulrat bzw. Stadtschulrat in letzter Instanz über die Vertragsverlängerung entscheidet.
Und bevor es Probleme im Land mit zu wenigen Lehrern gibt, werden im Zweifelsfall halt auch weniger geeignete weiterbeschäftigt. Den „schwarzen Peter“ haben damit wieder die Schulen, ohne sich wirklich dagegen wehren zu können. Ohne echte und umfassende Schulautonomie wird sich da in Zukunft kaum etwas ändern.
Für alle Beteiligten am besten wäre es ja, wenn für den Lehrberuf ungeeignete Personen gar nicht erst in das System Schule kämen.
Es wurden kürzlich die Weichen für die neue Lehrerausbildung gestellt. Im Grunde genommen geht es dabei im Hintergrund wie so oft im österreichischen Bildungssystem um Parteipolitik, um Machtstrukturen und um Geld.
Dürfen es die bundesfinanzierten UNIs oder die ländernahen Pädagogischen Hochschulen machen?
Derzeit gibt es wieder eine „österreichische“ Lösung – natürlich dürfen es beide machen. In „freiwilligen Kooperationen“, wie immer die auch aussehen mögen.
Wieder einmal eine Lösung nach dem Motto: nur keine Entscheidung treffen, die irgendeinen Wähler verärgern könnte! Und vor allem: kein zusätzliches Geld in die Hand nehmen!
Leider ist dabei wieder völlig untergegangen, dass die Ausbildungsinhalte selbst noch immer dringend reformbedürftig sind. Meiner Meinung nach müsste sich das erste Semester der Lehrerausbildung hauptsächlich damit befassen, zu selektieren, wer für den Lehrberuf geeignet ist und wer nicht.
Stattdessen gibt es derzeit bei einigen Unis einen Aufnahmetest für zukünftige Lehrerinnen und Lehrer, bei dem u.a. überprüft wird, ob man sich schon mit dem Lehrplan beschäftigt hat (!), was natürlich für eine echte Vorselektion absolut ungeeignet ist.
Und man wird übrigens in den meisten Bundesländern derzeit auch genommen, wenn man beim Test durchfällt, weil man ja dringend Neulehrer braucht. Wirklich sehr sinnvoll!
Im berufsbildenden Schulwesen habe ich sehr viele Kolleginnen und Kollegen kennengelernt, die aus der Wirtschaft gekommen sind oder noch dort tätig waren, während sie bereits an unserer Schule unterrichtet haben.
Sie werden von manchen Kollegen geringschätzig „Schmalspurpädagogen“ genannt, weil sie kein Lehramtsstudium absolviert haben.
Meine Erfahrung hat aber gezeigt, dass eine mehrjährige pädagogische Ausbildung noch lange keine Garantie für die Produktion guter Lehrer ist.
Viele dieser „Schmalspurpädagogen“ waren eindeutig bessere Lehrer als manche Kollegin oder mancher Kollege mit „echter“ Lehramtsausbildung.
Was gute Lehrer nämlich wirklich ausmacht ist vor allem ihr Charakter und ihre soziale Kompetenz.
Gute Lehrer mögen ihre Schüler und die Kollegen (zugegeben: nicht immer alle…), sind seelisch ausgeglichen und damit auch in Stresssituationen belastbar. Sie können auch komplexe Inhalte einfach und verständlich vermitteln.
Solange man diese Charaktereigenschaften und Fähigkeiten aber nicht im ersten Studienabschnitt ausgiebig testet und entsprechend selektiert, wird das System nach wie vor auch ungeeignete Lehrer produzieren.
Eine pädagogische Ausbildung kann einige Grundlagen und didaktisch-handwerkliche Tipps vermitteln, die prinzipielle Eignung für eine Lehrtätigkeit aber sicher nicht.
Daher ist auch ein akademischer Abschluss überhaupt kein Garant für eine Eignung. Dass ein Werkstättenlehrer in der Tischlerei oder eine Hauswirtschaftslehrerin unbedingt einen Bachelor- oder gar Master-Abschluss braucht, entzieht sich sowieso meinem Verständnis.
Aber das wurde von der Gewerkschaft sicher nur durchgeboxt, um auch für diese Lehrtätigkeit eine höhere Gehaltsstufe einfordern zu können. Hier haben wir wieder das gleiche typisch österreichische Prinzip: nicht die Leistung eines Lehrers bestimmt sein Gehalt, sondern lediglich sein akademischer Grad und sein Dienstalter.
Noch etwas zum Thema „schulfeste Stelle“ und Pragmatisierung.
Im derzeitigen Lehrer- bzw. Beamtendienstrecht haben wir noch immer die Situation, dass ein Lehrer mit einer „schulfesten Stelle“ auf diese selbst dann noch Anspruch hat, wenn er bis zu 10 Jahre lang (!) in Karenz war! Das ist auch so ein Anachronismus, der in einem modernen Dienstrecht nichts verloren hat. Hier sind wohlgemerkt nicht der Mutterschutz oder eine krankheitsbedingte Abwesenheit gemeint!
Was die Beamten unter den Lehrern betrifft, wird wohl bei der nächsten Verwaltungsreform für alle österreichischen Beamten gemeinsam eine zeitgemässe Lösung gefunden werden müssen.
Dass Lehrer, Polizisten oder Berufssoldaten unbedingt Beamte sein müssen, ist ein Relikt der Monarchie und heutzutage sicher nicht mehr notwendig. Dieser Umstand hat ja dem österreichischen Bundesheer rund 200 Generäle und explodierende Personalkosten beschert. Mit Recht sollten daher die Übernahmen in den Beamtenstatus in allen Berufsgruppen seit 2000 reduziert werden. Im Bundesdienst hat das ja noch so leidlich funktioniert, in einigen Bundeländern dafür überhaupt nicht – da ist die Anzahl der Beamten in den letzten zehn Jahren noch deutlich gestiegen.
Alleine die Unterschiede zur ASVG-Pension haben den Beamten immer wieder Neid und Kritik in der Öffentlichkeit eingebracht – oft allerdings auch ungerechtfertigt. Hier werden noch immer von schlecht informierten Leuten Äpfel mit Birnen verglichen. Dem Vorteil der etwas höheren Bezüge bei der Pensionsregelung der Beamten stehen ja durchaus auch einige Nachteile gegenüber, wie z.B. die höheren Beitragsgrundlagen im aktiven Dienst, keine Abfertigung, späterer Pensionsantritt für Frauen, usw.