Terra - Science Fiction 19: Princess Majestrix - Axel Kruse - E-Book

Terra - Science Fiction 19: Princess Majestrix E-Book

Axel Kruse

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Beschreibung

Derolia und Terra sind rivalisierende Staaten im von Menschen besiedelten Teil der Galaxis. Ein auf die Herrscherfamilie Derolias verübter Anschlag führt dazu, dass eine bislang an letzter Stelle stehende Prinzessin nunmehr die Nummer eins der Thronfolge einnimmt. Das Ganze hat nur einen Schönheitsfehler, sie befindet sich auf Terra, als Austauschstudentin. Von Attentätern gejagt, muss sie schnellstmöglich nach Derolia gelangen, um dort Ihr Anrecht auf den Thron geltend machen zu können.

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Seitenzahl: 227

Veröffentlichungsjahr: 2025

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In dieser Reihe bisher erschienen

3301 Dwight V. Swain Dunkles Schicksal

3302 Ronald M. Hahn Die Stadt am Ende der Welt

3303 Peter Dubina Die Wächter des Alls

3304 Walter Ernsting Der verzauberte Planet

3305 Walter Ernsting Begegnung im Weltraum

3306 Walter Ernsting Tempel der Götter

3307 Axel Kruse Tsinahpah

3308 Axel Kruse Mutter

3309 Axel Kruse Ein Junge, sein Hund und der Fluß

3310Ronald M. Hahn Die Herren der Zeit

3311 Peter Dubina Die letzte Fahrt der Krakatau

3312 Axel Kruse Knochen

3313 Ronald M. Hahn Projekt Replikant

3314 Axel Kruse HBAB

3315 Axel Kruse Seitwärts in die Zeit

3316 Axel Kruse ASTRONOMIC

3317 Axel Kruse Glühsterne

3318 Ronald M. Hahn Im Land der ewigen Nacht

3319 Axel Kruse Princess Majestrix

3320 Axel Kruse Neues aus Joaquins Bar

3321 Axel Kruse Kirkasant (Samuel Kors I)

3322 Axel Kruse Zeitreisen gehen anders …

PRINCESS MAJESTRIX

TERRA - SCIENCE FICTION

BUCH 19

AXEL KRUSE

Dieses Buch gehört zu unseren exklusiven Sammler-Editionen

und ist nur unter www.BLITZ-Verlag.de versandkostenfrei erhältlich.

In unserem Shop ist dieser Roman auch als E-Book lieferbar.

Bei einer automatischen Belieferung gewähren wir Serien-Subskriptionsrabatt. Alle E-Books und Hörbücher sind zudem über alle bekannten Portale zu beziehen.

Copyright © 2025 Blitz Verlag, eine Marke der Silberscore Beteiligungs GmbH, Andreas-Hofer-Straße 44 • 6020 Innsbruck - Österreich

Redaktion: Danny Winter

Titelbild: Mario Heyer unter Verwendung der KI Software Midjourney

Vignette: Ralph Kretschmann

Satz: Gero Reimer

Alle Rechte vorbehalten.

3319 vom 04.10.2025

ISBN: 978-3-68984-612-1

INHALT

Geleitwort

Die Party

Flucht

Überlegungen

Luna City

Die Nacht

Das Meer

Ceres

Betelgeuze

Die Fähre

Kreuzfahrt

Quester

Derolia

Das Landgut

Die Krönung

Anhang

Literaturverzeichnis

GELEITWORT

Dass ich ein ausgewiesener Kenner der Werke von Axel Kruse bin, kann ich niemandem mit gutem Gewissen vorgaukeln. Axel zuliebe werde ich es aber dennoch tun, immerhin beharrt derselbe bei seinen Lesungen ja auch vehement darauf, alles, was er schreibt, selbst erlebt zu haben. Aber warum auch nicht? Damit setzt er zum einen eine gute Tradition von Karl May fort, zum anderen ist er ein sympathischer, humorvoller Typ, dem wir kleine Flunkereien gerne vergeben. Und wer weiß, vielleicht stimmt es sogar …

Wo Axel wahrlich und wahrhaftig dabei war, ist die Bundeswehr. Das merkt man, wenn in seinen Romanen knackige Military-SF die Oberhand gewinnt. Ich hatte großen Spaß an seiner Kürben-Lesung, durch die ein nostalgischer Hauch von Starship Troopers wehte.

Tatsache ist außerdem, dass sowohl im wahren Leben wie auch in seinem fiktiven Kosmos das beschauliche Fachwerkstädtchen Essen-Kettwig der Nabel des Universums ist, um den sich Vatikan-Verschwörungen, chaotische Zeitreisen und interstellare Konflikte drehen. Hier beginnt auch die unfreiwillige Weltraum-Odyssee, auf der Sie Axels Protagonisten Kees begleiten dürfen: eine atemberaubende, bleihaltige Flucht durch die Milchstraße, auf der die Schauplätze beinahe im Minutentakt wechseln. Fast könnte man sich an Arthur Dent erinnert fühlen, nur dass der keine Prinzessin abbekommen hat.

Wobei Princess Majestrix nun wirklich nichts mit Douglas Adams zu tun hat. Vielmehr ist die Novelle ein Füllhorn an Reminiszenzen an die großen Meister der Science-Fiction, deren Klassiker ich in meiner Jugend verschlungen habe, allen voran Robert A. Heinlein, Frederik Pohl und Frank Herbert. Ich mag Geschichten, deren Weltenbau auf einer detaillierten Zukunftsvision des Sonnensystems und einer kosmischen Kolonisationsgeschichte der Menschheit fußt, und genau das gelingt Axel hier hervorragend. Falls Sie heute Ihren ersten Kruse-Roman in den Händen halten und nach der Lektüre mehr über das feudale Derolia oder das dubiose ASTROMINC erfahren wollen: Princess Majestrix ist lediglich die Spitze des Eisbergs. Axel hat ein beachtliches Panoptikum um diese und viele weitere Handlungselemente gesponnen und wird das sicherlich auch weiterhin tun.

Es gibt also noch einiges zu entdecken.

Viel Spaß dabei!

Thomas Heidemann

Friedland, September 2025

DIE PARTY

„Sei kein Frosch, du kannst doch hier nicht versauern. Mann, Student sein heißt einen draufmachen, leben, Frauen. Nicht nur Dateien, immer wieder Dateien und lernen. Das kannst du immer noch machen. Da draußen wartet das Leben auf dich. Gib dir einen Ruck und komm mit.“

Ich blickte auf, löste meine Aufmerksamkeit vom Bildschirm, der über meinem Bauch schwebte und widmete mich meinem Kommilitonen. „Marc, ich habe wirklich keine Lust. Außerdem ist nächste Woche diese Prüfung und …“

„Du kannst mich jetzt nicht hängen lassen. Sie bringt ihre Freundin mit und ich kann mich doch nicht um zwei Frauen gleichzeitig kümmern. Wenn du mich hängen lässt, beschließen die womöglich nicht hinzugehen und dann ist diese Chance für mich verloren.“

Ich seufzte, wenn Marc sich auf der Pirsch befand, dann war ihm jedes Mittel recht. Und da ihm seine bisherige Freundin vor rund zwei Wochen den Laufpass gegeben hatte, schien er es als meine Pflicht anzusehen, ihm jetzt zu einer neuen zu verhelfen.

„Du wirst sehen, ihre Freundin ist süß, die wird dir gefallen.“

„Du kennst ja nicht mal ihren Namen“, gab ich zurück.

„Namen sind Schall und Rauch, es kommt doch auf andere Attribute an.“ Dabei machte er eine obszön anmutende Handbewegung vor seinem Oberkörper, die wohl die Größe ihrer Brüste andeuten sollte. „Jetzt komm endlich, wir sind sonst zu spät.“

„Marc, ich …“

„Kees, los jetzt!“

Ich schaltete den virtuellen Bildschirm nebst Tastatur mittels Sprachbefehl aus und schwang meine Beine vom Bett. „Gib mir fünf Minuten, in Ordnung?“ Ich hatte mich wieder einmal von meinem Freund überreden lassen. Aber irgendwo hatte er ja auch recht. Nur in der Studentenbude zu hocken um zu lernen, war auch kein Leben. Und einen Job als Ingenieur auf einem der Konzernschiffe würde ich trotz des einen Abends, den ich auf einer Party verbrachte, wohl ergattern können.

Nachdem ich kurz im Bad verschwunden war, zog ich mir die Schuhe an und warf mir eine Jacke über. „Kann losgehen.“

Marc grinste. „Was willst du mit der Jacke? So kalt ist es nicht.“

Was wusste er schon. So eine Jacke nahm man nicht mit, um sie selber anzuziehen, sondern um die anwesenden Frauen zu versorgen, sobald denen kalt wurde. Und Frauen wurde immer kalt, ob nun wirklich oder nur, um die Jacke eines anwesenden Mannes in Anspruch nehmen zu können, war egal.

„Wo müssen wir hin?“

„Wir nehmen die Bahn, die bringt uns rüber nach Essen. Dort gibt es einen uralten Stadtteil, steht komplett unter Denkmalschutz. Da ist heute Open Air Party unter freiem Himmel.“ Marc schwärmte jetzt schon. „Anju und ihre Freundin treffen wir am Terminal.“

Er wusste wirklich nicht, wie die Freundin seiner Beute hieß. Wahrscheinlich war darüber hinaus, dass er auch nicht wusste, wie sie aussah. Dass ich mit dabei war, war nur dafür wichtig, dass ich mich um besagte Freundin kümmerte, damit er freie Bahn hatte.

Das Terminal erreichten wir recht schnell. Die Antigravzüge rauschten hinein und wieder hinaus. Sie hielten sich nicht lange auf. Fast im Minutentakt wurden die Strecken bedient. Unvorstellbar, dass in früheren Jahrhunderten einmal Individualverkehr vorgeherrscht hatte.

„Da sind sie ja.“ Marc begann zu winken. So wild, dass es mir schon beinahe peinlich war, mit ihm zusammen gesehen zu werden.

Die beiden Frauen waren in etwa in unserem Alter, keinesfalls älter als fünfundzwanzig. Und mein Freund hatte nicht gelogen, auch wenn er nicht beide kannte, sahen sie doch umwerfend aus. Ich fragte mich kurz, welche von beiden er denn für mich auserkoren hatte. Die blonde oder die relativ kleine mit den schwarzen Haaren, die ihr bis in die Mitte des Rückens fielen.

„Hallo, Anju“, sagte er und umarmte die blonde kurz. Somit war zumindest die Sache geklärt. „Das ist …“

„Dilara“, stellte Anju ihre Freundin vor.

„Kees“, nannte ich selbst meinen Namen. Marc war irgendwie geflasht. Vermutlich war er sich gerade unsicher geworden, welche von beiden er denn als seine Beute begreifen wollte. Ich reichte den beiden meine Hand.

„Ein altmodischer Gentleman“, meinte Anju. „Das müsste dir doch gefallen.“

Ich hatte das Gefühl, dass Dilara noch mehr erwartete, als einen einfachen Händedruck, aber sie gab sich damit zufrieden.

„Dann wollen wir mal“, meinte Marc, als der nächste Antigravzug am Bahnsteig hielt.

Wir stiegen ein und ergatterten direkt Sitzplätze. Der Waggon war nur mäßig gefüllt.

Verstohlen musterte ich Dilara, die mir gegenüber platzgenommen hatte. Sie trug eine enganliegende gelbe Hose, knöchelhohe Stiefeletten und über ihrem roten Shirt hatte sie einen breiten schwarzen Gürtel drapiert, der keine andere Funktion hatte, als als Staffage zu dienen. Ihre etwas dunklere Hauttönung stand in fabelhaftem Kontrast zur ihrer Kleidung. Eine Jacke hatte sie nicht dabei, was mich innerlich grinsen ließ.

Marc schien es weniger zu gefallen, dass die beiden sich nebeneinandergesetzt hatten, sodass er sich an meiner Seite niederlassen musste. Später würde ich mir anhören müssen, dass das meine Schuld gewesen war, weil ich nicht schnell genug eingestiegen war.

„Drei Haltestellen, dann umsteigen und nochmal fünf. Dann haben wir den historischen Ortskern Kettwigs erreicht, wo die Open Air Party steigt. Einundzwanzig Bühnen sind an verschiedenen Stellen des historischen Dorfes aufgestellt. Das wird ein Erlebnis“, schwärmte er.

„Wo kommst du her?“, fragte Dilara in meine Richtung gewandt.

„Alkmar“, gab ich zurück. „Ebenfalls altes Europa. Grachten und das Meer vor der Haustür. Meine Heimat liegt ungefähr siebzig Meter unter dem Meeresspiegel. Aber die Deiche halten seit Jahrhunderten.“

Sie lachte.

„Und du?“

„Derolia“, gab sie zurück.

„Kenne ich nicht, wo liegt das?“ Nicht in Europa, da war ich mir sicher.

Sie lachte erneut. „Das kennt niemand hier“, sagte sie. „Ich bin Austauschstudentin. Derolia liegt ziemlich weit draußen, am Rim genauer gesagt. Am Rande des von Menschen explorierten Raums.“

„Wow“, entfuhr es mir. „Du bist extraterrestrisch?“ Innerlich hoffte ich, dass sie das jetzt nicht als rassistische Bemerkung einstufte.

Sie lachte erneut. War das ihre Art Unsicherheit zu verbergen? „So kann man es ausdrücken, aber lass dir versichert sein, ich gehöre nach wie vor zur Gattung Homo sapiens. Das kann ich dir bestätigen, allem zum Trotz, was so manche Konzernbosse von sich geben.“

Sie hatte es als rassistisch empfunden. Da hatte ich einiges wieder gerade zu rücken.

„Ich …, ich ...“, stammelte ich und wurde unterbrochen.

„Schon gut, Kees. Ich bin das gewohnt. Wir Menschen da draußen sind halt alle gengeschädigt, weil eine andere Sonne zu lange auf uns heruntergeschienen hat. Aber wie du siehst, habe ich nach wie vor nur einen Kopf, zwei Arme und zwei Beine.“

Und was für welche, wollte ich antworten, hielt mich aber gerade eben noch zurück.

„Wir müssen umsteigen“, weckte Marc mich aus meinen Gedankenspielen.

Als wir im anderen Zug angelangt waren, hatte Marc sich den Platz neben Anju ergattert und Dilara rutschte zum Fenster, sodass ich den Sitz am Gang nehmen konnte. Allerdings hatte ich das Gefühl, dass sie extrem weit der Bordwand zugewandt saß, nur um so eine entsprechende Lücke zwischen uns herstellen zu können.

Etwa zehn Minuten und ein paar Haltestellen später hatten wir unser Ziel erreicht. Als wir ausgestiegen fiel mir ein Mann auf, der uns zu beobachten schien. Ich musste kurz nachdenken, Dann sagte ich: „Der Typ dahinten, der ist mir schon am Terminal aufgefallen, der scheint uns zu folgen.“

Meine drei Begleiter schauten in die von mir angegebene Richtung.

„Ist doch egal“, meinte Dilara.

„Der will eben auch zum Festival“, sagte Marc. „Was soll so ein alter Kerl schon von uns wollen?“

Nun ja, der Mann war schätzungsweise gerade mal zehn Jahre älter als wir. Aber Marc mochte recht haben, wieso sollte er nicht zu der Riesenparty wollen? Schließlich strömten hier hunderte von Menschen aus dem Zug. Außerdem war er kurz darauf in der Menge verschwunden.

Wir ließen uns von der Menge mitziehen. Die historischen Gebäude hier waren beeindruckend. So klein, so niedrig. Maximal fünf Etagen, nur wenige höher. Was für eine Verschwendung von Grundfläche. Bei mir zu Hause war diese Art der Bebauung bereits vor Jahrhunderten verschwunden und hatte vertikalen Dörfern Platz gemacht. Häusern, die mehreren tausend Menschen ein Domizil boten. Außerdem von außen und auch innen üppig begrünt. Das hier kam mir vor wie tiefste Steinzeit.

„So ähnlich, sagtest du, sieht es in deiner Heimat aus?“, fragte Anju ihre Freundin.

Diese nickte. „Wenn auch die Gebäude als solche nicht so alt sind. Das ist die natürliche Art zu leben. Ihr Terraner habt euch davon recht weit entfernt.“

Das war starker Tobak, schimmerte da bei ihr ein latenter Rassismus durch?

„Gehen wir runter zum Fluss“, schlug Marc vor. „Da steht die Hauptbühne. Hier oben wird die Bühne erst später bespielt.“

„Lebt eigentlich noch jemand in den Häusern hier?“, fragte ich.

Anju schüttelte den Kopf. „Das ist ein Museumsdorf. Du kannst hier alles besichtigen, nur jetzt sind die Häuser verschlossen. Die KIs passen auf, dass nichts zerstört wird. Das Festival ist eine große Ausnahme, in dieser historischen Kulisse.“

„Das hier war mal der Marktplatz“, klärte uns Marc auf. Er kam sich grandios vor in der Rolle des Fremdenführers. Ob er damit aber bei Anju punkten konnte, war fraglich. Sie schien sich selbst gut auszukennen.

„Da hinten ist eine historische Kirche, die müssen wir umrunden um die Treppe runter zum Fluss nehmen zu können“, sagte Marc.

„Kirche?“, fragte ich und bereute es sofort, gab ich meinem Freund doch die Vorlage, weiter zu dozieren.

„Ein Kult, der vor Jahrhunderten einem ermordeten Gott huldigte. Hat sich überlebt, wie so manche andere Religion auch.“ Zumindest hielt sich seine Erklärung in Grenzen.

Die Kirche als solche war beeindruckend. Aus Sandsteinen erbaut, war sie nicht nur Jahrhunderte, nein, über ein Jahrtausend alt. Die Treppe, die dahinter nach unten führte, war genauso antik. Aus demselben Material erbaut, konnten wir mit ihrer Hilfe den Höhenunterschied überwinden. Die Straße unten führte uns parallel zum Fluss, den wir von hier noch nicht sehen konnten, zu einer kleinen Brücke, die einen alten Flussarm überspannte. Diese war ebenfalls aus diesen uralten Sandsteinen erbaut. Ruhrsandstein, hatte Marc uns aufgeklärt.

Hier konnten wir bereits die erste Musik wahrnehmen, die Bühne oben auf dem alten Marktplatz war noch nicht bestückt gewesen.

„Später spielt die KI Glock auf, das wird was!“ Anju war begeistert.

Ich konnte dem weniger abgewinnen. Auch wenn menschliche Künste nicht an das Niveau herankamen, bewunderte ich sie umso mehr, eben weil sie fehlerhaft waren. Als Mensch eine solche Leistung zu bringen, dass man sich mit Werken einer KI messen konnte, nötigte mir Respekt ab.

Die Musik war laut, außerdem nahm das Gedränge zu. Wir standen recht dicht beieinander, weiter vorne, direkt vor der Bühne, war kein Durchkommen mehr.

„Sollen wir uns was zu trinken besorgen?“, schlug Marc vor. „Da hinten ist ein Stand.“ Er deutete vage zur Seite in Richtung Fluss.

Auch wenn es bedeutete, dass wir uns durch die Menge drängen und dann noch anstehen mussten, war es keine schlechte Idee.

„Der Mann von vorhin scheint dieselbe Absicht zu haben“, merkte ich an. Der Typ ging mir auf die Nerven, er war knapp hinter uns. Von den anderen achtete niemand auf mich, geschweige denn auf den Mann. So ging ich als letzter hinter Anju her. Marc hatte den Anfang gemacht, hinter ihm ging Dilara.

Wir hatten den Verkaufsstand fast erreicht, als wir das Knallen hörten.

FLUCHT

Menschen schrien auf, ich wurde nach vorn gedrückt und musste aufpassen, dass ich nicht strauchelte. Panik, schoss es mir durch den Kopf, das hier war eine Massenpanik, die gerade ausbrach.

Wieder dieses Knallen. Diesmal mehrfach und langanhaltend, in ganz kurzen Abständen.

Neben mir ging eine Frau zu Boden. Warum färbte sich ihr Shirt rot? Erst jetzt registrierte ich, dass das Blut war. Ich warf den Kopf herum um zu sehen, was da hinter mir geschah. Etwas weiter entfernt, etwa zwanzig Meter, standen zwei Männer in einer Lücke der Menge. Die Festivalbesucher rannten, sofern man das überhaupt konnte, von ihnen weg. Die beiden hielten Waffen in den Händen, mit denen sie scheinbar wahllos in unsere Richtung schossen.

Neben mir ging noch ein Mann zu Boden. Der Geräuschpegel stieg an, obwohl die Band aufgehört hatte zu spielen. Jetzt schrien die Menschen. Auch ich drängte nun nach vorne, packte Anjus Arm und wollte sie zur Seite reißen, um rechts von dem Verkaufsstand weiter zu kommen. Es brachte nichts geradeaus zu drängen, wenn da der Stand im Weg war.

Anju musste gestolpert sein, jedenfalls riss sie mich mit hinunter. Ich kam auf ihr zu liegen und fühlte plötzlich eine warme Flüssigkeit, die mir ins Gesicht spritzte. Jetzt registrierte ich, dass das Blut aus Anjus Halsschlagader kam. Eine regelrechte Fontäne. Ich wälzte mich zur Seite und drückte mit der Hand auf ihren Hals. Das hielt das Blut etwas zurück, aber nicht viel. Zwischen meinen Fingern quoll es nach wie vor heraus. Ich sah in ihr Gesicht, die Augen waren verdreht. Sie musste ohnmächtig geworden sein. Lebte sie überhaupt noch? In Bruchteilen von Sekunden versuchte mein Gehirn alle möglichen Informationen zu verarbeiten. Wenn das Blut nach wie vor spritzte, wurde es vom Herzen gepumpt, ergo war sie noch am Leben.

Das Hämmern der Schüsse dauerte an. Jetzt mischte sich ein weiterer Klang dazu. Mit Erstaunen sah ich in der Hand des Typen, der mir vorhin aufgefallen war, eine Waffe, mit der er auf die zwei Amokläufer schoss. Einer von beiden wurde getroffen, in den Kopf. Er fiel sofort um. Aber der Typ hatte die Rechnung ohne den anderen gemacht. Der vollführte mit seiner Waffe einen kurzen Schwenk und gab eine Salve Schüsse ab, die den Oberkörper des Mannes in Brei verwandelten.

Jetzt richtete der Amokläufer seine Aufmerksamkeit wieder in unsere Richtung. Allerdings ohne Schüsse abzugeben. Er schien sich zu besinnen, suchte augenscheinlich nach einem Ziel. Einem Ziel, das er nicht fand. Um Verwirrung zu stiften, gab er einige Schüsse in die Luft ab, dann senkte er seine Waffe erneut und feuerte in die Menge vor dem Getränkestand. Etliche Menschen gingen zu Boden. Das verursachte noch mehr Panik.

Der Blutstrom aus Anjus Hals versiegte. Ich zog die Hand zurück. Etwas Blut lief noch heraus, aber es kam nicht mehr stoßweise.

Jetzt hörte ich Motorengeräusche. Das mussten Drohnen sein. Tatsächlich, da kamen drei dieser Flugapparate aus der Richtung, aus der auch wir vorhin gekommen waren.

Der Amokläufer setzte sich in Bewegung, genau in meine Richtung. Ich blieb liegen und hielt den Atem an. Noch drei Schritte, zwei, einer. Jetzt war er genau über mir. Ich packte zu und riss ihn von den Beinen.

„Halt ihn fest, Kees!“, brüllte Marc. Ihn hatte ich in den wenigen Sekunden, die das ganze Spektakel bislang gedauert haben mochte, völlig aus den Augen verloren. Nun war er bei mir und warf sich auf den Mann, dessen Bein ich hielt. In genau diesem Moment hämmerte dessen Waffe. Ich bildete mir ein, Marc noch einmal schreien zu hören. Aber das konnte eigentlich gar nicht sein, da sein Schädel vor meinen Augen zerplatzte und mein Gesicht von Knochensplittern und Hirnfetzen getroffen wurde.

Weg, ich musste hier weg! Das schoss mir durch den Kopf. Ich sprang auf und wollte losrennen. Aber wohin?

Jemand packte meinen Arm und zog mich mit. Ich rannte hinterher. Dilara, das war Dilara, die mich leitete. Ihre gelbe Hose hatte am rechten Bein eine tiefrote Verfärbung. Das Rot ihres Shirts war fast im selben Ton. Allerdings nur fast, denn auch auf diesem hoben sich die Blutflecke deutlich ab.

„Zum Fluss“, keuchte sie.

Das war nicht mehr weit, vielleicht zwanzig Meter. Aber was hatte sie dort vor? Die Uferböschung ging steil hinab, sie … Sie sprang in das Wasser und riss mich mit.

Hinter uns hörte ich erneut das Hämmern der automatischen Waffe, bis das Wasser über meinem Kopf zusammenschlug.

Wir wurden von einer Strömung mitgerissen. Ganz so friedlich, wie der Fluss von oben ausgesehen hatte, war er denn doch nicht. Ich kämpfte mich an die Oberfläche. Etwas von mir entfernt durchbrach Dilaras Kopf die Oberfläche. Sie rief mir etwas zu, was ich nicht verstand. Dann tauchte sie weg. Kleine Fontänen spritzten aus dem Wasser hoch.

Fontänen?

Wo kamen die her?

Ich registrierte den Schützen am Ufer stehend. Er zielte auf die Wasseroberfläche und schoss unentwegt. So lange, bis seine Waffe die letzte Patrone des Magazins ausgeworfen hatte. Er zog es heraus und griff nach hinten an den Gürtel, da hatte er vermutlich ein weiteres.

Jetzt wurde mir klar, was Dilara gemacht hatte. Ich tauchte ebenfalls und schwamm mit der Strömung flussabwärts. Wie lange mochte ich das durchhalten? Die Lungen begannen bereits zu brennen. Wie weit mochte ich mich mittlerweile von dem Schützen entfernt haben? Weit genug, um aus der Reichweite der Waffe heraus zu sein? Ich konnte nicht mehr, ich musste auftauchen. Ich hatte nur die Wahl zwischen Ertrinken oder erschossen zu werden. Letzteres war aber meiner Einschätzung nach unwahrscheinlicher. Ich musste ja nur kurz Luft schnappen, danach konnte ich wieder tauchen. In der kurzen Zeit würde mich der Schütze kaum anvisieren und treffen können. Und dann war da noch die Sache mit der Reichweite der Waffe. Das war eine kleine, kurzläufige gewesen. Die konnten nicht so weit schießen, wie Langwaffen. Zumindest nicht präzise genug.

Redete ich mir das nur ein?

Egal, ich musste auftauchen.

Mit einem Schrei durchbrach ich die Wasseroberfläche und sog hastig Luft in meine Lungen. Um sofort wieder abzutauchen fehlte mir die Kraft. Ich drehte mich um und blickte zurück. Der Amokläufer schoss in die Luft, auf die Drohnen. Als er merkte, dass das aussichtslos war, richtete er die Waffe gegen sich selbst und schoss sich eine Salve in den Kopf.

„Kees, hierher“, hörte ich eine Stimme.

Ich konnte Dilara ausmachen, die sich nicht mehr in Ufernähe befand. Sie hatte bereits etwa die Hälfte des Flusses durchquert, war dabei natürlich weit abgetrieben. Sie deutete mit ihrem Arm auf das jenseitige Ufer. Was sollte das? Warum wollte sie dort hinüber? Die Gefahr war doch nun vorbei.

Oder doch nicht? Mutmaßte sie, dass da noch mehr waren?

Egal wie, sie wollte, dass ich ihr folgte. Jetzt verfluchte ich die Jacke. Die hinderte mich daran zu schwimmen. Aber sie in der Strömung abzustreifen erwies sich als zu schwierig. Wir trieben mehrere hundert Meter ab, bevor wir das jenseitige Ufer erreichten. Dilara war es früher als mir gelungen, an Land zu klettern. Sie lief parallel zum Fluss an Land weiter und wartete an einer Stelle, an der auch ich problemlos aus dem Wasser steigen konnte. Ich fiel erst einmal auf den Boden und drehte mich auf den Rücken.

Ein paar Sekunden ließ sie mich ausruhen, dann meinte sie: „Wir müssen hier weg, Kees. Wir sind völlig ohne Schutz.“

Schutz wovor?

Sie zog mich hoch. „Los jetzt, sonst mache ich das ohne dich.“

Nun, so hatte ich mir den Ausklang des Abends nicht vorgestellt. Ich stand auf. Das Wasser rann aus meiner Kleidung zu Boden. Mir wurde kalt. Sollte ich jetzt die Jacke ausziehen?

Dilara war bereits losmarschiert. Ihre Haare hatte sie mit Hilfe eines Bandes zu einem Pferdeschwanz gebändigt, nachdem sie sie ausgewrungen hatte. Sie wandte sich nach rechts, flussabwärts. Durch die Auenlandschaft, die sich auf dieser Flussseite bis hin zu den Höhen hinzog. Früher, vor Äonen, musste dieser eiszeitliche Fluss dieses tiefe Tal gegraben haben. Wie ich gerade jetzt auf diesen Gedanken kam, konnte ich mir auch nicht erklären.

„Sollten wir nicht in die andere Richtung laufen?“, schlug ich vor. „Da ist es nicht so weit bis zur Brücke. Da bekommen wir schneller Hilfe.“

„Diese Richtung ist besser, auch wenn es länger dauert“, entschied sie.

In der Ferne, etliche Kilometer entfernt, konnte ich einen Wohnturm ausmachen, den sie als Ziel auserkoren hatte.

„Anju und Marc“, sagte ich. So langsam tröpfelte das Geschehen wieder in mein Gehirn.

„Beide tot, ich weiß“, gab sie zurück. Dann blieb sie stehen und wartete, bis ich sie eingeholt hatte. „Du kannst nicht zurück, Kees. Du hast einen von ihnen angegriffen, das werden sie nicht vergessen.“ Mit diesen Worten auf den Lippen drehte sie sich wieder um und marschierte weiter.

Meine Schuhe quietschten bei jedem Schritt. Ich würde mir binnen kürzester Zeit Blasen laufen, das war mir klar. „Wir werden uns erkälten“, sagte ich zu ihr.

Dilara lachte laut auf und warf dabei ihren Kopf hin und her, um Wasser aus den Haaren zu schleudern. „TMS, ja? Du wirst nicht daran sterben, sondern es heldenhaft ertragen.“

„TMS?“, fragte ich verblüfft.

„Tödlicher Männerschnupfen. Kann ich ja per definitionem nicht nachvollziehen.“ Sie grinste mich an. „Mal im Ernst. Lieber eine Erkältung, als eine Kugel im Schädel. Bist du eigentlich unverletzt?“

Ich nickte.

„Ich auch, das ist das Blut von anderen“, sagte sie.

Stumm wanderten wir nebeneinander durch die Auenlandschaft. Schön war es hier im Ruhrtal. Ich hätte es genießen können neben einer phantastischen Frau hier entlang zu spazieren, wenn nicht vorhin mein Freund ermordet worden wäre.

„Er ist als Held gestorben.“

Konnte sie Gedanken lesen?

„Was hat er davon?“, gab ich zurück. „Er ist tot.“

„Ihr Terraner seid seltsam. Verweichlicht. Ihr habt die Werte vergessen, für die es sich zu leben und zu sterben lohnt“, wurde ich belehrt.

Was mochten das für Werte sein, die ihr auf ihrem Heimatplaneten, dessen Namen ich vergessen hatte, beigebracht worden waren?

Nach geraumer Zeit hatten wir den Wohnturm erreicht. Meine Füße schmerzten, da hatte ich etliche Blasen. Dilara ging geradewegs auf die Haltestelle der Schweber zu und orderte einen. Der unter die Haut ihres Unterarms implantierte Chip registrierte ihre Berechtigung und buchte die notwendige Summe von ihrem Konto ab.

„Geht nicht anders“, sagte sie. „Damit hinterlasse ich eine Spur. Aber auch wenn du bezahlt hättest, wären wir auffindbar.“

Auffindbar? Für wen? Und was hatte das mit mir zu tun? Ich behielt mir die Fragen für später vor. Jetzt nahm ich erst einmal im Schweber platz.

„Raumhafen Frankfurt“, gab sie den Audiobefehl. Das Gefährt hob ab und beschleunigte.

„He“, rief ich. „Was sollen wir in Frankfurt? Wieso Raumhafen? Was hast du vor?“

Sie seufzte. „Du kannst jetzt nicht nach Hause, Kees“, klärte sie mich auf. „Du bist gesehen worden, mit mir. Du hast mir geholfen, hast den Attentäter zu Boden gebracht, nachdem mein Leibgardist getötet worden war. Im Minimum werden sie dich ausfindig machen und ausquetschen wie eine Zitrone. Im Maximum töten sie dich sofort.“

„Sie? Was erzählst du mir da?“ Wo war ich hineingeraten?

„Wir müssen hier weg, Kees. Weg von Terra. Ich hätte nie und nimmer damit gerechnet, dass so etwas hier geschieht.“

„Wieso weg von Terra? Ich verstehe nicht …“

„Das ist eine lange Geschichte, Kees.“

„Fang an, wir haben viel Zeit“, gab ich zurück.

Sie lehnte sich im Sitz zurück, während ich endlich die Jacke auszog und diese an einem Haken an der Innenwand des Schwebers aufhing. Vielleicht trocknete sie ja.

„Gute Idee“, meinte sie und begann sich ihrer Kleidung zu entledigen. Unter anderen Umständen wäre das sicherlich reizvoll gewesen. „Hab dich nicht so oder willst du wirklich TMS bekommen?“ Zumindest den Humor hatte sie nicht verloren.

Splitterfasernackt saßen wir in der Kabine des Schwebers auf den Sitzbänken gegenüber.

„Du wolltest erzählen“, erinnerte ich sie.

Sie nickte. „Ich stamme von Derolia“, begann sie. „Austauschstudentin …“

„Das ist mir bekannt“, unterbrach ich. „Wieso hast du einen Leibwächter?“

„Ich entstamme dem Herrschergeschlecht.“

„Herrschergeschlecht?“

„Wir haben eine Monarchie auf Derolia“, klärte sie mich auf. „Ich bin die Nummer sieben in der Thronfolge.“

Damit konnte ich recht wenig anfangen, was ihr mein wahrscheinlich dümmlicher Gesichtsausdruck sagen musste.

„Mein Onkel ist der Majister von Derolia. Er hat drei Kinder, die stehen an Stelle eins bis drei. Danach folgt meine Mutter, die Schwester meines Onkels auf Platz vier. Meine beiden älteren Geschwister belegen danach die Plätze fünf und sechs. Sollten alle diese Personen vor mir versterben, bin ich an der Reihe. Jetzt verstanden?“

Ich nickte. Recht komplizierte Thronfolge, aber verständlich, wenn man darüber nachdachte.

„Wieso ein Attentat? Wieso hier?“

„Das war nicht absehbar. Ansonsten hätte ich niemals die Genehmigung zum Studium auf Terra erhalten. Man hat es für sicher gehalten, deshalb auch nur ein Leibwächter.“

„Wer sind sie?“

„Die Attentäter? Keine Ahnung. Irgendwelche Dissidenten. Rebellen, die den Thron stürzen wollen.“

„Eine Rebellion zur Abschaffung der Monarchie?“, frage ich.