Teufelskraut - Hans Herrmann - E-Book

Teufelskraut E-Book

Hans Herrmann

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  • Herausgeber: neobooks
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2016
Beschreibung

Kathrin ist die neue Lehrerin in einem kleinen Emmentaler Dorf. Die junge Frau hat alles, um glücklich zu sein: ihren Traumberuf, ihre Familie und ihren Freund Rolf. Doch um Rolf gibt es ein Geheimnis, das Kathrin gerne ergründen würde. Und eines Tages bricht Schlimmes über das Dorfidyll herein: Der Katzloch-Liebu, ein alter Heiler und Kräuterkundiger, wird ermordet aufgefunden. Kathrin kommt dem Täter auf die Schliche und deckt ein weiteres Verbrechen auf.

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Seitenzahl: 131

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Hans Herrmann

Teufelskraut

Landkrimi

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Impressum neobooks

Kapitel 1

Kathrin stieg aus dem Postauto. Der Fahrer hob zum Abschied die Hand, sie winkte zurück. Dann schulterte sie ihre grosse Tasche und marschierte los.

Es war ein sonniger Tag im späten Februar. Der schmelzende Schnee tropfte von den Dächern und rann in kleinen Bächen über die Strasse. Über den dunklen Tannenwäldern, die die sanften, ausladenden Hügel des Emmentals krönten, spannte sich ein tiefblauer Himmel. Von ferne grüssten die Gipfel der Berner Alpen. In der Luft lag ein verheissungsvolles Wehen. Der Frühling kündigte sich an.

Kathrin atmete die frische Landluft in vollen Zügen ein und lenkte ihre Schritte auf das kleine Bauerndorf zu, an dessen Rand das Postauto angehalten hatte. Die kleine Kirche mit dem grossen, fast schlossähnlichen Pfarrhaus, der Dorfladen, die mechanische Werkstätte, die Poststelle und das gute Dutzend darum herum gruppierter Bauernhäuser waren ihr ein vertrauter Anblick: Es war das Dorf, in dem sie aufgewachsen war.

Vor vier Jahren hatte sie das Elternhaus verlassen und war nach Bern gezogen, um sich an der Pädagogischen Hochschule – von Insidern nur PH genannt – zur Lehrerin ausbilden zu lassen. In dieser Zeit lebte sie zusammen mit einer Mitstudentin in einer billigen Studiowohnung. Die Eltern besuchte sie nur zu Weihnachten und Ostern. Sie genoss das Wegsein von zu Hause und die belebende Wirkung, die das pulsierende Leben in der Stadt auf sie ausübte. Als sie dann aber das Lehrerpatent in der Tasche hatte, kam sie plötzlich ein heftiges Heimweh an; sie konnte sich nicht mehr vorstellen, jemals in einer Stadt zu unterrichten. Sie bewarb sich um die ausgeschriebene Lehrerinnenstelle in ihrem Heimatdorf – und bekam sie.

Nun befand sich die 24-Jährige auf dem Weg ins elterliche Heim, wo sie, zumindest vorläufig, wieder wohnen würde. Sie freute sich unbändig darauf, in den Schoss ihrer Familie zurückzukehren.

Die Leute auf der Strasse schauten ihr neugierig nach. Sie kannte sie alle, aber kaum einer erkannte sie wieder. Kein Wunder: Sie hatte sich in den vier Jahren ihrer Abwesenheit stark verändert. Aus dem unscheinbaren, ein wenig pummeligen Mädchen war eine elegant gebaute, auffallend hübsche junge Frau geworden. Ihr dunkelblondes, schulterlang geschnittenes Haar umspielte seidig ein edles Gesicht, dem leicht schräg stehende, nussbraue Augen und starke Wangenknochen ein exotisches Gepräge verliehen. Sie trug modische, aber nicht aufdringliche Kleidung und bewegte sich mit der sicheren Anmut einer Tänzerin.

Das Haus, in dem sie zur Welt gekommen und aufgewachsen war, lag etwas abseits des Dorfes am Waldrand. Es war ein typisches Emmentaler Bauernhaus, stattlich, ganz aus Holz gebaut, alt und ehrwürdig, mit breitem, schindelgedecktem Walmdach und einer Ründe an der westlichen Schmalseite. In der gegen den Sonnenaufgang gelegenen Hälfte des Hauses war der Stall, in der anderen die Bauernwohnung untergebracht. Im Sommer würden Geranien die Fenstersimse des Wohntraktes schmücken; jetzt, im Februar, konnte davon natürlich noch keine Rede sein. Stattdessen spiegelte sich in den Fenstern anheimelnd die Vorfrühlingssonne.

Langsam – denn sie wollte die Vorfreude auf das Wiedersehen mit den Eltern noch etwas auskosten – näherte sich Kathrin dem Haus. Bäri, der stolze und kräftige Berner Sennenhund, trabte ihr entgegen. Im Gegensatz zu den Leuten im Dorf erkannte er sie, seine Nase liess sich nicht täuschen. Er stiess begeisterte Japslaute aus, stieg an Kathrin hoch und versuchte, ihr das Gesicht abzulecken.

Sie wehrte ihn spielerisch ab. „Bäri, mein Guter, jetzt hab ich dich wieder“, sagte sie und kraulte ihn am Hals.

Vom Hund begleitet, der immer wieder an ihr hochsprang, legte sie die restliche Strecke zum Haus zurück. Sie trat ein, schaute in die Küche, dann ins Wohnzimmer. Da war niemand.

„Hallo, ihr lieben Leute“, rief sie laut.

Keine Antwort.

„Bäri, sag, wo sind sie denn alle?“, fragte sie, trat wieder nach draussen und ging hinter das Haus, um nachzusehen, ob hier vielleicht jemand anzutreffen sei.

Tatsächlich: Hinter dem Haus war ein alter Mann damit beschäftigt, Holzbündel zum Heizen, sogenannte Wedelen, zu binden. Er war eher klein, aber kräftig gebaut und für sein Alter erstaunlich rüstig, hatte kurzes, weisses Haar und einen rauschenden Älplerbart. Er trug einen alten Armeemantel, und aus seinem Mund hing eine gebogene Tabakspfeife, aus der würzige Rauchwölkchen kringelten.

„Grossvater!“, rief Kathrin und lief auf den alten Mann zu. Dieser nahm die Pfeife aus dem Mund, legte sie bedächtig auf den Hackklotz, lächelte und öffnete die Arme, in die sich Kathrin aufjauchzend warf.

„Grossvater, grüss dich wohl“, jubelte sie und umarmte ihn ihrerseits.

Nach einer Weile löste der Grossvater die Umarmung, hielt Kathrin um Armeslänge vor sich hin und unterzog sie einer eingehenden Musterung.

„Gut siehst du aus, Frau Lehrerin“, sagte er schliesslich. „Ein bisschen blass vielleicht, das kommt von der ungesunden Luft in der Stadt. Aber das renkt sich wieder ein. Und sonst gibt es an dir wirklich nichts auszusetzen, Donnerwetterchen nochmal. Ich bin stolz auf dich. Wir alle sind stolz auf dich.“

Er griff wieder nach der Pfeife, zündete sie an, paffte, schwieg und lächelte zufrieden. Wie die meisten Menschen hier im Emmental war er kein Mann der grossen Worte.

Sie winkte bescheiden ab. „Nun übertreib’s mal nicht mit deinem Lob“, sagte sie. „Und wie geht’s denn dir? Besucht dich in der Nacht noch immer das Toggeli?“

Das Toggeli war jenes unheimliche Wesen, von dem sich die älteren Leute an langen Winterabenden erzählten und von dem es hiess, es setze sich nachts den Schläfern auf die Brust und raube ihnen den Atem. Manche Leute würden dabei laut schreiend erwachen.

„In letzter Zeit nicht mehr so oft“, antwortete der Grossvater. „Und jetzt, wo du wieder da bist, verschwindet es vielleicht ganz, wer weiss. Es könnte ja sein, dass es sich vor Leuten aus der Stadt fürchtet.“ Der Grossvater zwinkerte vergnügt.

Kathrin zwinkerte zurück. „Ja, das ist durchaus denkbar – vor allem, wenn es sich bei den Leuten aus der Stadt um junge Lehrerinnen handelt. Das Toggeli hält solche Personen für zauberkundige Hexen und fürchtet sie entsprechend. – Sag, Grossvater, wo sind eigentlich die anderen?“

„Dein Vater und dein Bruder sind im Wald beim Holzen, und die Mutter bringt ihnen gerade das Zvieribrot. Sie wird wohl bald wieder zurück sein.“

„Ach, ich freue mich ja so. Du, ich gehe jetzt zurück ins Haus, ich muss doch mein Zimmer möglichst schnell wieder in Besitz nehmen.“

„Ja, tu das. Deine Mutter hat gestern alles vorbereitet.“

„Wie lieb von ihr. Bis später dann.“

Kathrin begab sich ins Obergeschoss und öffnete die Tür zu ihrem Zimmer, das eigentlich mehr ein Kämmerchen denn ein ausgewachsenes Zimmer war. Aber hier hatte sie schon immer gehaust, es war ihr privates Reich, ein Refugium, in dem sie ihre Kinderspiele gespielt, ihre Mädchenträume geträumt, ihre Trauer ausgeweint und ihre Freude ausgelebt hatte.

Ein vertrauter Geruch schlug ihr entgegen, eine Mischung aus jahrhundertealtem Holz, Stroh, Rauch, Leder, Erde und den betörenden Aromen der Jahreszeiten, die sich in den schweren Tragbalken der Decke verfangen und unauslöschlich eingeprägt hatten.

Kathrin stellte ihre Tasche auf dem dicken Teppich ab und warf sich, ohne die Winterjacke auszuziehen, aufs Bett.

Die Mutter war tätig gewesen, hatte das Bett frisch angezogen, die drei Fensterchen, die vom herabhängenden Krüppelwalm teilweise beschattet wurden, blitzblank geputzt, den Boden gebohnert und den massiven Holztisch mit einem Blumenstrauss geschmückt. Sie hatte wirklich an alles gedacht, sogar den gläsernen Schirm der Nachttischlampe, dem ein Stück fehlte, seit Kathrin fünfzehn war, ersetzen lassen.

Kathrin schloss die Augen und atmete tief ein. Ein seliges Lächeln umspielte ihr Gesicht. Sie war wieder zu Hause.

Kapitel 2

Das währschafte Nachtessen hatte herrlich gemundet. Nun sass die Familie beim Kaffee. In der gemütlichen Stube mit der tiefen Holzdecke und den alten Bildern an den Wänden herrschte ein friedvolles Schweigen. Der Grossvater stopfte sich bedächtig eine Pfeife.

Das Wiedersehen lag bereits ein paar Stunden zurück. Zuerst war die Mutter aus dem Wald zurückgekehrt, hatte Kathrin gerührt an sich gedrückt und unter Freudentränen gesagt:

„So, mein kleines Mädchen, jetzt hab ich dich wieder, und so schnell geb ich dich nicht mehr her.“

„Das werden wir ja sehen“, erwiderte Kathrin lächelnd.

Später waren ihr drei Jahre älterer Bruder Toni und der Vater eingetroffen und hatten, jeder auf seine Art, die Heimgekehrte ebenfalls begrüsst, der Vater mit einem kräftigen, warmen Händedruck, der Bruder mit einem gutmütigen Rippenstoss und der Bemerkung:

„So, sieht man sich auch einmal wieder? Du, mach bloss nicht, dass dir vor lauter schulmeisterlichem Hochmut die Nase über den Kopf hinauswächst, sonst könnte man dich hier nur noch als Blitzableiter brauchen.“

Sie knuffte zurück und sagte: „Von wegen schulmeisterlichem Hochmut. Sei froh, dass ich zurück bin, dann bringt dir endlich jemand Manieren bei.“

In der Stube hing noch immer jeder seinen Gedanken nach. Kathrin nahm einen Schluck Kaffee und schaute dem Grossvater zu, der seine Pfeife anzündete und genussvoll begann, blaue Wölkchen in die Stube zu paffen.

Sie dachte an ihre Anstellung, die sie in einer Woche antreten würde. Sie übernahm die erste bis sechste Klasse; die älteren Schüler von der siebten bis neunten Klasse dagegen waren in der Obhut eines männlichen Kollegen. Ob das der alte Balsiger sein würde? Ihre Erinnerungen an die Dorfschule waren untrennbar mit dem etwas kauzigen, aber liebenswürdigen und unendlich geduldigen Herrn verbunden, der bereits ihre Eltern unterrichtet hatte und bei dem auch sie zur Schule gegangen war. Die Vorstellung, nun womöglich die Kollegin ihres ehemaligen Lehrers zu werden, dünkte sie ziemlich spassig.

„Ist der alte Balsiger noch da?“, fragte sie unvermittelt in das Schweigen hinein.

„Nein, er ist vor einem Jahr pensioniert worden und ist weggezogen, ich glaube, in ein Häuschen am Thunersee“, sagte Toni und setzte die riesige Kaffeetasse an die Lippen. „Jetzt ist ein Neuer da, ein Junger.“

„So? Wie heisst er denn?“

„Weiss ich nicht mehr, hab’s vergessen. Er hat so einen komischen Namen, keinen einheimischen jedenfalls.“ Toni überlegte angestrengt. „Holm… Helmen… Ach, ich komme nicht darauf.“

„Helmstedt heisst er, Klaus Helmstedt“, kam ihm die Mutter zu Hilfe.

„Helmstedt? Das tönt in der Tat nicht sehr emmentalisch“, sagte Kathrin.

„Ist es auch nicht“, mischte sich der Vater ein. „Das ist ein deutscher Name. Die Eltern Helmstedt stammen aus Deutschland, wie man hört. Sie sind irgendwann in den Sechzigerjahren in die Schweiz gezogen, nach Bern. Dort ist Klaus zur Welt gekommen. Er spricht Berndeutsch wie jeder andere auch, du wirst mit ihm also nicht Hochdeutsch zu reden brauchen.“

„Na, so schlimm wäre das nun auch wieder nicht. Schliesslich haben wir an der PH fast nur Hochdeutsch gesprochen.“

„Er ist ein angenehmer junger Mann, geradlinig, bescheiden und aufrichtig, soweit ich es beurteilen kann“, sagte die Mutter. „Er wird dir gefallen.“

„Gefallen muss er mir ja nun nicht gerade. Eigentlich genügt es, wenn wir zusammen einigermassen auskommen.“

„Wer weiss? Vielleicht gefällt er dir ja doch. Es ist etwas Nobles an ihm. Man munkelt, seine Eltern seien adeliger Abstammung, und zum Familienbesitz gehöre irgendwo in Deutschland ein Schloss.“

„Zufällig weiss ich, dass er noch zu haben ist“, schmunzelte der Grossvater und zwinkerte Kathrin zu.

„Falls ihr meint, ihr könntet mich mit diesem deutschen Märchenprinzen verkuppeln, dann täuscht ihr euch gewaltig“, sagte Kathrin und drohte scherzhaft mit dem Finger. „Ihr müsst nämlich wissen, dass ich bereits vergeben bin.“

Die Mutter sah sie erstaunt an. „Was hört man da? Du hast einen Freund und hast uns nie von ihm berichtet? Was sind das aber auch für Sitten. Bekommen wir ihn vielleicht einmal zu sehen?“

Kathrin senkte schuldbewusst den Blick. „Nun reagier doch nicht gleich so eingeschnappt. Er heisst Rolf Graber und wohnt in Bern. Ich habe ihn euch nicht aus bösem Willen verheimlicht. Es ist nur so, dass er in manchen Dingen etwas eigenwillig ist. Ich habe ihn zum Beispiel bis jetzt noch nicht dazu überreden können, einmal mit mir hierher zu kommen. Er ist in der Stadt aufgewachsen und hat nicht den Familiensinn, wie wir ihn auf dem Land haben. Deswegen ist er aber noch lange kein übler Bursche.“

„Warum will er sich denn nicht zeigen? Hat mein künftiger Schwiegersohn etwas zu verbergen?“ Der Vater sprach ernst. „Wenn mit ihm alles in Ordnung ist, braucht er sich vor uns nicht zu verstecken.“

„Schwiegersohn? Wer spricht denn da gleich von Heirat? Meine lieben Eltern, nehmt es mir bitte nicht übel, aber heute denkt man nicht gleich ans Heiraten und Kinder kriegen, wenn man einen Freund hat.“

„Mag sein“, erwiderte der Vater. „Wir wollen’s vorläufig gut sein lassen. In der Stadt läuft eben manches anders als bei uns auf dem Land, und das ist vermutlich auch gut so. Wie auch immer: Er ist bei uns jederzeit willkommen, falls er uns einmal besuchen möchte.“

„Ich weiss“, sagte Kathrin. „Danke – und entschuldigt bitte. Ich hätte euch von ihm erzählen sollen. Vielleicht war ich einfach zu lange fort, um noch an solche Dinge zu denken. Von Bern nach hier ist es zwar nicht weit, aber dazwischen liegen Welten. So ist es mir jedenfalls vorgekommen.“

Der Grossvater nahm die Pfeife aus dem Mund und sagte:

„Es geschieht zuweilen, dass Kinder erwachsen werden. Und eines Tages nicht mehr alles mit den Eltern teilen wollen. Ja, das kommt vor. Ich habs selber erlebt. Einmal als Sohn. Und einmal als Vater. Meine Lieben, ihr wisst doch auch, wie das ist. Denkt einmal darüber nach. – So. Und nun möchte ich noch einen Schluck Kaffee. Du braust den besten Kaffee weit und breit, meine verehrte Schwiegertochter. Mit Ausnahme der Grossmutter, die nun freilich den Engeln Kaffee kocht.“ Er hielt Kathrins Mutter die Tasse hin.

Kathrin war dem Grossvater dankbar. Er hatte den Bann gebrochen, die Anspannung in der Atmosphäre gelöst.

Trotzdem war ihr noch immer ein wenig unbehaglich zu Mute.

Kapitel 3

Kathrin trat ins Lehrerzimmer, stellte einen Stapel Hefte auf dem Tisch ab und setzte die Kaffeemaschine in Betrieb. Vier Uhr nachmittags. Die Schule war aus – Schluss für heute.

Die junge Frau arbeitete jetzt schon seit dreieinhalb Wochen hier und hatte sich gut eingelebt. Bereits kam es ihr vor, als habe sie nie etwas anderes getan, als im Dorf zu unterrichten. Die Kinder waren nett, die Eltern auch, und das Schulhaus war mit zeitgemässen Lehrmitteln erstaunlich gut ausgestattet.

Die Tür ging auf.

„Hallo Kathrin. So, das hätten wir wieder einmal geschafft.“ Dann ein Schnuppern. „Mmm, wie riecht das hier aber fein nach Kaffee. Du, schenkst du mir bitte auch gleich eine Tasse ein, wenn du schon dabei bist?“

Das war Klaus, ihr Kollege. Er liess seine Mappe mit jungenhaftem Schwung auf den Tisch plumpsen, öffnete sie, entnahm ihr verschiedene Papiere, setzte sich und begann, die Unterlagen zu studieren.

Kathrin hatte sich mit ihm bereits vom ersten Augenblick an gut verstanden. Er war höflich und bescheiden, ohne langweilig zu sein; er interessierte sich für viele Gebiete, las gerne Bücher, befasste sich mit geschichtlichen Themen und hatte einen Hang zur Romantik. Er strahlte etwas Gefasstes, ungekünstelt Aristokratisches aus. Zuweilen kam ihn aber eine lausbübische Anwandlung an, die Kathrin an ihm besonders mochte, weil dann ein unbeschwerter, kindlicher Schalk aus seinen Augen blitzte.

„Hier, dein Kaffee.“

Kathrin stellte die Tasse vor ihm ab.

Er sah kurz auf. „Danke, das ist lieb“, sagte er und vertiefte sich sofort wieder in seine Papiere.

„Gern geschehen.“

Kathrin setzte sich auf ihren Platz ihm gegenüber. Sie sah ihm zu, wie er in seinen Unterlagen las und dazu am Kaffee nippte. Ihr wurde zum ersten Mal richtig bewusst, dass ihr 28-jähriger Kollege ein gut aussehender Mann war.