Systemtheorie III: Steuerungstheorie - Helmut Willke - E-Book

Systemtheorie III: Steuerungstheorie E-Book

Helmut Willke

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Beschreibung

Die moderne Systemtheorie ist auch eine Theorie für die Praxis. Dieses Klassiker-Lehrbuch klärt die Bedingungen, unter denen die Steuerung komplexer Systeme möglich ist. In einer Zeit, da überall das Scheitern politischer oder ökonomischer Steuerung zu erkennen ist, bietet der Band die Grundlagen, um dieses Versagen zu verstehen und adäquatere Konzeptionen zu entwickeln (z.B. Aufbau intelligenter Infrastrukturen oder Wissensmanagement in Unternehmen).

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vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zürich

[2][3]Helmut Willke

Systemtheorie III: Steuerungstheorie

Grundzüge einer Theorie der Steuerung komplexer Sozialsysteme

4., überarbeitete Auflage

UVK Verlagsgesellschaft mbH · Konstanz mit UVK/Lucius · München

[4]Prof. Dr. Helmut Willke lehrte seit 1983 Soziologie an der Universität Bielefeld; seit 2002 hat er eine Professur für Staatstheorie und Global Governance inne. Seit 2008 ist er Professor für Global Governance an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen mit Gastprofessuren in Washington, D. C., Genf und Wien. 1994 erhielt er den Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Seine Forschungsschwerpunkte sind Systemtheorie, Staatstheorie, globale Steuerungsregime, globale Netzwerke und Wissensmanagement. Er ist Autor des Grundlagenwerks zum systemischen Wissensmanagement. Er hat langjährige Erfahrung als Berater in Politik, Wissenschaft und Wirtschaft.

Online-Angebote oder elektronische Ausgaben sind erhältlich unter www.utb-shop.de.

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar.

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Dieses eBook ist zitierfähig. Es ist dadurch gekennzeichnet, dass die Seitenangaben der Druckausgabe des Titels in den Text integriert wurden. Sie finden diese in eckigen Klammern dort, wo die jeweilige Druckseite beginnt. Die Position kann in Einzelfällen inmitten eines Wortes liegen, wenn der Seitenumbruch in der gedruckten Ausgabe ebenfalls genau an dieser Stelle liegt. Es handelt sich dabei nicht um einen Fehler.

3. Auflage: © Lucius & Lucius Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2001

4. Auflage: © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2014

Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart Lektorat: Marit Borcherding, Göttingen

Satz und Layout: Claudia Wild, Konstanz

UVK Verlagsgesellschaft mbH

Schützenstr. 24 · D-78462 Konstanz

Tel.: 07531-9053-0 · Fax 07531-9053-98

www.uvk.de

UTB-Band Nr. 1840

ISBN(eBook) 978-3-8463-4122-3

eBook-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheimwww.brocom.de

[5]Inhalt

1

Einführung

2

Demokratie als Steuerungsmodell komplexer Gesellschaften

2.1

Exkurs zum Markt als Steuerungsform

2.2

Ideen zur Revision der Demokratie als Steuerungsmodell

3

Hierarchie als Steuerungsprinzip komplexer Systeme

3.1

Kritik der Hierarchie

4

Das Problem der Koordination

4.1

Zur Logik von Verhandlungssystemen

5

Macht als Steuerungsmedium

5.1

Machtbasierte Infrastruktur – der Fall Politik

5.2

Die Schwäche der Macht

6

Geld als Steuerungsmedium

6.1

Geldbasierte Infrastruktur – der Fall Sozialstaat

6.2

Zur Logik geldgesteuerter Selektionen

6.3

Die Armut des Geldes

7

Wissen als Steuerungsmedium

7.1

Aufklärung über Expertise und Expertensysteme

7.2

Wissensbasierte Infrastruktur

7.3

Wissensmanagement der Organisation

7.4

Die Ignoranz des Wissens

8

Über Renitenz und Risiko

Literatur

Register

[6][7]1     Einführung

Die moderne Systemtheorie kann inzwischen für sich in Anspruch nehmen, eine Theorie für die Theorie und eine Theorie für die Praxis zu sein. »Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie«, so lautet eine Einsicht aus der Managementberatung. Tatsächlich wirkt die von der soziologischen Systemtheorie getragene Revolution des systemischen Denkens seit einigen Jahren in unterschiedlichste Praxisbereiche hinein und verändert die konzeptionellen und operativen Grundlagen für die Steuerung komplexer Systeme.

Allerdings geschieht dies in einem Kontext, der zumindest in zweierlei Hinsicht von einer paradoxen Steuerungsskepsis geprägt ist. Zum einen hat sich eine systemische Steuerungstheorie damit auseinanderzusetzen, dass die neuere Systemtheorie Steuerung überhaupt nur in der Form der Selbststeuerung begreiflich machen kann. Sie betont mit triftigen Gründen die Eigenlogik, Autonomie und operative Geschlossenheit komplexer Systeme und schließt daraus, dass eine direkte externe Beeinflussung oder Steuerung keinen Erfolg haben könne.

Zum anderen sieht sich jede Steuerungstheorie heute mit einem Trümmerhaufen gescheiterter praktischer Steuerungsvorhaben und Steuerungshoffnungen konfrontiert. Nicht nur die Praxis sozialistischer Gesellschaftssteuerung ist tragisch und mit unvorstellbaren Kosten gescheitert; auch die Praxis westlich-demokratischer Steuerung hat in unzähligen Bereichen tiefe Spuren der Enttäuschung, Konfusion und Resignation hinterlassen. Misslungene Steuerungsstrategien werden unter den Stichworten »Staatsversagen« und »Marktversagen« abgeheftet, wenn nicht gleich unter dem Titel einer »Logik des Misslingens« (Dörner 1989), von »Blundering into disaster« (McNamara 1987) oder von »Adventures in chaos« (Macdonald 1992). Außer den widersprüchlichen Rufen nach »Deregulierung« einerseits und »Gemeinwohlorientierung« andererseits sind bis heute kaum brauchbare Alternativen zu erkennen.

Diese missliche Lage rechtfertigt wohl den Versuch eines neuen Anfangs. Neu an diesem Versuch ist in erster Linie die Absicht, die hochentwickelten Beobachtungs- und Konstruktionsinstrumente der neueren Systemtheorie zu nutzen, und sie in ein resonantes Verhältnis mit praktisch relevanten Steuerungsproblemen zu bringen.

In theoretischer Sicht ist das Steuerungsproblem zentral, weil es die Frage nach der Möglichkeit und der Qualität der wechselseitigen Beeinflussung komplexer Systeme stellt. Bei aller Betonung der Eigenlogik und der operativen Geschlossenheit nicht trivialer Systeme ist die moderne Systemtheorie eine System-Umwelt-Theorie. Je deutlicher sie die Eigensinnigkeit und Undurchdringlichkeit[8] selbstreferenzieller Systeme herausarbeitet, »desto dringender stellt sich die Frage, wie denn unter dieser Bedingung die Umweltbeziehungen des Systems gestaltet sind« (Luhmann 1993, S. 440). Auf dem Feld der Steuerungstheorie werden in den kommenden Jahren entscheidende Auseinandersetzungen stattfinden. Mit dem Zusammenbruch des praktizierten Sozialismus haben auch theoretische Konzeptionen der zentralisierten Planung, der hierarchischen Fremdsteuerung, der direkten autoritären Beeinflussung ihre verbliebene Basis an Glaubwürdigkeit und Reputation verloren. Der u. a. von der Systemtheorie (Foerster 1985b; Willke 1979; Willke 1983, Kap. 4) immer wieder monierte Widersinn einer Trivialisierung komplexer Sozialsysteme hat sich auch durch eine immer repressivere Praxis nicht halten lassen. Dieses praktische Scheitern einer Theorie (der Gesellschaftssteuerung) wird nicht ohne Auswirkungen auf »westliche« Vorstellungen der Gesellschaftssteuerung durch Politik bleiben. Fantasien der Machbarkeit, ja Erzwingbarkeit politischer Reformen, die vor allem das sozialdemokratische und das verbliebene sozialistische Denken noch prägen, geraten weiter in die Defensive. Die von oben verordnete Beglückung der Menschen durch Sozialstaat und Wohlfahrtsgesellschaft wird noch fragwürdiger werden. All dies kann in der gegenwärtigen historischen Epoche wenig überraschen.

Überraschend dagegen ist die simultane Erfahrung der westlichen Demokratien, dass auch das offizielle Gegenprogramm des »Durchwurstelns«, des »Laisser-faire«, der Deregulierung und des Pluralismus an deutliche Grenzen des Ertrages und der Erträglichkeit gestoßen ist. Selbst in den USA, dem Hort des scheinbar freien Spiels der Kräfte in Politik und Ökonomie, im Wissenschaftssystem wie im Gesundheitssystem, in den Massenmedien wie im Außenhandel (»free trade«), wird inzwischen bloßes Durchwursteln und bloße Evolution nach Marktgesetzen als suboptimal eingeschätzt – und in wichtigen Fällen sogar als selbstschädigend. Seitdem ist es schwieriger geworden, die Frage der Entwicklungsdynamik von Gesellschaften (und anderer großer Sozialsysteme) in endlosen Wiederholungen zwischen den Eckpunkten Staat und freier Markt, staatlicher Kontrolle und marktförmiger Freiheit, Planung und Evolution, hierarchischer Autorität und Selbstorganisation hin- und herzuschieben. Das Planungsmodell ist gründlich diskreditiert; aber auch das Marktmodell kommt in Verruf, seitdem insbesondere durch die globale Finanzkrise deutlicher beobachtbar wird, dass und wie Marktversagen und die marktproduzierten Fehlleistungen modernen Gesellschaften an die Substanz gehen.

Eine Steuerungstheorie, die sich aus der doppelten Negation von Plan und Markt entfaltet, sieht sich konsequenterweise auch einer doppelten Frontstellung von Planungsverfechtern und Marktadepten gegenüber. Die verführerisch einfachen Antinomien (Gegensatzpaare oder Denkformen) von Plan und [9]Markt, Markt und Staat, Hierarchie und Freiheit, Hierarchie und Markt etc. wehren sich gegen das Eindringen eines störenden Dritten, das die übersichtlichen Grenzlinien durcheinanderbringt. Die resultierende Konfusion schlägt in der Regel auf das Dritte zurück und verhindert die Frage, ob es nicht eine alternative Form gäbe, welche die bisherigen Alternativen übergreift. Die zentrale theorie-strategische Herausforderung an die Steuerungstheorie ist es deshalb, in einem Feld zu operieren, das gar nicht an der Erprobung zusätzlicher Alternativen interessiert ist, sondern an der Perfektionierung der bereits etablierten Konzeptionen. Nach einer paradoxen Logik des »Mehr von demselben« gilt dies gerade auch dann, wenn diese Konzeptionen für alle erkennbar Misserfolge produzieren. Die intuitive Reaktion der betroffenen und interessierten Akteure ist nicht: »Lasst uns die Konzeptionen überprüfen und eventuell verwerfen«, sondern viel eher: »Lasst uns die Konzeptionen ausbauen, denn wir haben bereits so viel in sie investiert«.

Jede Steuerungstheorie muss der Übermacht der etablierten Theorien zumindest so lange trotzen, bis sie begreiflich machen kann, weshalb Steuerung für den Fall nicht trivialer Systeme eine eigenständige Problem- und Fragestellung ist. Es kommt darauf an, plausibel zu machen, dass sich eine Steuerungstheorie sozialer Systeme weder in der Begrifflichkeit der Planungstheorien, noch in den Begriffen der Theorien naturwüchsiger Evolution fassen lässt, weil Steuerung weder auf externe Eingriffe noch auf interne Dynamiken alleine reduziert werden kann. Das theoretische Kernproblem jeder Steuerungstheorie ist deshalb die Fragen nach den möglichen Formen der geordneten Verschränkung von operativer Geschlossenheit und externer Anregung. Erst nach dieser Komplizierung besteht eine Chance, die vorherrschende Verengung des Denkens auf die Form Plan/Markt oder Hierarchie/Selbstorganisation aufzubrechen.

In praktischer Sicht ist das Steuerungsproblem brisant, weil die Kunst der Systemsteuerung sich in einem erbärmlichen Zustand befindet. Zugleich wächst die Dringlichkeit praktischer Steuerungsprobleme. Ob Primärgruppe, Organisation oder Gesellschaft, ob Abteilung, gesellschaftliches Funktionssystem oder transnationaler Kontext – auf jeder nur denkbaren Ebene nehmen die Steuerungsprobleme zu, und die Steuerungskapazitäten können nicht Schritt halten. Regionale Krisen wie der Krieg im ehemaligen Jugoslawien, die »operation hope« in Somalia, die französische Intervention in Mali oder die Auseinandersetzungen zwischen der UN und Nordkorea zeigen auf internationaler Ebene, wie schwierig die Steuerung komplexer Verhältnisse selbst bei scheinbar eklatanter Überlegenheit der eingreifenden Akteure ist. Vergleichbares gilt auf nationaler Ebene für eine Unzahl gesellschaftlicher Problemlagen, vom Drogenproblem über die Technologiesteuerung bis zur[10] vielfältigen Selbstgefährdung durch Umweltzerstörung und durch einen Raubbau an natürlichen und menschlichen Ressourcen.

Dass sich die Lage der Entwicklungsländer trotz vielfältiger eigener und fremder Programme in kaum einer Hinsicht verbessert und in vielen Hinsichten verschlechtert hat, halten die meisten Beobachter bereits für normal (Moyo 2010). Selbst die am meisten entwickelten Ökonomien haben trotz jahrelanger Anstrengungen keine Mittel gegen eine degradierende Massenarbeitslosigkeit finden können. Wie sollen Steuerungsfragen dieser Größenordnung gelöst werden, so könnte man allerdings fragen, wenn wir nicht einmal in der Lage sind, die scheinbar kleinen Steuerungsprobleme der familiären Stabilität, der anspruchsvollen Erziehung von Kindern, der Versorgung mit Kindergartenplätzen, der Integrität kommunaler Lebenswelten, einer zukunftsorientierten Berufsausbildung etc. auch nur einigermaßen befriedigend zu behandeln.

Vielleicht am erstaunlichsten an der Situation der modernen Gesellschaften ist, dass ungeheuer viele und vielfältige Programme, Initiativen, Projekte, Modellversuche und Veränderungsvorhaben in Gang gesetzt werden, ohne dass dies eine tiefsitzende Steuerungsskepsis überwinden könnte. Akteure und Publikum, Betreiber und Betroffene erwarten oft gar nicht, dass substanzielle Verbesserungen erreicht werden. Die Verhältnisse, sie sperren sich – ohne dass sich genauer sagen ließe, was diese Verhältnisse so undurchschaubar und unveränderbar macht.

All dies nährt die Vermutung, dass nicht einzelne Steuerungsfehler Erfolge im Sinne gelingender Systemsteuerung verhindern. Vielmehr scheint unser Verständnis des Problems der Steuerung komplexer Sozialsysteme insgesamt mangelhaft zu sein. Wäre diese Vermutung richtig, dann wüssten wir, warum es so wenig nützt, an den praktizierten Steuerungskonzeptionen herumzubasteln und sie im einen oder anderen Detail zu überarbeiten. Wenn Ökonomen, Politiker, Unternehmer oder Gewerkschafter jeden Monat neue Vorschläge zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit verkünden, sich aber über Jahre hinweg die Lage nur verschlechtert, dann ist zu befürchten, dass das ganze vorherrschende Modell der Steuerung des Arbeitsmarktes nichts taugt. Wenn über Jahrzehnte hinweg die staatliche Entwicklungshilfepolitik hauptsächlich viele kleine und einige große Katastrophen produziert, dann sollte sich irgendwann die Frage stellen, ob die vorherrschende Konzeption von Entwicklungshilfe überhaupt irgendetwas mit der Realität komplexer Sozialsysteme im Kontext fremder Kulturen zu tun hat.

Wie für die Theorie, so könnte es auch für die Praxis der Steuerung angesichts dieser Penetranz von Misserfolg naheliegen, sich ganz aus dem Geschäft der Steuerung zurückzuziehen und auf Nichtsteuerung zu setzen. Demgegenüber möchte ich in diesem Buch das Argument entwickeln, dass Steuerung[11] unabdingbar ist, weil gerade komplexe Sozialsysteme weder ihrer Eigendynamik überlassen (siehe dazu Mayntz und Nedelmann 1987), noch von außen kontrolliert werden können. Ihre Eigendynamik treibt sie zwar zur maximalen Nutzung ihrer intern angelegten Möglichkeiten, aber ohne Rücksicht auf die widrigen Folgen (»negative Externalitäten«) für ihre Umwelt. Externe Kontrolle dagegen schnürt den Möglichkeitsraum eines Systems auf denjenigen einer Trivialmaschine ein und beraubt es so seiner kreativen und innovativen Züge. Die komplementären Mängel von selbstzerstörerischer Eigendynamik und unmöglicher Kontrolle bezeichnen ziemlich genau das Dilemma, das mit Hilfe eines brauchbaren Konzepts von Steuerung zu lösen wäre.

Nehmen wir als ein erstes Beispiel das Auto (siehe dazu die Parallele im Einführungskapitel meiner Systemtheorie II). Seit 100 Jahren folgt die Entwicklung des automobilen Verkehrssystems hauptsächlich seiner Eigendynamik. Die grundlegende Technologie wird kontinuierlich variiert, aber nicht substanziell verändert. So gibt es eine schier unendliche Fülle von Modellen, Varianten, Veränderungen, mehr oder weniger neuen »features« und Spielereien; aber immer noch existieren weder ein brauchbares Elektroauto noch andere überzeugende Alternativen zum Auto. Die industrielle Produktionsform des Autos hat sich kontinuierlich fortentwickelt. Seit langem ist es ein millionenfach verkaufter Massenkonsumartikel. Das Auto ist billiger, standardisierter, in seinen Komponenten verlässlicher und sicherer geworden; aber nirgendwo in der Autoindustrie scheint es einen Bedarf an grundsätzlicher Reflexion der Folgekosten des Autos zu geben. Die begleitende Infrastruktur – Straßennetz, Verkehrsschilder, Kraftfahrzeugämter etc. – hat sich ebenfalls evolutionär fortentwickelt, ohne Neuerungen oder Brüche.

Insgesamt aber erzeugen diese (und weitere) einzelne Strömungen der eigendynamischen Entwicklung des automobilen Verkehrssystems einen Mahlstrom an negativen Externalitäten, vom Verkehrsinfarkt der Städte über die Vergiftung von Boden, Luft und Wasser bis zur Zerstörung der Ozonschicht und einer möglichen globalen Klimaveränderung – von den jährlich mehr als einer Million Verkehrsopfern auf der Welt insgesamt ganz abgesehen (siehe den Bericht der WHO unter tttp://www.focus.de/panorama/welt/un-mehr-als-eine-million-verkehrstote-weltweit_aid_408400.html). Das Tückische an dieser Entwicklung ist, dass für sich betrachtet jedes einzelne Moment der Eigendynamik eben gerade kontrollierbar erscheint, noch nicht ganz den Punkt erreicht zu haben scheint, an dem das System insgesamt kippt. Im Zusammenwirken seiner vielen Elemente aber bewirkt das automobile Verkehrssystem eine geradezu unglaubliche Gefährdung seiner globalen Umwelt, seiner eigenen Bestandsvoraussetzungen, seiner eigenen Nützlichkeit und Legitimität.

[12]Wäre externe Kontrolle eine Alternative zur Eigendynamik? Auf den ersten Blick ist zu sehen, dass der Moloch Straßenverkehr zu mächtig geworden ist, um noch von außen kontrolliert zu werden. Merkliche Eingriffe in Mobilität, Verfügbarkeit, Kostenstruktur oder gar Zulässigkeit des Autoverkehrs erscheinen von vornherein als aussichtslos – nicht nur wegen des millionenfachen Aufschreis »freier Bürger«, die sich »freie Fahrt« auf die Stirn geschrieben haben, sondern weil mit spürbaren Eingriffen tatsächlich wichtige Funktionsvoraussetzungen einer hochindustrialisierten und hochmobilen Gesellschaft gefährdet wären. Also auf Kontrolle verzichten? Auch diese Option ist inzwischen nicht mehr akzeptabel, dazu ist das Problem zu akut und drängend.

Sieht man genauer hin, so zeigt sich, dass die unvereinbaren Alternativen von ungebremster Eigendynamik und externer Kontrolle sich zu einer raffinierten Scheinlösung verbunden haben. Das System des automobilen Individualverkehrs insgesamt folgt einer unbeherrschten und in hohem Maße zerstörerischen Eigendynamik. Aber es erzeugt zugleich den Schein von Kontrolle und Kontrollierbarkeit, indem einzelne Momente des Systemzusammenhanges in die Form von isolierbaren Einzelproblemen gepackt und korrigierenden (regulativen und/oder technischen) Anforderungen unterworfen werden. Neue Regeln erzwingen die Absenkungen der zulässigen Abgaswerte; der Katalysator wird eingeführt; neue Werte für Maximalverbrauch, neue Werte für die Zusammensetzung des Treibstoffes, höhere Steuern, Vorschriften für car pools; Verkehrsberuhigung, Spielstraßen, Flexibilisierung der Arbeits- und Schulzeiten zur Entzerrung der »Rushhours«; immer neue Programme zur Verlagerung von Straßenverkehr auf die Schiene, immer neue Programme zur Erhöhung der Attraktivität der öffentlichen Verkehrssysteme, immer neue Projekte zur Verbesserung der Schnittstellen zwischen den verschiedenen Verkehrsträgersystemen; Forschungsprojekte zur Automatisierung des Straßenverkehrs, Pilotprojekte zu elektronisch gestützten Verkehrsleitsystemen – die Liste ließe sich beliebig fortsetzen mit Anstrengungen zur Kontrolle einzelner Probleme und Auswüchse des Autoverkehrssystems.

So entsteht der Eindruck, dass mit einer Vielzahl kontrollierender Eingriffe das System insgesamt unter Kontrolle gehalten oder sogar »verbessert« werden könnte. Tatsächlich aber verstärkt sich der Verdacht, dass mit dieser Art von Maßnahmen und Reformen die interessierten Akteure des Systems sich selbst und dem Publikum Kontrollierbarkeit, Planbarkeit und Beherrschbarkeit einreden, während das automobile Verkehrssystem insgesamt außer Kontrolle geraten ist.

Die Problematik des Autoverkehrs ist nur eines von vielen Beispielen. Auf der Ebene ganzer Gesellschaften lag das Modell wettbewerbsorientierter evolutionärer Anpassung zum Beispiel den groß angelegten Sozialexperimenten[13] der »Reaganomics« in den USA und des »Thatcherismus« in Großbritannien zugrunde. Aber die Anpassung des Systems unter der Führung der »Selbstheilungskräfte« des Marktes hat die tiefliegenden gesellschaftlichen Verwerfungen und Asymmetrien eher verstärkt als korrigiert und mehr neue Probleme geschaffen als alte gelöst. Das Modell externer Kontrolle hat Ende der 1980er-Jahre die Führungen der osteuropäischen sozialistischen Systeme dazu verführt, sich einer Fülle von Detailreformen zuzuwenden und darüber die Unreformierbarkeit des Gesamtsystems des praktizierten Sozialismus aus den Augen zu verlieren. Viele ähnliche Illustrationen ließen sich anführen.

Aus diesem beklemmenden Dilemma von selbstzerstörerischer Eigendynamik einerseits und einer verblendeten Illusion der Kontrolle andererseits soll nun Steuerung herausführen? Das bleibt abzuwarten. Jedenfalls ist genau dies der Anspruch einer systemtheoretischen Steuerungstheorie, welche die Erfahrung ernst nimmt, dass in vielen konkreten gesellschaftlichen Problemlagen sowohl die Verklärung des Durchwurstelns als selbstkorrigierende evolutionäre Anpassung gescheitert ist, wie auch die Verkürzung des Problems externer Kontrolle auf eine Sequenz isolierter Detaileingriffe. Allerdings geht es in der Theorieentwicklung nicht in erster Linie darum, eine Lösung des konkreten Problems anzubieten. Das muss den beteiligten Akteuren und Systemen schon selbst gelingen. Theorie kann aber eine unabdingbare Voraussetzung jeder praktischen Problemlösung schaffen, indem sie das Instrumentarium für Beobachtungen, Analysen und Strategien bereitstellt. Dies ist notwendig, um verstehen zu können, welche Art und Qualität von Problem vorliegt und welche Formen der Intervention sinnvoll sein könnten.

So wie es ohne eine Theorie der Sternentwicklung unmöglich ist, etwa aus radioastronomischen Beobachtungen etwas Vernünftiges herauszulesen, so wüssten wir ohne eine plausible Beschreibung des Steuerungsproblems gar nicht, worauf wir bei der Beobachtung dahindriftender Sozialsysteme achten sollten. So wie ohne eine Theorie der Psyche individuelles Verhalten inkohärent und chaotisch erscheinen muss, mit der Folge, dass eine Beeinflussung dieses Verhaltens zum Zwang oder zum Glücksspiel verkommt, so ist die Beeinflussung komplexer Sozialsysteme ohne eine brauchbare Steuerungstheorie ein Vabanque-Spiel mit hohen Einsätzen. Im Umgang mit einfach strukturierten Systemen, mit dekomponierbaren (d. h. in handhabbare Einzelteile zerlegbare) Problemlagen und mit nicht organisierter Komplexität (siehe dazu Systemtheorie II, Kap. 2.4) gewinnen wir seit langer Zeit Erfahrungen, die im Umgang mit organisierter Komplexität nicht nur unbrauchbar sind, sondern sogar irreführend. Die unterschiedlichsten Formen der Beeinflussung sozialer Systeme, von familialer oder schulischer Erziehung über Organisationsmanagement bis zu politischen Programmen, von Systemtherapie über korporative Strategien bis zu Kriegen haben einen historisch[14] gewachsenen Fundus an Ideen, Konzepten und Erfahrungen über erfolgreiche und erfolglose Beeinflussung geschaffen, der heute nahezu durchgängig kontraproduktiv und widersinnig geworden ist (aufschlussreiche historische Beispiele dafür bei Neustadt und May 1986). Dies ist die eigentliche Schwierigkeit einer Steuerungstheorie heute.

Vielleicht war es aber immer schon die Schwierigkeit einer Steuerungstheorie, dass der direkte und umstandslos erscheinende Weg des hierarchischen Zwangs einerseits, des kurzsichtigen Durchwursteln andererseits natürlicher und machbarer erscheinen als der komplizierte Weg einer resonanten Verschränkung (d. h.: einer wechselseitig aufeinander Rücksicht nehmenden Verknüpfung) von Eigenlogik und extern vorgegebenen Möglichkeiten und Restriktionen. Weil aber in komplexen Problemkonstellationen weder Zwang noch Durchwursteln angemessen sind, führen sie nicht selten zu tragischen Lösungen, die das Problem nur verschlimmern. Ein anschauliches Beispiel dafür bietet die antike Tragödie Antigone des Sophokles. Im Kampf um Theben töten sich die Brüder Eteokles und Polyneikes, beides Söhne des Ödipus, gegenseitig. Eteokles, der die Stadt verteidigte, wird in Ehren begraben. Aber der Angreifer Polyneikes darf auf Befehl des neuen Herrschers von Theben, Kreon, nicht begraben werden. Zwischen den beiden Schwestern Antigone und Ismene kommt es zur Auseinandersetzung, weil Antigone entgegen dem Verbot auch Polyneikes, ihren Bruder, begraben will. Ismene beugt sich dem Zwang des Kreon und versucht sich mit Hinweis auf ihre Rolle als Frau durchzuwursteln: »Wir müssen einsehn, dass wir Frauen sind, mit Männern uns zu messen nicht bestimmt. … Ich füge mich der Obrigkeit: Maßlos zu handeln hat ja keinen Sinn.«

Treffend bezeichnet Antigone dieses Durchlavieren als »Klugheit« und »Vorwand«. Aber sie selbst hat dem Zwang des Kreon nichts anderes entgegenzusetzen als einen höheren Zwang, denjenigen der Götter und des Gebots an die Schwester, den toten Bruder zu bestatten. Sie versucht nicht, auf Kreon Einfluss zu nehmen, um ihn zur Rücknahme seines Verbots zu bringen. Im Gegenteil: Offen und trotzig gesteht sie ihre Tat und verweist auf ein höheres Gesetz: « So groß schien Dein Befehl mir nicht, der sterbliche Dass er die ungeschriebnen Gottgebote, Die wandellosen, konnte übertreffen.« Hat Kreon angesichts dieser erzwungenen direkten Konfrontation eine andere Möglichkeit, als auf seinem Gesetz zu bestehen und Antigone zum Tode zu verurteilen? Wenn sie ungestraft bliebe, dann wäre seine Autorität als König untergraben. Schlimmer noch: »Wenn sie sich ungestraft das leisten darf, Bin ich kein Mann mehr, dann ist sie der Mann!« Heutige Feministinnen werden dies zu interpretieren wissen.

Antigone kommt es nicht darauf an, ein Problem in einer komplexen Konstellation zu lösen. Sie sieht von den meisten Momenten der Situation[15] ab – vom Fluch des Ödipus, vom Kampf um Theben, von der Position des Königs, von ihrer Liebe zu Haimon (dem Sohn Kreons), von den Folgen ihres Handelns für ihre Schwester – und verengt ihren Blick auf die Alternative gehorchen oder nicht gehorchen, begraben oder nicht begraben.

Die vielleicht spannendste Rolle in der ganzen Tragödie ist Haimon zugeschrieben. Er hat einen einzigen großen Auftritt, einen langen Dialog mit seinem Vater, in welchem er grandios beginnt, als sei er steuerungstheoretisch geschult, sich dann aber von der Unnachgiebigkeit seines Vaters zunehmend irritieren lässt, schließlich bei Vorwürfen und Drohungen und Spott Zuflucht suchen muss und damit den tragischen Verlauf der Handlung nur noch beschleunigt. Gleich zu Beginn wird er von seinem Vater mit der unlösbaren Alternative konfrontiert: »Kommst du nun, Vor mir um deine Braut zu toben oder Liebst du den Vater stets, was er auch tut?« Aber anstatt sich auf diese tödliche Alternative einzulassen, spricht er wie ein geschickter Berater. Er versichert dem Vater, dass er seiner Weisung folge – solange sie auf den rechten Weg führe. Er lässt offen, was der wirklich rechte Weg wäre und bringt nach einer längeren Tirade Kreons über Gehorsam und Renitenz eine weitere Perspektive ins Spiel, nämlich seine Rolle als einziger, der es wagt, dem König ungeschminkt Beobachtungen über die Stimmung des Volkes mitzuteilen. Behutsam arbeitet er darauf hin, seinem Vater begreiflich zu machen, dass eine Aufhebung des Verbots nicht Schwäche wäre, sondern Weisheit, nicht Unordnung und Aufruhr nach sich zöge, sondern Bewunderung für Großmut:

»Auch für den Klugen ist doch keine Schande,

Statt sich zu übernehmen viel zu lernen.

Du siehst am winterlich geschwollnen Strom

Den Baum, der nachgibt, seine Zweige retten,

Was widersteht, reißt’s mit den Wurzeln fort.

Und wenn der Steuermann das Segeltau

Nur immer strafft und gar nicht lockern mag,

Der kentert bald und fährt kieloben weiter.

Drum beuge dich und wandle deinen Sinn!

Hab ich, der Jüngre, auch ein Wort, ich meine,

Weitaus der höchste Rang gebührt dem Mann,

Dem von Natur der Weisheit Fülle ward.

Doch in der Regel fällt es anders aus,

Dann ist von Klugen lernen auch ein Lob.«

Haimon benutzt sogar zwei explizite Bilder kluger Steuerung – er spricht vom Baum, der sich dem Strom nicht entgegenstemmt und vom Steuermann, der auch nachlassen und nachgeben kann, um den Wind besser zu[16] nutzen. Aber es ist alles vergebens. Schnell spielt sich der zwischen Vater und Sohn übliche Machtkampf ein, bei dem beide nur verlieren können.

Vielleicht wollte Sophokles in Wirklichkeit doch eine Einführung in die Steuerungstheorie schreiben. Denn er begnügt sich nicht mit diesem gescheiterten Versuch. Vielmehr inszeniert er einen in seiner Komplexität eindrucksvollen Steuerungsprozess, der zwar letztlich auch scheitert, weil die Akteure die Zeitdynamik des Geschehens nicht mehr im Griff haben, der aber exemplarisch aufweist, wie Steuerung funktionieren könnte. Schlüsselfigur ist der blinde (!) Seher Teiresias. Ihm gelingt es, Kreon den umfassenderen Kontext der Entscheidungssituation vor Augen zu führen – die Folgen seines Beharrens auf Antigones Tod für ihn selbst, für seine Familie, für die Stadt insgesamt. Er entzieht Kreon die Sicherheit einfacher Alternativen und deutet an, dass Kreons Unerbittlichkeit die Rache der Erinnyen gegen die Stadt heraufbeschwört. Nun endlich ist Kreon erschüttert, aber erstaunlicherweise muss er dies nicht als Niederlage Teiresias gegenüber eingestehen, sondern sich selbst in einem inneren Dialog mit dem Chor. So ist sein Nachgeben nicht mehr eine Frage von Behauptung oder Aufgeben, sondern von Einsicht in eine neue Notwendigkeit.

Das Problem der Steuerung, so lässt sich aus diesem Beispiel ersehen, ist die Auflösung einer paradoxen Verstrickung des zu steuernden Systems. Verstrickt ist es in irgendeine Art von Widerspruch, den es nicht auflösen kann, weil dies eine Reformulierung der Identität des Systems voraussetzen würde. Diese kann das System gerade deshalb nicht leisten, weil es sich in eine Verstrickung hineinmanövriert hat, die es selbst als Bedrohung seiner Identität sieht. Eine Auflösung lässt sich auf dem scheinbar naheliegenden Weg von externem Zwang, hierarchischer Weisung oder direkter Intervention nicht erreichen, weil all dies die defensive Strukturierung des Systems nur verstärkt: »The harder you push, the harder the system pushes back.« In diesem Bereich spielen tagtäglich unzählige Teufelskreise misslingender Steuerung zwischen Ehepartnern, Eltern und Kindern, Lehrern und Schülern, rivalisierenden Gruppen, Ethnien oder Gesellschaften. In unserem Beispiel lässt sich nicht nur Kreon in diese selbstverstärkende Spirale hineintreiben, sondern auch Antigone und ebenso Haimon. Das Grundmuster ist ein Machtkampf, in dem beide Seiten nur die Alternative Sieg/Niederlage sehen können (»Nullsummenspiel«).

Was dagegen erforderlich wäre, deutet Haimon an und vollendet Teiresias: die Anreicherung der Situationsdynamik mit weiteren Alternativen. Erst eine solche Re-Kontextualisierung (»reframing«) gibt dem verstrickten System die Möglichkeit, die ursprüngliche Alternative zu unterlaufen und damit den Teufelskreis zu unterbrechen. Entscheidend ist, dass das betroffene System selbst die weiterführenden Optionen für sich erfinden muss, um sie wirksam[17] in seine Operationsweise einzubauen. Bei diesem Findungsprozess kann es von außen unterstützt werden – durch Götter, Seher oder Orakelsprüche, soweit vorhanden, oder durch Berater, Mediatoren, unparteiische Dritte oder Steuerungsexperten in profaneren Settings. In einem entwickelteren und voraussetzungsreicheren Stadium kann es Systemen auch gelingen, die eigenen internen Kapazitäten für (Selbst-)Steuerung zu schaffen. Dazu müssen sie die Rolle des Beraters oder Mediators ins Innere des Systems bringen, ohne sie sogleich der Konformität der normalisierten systemischen Operationsweise zu unterwerfen. Wie schwierig und prekär solche Prozesse etwa in der politischen Realität sind, zeigen die Anstrengungen um eine Auflösung des israelisch-palästinensischen Konflikts oder des Konflikts in und um Irak oder Afghanistan. Diese Konflikte sind Musterbeispiele für eine jahrzehntelange Verstrickung in sich selbst nährende Teufelskreise von Gewalt und Gegengewalt. In beiden Fällen gibt es wohl nur Aussicht auf Lösungen, wenn sowohl externe Mediatoren Re-Kontextualisierungen erreichen, wie auch interne Revisionen der bislang leitenden Alternativen wirksam werden können.

Um mit meinem Beispiel der Antigone nicht den Eindruck zu erwecken, dass der Versuch der Steuerung normalerweise in einer Tragödie endet, möchte ich ein weiteres Beispiel skizzieren. Es ist insofern ungewöhnlich, als es in diesem Fall um eine hoch professionalisierte Organisationsform zur Vermeidung Katastrophen geht. Das Beispiel betrifft die Steuerung lose verknüpfter Teams für die Durchführung des Flugbetriebs auf einem Flugzeugträger (siehe dazu die ausführlichen Berichte von Weick/Roberts 1993 und LaPorte/Consolini 1991). Das Steuerungsproblem ist leicht zu sehen:

»… imagine that it’s a busy day, and you shrink San Francisco Airport to only one short runway and one ramp and one gate. Make planes take off and land at the same time, at half the present time interval, rock the runway from side to side, and require that everyone who leaves in the morning returns that same day. Make sure the equipment is so close to the edge of the envelope that it’s fragil. Then turn off the radar to avoid detection, impose strict controls on radios, fuel the aricraft in place with their engines running, put an enemy in the air, and scatter live bombs and rockets around. Now wet the whole thing down with sea water and oil, and man it with 20-years-olds, half of whom have never seen an airplane close-up. Oh and by the way, try not to kill anyone.« (Rochlin et al 1987, zit. bei Weick 1993, S. 357.)

Wie lässt sich ein derart katastrophenanfälliges Chaos so steuern, dass tatsächlich so gut wie keine massiven Unfälle passieren? Schon die Fragestellung selbst weicht aufschlussreich von den üblichen Annahmen der Risikoforschung und der Idee »normaler Unfälle« (Perrow 1992) ab. In der Sichtweise[18] dieser Konzeptionen erscheinen Unfälle schon bei milden Graden an Komplexität soziotechnischer Systeme als unvermeidlich, weil die Risikopotenziale (Schwachstellen, Fehlerwahrscheinlichkeiten) der Systemelemente sich zu einer unbeherrschbaren Riskiertheit des Systems insgesamt verknüpfen. Beispiele dafür sind Katastrophen und Beinahe-Katastrophen beim Betreiben von Atomenergieanlagen (Tschernobyl, Three-Mile-Island, Fukushima), Supertankern (Valdez) oder bei Raumflügen (Challenger). Demgegenüber ist es tatsächlich auffällig, dass selbst bei überlasteten Flughäfen oder bei Flugzeugträgern in simulierten Gefechtssituationen nahezu keine massiven Unfälle passieren. Warum?

Gäbe es eine plausible Antwort auf diese Frage, dann wäre man der Theorie einer Steuerung komplexer Sozialsysteme einen großen Schritt nähergekommen. Ich werde in den folgenden Kapiteln ausführlich auf diese Frage eingehen. Zuvor aber sollten wir, wie es sich für ein Einführungsbuch gehört, festeren Boden unter die Füße bekommen und uns zunächst einigen Grundlagen der Steuerungstheorie komplexer Systeme zuwenden. Was die allgemeinen Grundlagen systemtheoretischen Denkens angeht, verweise ich auf meinen Band »Systemtheorie I«, der in die Grundprobleme der Operationsweise und der Entwicklung komplexer Sozialsysteme einführt. Der Band »Systemtheorie II: Interventionstheorie« hängt bereits sehr eng mit dem Thema Steuerung zusammen. Er behandelt die jeder Steuerung vorgeschaltete grundsätzliche Frage, wie Intervention (als Basisoperation jeder Form der Beeinflussung komplexer Systeme) zu verstehen und zu praktizieren sein könnte. Mit dem vorliegenden Band schließe ich dieses Unternehmen der Einführung in Theorie und Praxis des systemischen Denkens ab. Wie schon beim Thema Intervention steht auch beim Problem der Steuerung immer auch die Frage im Hintergrund, ob und in welcher Weise die Einsichten der modernen Systemtheorie eine aufgeklärtere Praxis der Operationsweise von Sozialsystemen anregen könnten.

2      Demokratie als Steuerungsmodell komplexer Gesellschaften[19]

Nach dem Ende des Mythos vom Sozialismus ist nicht nur der Kapitalismus als Wirtschaftsform, sondern auch Demokratie als Operationsform moderner säkularer Gesellschaften auf sich selbst zurückgeworfen. Es stellt sich die Frage, ob Demokratie als eine Form der Selbstorganisation komplexer Sozialsysteme gelten kann, welche den Anforderungen gewachsen ist, denen sich am Anfang dieses Jahrhunderts die entwickelten Gesellschaften ausgesetzt sehen.

Absichtlich verwende ich hier das Konzept der Demokratie nicht als bloßes politisches Herrschaftsprinzip, sondern verallgemeinert als Idee der Selbstorganisation komplexer Sozialsysteme. Damit kommt zum Vorschein, dass die Erfindung der neuzeitlichen Demokratie durch ihre Philosophen und Vordenker wie Hobbes, Locke, Rousseau, Montesquieu, Madison und viele andere nicht allein die Frage politischer Herrschaft betraf. Sie bezog sich auch auf das umfassendere Problem der Ordnung einer Gesellschaft, die dabei war, in allen ihren Momenten – und nicht nur in der Frage ihrer Herrschaftsstruktur – das Wagnis der Moderne einzugehen.

Auf der anderen Seite erzwingt dieser Zugang zur Steuerungstheorie die Auseinandersetzung mit der Möglichkeit, dass nun, nachdem die Moderne jedenfalls in der Ersten Welt zur Entfaltung gekommen ist, Rückfragen an die Idee der Demokratie gestellt werden müssen. Inzwischen wird denkbar, dass die Ordnung hochkomplexer Gesellschaften durch Demokratie allein nicht mehr gewährleistet ist. Natürlich ist dieses Thema etwas heikel; deshalb will ich von vornherein klarstellen, dass es mir nicht um eine Demission der Demokratie geht, sondern um die Frage ihrer Revision unter dem Gesichtspunkt ihrer Tauglichkeit als Steuerungsmodell. In ihrem Bericht von 1991 an den Club of Rome konstatieren King und Schneider (1991, S. 69): »Die Demokratie ist kein Patentrezept. Sie bekommt nicht alles in den Griff, und sie kennt ihre eigenen Grenzen nicht.«

Bevor wir jedoch daran gehen, die Grenzen des Modells der Demokratie unter Steuerungsaspekten zu erörtern, empfiehlt es sich, die Stärken und die Steuerungskapazität von Demokratie näher zu betrachten. Unter dem bezeichnenden Titel »Die Intelligenz der Demokratie« hat Charles Lindblom (1965) ihre vehemente Verteidigung als Steuerungsprinzip vorgelegt. Zurecht betont er die Vorzüge dezentraler, verteilter Informationsverarbeitung und Entscheidungsfindung, einer nicht hierarchischen Kontrollstruktur, eines iterativen und diskursiven Prozesses der Meinungsbildung, eines pluralistischen[20] Spiels der Kräfte ohne »von oben« vorgegebene Zielfunktion und andere Merkmale der Demokratie, die besonders deutlich im Kontrast zur Fehleranfälligkeit autoritärer Systeme hervortreten. Er bestätigt in der Sicht der Demokratietheorie, was etwa zur selben Zeit vor allem im Ansatz des »systems dynamics«, aber auch in der Kybernetik und den frühen »cognitive sciences«, in der Hierarchietheorie oder in der Organisationstheorie verhandelt wird: eine zunehmende Skepsis gegenüber der Planbarkeit und Steuerbarkeit komplexer Systeme und der Versuch, unter den Stichworten Dezentralisierung, Enthierarchisierung, Heterarchie oder polyzentrische Struktur angemessenere Vorstellungen über die Steuerung und Selbststeuerung komplexer Systeme zu entwerfen.

Aber die Euphorie über die Intelligenz der Demokratie hält nicht lange an. Bereits ein Dutzend Jahre später fragt Lindblom besorgt, ob die Demokratie noch eine Zukunft habe (Lindblom 1977, S. 344). In einer Studie, die interessanterweise ausdrücklich steuerungstheoretisch angelegt ist (ebd. S. 11), vergleicht er Tausch, Autorität und Überredung (exchange, authority, and persuation) als grundlegende Methoden sozialer Steuerung und Kontrolle. Aus einer wohlbegründeten Skepsis gegenüber der Steuerungsleistung des Marktes einerseits, aber auch autoritärer Regime andererseits, kommt er zu einer historisch vielleicht verständlichen, aus heutiger Sicht aber merkwürdigen Überschätzung der Steuerungsleistung von Überredung (preceptoral systems). Darauf will ich nicht näher eingehen (siehe aber Willke 1992, Kap. 2.3). Interessanterweise sieht Lindblom den zentralen Mangel von Demokratie als Steuerungsprinzip moderner Gesellschaften darin, dass es den marktförmigen Austausch- und Anpassungsprozessen des formal demokratischen Spiels nicht gelingt, das faktische Übergewicht organisierter Akteure, vor allem der großen Korporationen, zu korrigieren. Damit aber bricht die fundierende Idee demokratischer Steuerung – die Nutzung dezentraler Intelligenz für das kollektive Wohl und der Schutz der verteilten Entscheider vor der Übermacht einzelner Akteure – zusammen:

»It has been a curious feature of democratic thought that it has not faced up to the private corporation as a peculiar organization in an ostensible democracy. Enormously large, rich in resources, the big corporations, we have seen, command more resources than do most government units. They can also, over a broad range, insist that government meet their demands, even if these demands run counter to those of citizens expressed through their polyarchal controls. … And they exercise unusual veto powers. They are on all these counts disproportionately powerful, we have seen. The large private corporation fits oddly into democratic theory and vision. Indeed, it does not fit« (Lindblom 1977, S. 356).

[21]Dieser ebenso klarsichtige wie ratlose Schluss des Lindblom’schen Buches zeigt, wie grundlegend sich inzwischen die Situation verändert hat. Obwohl die großen Korporationen auch heute keinen Deut weniger die Praxis der Idee der Demokratie bedrohen, sticht doch sowohl ihre Machtfülle ins Auge wie auch ihre Hilflosigkeit und Ohnmacht in anderen Hinsichten. Die Auflösung dieses scheinbaren Widerspruchs führt zu einem Kernproblem des gegenwärtigen Steuerungsdilemmas: Demokratische Gesellschaftssteuerung ist heute infolge der Globalisierung der großen Konzerne noch anfälliger für deren Ansprüche und Vetomachtpositionen, noch abhängiger von deren Ressourcen, Expertise und Implementierungskompetenz. Zugleich aber sind die Konzerne und Korporationen in entscheidenden Hinsichten ihrerseits abhängiger geworden von den Vorleistungen der Politik und anderer gesellschaftlicher Funktionssysteme wie Erziehung, Wissenschaft, Gesundheitssystem, Rechtssystem und sogar Familie.

Ich werde auf diesen Punkt zurückkommen. Hier geht es nur darum, die Komplizierung des Steuerungsproblems durch intensivere Verflechtungen, wechselseitige Abhängigkeiten und folgenreichere Verschachtelungen zwischen den Akteuren einer Gesellschaft zu bezeichnen. Entgegen Lindblom haben wir es nicht mit einem klargeschnittenen Konflikt zwischen demokratischer Legitimität und kapitalistischer Rentabilitätslogik zu tun, sondern mit der Dynamik einer Interaktion eigenlogischer Systeme, die ihre eigenen Blindheiten noch nicht sehen und sich von ihren wechselseitigen Abhängigkeiten noch unabhängig glauben.

Demokratie als politisches Steuerungsprinzip gerät in die Defensive, so eine erste nahe liegende Schlussfolgerung, sobald das politische Funktionssystem nicht mehr als klare Spitze einer hierarchischen Ordnung dieser Gesellschaft dominiert. Haben sich die anderen Funktionssysteme, vor allem Ökonomie, Finanzsystem, Wissenschaft und Massenmedien, aus dem Schatten einer übergeordneten Politik herausbewegt, und widerspricht zudem ganz grundsätzlich das Strukturprinzip der funktionalen Differenzierung jeglichem Vorrang nur eines Funktionssystems, dann konkurriert politische Demokratie mit einer Vielzahl eigenlogischer und prinzipiell gleichrangiger Steuerungsformen. Die Frage ist dann, welches Steuerungsprinzip für die Gesellschaft insgesamt gelten soll.

Mit dieser Frage haben wir uns dem zentralen Paradox der Steuerung moderner Gesellschaften genähert: Als Steuerungsmodell der Gesellschaft insgesamt ist »politische« Demokratie ausgeschlossen, will man nicht gegen die Logik funktionaler Differenzierung, also gegen die Logik der Modernität selbst, einen Primat der Politik gegenüber allen anderen Funktionssystemen der Gesellschaft erzwingen. Zugleich ist aber jede »undemokratische« Form der Gesellschaftssteuerung ausgeschlossen, will man nicht entgegen der[22] Logik der Moderne hinter die Errungenschaften der Menschenrechte und, darauf beruhend, die Errungenschaft der Nutzung individueller Varietät, Vielfalt und Interessiertheit zurückfallen. So bleibt als Entfaltung der Paradoxie wohl nur eine Revision der Idee der Demokratie als gesellschaftliches Steuerungsmodell.

Diesem Vorhaben einer Revision des Modells der Gesellschaftssteuerung kommen inzwischen mehrere Denkbewegungen entgegen. Zum einen hat die Debatte über Unregierbarkeit herausgestellt, dass demokratische Politik allein nicht vor gesellschaftlichen Fehlentwicklungen bis hin zu Steuerungskatastrophen schützt. Herkömmliche demokratische Willensbildung und Entscheidungsfindung ist kurzfristig orientiert und vernachlässigt systematisch mittel- und langfristige Selbstgefährdungen von Gesellschaften:

»Regierungen bevorzugen Lösungen, die kurzfristigen politischen Nutzen bringen, und vernachlässigen systematisch die langfristige Perspektive. … Regieren verkommt zur regelmäßig wiederkehrenden Krisenbewältigung, zum Taumeln von einem Notfall in den anderen – Finanzen, Soziales, Zahlungsbilanz, Arbeitslosigkeit, Inflation und dergleichen« (King und Schneider 1991, S. 104).

Zum anderen belegt eine inzwischen weitverzweigte Debatte um den Übergang von government zu governance, dass eine brauchbare Form politischer Steuerung gerade in undurchsichtigen und schwierigen Problemfeldern nur noch durch die Einbeziehung zivilgesellschaftlicher Akteure und Organisationen realisierbar erscheint (Chhotray and Stoker 2010; Willke and Willke 2012).

Schon vor der Diskussion um Unregierbarkeit hat Amitai Etzioni mit seinem bahnbrechenden Buch über »Die aktive Gesellschaft« (1971) Fundamente einer Steuerungstheorie komplexer Gesellschaften gelegt, die merkwürdigerweise bislang eher ignoriert als genutzt worden sind. Selbst Lindblom erwähnt diese Arbeit nicht ein einziges Mal, obwohl es ihm doch auch um die Frage grundlegender Formen sozialer Steuerung und Kontrolle geht. Der Grund dafür könnte sein, dass Etzioni ernsthaft eine Theorie der Steuerung anzielt (1971, Kap. 4), was nicht nur in einem amerikanischen Kontext gern als spekulativ abgewehrt wird. Jedenfalls ist bemerkenswert, dass die empirisch orientierten Überlegungen, aus denen Lindblom die Idee präzeptoraler Steuerung entwickelt, in allen drei behandelten Fällen (China, Kuba, Jugoslawien) dramatisch von der historischen Entwicklung widerlegt worden sind. Ebenso dramatisch hat sich auf der anderen Seite Etzionis Beschreibung entwickelter sozialistischer Gesellschaften bestätigt, die er als übersteuerte (»overmanaged«) Systeme charakterisiert, die den Bedürfnissen ihrer Mitglieder und Teilsysteme unempfänglich gegenüberstehen. Betrachten wir deshalb[23] die Grundzüge von Etzionis Idee der aktiven Gesellschaft etwas genauer (siehe dazu auch Willke 1992, Kap. 2.2).

Idealerweise sucht Etzionis Steuerungstheorie die Bedingungen der Möglichkeit aktiver Gestaltung sozialer Realität primär in der Form der Gesellschaft und reduziert sie nicht auf die Rolle der Politik. Dies liegt einem amerikanischen Gesellschaftstheoretiker sicherlich näher als einem europäischen. In Kontinentaleuropa durchzieht die Staatszentriertheit der Gesellschaftstheorie seit Machiavelli über Hegel bis zu Max Weber ungebrochen bis heute die Debatte. Dadurch kommt der Politik geradezu zwangsläufig eine herausgehobene Rolle in der Prägung der Form der Gesellschaft zu. Es ist in dieser Tradition sehr schwer, überhaupt wahrzunehmen, dass die Gesellschaft insgesamt inzwischen vielleicht ihre eigenen Formvorstellungen entwickelt und realisiert hat.

In der anglo-amerikanischen Tradition dagegen ist der Staat als Gegenstand gesellschaftstheoretischer Analyse nahezu verlorengegangen und muss erst mühsam wiederentdeckt werden (Evans 1985). Allerdings war die amerikanische Gesellschaftstheorie dadurch vor einer Überschätzung der Rolle der Politik bewahrt; es fiel ihr leichter, die Beiträge der anderen gesellschaftlichen Funktionssysteme in der Formung der Gesellschaft als ganzer wahrzunehmen. Eine beide Traditionen umschließende und aufhebende Position ist im Kontext einer systemtheoretischen Gesellschaftstheorie naheliegend, weil einerseits die Gesellschaft als das umfassende Sozialsystem verstanden wird, dem das politische System als differenziertes und spezialisiertes Funktionssystem angehört; weil sie andererseits das eigentliche Steuerungsproblem in der Organisation der Relationen zwischen unverzichtbaren, machtvollen, eigensinnigen, zugleich autonomen und interdependenten Akteuren und Funktionssystemen sieht.

Etzioni stützt in seinen theoretischen Überlegungen diese aufhebende Position, indem er die Steuerungsfunktion des Staates für eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung der Möglichkeit einer aktiven Gesellschaft begreift:

»A society without a state is largely passive, and a state without a societal base is a control network with only a limited capacity for the mobilization of consensus. … The state is more a mechanism of ›downward‹ political control than a mechanism of ›upward‹ societal consensus-formation« (Etzioni 1971, S. 106 f.).

Zugleich vermittelt dieses Zitat, dass es nach Etzioni nicht genügt, wenn das politische System über eine staatliche Kontrollkapazität zur Implementation politischer Programme verfügt. In »postmodernen«, »aktiven« Gesellschaften ist ein komplementärer Prozess der Mobilisierung von Konsensus (»compliance«, [24]kzeptanz) erforderlich, weil die eigendynamischen und innengeleiteten gesellschaftlichen Funktionssysteme ansonsten auf politische Intervention allergisch reagieren. Solange sich z. B. gesellschaftliche Gruppierungen nicht in Interessengruppen und korporative Akteure organisiert haben, sieht sich das politische System einer Gesellschaft ziemlich anderen Möglichkeiten und Schwierigkeiten sozialer Intervention gegenüber, als wenn diese Organisierung einen hohen Grad erreicht hat. Solange das Erziehungssystem, das Wissenschaftssystem oder etwa das Gesundheitssystem einer Gesellschaft nicht über professionalisierte Rollen, spezialisierte Organisationen und ein eigenständiges Kommunikationsmedium sich selbst autonom gesetzt haben, ist es für das politische System relativ einfach, in diesen Bereichen Veränderungen zu erreichen. Nach der Ausbildung von Autonomie und selbstreferenzieller Operationsweise lassen sich diese Funktionssysteme dagegen nur noch in höchst voraussetzungsvoller und spezifischer Weise von außen beeinflussen (siehe Systemtheorie II, Kap. 5).

Ich möchte mich im Folgenden darauf beschränken, einige prägende Momente in Etzionis Steuerungskonzeption der aktiven Gesellschaft hervorzuheben. In ihnen unterscheidet sich die Form der aktiven Gesellschaft grundsätzlich von traditionellen Beschreibungen, vor allem von den in der Tradition von Locke und Tocqueville stehenden Gesellschaftstheorien, welche nur Individuen und individuelle Akteure kennen. Folgende Merkmale werde ich herausgreifen und kurz erläutern:

Die Hervorhebung des korporativen Systems (»collectivity«) als eigenständiger Handlungsrealität gegenüber individuellen Akteuren;

die Idee der systemischen Interaktion (»representational interaction«), die es erlaubt, Kommunikationen auf korporative Systeme zuzurechnen;

das Postulat der Selbsttransformation als Fähigkeit eines Systems, sich selbst aktiv nach einer bestimmten Idee oder Vision des Systems zu verändern; und

die Rolle des kollektiven Wissens als (gegenüber dem individuellen Wissen) eigenständiger Instanz der Identität und der Selbststeuerung eines Sozialsystems.

Die formende Bedeutung kollektiven Handelns und kollektiver Akteure für gegenwärtige Gesellschaften unterstreicht Etzioni mit dem Konzept der »collectivity«: »A collectivity is a macro-scopic unit that has a potential capacity to act by drawing on a set of macroscopic normative bonds which tie members of a stratification category« (Etzioni 1971, S. 98). Um Missverständnisse zu vermeiden, übersetze ich hier den Begriff der »collectivity« mit »korporativem System«. Die »Inkorporierung« soll auf die wesentlichen Momente der[25] »collectivity«, die dichte soziale Vernetzung und die gemeinsame normative Bindung hinweisen.

Die Fähigkeit korporativer Systeme zu kollektivem Handeln – und zwar nicht im diffusen Sinne eines Massenphänomens, sondern im Sinne gerichteter strategischer Kommunikation auf der Basis der Verfügung über sozietale (gesellschaftliche, gesellschaftsweite) Ressourcen und der Verankerung im Stratifikationsmuster der Gesellschaft – verbietet es, eine Gesellschaft auf die Aggregation atomistischer Individuen zu reduzieren. Wenn aber korporative Systeme wie Organisationen, Vereinigungen, Interessengruppen oder öffentliche Körperschaften gesellschaftlich relevant handeln können, dann stellt sich unweigerlich die Frage ihrer kollektiven Rechte und Pflichten, sowie die Frage ihrer Einpassung in das Steuerungsmodell der Demokratie. Die Entwicklung gesellschaftlicher Akteure außerhalb der Politik verändert die Regeln des politischen Spiels um individuelle und kollektive Güter und Rechte – und sie verändert mithin die Steuerungsaufgabe und Steuerungsfähigkeit der Politik (Willke and Willke 2008). Aber es stellt sich auch die Frage der Beeinflussbarkeit und des Einflusses der korporativen Systeme, die Frage nach dem Modus und der Qualität der Interaktionen zwischen korporierten kollektiven Akteuren innerhalb und zwischen den Funktionssystemen einer Gesellschaft.

Lindbloms Verdikt, dass große Korporationen nicht in den Rahmen der Demokratie passen, muss umgeschrieben werden, weil die Realität moderner Demokratie als Organisationsgesellschaften nur die Wahl lässt, entweder diese Realität zu verleugnen oder aber das Modell Demokratie aufzugeben. Längst gibt es keinen vernünftigen Zweifel mehr an der Beobachtung, dass nicht nur der engere Bereich der Politik, sondern die Gesellschaft insgesamt von Großorganisationen beherrscht wird, so dass der politische Prozess aus der strategischen Interaktion einer Vielzahl von öffentlichen und privaten Organisationen resultiert:

»Eine wichtige Folge dieser Entwicklung ist die zunehmende Fragmentierung von Macht, die auf der Handlungsfähigkeit formaler Organisationen nach innen wie nach außen und auf ihrer Verfügungsgewalt über Ressourcen beruht; um das zu konkretisieren, braucht man nur an die großen Unternehmen, an Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände oder an Ärzteverbände zu denken. In vielen Bereichen der Politik gilt daher, dass es der Staat längst nicht mehr mit einer amorphen Öffentlichkeit oder mit Quasi-Gruppen wie soziale Klassen zu tun hat, sondern mit korporativen Akteuren, die über eine eigene Machtbasis verfügen« (Mayntz 1993, S. 41).

Es liegt auf der Hand, dass dies die Undurchschaubarkeit, Komplexität und die Schwierigkeit politischer moderner Demokratien steigert. Aber muss deshalb[26] das Modell Demokratie aufgegeben werden? Diese Frage wird uns durchgehend beschäftigen, denn es ist die zentrale Frage einer Steuerungstheorie moderner Gesellschaften. Aber bleiben wir zunächst bei Etzioni.

Dieser bezeichnet es als eine zentrale Hypothese seiner Studie, dass im Gefüge der Typen von Interaktionen in modernen Gesellschaften sich charakteristische Verschiebungen ergeben. Während die Modi der direkten und der symbolischen Interaktion zwischen korporativen Systemen an Gewicht verlieren, steigt die sozietale Bedeutung der »repräsentationalen« oder systemischen Interaktion: »Representational interaction« nennt Etzioni eine über den institutionellen oder organisatorischen Apparat der korporativen Akteure geregelte Kommunikation, welche dem korporativen System insgesamt, nicht aber individuellen Akteuren, zugerechnet wird. Systemische Kommunikation und Interaktion wird zwar auch von kommunizierenden und handelnden Individuen, etwa Vorsitzenden, Vertretern oder Bevollmächtigten mitgetragen, ihre Inhalte und Wirkungen beziehen sich aber nicht auf diese Personen als Individuen, sondern als Repräsentanten des Systems. Ihre gesellschaftlichen Wirkungen entfalten systemische Kommunikationen aufgrund dieser Repräsentativität und ihrer Zurechnung auf das jeweilige korporative Sozialsystem, nicht aber, weil dort bestimmte Individuen handeln.

Sinnvoll ist diese Verdichtung von Kommunikationen durch Repräsentativität, weil in komplexen und dichten Sozialbeziehungen nicht jede Person und jede Gruppe in der Fülle ihrer Besonderheiten zum Zuge kommen kann, ohne das System völlig zu überlasten. Empirischen Anschauungsunterricht dafür erteilt gegenwärtig der amerikanische Kulturkampf einer völlig überzogenen »political correctness«, wonach jede noch so idiosynkratische Gruppe der Mehrheit die umfassende Berücksichtigung ihrer Besonderheiten aufzwingen kann – jedenfalls semantisch. In der Organisation komplexer Systeme sind viele Details der konkreteren Ebenen auf generalisierteren Stufen der Interaktion irrelevant, oder jedenfalls nicht unabdingbar wichtig. Der Aufbau organisierter Komplexität ist nur möglich, wenn die Dynamik und Varianz der konkreteren Ebenen durch Restriktionen der Relevanzgesichtspunkte kontrolliert und in vereinfachte Formen der Interaktion von Subsystemen gezwungen wird. In der naturwissenschaftlichen Theorie der Komplexität wird dies als Prinzip des »optimum loss of detail« bezeichnet:

»The principle states that hierarchical control appears in collections of elements within which there is some optimum loss of the effects of detail. Many hierarchical structures will arise from the detailed dynamics of the elements, as in the formation of chemical bonds, but the optimum degree of constraint for hierarchical control is not determined by the detailed dynamics of the elements. … hierarchical controls arise from a degree of[27] internal constraint that forces the elements into a collective, simplified behavior that is independent of selected details of the dynamical behavior of its elements« (Pattee 1973, S. 93).

Mit der Unterscheidung von direkter, symbolischer und systemischer Interaktion bietet Etzioni ein leicht nachvollziehbares Konzept für die Erklärung der nach wie vor höchst umstrittenen Frage, wie nicht individuelles, kollektives oder systemisches Kommunizieren und Handeln vorstellbar sein soll. Er zeigt auf, dass das Handeln von Systemen über die Figur der Repräsentativität nicht nur möglich und normal, sondern eben für komplexe Gesellschaften und ihre Makrodynamik besonders bedeutsam ist.

Diese frühen Hypothesen Etzionis sind in der nachfolgenden langjährigen Diskussion um die Theorie des Neokorporatismus eindrucksvoll bestätigt worden (Schmitter 1983; Willke 1983, Kap. 4). In korporatistischen Verhandlungssystemen, wie z. B. konzertierten Aktionen, kommunizieren die Vertreter von korporativen Systemen mit Wirkung für ihre Systeme und mit sozietalen Wirkungen, eben weil sie nicht als individuelle Personen, sondern als Repräsentanten von Systemen agieren. An diesen Fällen lassen sich auch einige der Konsequenzen systemischer Kommunikation gut beobachten: Entgegen naiven Vorstellungen von Kommunikation und Handeln kommt es für die Inhalte der systemischen Interaktion nicht nur – und heute vielleicht nicht einmal mehr vorrangig – auf die Intentionen oder Interessen der beteiligten Individuen an, sondern auch auf die Gesetzmäßigkeiten der Operationsweise der betroffenen handlungsfähigen und interessierten Sozialsysteme (siehe auch Systemtheorie II, Kap. 4.2).

Dass die systemische Interaktion korporativer Akteure zum Normalfall gesellschaftlich relevanter Kommunikationen geworden ist, bedeutet allerdings nicht, dass die beteiligten Organisationen sich automatisch an einem übergeordneten Systeminteresse, etwa am öffentlichen Interesse oder am Gemeinwohl orientieren. Vielmehr ergibt sich, wie Renate Mayntz betont (1993, S. 52), eine Mehrebenenstruktur der Kommunikation, in welcher mehr oder weniger bornierte Partialinteressen und aufgeklärte, reflexive (und in diesem Sinne gemeinwohlorientierte) Interessen durcheinanderlaufen. Häufig kommt es in Großorganisationen, seien dies Unternehmen, Gewerkschaften oder Parteien, zu einem Konflikt zwischen eng und kurzfristig definierten Maximierungsinteressen einerseits und stärker fachlich und professionell orientierten mittelfristigen Optimierungsinteressen andererseits. Letztere ermöglichen eher Koalitionsbildungen, Verhandlungen, Kooperationen, Allianzen etc. Sie sind deshalb steuerungstheoretisch und -praktisch besonders interessant.

[28]Ein dritter zentraler Aspekt des Steuerungsmodells der aktiven Gesellschaft ist die Fähigkeit zur Selbsttransformation sozialer Systeme, die über Homöostase und Ultrastabilität hinausgeht, indem sie Selbstthematisierung und Selbstbeschreibung (ausführlicher zu diesen Begriffen Systemtheorie I, Kap. 5.1) einschließt.

»A societal unit has transformability if it also is able to set – in response to external challenges, in anticipation of them, or as a result of internal developments – a new self-image which includes a new kind and level of homeostasis and ultra-stability, and is able to change its parts and their combination as well as its boundaries to create a new unit. This is … an ability to design and move toward a new system even if the old one has not become unstable.« (Etzioni 1971, S. 121, Hervorhebungen im Text).

Etzioni sieht klar, dass die Fähigkeit zur Selbsttransformation mehr voraussetzt als bloße Anpassung an Umweltbedingungen oder -veränderungen. Die Ausbildung einer alternativen systemischen Identität ist ein intern ausgelöster Prozess, der auf interne Bedingungen des Systems antwortet. Also muss die betreffende soziale Einheit in der Lage sein, als System ihre internen Bedingungen zur Kenntnis zu nehmen und mit Blick auf alternative Realitäten Veränderungsprozesse abzuwägen und in Gang zu setzen.

Auf der anderen Seite verändert die Fähigkeit sozialer Systeme zur Selbsttransformation grundlegend die Bedingungen, unter denen das politische System einer Gesellschaft arbeitet. Denn Selbsttransformation setzt die operative Autonomie des Systems voraus. Systemtheoretische Überlegungen haben sehr viel genauer spezifiziert, was unter operativer Autonomie eines Sozialsystems zu verstehen ist. Ein System erreicht Autonomie, wenn es auf der Grundlage einer selbstreferenziellen Operationsweise sich selbst steuert und spezifische, durch seinen Kommunikationscode und seinen Operationsmodus vorgezeichnete Umweltbeziehungen unterhält. Es ist dann autonom in dem Sinne, dass es nach Maßgabe seines eigenen Codes operiert und in dieser Tiefenstruktur seiner Selbststeuerung von seiner Umwelt unabhängig ist (siehe Systemtheorie I, Kap. 3 und Systemtheorie II, Kap. 4.1).

Für hochdifferenzierte, komplexe Gesellschaften ist festzuhalten, dass Teilsysteme wie Politik, Ökonomie, Wissenschaft, Erziehung, Gesundheitswesen, Unterhaltungs- und Pop-Kultur, Recht, Sport etc. jeweils inzwischen hochkomplexe, selbstreferenzielle Systeme geworden sind. Ihre Operationsweise als soziale Systeme, d. h. die Strukturregeln und -muster der in ihnen ablaufenden Kommunikationen, richtet sich primär an internen Konditionalitäten aus und erst darauf aufbauend und nachrangig an externen Bedingungen. Die Operationsweise eines spezialisierten Systems gehorcht in erster Linie der Logik dieses Systems selbst; es kommt zu einer zirkulären Vernetzung seiner[29] Operationen, zu einer »basalen Zirkularität« (Maturana), nach welcher das System auf sich selbst reagiert, sich selbst Probleme schafft und nur nach Maßgabe der Logik seiner Selbststeuerung aus externen »Ereignissen« Informationen ableiten kann. So reagiert etwa das ökonomische System sensibel auf Schwankungen der Geldmenge oder der Inflationsrate, nicht aber auf eine Millionenzahl von Arbeitslosen, weil Letztere kein relevantes wirtschaftliches Datum darstellen. So reagiert das politische System sehr genau auf spezifisch politische Daten wie etwa Wahltermine, Wählerwanderungen oder neue korporative Akteure, aber nur sehr träge auf »objektiv« drängende Problemlagen wie etwa Überrüstung, Umweltzerstörung oder technologische »Restrisiken«, da diese nicht unmittelbar politische Relevanzkriterien ansprechen.

Entgegen dieser zu beobachtenden Selbstreferenz und Selbstbeschränkung funktional spezialisierter Teilsysteme gehen gegenwärtige Theorien des Staates, des Rechts und der Politik immer noch von einem expansiven Politikverständnis aus. Dieses weist der Politik die hierarchische Spitze und mithin den Steuerungsprimat in der Gesellschaft zu. Die Politik als Teil ist für das Ganze der Gesellschaft verantwortlich und soll deshalb in der Lage sein, gesellschaftliche Teilbereiche in direktem Zugriff zu steuern. Eine entsprechende Auffassung des gegenwärtigen Wohlfahrts- und Interventionsstaates betont aus diesem Grund die Fähigkeit von Staat und Recht, von außen her innerhalb der jeweiligen Bereiche bestimmte Wirkungen zu erzielen.

Nimmt man dagegen den Primat funktional differenzierter Teilsysteme in modernen Gesellschaften ernst und interpretiert ihn in diesem Sinne als die Ausbildung selbstreferenzieller Funktionssysteme für Teilaspekte des gesellschaftlichen Kommunikationszusammenhangs, dann lassen sich mit einer präziseren Fassung der Voraussetzungen und Folgen funktionaler Differenzierung und operativer Autonomie auch die Idee der aktiven Gesellschaft und ihr Steuerungsproblem präzisieren.

Wenn Veränderungen, Reformen, Strukturwandel etc. in erster Linie innere Angelegenheiten der autonomen korporativen Systeme sind, dann gewinnen diese mit ihrer operativen Autonomie den Handlungs- und Entscheidungsspielraum, der diese verteilten, dezentralen und differenzierten Sozialsysteme innerhalb einer Gesellschaft zu aktiv handelnden Akteuren macht