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Ein Dutzend erotische Geschichten, geeignet zum Träumen und zum Nachsinnen. Nicht jede dieser Geschichten verträgt das grelle Tageslicht und nicht jede hält unseren althergebrachten Moralvorstellungen stand. Aber dafür sind erotische Geschichten nicht gemacht. Tauchen Sie ein in die aufregenden, schmerzlichen und manchmal auch komischen Erlebnisse von ganz und gar "normalen" Menschen. ich hoffe, es wird Ihnen ein durch und durch sinnliches Vergnügen sein.
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Veröffentlichungsjahr: 2017
Die Frau im Spiegel sah sie mit spöttisch geschürzter Unterlippe prüfend an. Nur wenn man etwas genauer hinsah, waren die Spuren des gestrigen Abends noch sichtbar. Nichts, was ein wenig Makeup nicht in Ordnung bringen konnte.
„Du solltest trotzdem etwas kürzer treten, altes Mädchen!“ Die Frau im Spiegel hob ironisch die rechte Augenbraue etwas in die Höhe. Mit einer gekonnten Geste der Linken winkte sie ab.
„Ach, was soll’s. Man lebt doch nur einmal. Und der Junge war einfach zu lecker!“
Und das war er gewesen, in der Tat.
Ein letzter Blick, das Haar wirkte voll und dunkel, kein weißer Ansatz. Sie hob ihren Busen in der Korsage prüfend ein wenig an und lächelte anerkennend. Sie löschte das Licht und betrat das Wohnzimmer, das bereits hergerichtet war. Die letzten Strahlen der Sonne malten goldfarbene Reflexe auf den Couchtisch, wo der Dekander mit dem Spätburgunder und zwei Gläsern stand.
Das Rubinfeuer des Weines tanzte über den Teppich.
Die Frau spürte das leise, schwebende, tanzende Gefühl in ihrem Unterleib. Ja, sie erwartete diesen besonderen Jungen, dieses schöne Stück Mann, wie sie zu sagen pflegte. Kerle sagten manchmal Fickfleisch, das war ihr zu ordinär und primitiv. Sie mochte die Jungs, die sie besuchten.
Auf der Anrichte mit dem Telefon und den Bildern der Kinder stand ihr Glas. Sie nippte am Wein und spürte die Leichtigkeit, die sich einstellte und die sich manifestierende Erwartung. Sie glaubte zu spüren, dass sich etwas zu viel Feuchtigkeit zwischen ihren Schamlippen ansammelte. Ein leises Seufzen überkam sie. Sie gab sich ihrer Erwartung hin, verlagerte das Gewicht abwechselnd auf das eine und das andere Bein. Sie spürte ihren Körper, sie mochte ihn.
Es klingelte. Ein Blick auf die Uhr: Na bitte, sie ließ man nicht warten! Die Highheels klackten über das Parkett in der Diele. Ein Seitenblick auf die Totale im Garderobenspiegel: perfekt, yeah.
Sie schloss auf und öffnet die Wohnungstür. In Erwartung eines gut gewachsenen Mannes, der seine Größe mit eins fünfundachtzig angegeben hatte, sah sie leicht nach oben in den Treppenflur.
„Hier. Hier unten!“, hörte sie sagen und richtete den Blick abwärts. Ein Mann mittleren Alters, nicht größer als sie selbst, erhob sich gerade vor ihr. Das Gesicht eher schmal, was durch den grau melierten, kurz getrimmten Vollbart noch unterstrichen wurde. Graugrüne Augen hinter den entspiegelten Gläsern einer randlosen Brille. Schmale Nase über einem schmallippigen Mund.
Ein Vertretergesicht? Die Stimmung der Frau durchlief die Skala von verblüfft nach ungeduldig mit Tendenz Ärger.
„Es tut mir leid, ich kaufe nichts an der Tür. Wie sind sie überhaupt hier rauf gekommen? Ich erwarte jeden…“
„… Moment Besuch, ich weiß. Sie erwarten vermutlich diesen Herrn hier.“ Mit diesen Worten hielt ihr der Mann das Display eines Smartphones vors Gesicht. Sie hatte ihre Brille nicht auf – das wäre ja noch schöner! – aber sie konnte das Foto erkennen, das ihr Maurice geschickt hatte. Sie nickte mechanisch und hatte deutlich das Gefühl von Unwirklichkeit. Was wurde das hier?
„Der sieht leider im Moment so aus.“, fuhr der Mann fort und mit einer schnellen Bewegung seiner Finger wechselte das Display. Sie erkannte das Gesicht auf dem Foto, für den Rest brauchte sie ein wenig länger. In Gips, mit Halskrause? Sie löste ihre Augen von dem Handy und sah den Mann dahinter entgeistert an.
„Und wer sind Sie, wenn ich fragen darf?“ Ihr Stimme klang nun eindeutig bei Ärger angekommen.
„Körner. Jochen Körner. Wenn Sie mich herein bitten würden, ich möchte das nicht unbedingt hier…“ er machte eine ungefähre Geste, den halbdunklen Treppenflur umfassend.
Sie trat etwas zur Seite und ließ den Mann eintreten. Er kam drei Schritte in die Diele und sie nahm den interessanten Duft eines Parfüms wahr. Er blieb vor ihr stehen und sah sie erwartungsvoll an. Irgendwie strahlte er eine seltsame Ruhe und Gelassenheit aus. Seine rechte Augenbraue zuckte etwas in die Höhe, als amüsiere er sich etwas. Seine Augen wanderten für einen kurzen Blick durch die Diele. Dann sah er sie wieder an.
„Ja, und nun? Was ist mit Maurice? Unfall oder was?“
„Maurice? Ich versteh nicht…“, sagte der Mann, der sich als Jochen vorgestellt hatte. Er sah noch einmal auf den kleinen Zettel, den er in der rechten Handfläche verborgen hielt. Er zeigt ihn ihr. Darauf stand mit etwas krakeliger Handschrift ihr Name und ihre Adresse.
„Das sind Sie doch, oder?“ er sah sie prüfend an, während seine Mundwinkel zuckten. Lacht der mich aus? Bin ich hier bei „Verstehen Sie Spaß?“ Ihr stieg Zornesröte in die Wangen.
„Ja, natürlich. Ich verstehe nicht…“
„Werden Sie gleich. Wollen Sie das wirklich hier so zwischen Tür und Angel…?“ er sah sich noch einmal um und zuckte kurz mit den Schultern. Sie durchzuckte der irrwitzige Gedanke, einem Trickbetrüger aufzusitzen und fast hätte sie dem Impuls nachgegeben, ihm ein schnippisches „Ja, warum nicht?“ zur Antwort hinzuwerfen. Statt dessen machte sie eine Geste in Richtung Wohnzimmertür.
Er sah sie etwas hilfesuchend an und deutete auf seine Schuhe.
„Soll ich…?“ Sie sah ihm ins Gesicht und forschte danach, ob dies ein Scherz sein sollte. Sie fand kein Indiz. Sie schüttelte knapp den Kopf und das Gefühl der Unwirklichkeit breitete sich weiter in ihr aus.
Sie betraten das Wohnzimmer und er nahm auf der Vorderkante des dunkelgrünen Ledersessels Platz. Sie setzte sich auf die Couch und schlug die Beine über einander. Plötzlich wurde sie sich bewusst, dass sie diesen unverschämt kurzen Rock trug und die Halterlosen, die noch vor dem Rocksaum in dieser verruchten Spitze mündeten. Und dass sie keinen Slip trug! Sie unterdrückte den Reflex, am Rocksaum zu zupfen. Da war nichts zu zupfen!
Sie sah aus dem Augenwinkel das kurze Aufblitzen seiner Augen und seltsamerweise amüsierte sie das auf unerwartete Weise. Sie spürte, dass sie sich langsam entspannte.
„Also Jens hatte…“
„Wie Jens? Sie sprechen doch von Maurice, oder?“
Er lächelte und das verlieh seinem Gesicht einen seltsamen Reiz. Wie ein Sonnenstrahl, der durch eine Wolkenlücke auf eine Wiese trifft.
„Was ist so komisch? Spannen Sie mich doch nicht auf die Folter!“ Der Ausruf klang inzwischen fast aufgeräumt.
„Also er hat sich Ihnen als Maurice vorgestellt?“ erkundigte sich Jochen Körner und in seiner Frage schwang ein Glucksen mit, wie kurz vor einem Lachen.
„Ja, na persönlich natürlich nicht, aber so in etwa.“
Die Frau, die sich selbst gern Isabelle nannte und eigentlich vor einen halben Jahrhundert auf Ursula getauft worden war, verspürte den kaum bezwingbaren Drang nach einer Zigarette und einem Schluck Wein.
„Also Maurice, das ist…“, setzte Körber an.
„Entschuldigung, kann ich Ihnen etwas anbieten? Wasser, ein Glas Wein?“ Sie sah sich selbst in Gedanken fassungslos an: Uschi, hast du nen Knall?
Körber sah sie einen Moment ratlos an, dann nickte er.
„Danke, sehr freundlich.“, sagte er. Sie goss die beiden Gläser neben dem Dekander ein, reichte ihm eines davon. Er ergriff das Glas am Stil kurz über dem Fuß, schwenkte es kurz und roch daran. Seine Augenbrauen hüpften in die Höhe. Er nickte ihr zu. Sie stießen an und die hauchdünnen Gläser klangen. Es war wie eine Szene aus einem Film. Knistert hier irgendwo Kaminfeuer?
Er nippte kurz, stelle das Glas vor sich auf die schimmernde Glasplatte des Tisches. Als er hoch sah, trafen sich ihre Blicke und er hielt kurz inne. Was ist?
„Also Maurice heißt eigentlich Jens. Maurice ist nämlich sein Kater.“ Körber holte das Handy allen Ernstes wieder aus der Tasche und zeigte das Display hoch. Uschi sah das Bild eines Urtiers von einem Kartäuser. Körber nahm das Smartphone zurück und ließ die Nachricht gebührend wirken. Um seinen Mund spielte dieses ironische Lächeln.
„So. Und was ist nun mit Maur… Jens passiert und was suchen Sie hier?“ Uschi, der trinkt deinen teuren Wein! Bist du denn total bekloppt?
„Tja. Ich bin sozusagen Jens‘ Ersatz“, sagte er und sah ihr dabei direkt ins Gesicht. Kein Lächeln, kein Feixen, kein Zucken mit den Augenlidern. Ist dir schon aufgefallen, was der für lange Wimpern hat?
„Ersatz“, echote Isabelle und stellte das Weinglas vor sich ab. Etwas heftig. Ein hässlicher Laut. Nichts passiert.
Sie holt Luft. Also richtig Luft. Ihre Augen sind schmal geworden vor Zorn. Er sieht es und er merkt, was er angerichtet hat.
„Halt, warten Sie, nicht was…“, lenkt er ein, wedelt mit den Händen. Umsonst.
„Was glaubt dieser kleine Wichser eigentlich wer ich bin? Eine Straßenhure, die er einfach weiterreichen kann!“
Wenn Isabelle richtig in Fahrt ist, neigt sie sehr zu einer etwas derben Gossensprache. Uschi ist das hinterher oft peinlich. Heute nickt aber auch diese empört. Sie springt auf, das Weinglas kann sich nicht wehren. Der rubinrote Saft rinnt über den Glastisch und tropft auf die Auslegware. Das Glas springt zweimal auf und entscheidet sich dann für den Freitod.
„Scheiße! Auch das noch!“ Körber ist aus dem Sessel, bevor sie gesehen hat, wie er aufgestanden ist. Ein Stofftaschentuch stoppt den Weinfluss an der Tischkante. Er kniet dort, sie steht auf ihren Highheels auf der anderen Seite der Glasplatte, bebend vor Wut und selbstvergessen. Er sieht von unten zu ihr hoch, wechselt für einen Wimpernschlag – Er hat diese verdammten langen Wimpern! –die Blickrichtung, langt mit der anderen Hand nach einer bordeauxfarbenen Papierserviette und legt sie auf den sich ausbreitenden dunkelroten Fleck auf dem Boden.
„Salz!“ sagt er. Sie schaut verdutzt.
„Bringen Sie mir Salz. Damit der Fleck rausgeht!“ Sie reagiert mechanisch, läuft hinüber zur Küche. Kommt mit dem Salzstreuer zurück. Er sieht sie einen Moment seltsam an.
„Scherz, oder? Eine Packung, eine Büchse, viel Salz!“, sagt er ruhig. Sie zieht die Augen zusammen. Der behandelt dich wie eine dumme Göre! In deiner eigenen Wohnung!
Sie gehorcht und kommt mit dem Salzglas zurück. Es steht „Mehl“ vorn drauf, weil ihr das Salzglas vor ein paar Jahren in der Spülmaschine…
Er nimmt es ihr aus den Händen, sieht die Aufschrift, kostet und schüttet einen kleinen kegelförmigen Haufen auf den Weinfleck. Die Ränder des Kegels beginnen, sich rötlich zu färben. Sie steht da auf der anderen Seite des Salzkegels und schaut auf seine Hände, die vorsichtig den Kegel etwas verteilen. Das sieht so zärtlich aus, wie er das macht!
„Wie ein Profi“, entschlüpft es ihr.
Ersatz!!! Schnaubt Isabelle. Die Frau versteift sich. Er hockt dort auf seinen Fersen und schaut sie an. Und dann wird sie sich der Situation ganz und gar bewusst. Sie streicht mit den Händen über die Vorderseite des Rockes.
„Danke. Und jetzt würde ich Sie bitten…“
„Machen Sie das nicht, Isabelle“, sagt er und steht auf. Wieder gibt es Augenkontakt. Er geht ihr nicht aus dem Weg. Wie macht er das?
„Was? Was soll ich nicht machen? Sie raus schmeißen? Und ob!“ Sie hat die Hände in die Hüften gestützt und hofft, dass ihr Gesicht so entschlossen und wütend ausschaut, wie sie möchte.
„Ich gehe ja gleich. Aber zuerst lassen Sie mich das erklären, bitte. Es dauert nicht lange!“ Sein Gesicht ist eine ernste Bitte.
„Was gibt’s da zu erklären? Dieser Möchte-Gern-Gigolo!“ In Isabelle erwacht die Dramaqueen. Sie macht eine etwas zu theatralische Geste und deutet auf das verendete Weinglas, dessen frische Leiche noch immer letzte Blutstropfen von sich gibt. Sie wendet sich dem Tisch zu und will die Scherben aufsammeln. Ihr Blut mischt sich gleich darauf mit dem Wein.
„Autsch!“ Es ist der Daumen. Warum müssen Finger immer so heftig bluten! Die Farbe des Nagellacks beißt sich mit dem des Blutes.
„Warten Sie!“ Er ist so verdammt geistesgegenwärtig! Schon überdeckt eine zweite Serviette ihren Daumen.
„Aua!“ Das war ein eher rhetorischer Protest. Er nimmt ihre Hand und sie spürt diese sanften Finger auf ihren Fingeroberseiten. Er bringt sein Gesicht nahe an den Daumen. Der Blutstropfen wird größer und dunkler. Körber beugt sich herunter und leckt ihn ab, nimmt den Daumen kurz zwischen die Lippen und richtet sich fast erschrocken wieder auf.
„Ist kein Splitter mehr drin“, sagt er fast entschuldigend. Er drückt die Serviette fester um die Kuppe des Daumens.
„Vielleicht ein Pflaster?“, schlägt er vor. Ihre Gesichter sind jetzt auf Kussreichweite. Uschi schaut ihm ins Gesicht. Die Augen haben merkwürdige Strahlen in der Iris, bemerkt sie fasziniert und weiter hinten zischelt Isabelle beleidigt etwas von Ersatz.
Uschi muss fast schielen, so sehr konzentriert sie sich auf das Gesicht da vor sich. Inzwischen scheint der Sekundenzeiger einen Umweg zu machen.
Er küsst sie. Die Lippen sind trocken und geschlossen, trotzdem schmeckt sie den Wein. Der Bart der Oberlippe berührt sacht ihre Haut unter der Nase. Es ist nicht unangenehm. Es ist ganz und gar nicht unangenehm!
Er hatte sich nach vorn beugen müssen, nun richtet er sich auf, seine Zunge wischt flink über die Lippen. Ein Lächeln flammt auf wie ein nasses Zündholz und verlischt.
„Ich glaube, ich werde jetzt…“ sagt Körber und seine Hände wirken linkisch. Die Rechte will ihre zum Abschied fassen, scheint aber unschlüssig und die Linke versucht sich in der vorderen Tasche seiner Jeans zu verstecken, was auch nicht viel erfolgreicher ist.
Uschi, die sich gern Isabelle nennt, unterbricht ihn.
„Untersteh‘ dich, wie heißt du noch mal?“ Ihre Stimme hat einen kleinen, fein gezackten Riss. Sie fasst seinen Hemdkragen und zieht sein Gesicht zu sich heran. Sie öffnet ihre wunderschönen vollen, perfekt geschminkten Lippen und er lässt sich nicht bitten. Dieser Kuss schmeckt definitiv nach Rotwein und er macht, dass beide plötzlich ihre Arme um einander gelegt haben. Da stehen sie, in einen heftigen Kuss verzahnt. Sie will einen Schritt auf ihn zu machen, will Körperkontakt herstellen, aber er dreht sie halb zur Seite.
„Vorsicht, das Salz!“, haucht er, wobei er die Lippen kaum von den ihren nimmt. Uschi muss lachen und wenn Uschi so lachen muss, dann pflanzen sich feine seismische Wellen bis in ihren Unterleib fort.
Isabelles geschlossene Augen blitzen vor erregtem Vergnügen. Sie möchte seine Unterlippe mit den Zähnen etwas lang ziehen und seinen Bart mit spitzer Zunge ablecken. Sie hat eine sündige Erinnerung an das Gefühl von kurz geschnittenem Haar unter ihrer gierigen, kecken Zungen. Doch dort roch es nicht nach gutem Wein.
Die Körper begegnen sich endlich in diesem Kuss. Ihr Bauch muss nicht fahnden, sie spürt seine Erektion mehr als deutlich. Er hat also nicht nur lange Wimpern!
Isabelle überlegt gut gelaunt, was sich auf Wimpern reimt und kichert wie ein Schulmädchen beim Aufklärungsunterricht.
Plötzlich wird sich die Frau bewusst, dass ihre kitzelnde, brennende Vorfreude von vorhin wieder da ist. Sie spürt wieder diesen seltsamen und schönen Reibungsverlust zwischen ihren Schenkeln und ein heimliches, lächelndes Sehnen nach einer Berührung durch diese sanften Finger. Sie presst ihre im Korsett verschnürten Brüste an seine Brust. Der seidige Stoff der Korsage liebkost ihre Brustwarzen und diese sanfte Reibung lässt die Höfe sich kräuselnd erheben. Oh, wie liebt die Frau dieses Gefühl, diese stolze und ursprüngliche weibliche Lust, die sich von ihren Brüsten – Isabelle sagt immer Prachttitten – hinab schießt in ihren Schoß. In Momenten wie diesen fühlt sie sich wie das Weib an sich.
Der Mann mit der schnellen Auffassungsgabe, der sich als Jochen vorgestellt hatte, scheint ihre Lust zu erahnen. Seine Hände erreichen als flatternde Vögel die Hügel ihres Busens. Ja, er streicht mit den empfindlichen Rückseiten seiner Finger über die Stelle, an der sich die Knospen aus den Höfen erheben. Mit einer einzigen sanften Bewegung wechselt er die Richtung und seine Finger greifen die weichen Polster, verhalten zunächst, fassen dann eine Spur bestimmter. Uschi zieht hörbar die Luft zwischen die Zähne. Isabelles Hände hingegen sind voller Unternehmungslust und Forscherdrang.
Während die Frau ihre Schulter nach hinten zieht um ihre Brüste dem Tasten und Kneten mehr Fläche zu bieten, während er mit seinen Lippen vom nun nicht mehr so perfekt geschminkten Mund an ihren Hals gewandert ist und dort eine feuchte Spur von Küssen und Zungenspielen hinterlässt, beginnen die Körper in einem ganz eigenen Rhythmus zu schwingen. Beide wissen nicht, wer diese Wellen verursacht, wer sie antreibt, ihre Länge und Geschwindigkeit bestimmt. Es will auch keiner wissen, aber beide wollen, dass es nicht aufhört.
Isabelle hat sich Zugang verschafft. Die Jeans rutscht an dem schmalen Hintern des Mannes herab und die heiße Hand der Neugierigen findet den Gesuchten. Uschi brennt innerlich und ihre Lust schreit nach Bestätigung. Sie atmet inzwischen tief und schnell und beim Ausatmen hört man so etwas wie ein leises, raues Lachen.
Seine Hände sind nun schnell und zielstrebig. Er streift die Träger der Korsage an ihren Armen herunter. Seine Linke – es scheint Uschi die geschicktere – findet den Reißverschluss auf dem Rücken. Sie lösen ihre Körper gerade so lange von einander, dass er sie von dem sündhaft teuren und nun völlig entbehrlichen Kleidungsstück befreit. Der Trägerlose folgt ihm sogleich. Die Brüste folgen ihrer Erdschwere, aber die Hände des Mannes sind gütig und die Lippen, die Zunge ein Segen. Die Frau beginnt zu glauben, sie würde der Schwere trotzen und einfach schweben. Der Mann, er heißt Jochen, weiß sogar Isabelle, beugt sich an ihrem nackten Körper herunter, seine Liebkosungen lösen Stürme aus, die als Gänsehaut über die Haut gleiten wie Gezeiten und die Wellen sanften Ziehens durch ihren Leib treiben.
Endlich fällt der Rock und der Mann kniet vor dem Weib, seine Augen sind dunkel und irgendwie unscharf vor Gier. Er schaut zu ihr hinauf, während seine Hände ihre breiten Hüften gepackt halten. Er richtet seinen Blick auf ihren Venushügel, eine weiße Erhebung aus dem halbdunklen Tal ihres Schoßes. Er taucht mit seinem Gesicht dort ein. Sie öffnet ihre Schenkel und hebt ihm das Becken entgegen. Auf diese Berührung wartet sie seit gefühlten Stunden. Als seine Zunge die Schamlippen teilt und ihren Kitzler erreicht, fährt eine Glutwelle durch ihren Körper. Sie hält den Atem an und ihr Leib bäumt sich. Sie steht die schweren sieben Schritte vor dem Gipfel und ist fast blind und taub, fast ohne Luft vor Lust. Seine Hand hilft über die Distanz und sie greift ihm ins Haar und drückt ihn mit dem Gesicht in dieses zuckende, nasse Zentrum der Erfüllung. Die Zwillinge rufen nach Hilfe und nach mehr in ihrer ureigenen Schamanensprache, die in diesem Raum nur der Mann versteht, der Jochen heißt. Glaubt er jedenfalls. Später.
Später, das ist, nachdem sie von der Wohnstube ins Schlafzimmer geraten waren, ohne dass sie bei diesem Später angekommen, zu sagen gewusst hätten, wie. Später war lange Stunden nachdem sich Isabelle des bläulich dunkelroten Phallus des auf dem Bett liegenden Herrn Körber – Jochen, meinte Uschi, Jochen!- angenommen hatte. Wer Isabelle kannte, wusste, dass sie diese Art der Hingabe an ihr aktuelles Schönes Stück Mann besonders ausgiebig genoss. Sie konnte sehr besitzergreifend und bestimmend sein, wenn es darum ging, eine Flucht vor ihren Lippen und dieser verruchten Zunge zu unterbinden. Jochen Körber hatte keine Chance. Und ehrlich- hätte er sie gehabt, er hätte sie verstreichen lassen.
Plötzlich, das Später war praktisch schon greifbar, lagen die Frau und der Mann noch immer etwas außer Atem und mit dem schönen Gefühl trocknenden Schweißes auf der Haut, Arm in Arm auf den zerwühlten Laken des Bettes und sahen beide zur Decke. Seine Linke – die Geschicktere, meinte Uschi immer noch – dröselte selbstvergessen an einer Strähne ihres Haares, während sie in seinem Brusthaar spielte. Ihr Makeup war einem wunderschönen, strahlenden Gesicht gewichen. Einzig ein schmaler dunkler Schatten unter den Augen war wie ein vergessenes Lesezeichen der Zeit.
„Ich muss dir das mit Jens noch erklären“, begann er zögernd. Sie drehte den Kopf etwas zu ihm hoch und verzog den Mund zu einem Isabelle-Grinsen.
„Der kann sich was anhören, das sag‘ ich dir.“
„Ich hab ihm gleich gesagt, es wäre eine Schnapsidee. Man kann nicht einfach einen Kumpel zum Kochkurs schicken, nur weil man sich beim Handball verletzt hat.“ Sie brauchte einen Moment. Dann richtete sie sich auf einen Ellenbogen auf. Sie sah ihn ungläubig an.
„Kochkurs? Hat er dir das erzählt?“ Ihre Stimme ging schon schwanger mit einem glucksenden Gelächter.
„Ja. Ich war dabei, als er in die Unfallstation eingeliefert wurde. Da hat er mir erzählt, er wäre mit dir zum Kochkurs verabredet und dass die Termine so selten wären, dass man so eine Gelegenheit nicht ungenutzt lassen dürfte.“
„Der hat dich so was von verarscht!“ schrie Isabelle lauthals und fing hemmungslos an, mit den Beinen zu strampeln. Er sah ihr eine Weile dabei zu, unschlüssig, ob er ihr diesen Heiterkeitsausbruch übel nehmen sollte oder lieber mit lachen. Er fand die dritte Lösung.
Und dann war Später.
Der Anruf erreichte mich im Auto auf dem Weg nach Hause. Die Nummer sagte mir auf den ersten Blick nichts und ich war fast geneigt, es läuten zu lassen. Aber meine Neugier siegte, wie fast immer in solchen Fällen.
„Kathi hier, Katharina Serau. Wo bist Du gerade?“
Ich ging in Gedanken alle mir bekannten Katharinas durch. Dann dämmerte es.
„Kathi, die Kathi aus Berlin, die Autorin so berühmter Werke wie…“
„Genau die“, unterbrach mich die Frauenstimme aus dem Autoradio. Sie lachte ein wenig und ich ertappte mich dabei, dass ich das Lachen ansteckend fand.
„Ich bin hier in meinem Sommerbungalow am Grimnitzsee und kaue an meinem Kugelschreiber, weil mir ums Verrecken nichts Vernünftiges einfallen will. Hast Du nicht Lust, mir ein wenig auf die Sprünge zu helfen, wie in alten Zeiten?“
„Das ist aber schon eine Ewigkeit her, meine Liebe. Ob ich Dir heute noch nützlich sein könnte, wage ich zu bezweifeln.“
Ich sah auf die Uhr. Es ging auf vier Uhr am Nachmittag und ich war auf der A 10 kurz vor dem Kreuz Oberhavel. Ich war seit den frühen Morgenstunden auf den Beinen, hatte zwei nicht enden wollende Meetings mit Verlagsvertretern hinter mir. Eigentlich war mir nach einer heißen Dusche, einem kalten Bier und einem rustikalen Essen in der Küche.
„Komm, Frieder, Du weißt, dass ich es damals ohne dich nie geschafft hätte. Du bist für mich eine Art private Muse. Mein Muserich, sozusagen. Du musst kommen. Wenigstens für ein paar Stunden. Es gibt auch was zu Essen und zu Trinken.“ Sie lachte wieder dieses ansteckende Lachen.
„Wo genau ist dieser Bungalow?“ erkundigte ich mich. Damit fing alles an.