Systemische Therapie in Aktion - Jan Bleckwedel - E-Book

Systemische Therapie in Aktion E-Book

Jan Bleckwedel

4,8

Beschreibung

The psychologist Jan Bleckwedel demonstrates how therapists and clients can become active creative partners. He introduces a broad spectrum of systemic action tools and psychodynamic techniques. Numerous case examples show how creative therapeutic processes can best be established with families and couples. A navigation system spanning many different methdological approaches provides the reader with orientation. Many other overviews, lists, and graphs make this book a valuable reference work that encourages both action and reflection.In the theoretical section, the author explains the intensive effect of action methods as part of the concepts and conceptions that play a large role in modern research on newborns, emotions and neurobiology. The complex interaction between emotion, interaction, constellation, field and environment is described in clear and understandable terms. The employment of action methods thus becomes part of the larger context of a multimodal, multidimensional and development-oriented approach.The ideas and concepts contained in this volume were developed over many years of practice and teaching against the background of the various traditions of family therapy and systemic therapy and are open to all therapeutic currents.

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Für Eva, Till, Nele, Meik und Lila

Jan Bleckwedel

Systemische Therapie in Aktion

Kreative Methoden in der Arbeit mit Familien und Paaren

Mit 25 Abbildungen und 26 Tabellen

4. Auflage

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-647-99580-9

© 2015, 2008, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen / www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies gilt auch bei einer entsprechenden Nutzung für Lehr- und Unterrichtszwecke. Printed in Germany. Satz: Satzspiegel, Nörten-Hardenberg Druck und Bindung: Hubert & Co, Göttingen

Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

Inhalt

Einladung zum Lesen

Einsteigen und Querlesen

Was bleibt?

Dank

Einführung: Zwischen Wissenschaft und Kunst, Handwerk und Magie

Aufbruchstimmung

Neue Ideen

Konflikt und Lösung

Jenseits von Richtungen und Methoden

Vielfalt und Passung

Emotionen und Felder

Teil I: Pragmatisch denken – systemisch handeln

I.1. Wie Klienten zu Akteuren werden

Klienten als Gestalter der therapeutischen Situation

Spontanes Handeln und kulturelles Zögern

Der Therapeut, die Therapeutin als Botschaft

Die Freude zu schauen und die Freude sich zu zeigen

Sinnproduktion und Vertrauen in die Methode

Prozessnahe Auftragsklärung

Die Freude, sich zu zeigen, und die Angst vor Beschämung

Therapie als zu schützender Lösungsraum

Achtsamkeit und Selbstreflexion

Gespür für Intimität und Zuschauerfreude

Passend ungewöhnlich intervenieren

Hypothetisieren in Aktion

I.2. Respekt und Entdeckungsfreude

Von der Illusion der Neutralität zum gestaltenden Beobachter

Positionierung und Allparteilichkeit

Respekt für den Dialog

Die Rolle eines Lernenden einnehmen

Systemische Behutsamkeit und beherztes Eingreifen

Respekt für das Befinden im Hier und Jetzt

Sprung zu den Lösungsfantasien

Respekt für Geschichtlichkeit

Respekt für gewachsene Strukturen

Nichtveränderung als Intervention

Respekt und Eigensinn

Personen respektieren und Gewissheiten in Frage stellen

I.3. Kinder und Jugendliche als Ressource

Das Familiensetting als Herausforderung

Das Unbehagen im Familiensetting

Von der Familientherapie zum Elterncoaching und zurück

Die gemeinsame Entwicklung im Fokus

Kontextsensibilität: Klärung von Überweisungskontexten und Auftragslage

Erste gemeinsame Treffen – wie weiter?

Familie als Puzzle aus Bildern

Familie zwischen Ideal und konkreter Lebensgemeinschaft

Handlungsorientierte Methoden in der Arbeit mit Familien

I.4. Fehlerfreundlichkeit und Experimentierfreude

Experimentierfreude als Haltung

Konzentrierte Leichtigkeit

Fehlerfreundlichkeit als Prinzip

Die Bedeutung von Liebe und Spiel für die Entwicklung von Vielfalt

Veränderungsprozesse fehlerfreundlich gestalten

I.5. Begrenzung und Austausch in Familien

Beziehungsfähigkeit und Verletzlichkeit

Grenzen und Austausch

Komplexitätssprung: Die Kernfamilie als ein komplexes System von Subsystemen

Themenraum der Kernfamilie

Problematische Konstellationen und typische Konflikte

Die erweiterte Familie und ihre Themen

Familientherapie als angewandte Fehlerfreundlichkeit

I.6. Verschiedene Wahrheiten – Bezugspunkte therapeutischen Erkennens

Tatsachen

Ideenbildung und Wirklichkeitskonstruktion als zirkulärer Prozess

Wahrheiten über Wahrheiten

Jenseits festgefügter Überzeugungen – vorläufiges Erkennen

Pragmatismus als Denkschule und Haltung

Erkenntnistheoretische Bescheidenheit

Situationserforschung durch Aktion – Phasen vorläufigen Erkennens

Im Garten der Erkenntnis – vier Bereiche vorläufigen Erkennens

Bezugspunkte therapeutischen Erkennens und Handelns

I.7. Vom Widerstand zur pragmatischen Grundregel

Kreativer Umgang mit Widerstandsphänomenen

Grundregeln und Widerstandsphänomene

Auf dem Weg zu einer methodenunabhängigen Grundregel

Eine pragmatische Grundregel

I.8. Navigation und Prozessgestaltung

Unterwegs

Auftragsorientierte Prozessbegleitung

Kreative Prozessgestaltung

Methodenunabhängige Navigation

Orientierung im therapeutischen Arbeitsfeld

Orientierung im therapeutischen Verlauf

Dimensionen der Veränderung

Ordnungsparameter und Bedingungsparameter

Individuelle und gemeinsame Verantwortung

Teil II: Grundlagen des Inszenierens

II.1. Zentrale psychodramatische Techniken in der Arbeit mit Familien und Paaren

Unterteilung in Zuschauerraum und Bühne

Szenenaufbau

Rollenwechsel

Rollentausch

Szenisches Spiel

Szenenwechsel

Szenischer Spiegel

Doppeln

II.2. Rollen und Aufgaben im Prozess des Inszenierens

Phasen, Rollen und Aufgaben im Prozess des Inszenierens

Beobachtung

Dramaturgie

Arrangement

Regie

Regiehilfen (Leitideen für das Regieführen)

II.3. Prozesssteuerung

Ablauf einzelner Treffen

Timing

Freie Wahl zwischen sprachlichem Modus und Aktionsmodus

Fokussierung

Entschlossenes Handeln

Beobachten – Initiativen folgen – aktiv Führen – Beobachten

Komplexität und Einfachheit

II.4. Interaktive Präsenz

Pendeln zwischen Leibachtsamkeit und Kontextsensibilität

Interaktive Präsenz im Kontakt trainieren

Raumgebende Präsenz

Präsenzpflege und Arbeitsfreude

Zirkulierende Aufmerksamkeit

II.5. Vom szenischen Verstehen zum szenischen Gestalten

Therapie mit dramatischen Mitteln

Szenisches Verstehen, Erleben und Gestalten

Schlüsselszenen und generalisierte Plots

Die therapeutische Situation als Szene gestalten

Teil III: Systemische Aktionstools

  Vorbemerkungen

  1. Symbolische Darstellung mit Gegenständen und Figuren

  2. Markierungen im Raum

  3. Aktionstechniken in Kombination mit Symbolen

  4. Interpunktionen und Orte

  5. Entwicklungslinien

  6. Feldarbeit

  7. Positionen und Anordnungen von Personen im Raum

  8. Skalen in Aktion

  9. Rangfolgen in Aktion

10. Ambivalenzfelder

11. Aktionssoziometrie

12. Gestaltung unmittelbarer Szenen

13. Gäste im Rollenwechsel

14. Bilder und Metaphern in Aktion

15. Skulpturen

16. Aufstellungen

17. Rituale

Teil IV: System und Begegnung

IV.1. Auf dem Weg zu einem mehrdimensionalen und entwicklungsorientierten Ansatz: Emotion, Interaktion, Konstellation, Feld und Umgebung

Intuition – die Welt als Zusammenhang

Kreative Kooperation – die Welt als Zusammenspiel

Die Welt als Rhythmus und Schwingung – supramodale Wahrnehmung, Aktivierungskonturen und Vitalitätsaffekte

Die Welt im Kontakt – Aktivierung und Differenzierung diskreter Affekte

Die Welt als Begegnung – Fühlen und Sprechen

Emotionen und Systemstimmungen

Die Welt als gemeinsame Erfindung – Selbstempfinden, Bezogenheit und Koordination

Die Welt als Spielraum – szenisches Erleben und generalisierte Episoden

Die Welt als Lebensraum – soziale Felder

Gestaltqualitäten sozialer Felder und ihre metaphorische Abbildung im Raum

Erkundung und Gestaltung sozialer Felder durch Aufstellungen

IV.2. Mit allen Sinnen: Konsequenzen neurobiologischer Forschung für die Praxis der Psychotherapie

Kreative Kooperation

Neuronale Informationsbearbeitung und Gedächtnissysteme

Neurobiologisch fundierte Anregungen für die therapeutische Praxis

IV.3. Spielräume des Lebendigen

Die Welt lebender Systeme: Vom Unterschied zwischen einer Kuh und einer Espressomaschine

Kreative Kooperation: Autopoiese und Allopoiese

Flexibilität: Auf der Suche nach dem ungebundenen Potenzial der Veränderung in Systemen

Systemisches Denken als Denken in Gegensätzen

Spielräume der Gegenseitigkeit

Mehrdeutigkeit und Ambivalenz

Muster und Lücken im kommunikativen Gewebe der lebendigen Welt: Ein fiktives Interview mit Gregory Bateson

Postskriptum: Brief aus der Werkstatt

Literatur

Register

»Ich kann jeden leeren Raum nehmen und ihn eine nackte Bühne nennen. Ein Mann geht durch den Raum, während ihm ein anderer zusieht; das ist alles, was zur Theateraufführung notwendig ist.« Peter Brook

»Ein Traum ohne Wirklichkeit bedeutet mir ebenso wenig wie reine Wirklichkeit ohne Traum, und das Theater besteht ja aus verwirklichten Träumen.« Max Reinhardt

Einladung zum Lesen

Aktionsmethoden sind in der Arbeit mit Gruppen und in Fortbildungen seit langem anerkannt und die aktuellen Ergebnisse der Neurobiologie liefern gute Argumente für den Einsatz erlebnisintensiver Methoden. Doch in der praktischen Arbeit mit Familien und Paaren überfällt viele Therapeuten eine Art Lähmung. Es ist gar nicht so einfach, sich zu erheben und die Situation lebendig zu gestalten. Und tatsächlich tauchen in der Praxis vor Ort eine Reihe berechtigter Fragen auf. Ist es nicht seltsam, was man da vorschlägt? Was können Therapeuten ganz normalen Leuten zumuten, die ahnungslos die Praxis betreten? Was tun, wenn Klienten ablehnend oder zögernd auf Aktionsvorschläge reagieren? Wie arbeitet man mit mehreren Protagonisten gleichzeitig? Wie können Kinder und Jugendliche verschiedenen Alters integriert und als Ressource genutzt werden? Wie geht man mit einem komplexen Geflecht aus Loyalitäten und der Gefahr der Beschämung um? Was tun, wenn plötzlich intensive Emotionen frei werden, unverhofft Chaos ausbricht oder Intimes offenbar wird? Und wann ist es vielleicht besser, einfach ein gutes Gespräch zu führen?

Mit diesen Fragen muss man sich ernsthaft beschäftigen, wenn man Aktionsmethoden angemessen nutzen will. Denn was einfach und spielerisch aussieht, kann komplexe Folgen haben und unvorhergesehene Dynamiken in Gang setzen. Aktionsmethoden sind mächtig, sie wirken multimodal und mehrdimensional, und man kann mit ihnen auch Unheil anrichten. Vor diesem Hintergrund habe ich viel wert darauf gelegt, den Rahmen zu beschreiben, in dem Aktionsmethoden angemessen, passend und verantwortungsvoll eingesetzt werden können (Teil I). Bei aller Lebendigkeit geht es immer auch um das fachliche und ethische Wissen, das hinter den Techniken liegt. Ich glaube nicht an die Wirksamkeit von Methoden, sondern an die Wirksamkeit von Therapeuten, die Begegnungen angemessen gestalten und Methoden passend einsetzen. In diesem Rahmen stellt das Buch ein breites Repertoire von Aktionsmethoden zur Verfügung und will Mut machen, diese Methoden in der Praxis einzusetzen.

In der Arbeit mit Aktionsmethoden verbinden sich Diagnostik und Intervention auf einzigartige Weise. Aktionsmethoden regen die Fantasie an und setzen Kreativität frei. Alle Sinne werden aktiviert und Prozesse der Veränderung und Entwicklung werden vertieft. Die Macht innerer Bilder wird erlebbar und soziale Felder werden begehbar. Konflikte können intensiv bearbeitet und Lösungen spielerisch entwickelt werden.

Doch wie kommen Therapeuten und Klienten in Bewegung? Wie kann systemisches Denken in lebendiges Handeln übersetzt werden? Wie kann die therapeutische Situation als Ganze kreativ gestaltet werden? Das sind die Fragen, von denen dieser Text ausgeht und zu denen er hinführt. Die systemischen Ideen, Konzepte und Techniken, die hier vorgestellt werden, haben sich in vielen Jahren der Praxis und Lehre auf dem Hintergrund verschiedener Traditionen der Familientherapie und des Psychodramas entwickelt, sind aber offen für alle Richtungen der Therapie.

Einsteigen und Querlesen

Ein Text zwingt den Autor zu einer linearen Gliederung. Der Prozess der Erfahrung und Ideenbildung verläuft hingegen zirkulär, er folgt – wie das Leben überhaupt – einer unordentlichen Logik voller Windungen und Wendungen. Ich stelle mir daher Leserinnen und Leser vor, die sich ihren eigenen Weg suchen. Der Text erlaubt einen Einstieg in jedem Kapitel und Sie können nach Lust und Notwendigkeit blättern und nachschlagen. Die Gliederung gibt einen Überblick und die Verweise im Text (→) erleichtern das Querlesen. Das Buch ist in erster Linie als Anregung für die Praxis konzipiert. Eingestreute Fallvignetten und wörtliche Rede zeigen konkret, wie man Paare und Familien ins Spiel bringt. Abbildungen, Tabellen und Listen erleichtern die Orientierung im klinischen Alltag. Es ging mir aber auch darum, die intensive Wirkung von Aktionsmethoden fundiert und anschaulich zu erklären und einen multimodalen, mehrdimensionalen und entwicklungsorientierten Kontext zu entwerfen (Teil IV). Aus Gründen der Lesbarkeit habe ich auf ausführliche Herleitungen weitgehend verzichtet. Die Fallbeispiele sind aus Tatsachen und Erfindungen konstruiert, um die Anonymität zu wahren. Zwischen Sprachästhetik und Gender-Korrektheit hin und her gerissen habe ich mich mal so und mal anders entschieden.

Was bleibt?

Letztlich geht es darum, die therapeutische Situation kreativ zu gestalten. Eine Zeitlinie, ein Stühlerücken, ein Rollenwechsel – das kann jeder relativ schnell lernen und als Technik leicht einbauen. Was ich mir wünsche, ist mehr: Werden Sie selbst kreativ und laden Sie ihre Klienten zu ebensolchem Tun ein. Es sind die Momente des gemeinsamen Erfindens, diese Augenblicke, wenn in der Zusammenarbeit etwas Neues geschieht und sich durchsetzt, die beglücken und voranbringen. Nehmen wir an, es sind diese Momente, die im therapeutischen Prozess wirkungsvoll sind – etwas, was trägt und federt. Die Aufgabe bestünde dann darin, Situationen so zu gestalten, dass solche Momente des Erfindens möglich werden. Improvisation erfordert ungewöhnliche Ideen, klare Konzepte und solides Handwerk. Aber wenn man die grundlegenden Ideen versteht und die Techniken beherrscht, öffnet sich ein unbegrenzter Raum. Alles, was man dann noch braucht, ist Intuition, genügend Platz und Fantasie.

Dank

Die ersten Ideen für dieses Buch sind in der Praxis entstanden. Ich danke allen Klienten, die uns zeigen, was geht und was nicht geht. Ich danke den Autoren, deren Gedanken direkt oder indirekt in dieses Buch eingeflossen sind, und allen Kolleginnen und Kollegen, die mich über die Jahre durch ihre Ideen und Anregungen bereichert haben, unter ihnen Uli Seidel, Franz Stimmer, Ulf Klein, Reinhard Krüger, Ulrike Fangauf, Hildegard Pruckner, Kurt Weber, Helm Stierlin, Gunthard Weber, Fritz Simon, Klaus Deissler, Luigi Boscolo und Anthony Williams. Besonders danke ich Louk Portier aus Holland und Gianfranco Cecchin aus Italien, die mir zeigten, wie sich systemisches Denken und lebendiges Handeln verbinden lassen, ohne das Unbewusste zu verlieren. Für die erste Chance, meine Erfahrungen weiterzugeben, danke ich Meinolf Schönke und der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung. Seither hat eine große Zahl von Kolleginnen und Kollegen durch Kritik und Begeisterung in Seminaren und Supervisionen zur allmählichen Weiterentwicklung der hier vorgestellten Konzepte beigetragen. Wertvolle Kommentare und Kritiken verdanke ich Christiane Mahler-Napp aus Freiburg und Katharina Witte, die Teile des Manuskripts gelesen haben. Frau Kamp und Herrn Presting vom Verlag gilt mein aufrichtiger Dank für die freundliche und professionelle Begleitung. Das Schreiben selbst wurde zu einem spannenden Abenteuer, für das ich ebenso dankbar bin wie für die glücklichen Umstände, die es mir ermöglicht haben, in den Sommern ungestört zu schreiben. Ganz besonders danke ich meiner Frau, Eva Frank-Bleckwedel, die mich fachlich beraten und meine Leidenschaft für dieses Projekt mitgetragen hat.

Einführung: Zwischen Wissenschaft und Kunst, Handwerk und Magie

»Das Theater ist der magische Ort, wo, wenn man Glück hat, ein Wunder passieren kann.« Thomas Langhoff

Aufbruchstimmung

In den 1970er Jahren begeisterten sich viele Therapeuten für neue Ansätze und Therapie wurde zur fröhlichen Wissenschaft. Begrenzungen wurden aufgehoben, Gewissheiten in Frage gestellt und Hierarchien durcheinander gekegelt. Ein Klima, das therapeutische Vielfalt und Innovation hervorbrachte. Familientherapie, als neues Paradigma aus den USA kommend, brachte Bewegung in die deutsche Therapielandschaft und wurde zum Experimentierfeld.1 Systemisches Denken entfaltete seine schöpferische und manchmal subversive Kraft. Die verbindende Idee bestand darin, mehrere Personen, wenn es ging ganze Familien, in den Therapieraum einzuladen, und der Fokus der Aufmerksamkeit wanderte vom Individuum zur Interaktion.

In meinen ersten Ko-Therapien als Praktikant staunte ich nicht schlecht, wenn Leute die Plätze tauschten oder der Therapeut aufstand und aus dem Fenster schaute, um etwas zu sagen, was mir einerseits einleuchtete und zugleich kryptisch vorkam. Aber neben diesen eher geheimnisvollen Dingen faszinierte mich besonders, wenn es gelang, Familien in ein gemeinsames Gespräch über ein bedeutungsvolles Thema zu verwickeln. Mein Gedächtnis gibt wenige Einzelheiten aus dieser ersten Zeit frei, aber ich erinnere mich genau an die Empfindung einer warmherzigen Atmosphäre in den Familiengesprächen und das Gefühl eines respektvollen Umgangs. Mag sein, dass der Zauber des Beginnens verklärt. Aber für mich enthält diese Anfangserfahrung alles wirklich Wesentliche für die therapeutische Arbeit: Respekt, Einfühlung, Achtsamkeit, Entdeckungsfreude und Hoffnung. Natürlich gibt es immer eine Fülle methodischer Fragen und theoretischer Überlegungen, aber die Grundidee ist einfach: Begegnung zwischen Menschen zu ermöglichen und einen angemessenen Rahmen für Veränderung zu schaffen.

Neue Ideen

Als junges Team einer Beratungsstelle luden wir Familienmitglieder, insbesondere Väter und andere wichtige Personen aus dem Umfeld, zu Gesprächen ein. Und die Väter kamen, obwohl uns die länger gedienten Kolleginnen und Kollegen vorausgesagt hatten, sie würden nicht kommen. Die Eingeladenen erwiesen sich nicht nur als sprudelnde Informationsquellen, sondern als wichtige Agenten der Veränderung. In vielen Fällen ersetzte, erleichterte oder unterstützte die Aktivierung und Veränderung des Umfeldes die Arbeit mit den so genannten »Indexpatienten« und führte zu erstaunlichen Ergebnissen.

Unsere Aufmerksamkeit wanderte zwischen einzelnen Personen und dem, was zwischen den Personen passiert, hin und her. Um damit zu beginnen, kann man sich gut an Virginia Satir (Satir u. Baldwin, 1988) orientieren. Wir bemühten uns darum, Familien und ihre Mitglieder da abzuholen, wo sie sich gefühlsmäßig und gedanklich befanden. Wir interessierten uns für die sozialen und kulturellen Bedingungen von Verhaltensweisen und Interaktionsmustern. Wir lernten, hinter problematischen Kommunikationsformen Wünsche und Fähigkeiten zu erkennen – gleichsam verschüttet und doch im Problemsystem aufgehoben. Wir achteten auf Kommunikationsstile und versuchten, die positiven Impulse und Anliegen unserer Klienten freizulegen.

Das Konfliktmodell der Psychoanalyse war ebenfalls eine wichtige Quelle der Inspiration. Wir horchten auf das gemeinsame Unbewusste in den Familien und nahmen uns viel Zeit zum Verstehen problematischer Entwicklungen. Wir übten eine frei schwebende, von Lösungsdruck weitgehend freie Art der Aufmerksamkeit, um Symptome und Probleme im Kontext transgenerationaler Muster und biographischer Entwicklungslinien zu verstehen. Mit einer passenden Deutung des gemeinsamen Unbewussten kann man durchaus Änderungen zweiter Ordnung (→ I.8. S. 159) anstoßen. Ich erinnere mich an eine Familie, in der wir mit drei Generationen die eingefrorene Trauer thematisierten, und werde nie vergessen, wie sich die Atmosphäre in der Familie veränderte, als sich im Strom der Tränen die losen Enden anscheinend separater Ereignisse zu einer sinngebenden Geschichte zusammenfügten.

Konflikt und Lösung

Aber genau so oft stießen wir an die Grenzen unserer Möglichkeiten. Wir waren sehr mit Pathogenese beschäftigt und hatten kaum genauere Vorstellungen über Salutogenese. Jedenfalls stand unsere Fähigkeit, Probleme zu analysieren, in keinem angemessenen Verhältnis zu der Fähigkeit, Lösungen zu generieren. Diese Diskrepanz gab Einigen von uns zu denken und es begann eine intensive Suche nach entwicklungsorientierten Konzepten und nach Techniken, Lösungsprozesse gezielt anzuregen und zu unterstützen. Umwege und Irrwege sind dabei unvermeidlich. Als Anfang der 1980er Jahre die Mailänder paradoxe Interventionin Mode kam, waren viele fasziniert. Die abstrakte, strategische, fast mathematische Seite von Therapie trat in den Vordergrund und paradoxe Interventionen, die in der Therapie eine lange Tradition haben (Weeks u. L’Abate, 1985), schienen ein geeignetes Mittel zu sein, festgefügte Muster gleichsam zu sprengen. Als Ingenieure der Seele verschrieben wir Symptome, eingebettet in ausgefeilte Kommentare, die nicht selten provokativ wirkten. Aber Menschen und Familien sind keine Maschinen. Die Erfahrung lehrte uns bald, behutsamer mit geschichtlich gewachsenen, lebenden Systemen umzugehen. In der Regel haben Klienten, Paare oder ganze Familien in einer Kaskade misslungener Lösungsversuche einiges in ihre Problemstruktur investiert, sind darin verwickelt oder fühlen sich darin zu Hause. Das Leiden – quälende Symptome, Störungen, problematische Muster oder Konstellationen – kann zur Heimat werden, die nicht so einfach aufgegeben wird. Darauf muss man sich beziehen, wenn man nachhaltige Entwicklungen und haltbare Lösungen anregen will. Ohne Respekt vor gewachsenen Strukturen und Identitäten erzielt man in der Regel nur kurzlebige Erfolge.

Die therapeutische Kunst besteht allemal darin, das gebundene Potenzial der Veränderung (→ IV.3.S. 289) für nachhaltige Lösungen zu nutzen. In problematischen Verhaltensweisen, Konflikten und Problemkonstellationen sind starke Energien gebunden und es gilt, gerade diese Energien für den Lösungsprozess nutzbar zu machen. Solche Umwandlungen erfordern Geduld und Kreativität, haben aber den unschätzbaren Vorteil, dass Lösungen nicht durch unbearbeitete Konflikte oder neu geschaffene Probleme torpediert werden. Wenn man genau hinschaut, ist dies genau das, was wirksame Therapeuten tun – von den frühen Schamanen bis hin zu modernen Therapeuten.

Jenseits von Richtungen und Methoden

Aktionsmethoden können problemlos mit vielen Richtungen, Verfahren und Methoden der Therapie verbunden werden. Diese Anschlussfähigkeit gewann für mich zunehmend an Bedeutung. Denn je mehr man die Vielfalt therapeutischer Möglichkeiten schätzen lernt, desto skeptischer wird man gegenüber allen Absolutheitsansprüchen einzelner Schulen oder Richtungen. Natürlich geht man von seinen persönlichen Vorlieben und Überzeugungen aus, wenn man Ausbildungen und Behandlungsformen wählt. Aber ich halte es für wenig sinnvoll, Klienten an die jeweiligen Vorgehensweisen einfach anzupassen. Die umgekehrte Richtung erscheint mir sinnvoll. Die Praxis konfrontiert uns in den verschiedenen Feldern mit den unterschiedlichsten Menschen, Situationen, Aufgaben und Fragestellungen. Klienten können mit gutem Recht erwarten, dass wir Verfahren, Settings und Techniken im Rahmen unserer Möglichkeiten flexibel an die jeweiligen Anforderungen anpassen. Sinnvollerweise konzentrieren sich einige Kollegen auf die puristische Anwendung einzelner Verfahren und Methoden, um deren Essenz zu erhalten und zu entwickeln. Aber für die überwiegende Mehrheit gelten andere Bedingungen: Im Feld erscheint es allemal sinnvoll, das zu tun, was die meisten Praktiker ohnehin tun: Settings variieren, Methoden flexibel kombinieren und probieren, was passt und wirkt.

In letzter Instanz entscheiden die Klienten über die Wirksamkeit unserer Bemühungen. Ob Deuten, Trainieren, zirkulär Fragen, Malen, Handeln, Stellen, Legen, Ratschlag, Wunderfrage, Rollentausch, Trance, Skulptur, Musik oder Hausaufgabe: Was einzelne Klienten, Paare oder Familien aufnehmen und was sie daraus machen, hängt letztlich von ihren inneren Prozessen und Landkarten ab. Real existierende Klienten beziehen sich wie alle lebenden Systeme vor allem auf sich selbst und sie entscheiden über Veränderungen im Rahmen ihrer Emotionen und subjektiven Weltanschauungen und nicht im Rahmen irgendwelcher Wissenschaftstheorien.

Vielfalt und Passung

Therapie hat viele Ebenen und lebt von der produktiven Gestaltung dieser Vielfalt. Idealtypisch gesehen geht es darum, innerhalb eines wohl definierten Rahmens für jeden Fall ein besonderes Arrangement zu erfinden, Settings zu variieren und Methoden zu kombinieren. Was passt zu den Personen und Aufträgen, Situationen und Problemen, Leiden und Kontexten? Ich gebe zu, diese Vision stellt hohe Anforderungen, die selten realisiert werden können. Aber diese Vision hat tiefe Wurzeln in den Humanwissenschaften, sie lebt in der Kreativität vieler Praktiker und sie ist wichtig für unsere Zukunft.

Meine Skepsis gegenüber jeder Fixierung auf einzelne Verfahren und Methoden nahm deutlich zu, als ich begann Therapeuten auszubilden. Wenn man viele verschiedene Persönlichkeiten direkt beobachtet, wird schnell klar, dass es keinesfalls Methoden sind, die wirken.

Exkurs

Eine Vielzahl von Forschungsergebnissen bestätigt die klinische Erfahrung, dass die Persönlichkeit des Therapeuten oder der Therapeutin eine ebenso wichtige Rolle spielt wie die Passung von Methoden und Konzepten. Eine Untersuchung der Universität Stanford über die Wirkung verschiedener Arten von Gruppentherapie ergab, dass gute Therapeuten mit jeder Methode Erfolg hatten, schlechte mit keiner. Die guten Therapeuten waren die, die eine Verbindung zum Klienten aufbauen konnten (und daran erkennt man wieder, dass wir in dem einen Fall gute Therapeuten sein können, weil die Beziehungsaufnahme gelingt, und in einem anderen Fall schlechte, weil es nicht zusammenpassen will). Es sind also keineswegs Methoden oder Module für sich, die wirksam sind, sondern Therapeuten und Therapeutinnen, die, auf der Grundlage einer guten Arbeitsbeziehung, Methoden und Techniken passend anwenden. Der aktuelle Forschungsstand bestätigt die klinische Erfahrung, dass etwa 70 % der Gesamtwirksamkeit in therapeutischen Prozessen auf so genannte unspezifische Faktoren zurückgeführt werden kann. Interaktive Präsenz, Zugewandtheit, Balance zwischen Engagement und Gelassenheit, Optimismus, Hoffnung, emotionale Kompetenz und Schwingungsfähigkeit, Kongruenz, Wertschätzung, positive Ausstrahlung, klinische Erfahrung, soziale Kompetenz und Allegianz (Erfolgserwartung im besonderen Fall) spielen auf Therapeutenseite eine wichtige Rolle. Luc Ciompi vermutet, »dass auch in der Psychotherapie und Beratung solche affektiven Grundbotschaften letztlich viel wichtiger sind als jede Technik«. Die affektiven Grundbotschaften entsprechen den bekannten Variablen, die bereits von Carl Rogers und vielen anderen Pionieren formuliert wurden und die sich in fast allen Psychotherapiestudien regelmäßig als valide erweisen. Auf Klientenseite sind es Therapiemotivation, Änderungsoptimismus, Extraversion versus Introversion, self-efficiency, selbstbezogene versus aktionsbezogene Orientierung, proaktive versus propassive Haltungen, die den Verlauf und Erfolg von Therapie wesentlich bestimmen. Kontextuelle Faktoren (Status der Therapeuten, Arbeitsfeld, Schicht- und Kultureinflüsse, Arbeitsbedingungen) wurden bisher in Psychotherapiestudien kaum systematisch untersucht, beeinflussen die Ergebnisse aber ebenfalls. Kurz: Die Wirksamkeit von Psychotherapie lässt sich nur in sehr geringem Maß auf den Einsatz von bestimmten Verfahren und Methoden zurückführen. Die Wirksamkeit von Psychotherapie wird vielmehr durch ein komplexes Zusammenspiel vieler Faktoren in einem Prozess subjektiver und interaktiver Abstimmung zwischen Personen bestimmt.

Wenn überhaupt etwas wirkt, dann ist es das Zusammenwirken von Therapeuten und Klienten und Arrangements und Methoden und Kontexten. Wirksam sind:

–  die Tragfähigkeit des Arbeitsbündnisses (gegenseitiger Respekt, Vertrauen, Auftragsklärung, Auftragsnetzwerk),

–  die Qualität der therapeutischen Beziehung (Affektabstimmung, Resonanz, affektive Synchronisation, wechselseitige Modulation von Gefühlen und Empfindungen, Klima der Zusammenarbeit, Kooperation, Wechselspiel von Übertragung und Gegenübertragung, Ambivalenzmanagement),

–  die Persönlichkeit der Therapeuten (Signaturstärken, Einstellung, Haltung, Ausstrahlung),

–  die Persönlichkeit der Klienten,

–  die Variabilität in der Gestaltung von Abläufen und Settings (Zeiten, Beteiligte, Arrangements),

–  die Sicherheit und Flexibilität im Einsatz von Techniken (Methodenpassung, Angemessenheit, Geschicklichkeit, Kombinationen),

–  eine angemessene Prozesssteuerung (Klarheit, Übersichtlichkeit, Transparenz, Beteiligung),

–  die Bearbeitung von Konflikten und Problemen,

–  die Aktivierung von Potenzialen und Ressourcen,

–  der pragmatische Erfolg (Umsetzung von Zielen, Entwicklungsschritte, Erfahrung erfolgreichen Veränderungshandelns),

–  die Passung von Personen, Settings, Methoden, Aufgaben und Kontexten insgesamt.

Die Psychotherapieforschung der Zukunft wird sich sowohl auf die Ergebnisse in der Behandlung spezieller Störungen als auch auf die allgemeine Gesundheitsentwicklung von Klientensystemen beziehen (Wachstum, Resilienz, Salutogenese, Lernfähigkeit, Identität). Nur eine doppelte Perspektive, die zugleich störungsbezogen als auch entwicklungsorientiert ist, wird den Klienten und einer humanen Orientierung gerecht. Wenn sich die Dynamik lebender Systeme grundlegend von der Dynamik maschineller Systeme unterscheidet und wenn daher die neurophy-siologischen Steuerungsmechanismen und die Regelungen in sozialen Beziehungen gänzlich andere sind als die Steuerungsprozesse und Regeln in einem Maschinenpark, dann hat das enorme Konsequenzen für unser Denken und Handeln im psychotherapeutischen Feld. In dieser Richtung gibt es noch viel zu entdecken und dort liegt die Zukunft der Psychotherapie.

In jedem Fall wirkt, wenn man auf die Seite der Therapeuten schaut, nicht die Abwicklung irgendeines Programms oder die Anwendung irgendeiner Technik – was als Botschaft wirkt, ist die Konsistenz von persönlicher Ausstrahlung, Konzept, Methode und Performance.

Emotionen und Felder

Selbstverständlich kommt es auf handwerkliches Geschick und ein geeignetes Instrumentarium an. Aber die Wirkung, die Magie entwickelt sich in einer völlig anderen Dimension. Diese Dimension liegt zwischen den Personen. Man kann Paare und Familien als Struktur, als Kommunikationssystem oder als Bedeutungssystem beschreiben – aber sie sind mehr als das: Paare und Familien sind »affektive Kraftfelder« (Imber-Black, 1998, S. 199), die man nur verändern kann, wenn man sich auf Begegnung und Gefühle einlässt. Salvador Minuchin schrieb vor vielen Jahren: »Wenn der Therapeut sich allzu eifrig und allzu eng an die Technik hält und mithin ›Handwerker‹ bleibt, dann wird sein Kontakt mit den Patienten zwar objektiv, leidenschaftslos und nicht zu beanstanden sein, er wird aber oberflächlich bleiben, er wird manipulativ sein, weil der Therapeut seine Macht nicht einbüßen will. Seine Therapie wird letzten Endes nicht besonders effektiv sein« (Minuchin, 1981, S. 13).

Die Vorstellung von Psychotherapie als Technik raubt dem Prozess seine Seele. Ausgefeilte Konzepte, eine gute Technik und ausgearbeitete Programme können sehr hilfreich sein – aber sie sind nicht entscheidend. Psychotherapie lebt von Begegnung und Spiel, Freude und Humor, Kreativität und Lebendigkeit. Wirksame Therapeuten entwickeln ein Gespür dafür, was zwischen Menschen passiert, und ein Talent, diesen Zwischenraum angemessen und passend zu gestalten. Im Zweifelsfall hören sie eher auf ihre Intuition als auf irgendwelche methodischen Vorschriften. Denn Therapie ist etwas ganz anderes als die korrekte Aneinanderreihung von Techniken, so wie der Tanz etwas ganz anderes ist als die angestrengte Ausführung bestimmter Schrittfolgen. Die therapeutische Beziehung lebt wie der Tango aus der spontanen gemeinsamen Improvisation, dem Swing, der Raum gibt für Authentizität und Überraschung. Jeder einzelne Prozess ist ein neues Wagnis und etwas Besonderes, wie der einzelne Mensch, diese Familie, dieses Paar – unverwechselbar.

1    Vgl. die Beiträge zur Entwicklung der Familientherapie in Deutschland von Wolf Ritscher, Günter Reich und Manfred Cierpka in der Zeitschrift Kontext 1/2006.

Teil I: Pragmatisch denken – systemisch handeln

I.1. Wie Klienten zu Akteuren werden

»The medium is the message.« Marshal McLuhan

Klienten als Gestalter der therapeutischen Situation

Die wichtigste Aufgabe von Therapie besteht darin, Klienten in eine aktiv gestaltende Position zu sich selbst und zu ihrer Umgebung zu bringen. Das beginnt idealerweise mit der therapeutischen Situation. Die Arbeit mit Aktionsmethoden bietet den Vorteil, dass Orte frei gewählt und unterschiedlich eingerichtet werden können (Szenenaufbau → II.1. S. 161). Da es keine vorgegebenen Ordnungen von Möbeln und Menschen im Raum gibt, können Klienten und Therapeuten alle möglichen Positionen im Raum einnehmen und die Situation kreativ gestalten. Die Metaphorik des Raumes, Aktionen im Raum und die wechselnden Konstellationen im Raum – all dies kann gezielt genutzt und gestaltet werden. Die Therapeutin fragt nicht nur, sie macht Vorschläge, etwas zu tun, zum Beispiel: »Angenommen, der verstorbene Großvater Paul könnte hier bei uns sein, wo wäre er dann? Können Sie1 das bitte mit einem Stuhl zeigen? – Wer möchte sich mal auf den Stuhl setzen und die Rolle des Großvaters einnehmen?«. Ein solches Vorgehen wird gern als erlebnisorientiert beschrieben. Der tiefere Sinn solcher Interventionen liegt aber darin, Klienten in eine Position zu bringen, in der sie sich selbst, ihre Lebenswelt und die therapeutische Situation aktiv gestalten können.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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